Epochale Umbrüche und ihre Auswirkungen
Oder: Die Dialektik von Betriebs- und verräumlichten Kämpfen


von Dieter Wegner

11/11

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August/September 2011

Was haben die Proteste, Bewegungen und Erhebungen in Nordafrika, Wisconsin (USA), Israel, Stuttgart, Spanien, Portugal, Griechenland gemeinsam? Scheinbar nichts. Der Versuch einer Beantwortung am Ende dieses Artikels.

Welcher historische Vergleich ist angemessen, wenn wir die Erhebungen in Nordafrika betrachten?
Am ehesten noch der mit der Revolution 1905/1906 in Rußland (und Warschau, das damals zu Rußland gehörte). Einmal, weil es eine angefangene Revolution war, quasi die Grundlage zur Revolution von 1917, zum anderen wegen der Wirkungen, die von ihr ausgingen. Die Auswirkungen werden wohl am besten von Rosa Luxemburg beschrieben in ihrer Broschüre: Massenstreik, die sie damals in Polen schrieb. Die revolutionären Kämpfe in Rußland waren ein Impuls, ein Weckruf für die ArbeiterInnen in Europa!

Die Erhebungen in Tunesien und Ägypten hatten schnell Auswirkungen in Spanien, Griechenland bis hin nach Wisconsin/USA, wo der Begriff geprägt wurde: Den ägyptischen Weg gehen. In Deutschland dagegen waren die Erhebungen in Tunesien und Ägypten kaum mehr als Medienereignisse, schon wieder fast vergessen und von anderen Ereignissen überlagert.

Was von Nordafrika zu lernen ist

Die Ereignisse von Stuttgart, Nordafrika, Israel, Griechenland und Spanien zeigen eine historische Veränderung der Kampfformen bzw. der Konstellation der Kampfformen. Es sind keine bisher gekannten oder erhofften Klassenkämpfe mehr, von Betrieben ausgehend, sondern von der Masse, meistens der Jugend. In Ägypten sind der Erhebung bzw den Platzbesetzungen Streiks vorausgegangen, die den Boden dafür bereiteten. Jedoch sind die Proteste auf dem Tahrir-Platz keine Verlängerung der Streiks gewesen, die seit 2008 stattfanden. Es ergänzen sich hier also zwei Phänomene, der Widerstand gegen soziale Not durch Streiks mit der klaren Forderung nach Arbeit oder mehr Lohn und das Phänomen der explosionsartigen Massenerhebung mit anfangs allgemeinen Parolen (Forderung nach „Freiheit“ auf dem Tahrir-Platz am ersten Tag).

Eine größere Wirksamkeit und Durchschlagskraft bekommen diese Volkserhebungen, wenn bzw falls sie die Betriebe ergreifen.

Der umgekehrte Mechanismus (die Initiative geht von den Prekären und Überflüssigen auf den Plätzen aus) zeugt davon, daß wir überall in den westlichen Ländern in den zentralen Wirtschaftsbereichen noch relativ gesicherte Kernbelegschaften haben, von denen bisher keine nachhaltige Rebellion ausging. Die Angst und die Wut ist bei den prekär Beschäftigten, bei den Perspektivlosen, Arbeitslosen größer als bei den Stammbelegschaften. Die prekär Beschäftigten haben in den Betrieben die Kernbelegschaften gegen sich, von denen sie eher als (minderbezahlte) Puffer angesehen werden, denn in solidarischer Weise als KollegInnen. Und sie selbst sind orientiert, in die Kernbelegschaft aufzusteigen.

Die vorhandene Wut äußert sich (noch) nicht als allgemeine Erscheinung offen und organisiert in den Betrieben sondern - als neue Erscheinung - örtlich, auf der Straße und auf den Plätzen. Wut flammt allerdings manchmal auf, wenn es ums Ganze geht, wenn der Betrieb geschlossen werden soll: Mdex (Bremen), Conti (Frankreich und Deutschland), BSH (Berlin). Durch entschiedenen Kampf kann die Schließung verzögert werden oder es können sehr gute Abfindungen herausgeholt werden. Selbst Kämpfe mit derartigen Teilerfolgen bleiben Ausnahmen, meistens findet die Liquidierung der Arbeitsplätze ziemlich geräuschlos statt. Hoffnungen der kämpfenden Belegschaften, daß sie wirksame Solidarität von anderen Belegschaften erfahren würden, erwiesen sich jedesmal als Illusion. So bei der Soli-Fahrt von Bussen der BSH-Belegschaft von Berlin nach München. So die Versuche der Conti-Belegschaft von Clairoix mit ihren Fahrten zu Conti-Hannover und Conti-Firmen in Frankreich. Der Funke sprang nicht über. Der Funke springt aber jetzt über in Spanien, in Griechenland, in Israel in den nordafrikanischen Staaten.

Die verräumlichten Kämpfe (Ausdruck bei RAS, Recht auf Stadt) und die Betriebskämpfe dürfen nicht als gegensätzlich gegenübergestellt werden. Die Massen auf den Plätzen und Straßen symbolisieren auf Grund ihrer Zahl und ihrer Hartnäckigkeit eine Kraft, ihren Willen können sie aber erst realisieren, wenn der Funke auf die Wirtschaft, das heißt auf die Betriebe, auf Kommunikationsstränge und das Verkehrsnetz übergreift und sich in Streiks, Betriebsbesetzungen und Sabotage verwirklicht. Der Klassenkampf ist komplizierter und vielfältiger geworden.

Rückblick

In den westlichen Ländern sammelte sich in den Betrieben, die aus Manufakturen entstanden waren (in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts) das Elend der Menschen mit Kinderarbeit, bis zu 16 Stunden Arbeit an sechs Tagen die Woche. Die Sozialisten hatten die Hoffnung, die Macht im Staate zu erobern durch Gewerkschaften und die sozialdemokratische (kommunistische) Partei. Sie bauten auf die Kraft der Massen in den Fabriken – und ihre Vertretung in den Parlamenten. Diese Verheißung ist nirgendwo in den Industrieländern in Erfüllung gegangen. Heute, im niedergehenden Industriekapitalismus, stellen die ArbeiterInnen mit ihren Massen diese Kraft nirgendwo mehr dar. Es gibt landesweit keine Fabrikhallen mit hunderten und tausenden von (Fach-)Arbeitern mehr. Dieser Kraftpol ist durch den technischen Fortschritt abhanden gekommen. Es gibt stattdessen eine unübersehbare Aufsplitterung in: Vollzeit-, Teilzeitbeschäftigte, Angehörigen von Fremdfirmen, LeiharbeiterInnen, von Firmen mit Werksverträgen, Ausgesourcten, usw, usw.

Eine Vorstellung, daß heute von Betriebskämpfen geschichtliche Impule ausgehen könnten, wie 1916-1918 in Berlin von den revolutionären Obleuten, ist illusionär. Die Belegschaften von Innse in Mailand und Bellinzona stellen Ausnahmen dar. Sie haben zwar gekämpft und gewonnen und sind Leuchtfeuer im industriellen Niedergang. Strategisch-ökonomisch sind sie bedeutungslos, während die revolutionären Obleuten (Berliner Metallarbeiter) eine strategische Stellung im Reich hatten und deshalb die Kämpfe der Novemberrevolution 1918 in Deutschland anführen konnten.
Die Menschen, die heute noch relativ sichere Vollzeit-Arbeitsplätze in der Wirtschaft haben, sind eine Minderheit. Die Mehrzahl haben prekäre oder gar keine Arbeit. Wenn sich heute Widerstand gegen das System äußern will, geschieht das deshalb zuerst außerhalb der Betriebe. Da wir (hier im Westen) in einer Phase der Entindustrialisierung leben, werden die Zahlen der Stammbelegschaften weiter abnehmen.

Unterschied der 68er Kämpfe zu heute

Die angefangenen Revolutionen in Nordafrika und die Erhebungen in Griechenland und Spanien und die Proteste gegen Stuttgart 21 zeichnet ein neues, wesentlich anderes Moment aus als die Bewegungen von 1968. Die Jugend- und Studentenbewegung endete damals, besonders in der Bundesrepublik, bei den meisten Aktiven in Organisationen mit autoritären Strukturen. Die autoritären Strukturen der Parteien KPD und SPD der Weimarer Republik feierten Wiederkehr, diesmal in vielen kleinen politischen Gruppen.

Heute drückt sich auf den Plätzen und Straßen eine Tendenz aus, die sich in Forderungen nach direkter Demokratie, realer Demokratie widerspiegelt. Und aktuell in horizontalen Strukturen praktiziert wird. Gegenüber autoritären Organisationen (Parteien und Gewerkschaften) herrscht Distanz und Ablehnung. Eine Tendenz, die sich gegen Stellvertreter wendet. Sie wollen selbst bestimmen und die Entscheidungen nicht aus der Hand geben. Und das ist gut so. Und hoffnungserweckend.

„Direkte“ Demokratie oder Rätedemokratie

Die Forderungen nach mehr Demokratie, nach direkter Demokratie, nach realer Demokratie, erst recht nach Partizipation sind Forderungen innerhalb des Systems, Erwartungen an die Politik und an Politiker, an den Staat.
Die geforderten Demokratie-Formen bestehen aus Verfahren des Volksentscheides, die das parlamentarische Verfahren ergänzen. Direkte Demokratie hält sich an die formale Definition des Volkssouveräns. Die Macht, jetzt etwas eingeschränkt, bleibt weiterhin bei den Herrschenden, bei der Bourgeoisie und ihren Organen, dem Parlament und ihren Verwaltungen.

Und dann gibt es Forderungen nach Selbstbestimmung, die Ablehnung dieses Systems, die Praxis der Selbstbestimmung auf den Plätzen. Darin wird der Rätegedanke deutlich, bei dem nicht mehr die verschiednen bürgerlichen Klassenfraktionen herrschen oder linke Stellvertreter sondern in dem sich die Herrschaft der produzierenden Massen ausdrückt – hier noch im Zustand der protestierenden Massen. Während Marx zu Beginn des industriellen Kapitalismus die Arbeiterklasse als universelle Klasse sah, weil sie universelles Leiden symbolisierte, müssen wir heute die universelle Klasse um die von der Lohnarbeit Ausgeschlossenen erweitern, die perspektivlos sind und deswegen rebellieren. Dazu gehören nicht nur die sich Erhebenden in Nordafrika, sondern auch die in Griechenland, Spanien und jetzt in England.

Bei den Erhebungen in Nordafrika wird zu verfolgen sein, ob der Rätegedanke weiterlebt, auch wenn sich in der Nachfolge Mubaraks erstmal autoritäre Strukturen mit Militär- und Muslimherrschaft etablieren sollten.
Was haben die Proteste, Bewegungen und Erhebungen in Nordafrika, Wisconsin (USA), Israel, Stuttgart, Spanien, Portugal, Griechenland gemeinsam? Scheinbar nichts.

Nachdem sich Jahrzehnte weltweit die Bevölkerungen (von einigen Ausnahmen in Staaten Lateinamerikas abgesehen) mehr oder minder der Privatisierung, der neoliberalen Wirtschaftsweise und der Globalisierung gebeugt haben, beginnt jetzt ein weltweites Aufbegehren, in jedem Land mit unterschiedlichen Ausprägungen. Die Proteste sind gegen materielle und ideelle Not gerichtet, die die kapitalistische Herrschaftsweise mit sich bringt. Die Forderungen sind oft auf eine Verbesserung oder Schaffung der formalen Demokratie gerichtet und auf eine Verbesserung der kapitalistischen Verhältnisse und nicht auf eine Abschaffung derselben. Die Zahl der Überflüssigen und Perspektivlosen wird aufgrund der kapitalistischen Produktionsweise, der es nur um erhöhte Profite und nicht um die Bedarfsdeckung der Menschen geht, zunehmen und damit auch ihre Kämpfe und ihre Radikalität. Die Radikalität der Kämpfe wird deshalb zunehmen, weil die Einsicht wächst, daß der Kapitalismus die Fähigkeit verloren hat, die jüngeren Menschen in Lohnarbeitsverhältnisse einzugliedern und sie damit zur Perspektivlosigkeit verdammt. In Spanien haben 49 Prozent der Jugendlichen keine berufliche Perspektive, in Deutschland sind es zur Zeit nur 9,5 Prozent.

Dem System bleibt nur noch die Möglichkeit, die Bevölkerungen mit Versprechungen hinzuhalten, das heißt auf Zeit zu spielen oder mit restriktiven Mitteln niederzuhalten. Die Zeit läuft gegen die demokratisch-kapitalistische Herrschaftsform.

Nachsatz zur occupy-Bewegung (3.11.2011)

Vor über vier Wochen begannen die Proteste in New York (occupy wall street), übergreifend auf viele Städte in den USA und in Westeuropa. Auch dies ordne ich unter „epochaler Umbruch“ ein, da nach Jahrzehnten widerstandslosem Hinnehmen der Verhältnisse und Resignation sich endlich organisierter Widerstand regt, in welchen Formen auch immer und wie klein auch immer noch. Die Ursache des Antriebs der Aktivistinnen und Aktivisten ist persönliche Betroffenheit, sie stehen existenziell oft mit dem Rücken an der Wand und es wird die Ursache der Misere benannt, der Kapitalismus! Auch wenn es noch in diffuser und widersprüchlicher Weise geschieht: Es werden Personen angeklagt, Banker oder Politiker, es wird unterschieden zwischen realem, gutem Kapital und Finanzkapital. Es dürfte noch an Klarheit fehlen, die Ursachen ihrer Misere rein im Kapitalverhältnis zu suchen.

Was die occupy-Bewegung jedoch von der Jugendbewegung von „1968“ unterscheidet, wenn man denn eine Parallele zu ihr ziehen will, daß sie eine „horizontale“ Bewegung ist – und voraussichtlich nicht in autoritäre oder vertikale Strukturen übergeht. Ja, es scheint ein Wesensmerkmal von ihr zu sein, reale, direkte, echte Demokratie zu betonen und zu versuchen in der Praxis, das heißt beim Zusammenleben auf den Plätzen schon zu praktizieren.
Was an die Bewegung von 1968 erinnert, ist natürlich ihr plötzliches und überraschendes Auftauchen, daß sie in den USA entstand und auf die westlichen Staaten übergriff. Eine Unterscheidung ist natürlich, obwohl damals und heute jeweils meist jüngere Menschen an ihr beteiligt waren und sind, daß die Menschen damals noch eine berufliche Perspektive hatten, was heute im niedergehenden Industriekapitalismus des Westens nicht mehr der Fall ist. Wie lange die Protestform des occupy noch dauert, beziehungsweise geduldet wird ohne hartes Durchgreifen, ist nicht vorauszusagen. Einen Erfolg, einen Fortschritt stellt die occupy-Bewegung nur dar, falls sich aus ihr dauerhafte Organisationsformen bilden wie locker oder fest auch immer!

Die Aufgabe, effektive Formen der Formulierung ihrer Ziele und des Handelns zu finden, steht noch vor ihr.
Der Begriff „verräumlichte Kämpfe“ tauchte meines Wissens erst im Frühjahr dieses Jahres auf – innerhalb der Recht auf Stadt–Initiativen in Hamburg. Die occupy-Bewegung ist unbedingt hier einzuordnen.

Präziseres zu occupy-Hamburg

Zu obiger Einschätzung kam ich nach dem Lesen von Berichten über die occupy-Bewegung und ersten Kontakten zu AktivistInnen auf dem Gerhart Hauptmann Platz in Hamburg. Diese Einschätzung präzisiert und korrigiert sich nach etlichen Gesprächen. Ich stelle mir die Frage: Welche Energie, welche Überzeugungen treibt Menschen, seit dem 15. Oktober auf einem Platz in der Innenstadt auszuharren? Einige von ihnen leben in den Kleinzelten, einige kommen jeden Tag nach der Arbeit, quasi zu einer zweiten Schicht. Inzwischen stehen dort 35 Zelte, über Internet ist der occupy-Kreis um einige hundert größer als die Sichtbaren auf dem Platz. Es ist die Wut auf die Verhältnisse und die Einsicht, daß bei den vorhandenen Ressourcen alles ganz anders sein könnte, die sie dazu bringt, nicht nur im internet ihren Protest abzulassen sondern einen Ort dafür zu finden und dort als Zeichen ihrer Entschlossenheit auszuharren. Sie sind keine realitätsfernen Esoteriker, auf Kuschel- statt auf Konfrontationskurs, ähnlich der Hippie-Bewegung in den 60ern.

Ob viele der AktivistInnen auf dem Platz politische Erfahrungen in Organisationen gemacht haben und ihre Aktivität jetzt eine Reflektion davon ist oder „nur“ ein Ergebnis ihrer täglichen Erfahrung und kritisch-wacher Beobachtung der Verhältnisse, weiß ich nicht. Letzteres wäre ja noch höher zu bewerten. Ich werte es auch als bemerkenswert, daß ihre persönliche materielle und ideelle Betroffenheit sich nicht in Forderungen zu Verbesserungen ihrer persönlichen Lage zeigen sondern in einer fundamentalen Kritik am Kapitalismus als Verursacher der Gesamtmisere.
Sie argumentieren, daß all die Kämpfe und Konfrontationen der letzten Jahrzehnte ja selten erfolgreich waren.

Wir, die wir unsere politische Prägung in der 68er Bewegung, der Umweltbewegung oder als AktivistInnen in den Gewerkschaften bekommen haben, stoßen auf eine andere Welt. Uns prägte die Konfrontation mit dem Klassengegner. In Gesprächen auf dem Platz stellt man fest, daß man in der Verständigung über die politische Situation die gleiche Sprache spricht. Sie erleben auf den Arbeitsplätzen das gleiche wie wir, sie beobachten den Wahnsinn des Kapitalismus mit dem gleichen Interesse – ziehen in ihrem Verhalten allerdings andere Schlüsse. Für uns sind die Kapitalisten Klassengegner, für sie sind es kranke Menschen. Sie begegnen ihnen nicht als Feinde sondern als Rädchen im Getriebe, als Opfer. Deshalb wird man bei den aushängenden Zetteln und Transparenten an Gandhi und Buddhismus erinnert. Ich stelle mir die Frage: Wenn schon WIR so erstaunt und erst mal nichtverstehend auf diese Bewegung reagieren, wie ergeht es dann den Herrschenden, den Bänkern, Politikern? Die AktivistInnen von occupy sagen den Herrschenden die Wahrheit über die Auswirkungen des Kapitalverhältnisses ins Gesicht. Und die Herrschenden können keine Angriffe oder Aggressivität von ihnen zum Anlaß nehmen, sie zu schlagen – wie sie es bei Linken immer praktiziert haben. So ist die derzeitige Konstellation – ihre Auflösung wird spannend.
Während in Hamburg am Wochenende 4 500 Menschen gegen zu hohe Mieten demonstrierten, bewacht von 1 500 (!) Polizisten, ist der Gerhart Hauptmann Platz polizeilos, es kommen ab und zu ein paar Polizisten vorbei, trinken einen Kaffee, klönen und sagen ihnen, daß sie die gesellschaftliche Misere genau so sehen (zumal ihnen von der SPD-Alleinregierung gerade massiv das Weihnachtsgeld gekürzt wurde). Polizisten wurden noch nicht gerufen, obwohl sich einige Außenseiter der Gesellschaft sehr angezogen fühlen von den Versammelten und störten. In deutlicher Körpersprache wurde man mit ihnen „fertig“.

Als an einem Montagabend das kleine Häuflein MontagsdemonstrantInnen lautstark mit Musike von ihrem Protestort zum Gerhart-Hauptmann Platz kam, ergriff ein Kollege, der 2004 als Gewerkschafter und Aktivist von attac schlechte Erfahrungen mit der MLPD um die Vorherrschaft bei den Montagsdemos gemacht hatte, das Mikrophon ergriff und die Demonstranten von der MLPD ausdrücklich „nicht willkommen“ hieß, wurde er besänftigt und alle hörten sich dann ein paar kurze Reden der MontagsdemonstrantInnen an, alles ganz unaufgeregt. „Wir wissen doch, daß Montagsdemo und MLPD ziemlich identisch ist“, kommentierten sie.

Auf dem Platz sind keine Symbole von Parteien oder Gewerkschaften gestattet. Mir kam es so vor, als kennten sie den Satz von Gianni Frizzo, den dieser an die UnterstützerInnen von Officina in Bellinzona richtete: Keine parteipolitischen Etiketten!
 

Editorische Hinweise
Wir
erhielten den Text vom Autor, der bei Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg aktiv ist.