Auswertung der Blockade des „Nationalen“ Antikriegstag  am 4. September 2010
 
vom Bündnis "Dortmund stellt sich Quer!"

11/10

trend
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Zum sechsten Mal in Folge planten Faschisten am Antikriegstag in Dortmund einen Demonstrationszug durchzuführen. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg militanter Neonazis entwickelt. Brutale Übergriffe auf linke Jugendliche, alternative Buchläden, Parteibüros und Privatwohnungen von Antifaschistinnen und Antifaschisten
häufen sich. Am 1. Mai 2009 griffen Neofaschisten die 1. Mai-Demo des DGB in Dortmund an. Unter dem Deckmantel von Antikriegsparolen versuchen sie in der Öffentlichkeit auch bis ins bürgerliche Lager hinein, für ihren menschenverachtende Dreck zu werben. All dies ist Anlass genug effektiven antifaschistischen Protest auf die Straße zu bringen, um den RassistInnen und Neo-FaschistInnen endlich etwas entgegen zu setzen. Gegen-Demonstrationen und Kundgebungen sind dabei zwar Teil des Protests, reichen aus unserer Sicht jedoch nicht aus, um dem Erstarken der Rechten in Dortmund ein Ende zu bereiten. Um dies zu erreichen muss ihnen die Möglichkeit der öffentlichen Show genommen werden.

Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ (DSSQ) fand sich daher zusammen, um die angeblichen Antikriegsparolen der Neo-Nazis als rassistisch zu enttarnen und den Vormarsch der rechten Strukturen in Dortmund endgültig zurück zu drängen. Unser erstes Ziel auf diesem Weg war die Blockade des Nazi-Aufmarschs im September 2010.

ns-renegade schreibt in einem Nazi-Forum:

„…was soll ich sagen. Das Ganze war
eine ziemlich Enttäuschung in jeder Hinsicht.
Wir sind […] weit früher als geplant gegangen.
auch hier zeichnet sich das gleiche wie in Dresden ab.
Es ist kaum noch möglich nationale Großveranstaltungen
entsprechend gut geplant durchzuführen.“

Jenseits der Diskussion, ob das viel zitierte Beispiel „Dresden“ als Vergleich an dieser Stelle tatsächlich angemessen ist oder nicht, ist es doch bemerkenswert, dass in Nazi-Foren solche Vergleiche gezogen werden.
Der Frust über die zunehmenden erfolgreichen Anti-Nazi Aktionen scheint doch ziemlich hoch zu sein.
Wir sind daher davon überzeugt, dass Massenblockaden auch in Zukunft ein Mittel sind, größere Aufmärsche von Neo-Nazis effektiv zu behindern oder sie sogar zu verhindern. Entscheidendes Element dabei ist der bewusste Brückenschlag zwischen der radikalen und der bürgerlichen Linken, denn nur gemeinsam wird es möglich den Nazis das Wasser abzugraben. Wir setzen uns daher auch zukünftig für ein gemeinsames Agieren ein und werden unsere
Anstrengungen hier noch verstärken.

Venceremos – dies ist unser gemeinsamer Erfolg

Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ war das einzige Bündnis, das sich von Beginn an konsequent und transparent der Blockade des „Nationalen“ Antikriegstages verschrieben hatte und folgerichtig auch alle Aktivitäten auf dieses Ziel ausrichtete. Durch dieses klare Bekenntnis wurden endlich neue Pfade in Dortmund eröffnet, die zukünftig zu breiten Wegen ausgetrampelt werden müssen. Dabei werden wir auch im Jahr 2010 alle Kräfte, die sich gegen Krieg und Faschismus einsetzen dazu einladen, sich in unserem Bündnis zu engagieren.

Denn Dortmund kann noch besser!

Der Fortschritt der Protestkoordination war in diesem Jahr deutlich zu erkennen: Die Bahnzufahrten in den HBF konnten über zwei Stunden blockiert werden, was erstmals dazu führte, dass die Anreise der Neo-Nazis nicht planmäßig ablaufen konnte. Durch den Rummel am HBF war an eine geordnete Anreise der Rechten nicht mehr zu denken. In diesem Zusammenhang sehen wir auch den spontanen Aufzug einiger Hundert Nazis in einem Dortmunder Außenbezirk. Den Nazis war zuvor ediglich eine stationäre Kundgebung am P&R (DO-Hafen) genehmigt, die aber derartig langweilig und vergleichsweise schlecht besucht war (nur ca. 500 TeilnehmerInnen), dass viele der Neo-Nazis vorzeitig die Heimreise antraten. Die Kundgebung fand schließlich fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Entgegen der Behauptungen von rechter Seite, die Kundgebung wäre erfolgreich bis 22:00 Uhr durchgezogen worden, konnten DSSQ schon um 19:54 Uhr die gesicherte Meldung rausgeben: „Erste Nazis geben gelangweilt auf und entfernen sich von der Kundgebung.“ Über den ganzen Tag hinweg und bis spät in die Nacht hinein gab es bis zur Freilassung aller Ingewahrsamnahmen Informationen über den DSSQ-Ticker. Nach der Blockade im und vor dem Hauptbahnhof gelang es zumindest teilweise DemonstrantInnen über das Meldersystem durch die Stadt zu navigieren und valide Informationen über den Ticker zu senden. Selbst die bürgerliche Presse berichtete wohlwollend über die Blockaden.

Auch im Bündnisaufbau und in der Kooperation mit anderen Zusammenschlüssen gab es im Vergleich zum letzten Jahr entscheidende Fortschritte. Das ganze Wochenende gab es einen Ermittlungsausschuss, der alle Fälle bearbeitete
bis auch die letzten Gefangenen aus der GeSa entlassen wurden. An dieser Stelle ein großes Danke an das gesamte Legal-Team. Über den Ticker des Bündnisses konnten die Protestierenden am Blockadetag durch ein gut koordiniertes Melder-System stets valide Informationen beziehen.

Leider ist es nicht gelungen ausreichend Menschen auf die Bahnsteige im Bahnhof zu mobilisieren. Fünfhundert Menschen mehr, die von der Polizei geräumt werden müssten, hätten die Anreise der Nazis vielleicht gänzlich verhindert. Die Koordination der Protestierenden nach der geräumten Blockade war für das Bündnis dann allerdings recht schwer, da die entsprechenden Ressourcen begrenzt waren. Dennoch gelang es zumindest teilweise auch nach der Blockade größere Gruppen im Stadtteil zu leiten und sie an strategisch wichtige Punkte zu navigieren. Kein Vergleich, zu der chaotischen Situation im letzten Jahr. Für das nächste Jahr müssen die Bündnisstrukturen ausgebaut werden und diejenigen Organisationen, die bereits dieses Jahr dabei waren, sicher stärker eingebunden werden. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir für solidarische und konstruktive, d.h. nach vorne gerichtete Kritik dankbar sind und diese ernst nehmen. Auf Unverständnis stößt bei uns allerdings der Vorwurf, dass die Blockade des „Nationalen“ Antikriegstages nicht bis ins Kleinste perfekt abgelaufen sei und daraus doch der Schluss zu ziehen wäre, sich am besten gar nicht zu positionieren, keine Aktivitäten zu planen und am besten zu Hause zu bleiben. Eben diese unpolitische Haltung hat dazu geführt, dass Rechte inzwischen einen ganzen Stadtteil für sich beanspruchen.

Als „Dortmund stellt sich quer“ werden wir den antifaschistischen Kampf immer wieder aufs Neue führen und dabei auch Rückschläge, Fehler und Unvollkommenes hinnehmen, denn nur „wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Mit diesem Zitat von Rosa Luxemburg vollen wir schließen und gleichzeitig zu einem Dialog über die kommende Blockade des „Nationalen“ Antikriegstages im kommenden Jahr einladen, denn eines steht für uns fest: Wir werden 2011 wieder zu einer Blockade aufrufen, dann hoffentlich mit noch mehr Protestierenden und Organisationen.

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten die Auswertung am 9.11.2010 von den AutorInnen zur Veröffentlichung.