Am Dienstagabend wurde der von der Industrie- und Handelskammer
(IHK) abgehaltene „Immobilien Jour Fixe“ zum neuen
Innenstadtkonzept durch eine kreative Protest-Aktion gestört.
Die etwa 40 Beteiligten waren dem Aufruf der IHK gefolgt, laut
dem das neue Konzept einer Umgestaltung der Frankfurter
Innenstadt durch Dieter von Lüpke, Leiter des
Stadtplanungsamtes, erläutert und anschließend in einer vom IHK
ausgewählten Expertenrunde diskutiert werden sollte.
„Dass die vorgesehene Neustrukturierung eindeutig dazu dienen
soll, die Stadt Frankfurt als logistischen Raum für Tourismus
und Konsum noch attraktiver zu machen und die aktuell drängenden
sozialen Fragen nicht beachtet, wurde nicht nur durch die
besprochenen Themen, sondern auch durch die Auswahl des
Expertenteams, welches ausschließlich aus Vertreter_innen der
Bau- und Immobilienwirtschaft, dem Einzelhandel, Tourismus und
Verkehr bestand, deutlich.“ so eine Sprecherin aus der Gruppe.
Zwar wurde der halbherzige Versuch gemacht, die von den
Maßnahmen betroffenen Bürger_innen mit Hilfe von
Planungswerkstätten an Konzeption und Ausführung der
Aufwertungsmaßnahmen zu beteiligen, jedoch nur in unwichtigen
Details der Ausgestaltung, wobei grundsätzliche ökonomischen
Interessen der zuständigen Stadtverwaltung und gewisser
Wirtschaftszweige nicht infrage gestellt werden können. So sieht
das Innenstadtkonzept eine Vergrößerung und den Ausbau von
Gewerbeflächen und Büroräumen vor, ignoriert dabei aber
vorsätzlich die momentan aktuelle und brennende
Wohnraumsituation der Stadt.
Die Wünsche und Bedürfnisse breiter Bevölkerungsgruppen, sowohl
nach bezahlbaren Wohnräumen, als auch die Proteste gegen
Mietvertreibungen und der fortschreitenden Verdrängung von
kleinen zugunsten von großen Unternehmen wurden willentlich
ignoriert.
Dieser grundsätzlich sich widersprechenden Vorstellung einer
neuen, konsum- und wirtschaftsorientierten Frankfurter
Innenstadt und den Interessen der Bevölkerung, denen sich auch
die störende Gruppe verpflichtet fühlt, machte eine inhaltliche
Beteiligung und Auseinandersetzung mit den Redner_innen der
Veranstaltung von vorneherein unmöglich.
Aus diesem Grund entschloss sich die Gruppe, ihrem Protest gegen
eine einseitige und die soziale Frage gänzlich ignorierende
Stadtplanungspolitik einen kreativen Ausdruck zu geben. Dies
geschah in Form von lautem Jubel bei der Erwähnung von für das
Innenstadtkonzept charakteristischen Begriffen wie z.B. „soziale
Durchmischung“, was nichts anderes bedeutet, als eine
Verdrängung sozial Benachteiligter zu Gunsten besser situierter
Bevölkerungsschichten.
Die lang anhaltenden Beifallsstürme sollten die radikale
Ablehnung gegenüber dieser Veranstaltung und ihrem Inhalte
bekunden und deren Erläuterung verhindern.
Die Reaktionen des Publikums in Form von Ausrufen wie „Die
füttern wir doch alle durch, die scheiß Sozialschmarotzer!“ und
der Veranstalter auf diese Meinungsbekundungen spiegelten das
Verhältnis von Wirtschaft und Politik zu den in jüngster Zeit
verstärkten Auseinandersetzungen um die problematische
Wohnungspolitik, die ihren Ausdruck auch in der Besetzung der
Schumannstrasse 60 fand, in der Studierende der Goethe
Universität ihr Recht auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum
in einer illegalisierten Aktion geltend zu machen suchten.
Scheinbar scheint der Einsatz von Polizeikräften die einzige Art
und Weise zu sein, mit der in Frankfurt am Main auf
nachdrückliche soziale Forderungen der Bürger und
Selbstbestimmung reagiert wird.
Hinsichtlich des überzogenen Aufgebots von zwei Dutzend
Uniformierten und bis zu 15 Polizisten in Zivil, die trotz eines
freiwilligen Verlassens der Protestler des Konferenzraumes
repressiv und übertrieben gegen die Gruppe vorgingen, wird die
Angst vor solchen Protesten deutlich.
„Dies betont noch einmal verstärkt deutlich, wie stark die
Interessenlage zwischen Politik und Bürger_innen auseinander
geht, und dass eine Durchsetzung sozialer Wünsche und
Bedürfnisse nicht in Zusammenarbeit mit Politik, Wirtschaft und
Verwaltung, sondern vor allem durch massiven und entschlossenen
Protest zu erreichen ist.“
Darum wird diese Aktion auch sicher nicht die letzte dieser Art
in Frankfurt gewesen sein.
Die frenetisch jubelnden Anhänger_innen der wirtschaftskonformen
Stadtplanung
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Text von den AutorInnen für
diese Ausgabe.