Erneute Jubelaktion gegen Stadtpolitik
40 Personen begleiten IHK-Veranstaltung zum Innenstadtkonzept mit lautem Jubel

von
der Gruppe "Jubelnde Anhängerinnen"

11/11

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onlinezeitung

Am Dienstagabend wurde der von der Industrie- und Handelskammer (IHK) abgehaltene „Immobilien Jour Fixe“ zum neuen Innenstadtkonzept durch eine kreative Protest-Aktion gestört. Die etwa 40 Beteiligten waren dem Aufruf der IHK gefolgt, laut dem das neue Konzept einer Umgestaltung der Frankfurter Innenstadt durch Dieter von Lüpke, Leiter des Stadtplanungsamtes, erläutert und anschließend in einer vom IHK ausgewählten Expertenrunde diskutiert werden sollte.

„Dass die vorgesehene Neustrukturierung eindeutig dazu dienen soll, die Stadt Frankfurt als logistischen Raum für Tourismus und Konsum noch attraktiver zu machen und die aktuell drängenden sozialen Fragen nicht beachtet, wurde nicht nur durch die besprochenen Themen, sondern auch durch die Auswahl des Expertenteams, welches ausschließlich aus Vertreter_innen der Bau- und Immobilienwirtschaft, dem Einzelhandel, Tourismus und Verkehr bestand, deutlich.“ so eine Sprecherin aus der Gruppe.

Zwar wurde der halbherzige Versuch gemacht, die von den Maßnahmen betroffenen Bürger_innen mit Hilfe von Planungswerkstätten an Konzeption und Ausführung der Aufwertungsmaßnahmen zu beteiligen, jedoch nur in unwichtigen Details der Ausgestaltung, wobei grundsätzliche ökonomischen Interessen der zuständigen Stadtverwaltung und gewisser Wirtschaftszweige nicht infrage gestellt werden können. So sieht das Innenstadtkonzept eine Vergrößerung und den Ausbau von Gewerbeflächen und Büroräumen vor, ignoriert dabei aber vorsätzlich die momentan aktuelle und brennende Wohnraumsituation der Stadt.

Die Wünsche und Bedürfnisse breiter Bevölkerungsgruppen, sowohl nach bezahlbaren Wohnräumen, als auch die Proteste gegen Mietvertreibungen und der fortschreitenden Verdrängung von kleinen zugunsten von großen Unternehmen wurden willentlich ignoriert.

Dieser grundsätzlich sich widersprechenden Vorstellung einer neuen, konsum- und wirtschaftsorientierten Frankfurter Innenstadt und den Interessen der Bevölkerung, denen sich auch die störende Gruppe verpflichtet fühlt, machte eine inhaltliche Beteiligung und Auseinandersetzung mit den Redner_innen der Veranstaltung von vorneherein unmöglich.
Aus diesem Grund entschloss sich die Gruppe, ihrem Protest gegen eine einseitige und die soziale Frage gänzlich ignorierende Stadtplanungspolitik einen kreativen Ausdruck zu geben. Dies geschah in Form von lautem Jubel bei der Erwähnung von für das Innenstadtkonzept charakteristischen Begriffen wie z.B. „soziale Durchmischung“, was nichts anderes bedeutet, als eine Verdrängung sozial Benachteiligter zu Gunsten besser situierter Bevölkerungsschichten.
Die lang anhaltenden Beifallsstürme sollten die radikale Ablehnung gegenüber dieser Veranstaltung und ihrem Inhalte bekunden und deren Erläuterung verhindern.

Die Reaktionen des Publikums in Form von Ausrufen wie „Die füttern wir doch alle durch, die scheiß Sozialschmarotzer!“ und der Veranstalter auf diese Meinungsbekundungen spiegelten das Verhältnis von Wirtschaft und Politik zu den in jüngster Zeit verstärkten Auseinandersetzungen um die problematische Wohnungspolitik, die ihren Ausdruck auch in der Besetzung der Schumannstrasse 60 fand, in der Studierende der Goethe Universität ihr Recht auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum in einer illegalisierten Aktion geltend zu machen suchten.

Scheinbar scheint der Einsatz von Polizeikräften die einzige Art und Weise zu sein, mit der in Frankfurt am Main auf nachdrückliche soziale Forderungen der Bürger und Selbstbestimmung reagiert wird.

Hinsichtlich des überzogenen Aufgebots von zwei Dutzend Uniformierten und bis zu 15 Polizisten in Zivil, die trotz eines freiwilligen Verlassens der Protestler des Konferenzraumes repressiv und übertrieben gegen die Gruppe vorgingen, wird die Angst vor solchen Protesten deutlich.

„Dies betont noch einmal verstärkt deutlich, wie stark die Interessenlage zwischen Politik und Bürger_innen auseinander geht, und dass eine Durchsetzung sozialer Wünsche und Bedürfnisse nicht in Zusammenarbeit mit Politik, Wirtschaft und Verwaltung, sondern vor allem durch massiven und entschlossenen Protest zu erreichen ist.“

Darum wird diese Aktion auch sicher nicht die letzte dieser Art in Frankfurt gewesen sein.

Die frenetisch jubelnden Anhänger_innen der wirtschaftskonformen Stadtplanung

Editorische Hinweise
Wir erhielten den Text von den AutorInnen für diese Ausgabe.