Während die
halbe Linke darauf wartet, dass die Wirtschaftskrise endlich
auch mal die bundesdeutschen Lohnabhängigen zu Taten reizt,
kämpfen seit Monaten Beschäftigte des Kinos Babylon Mitte in
Berlin nicht nur für höhere Löhne und sichere
Arbeitsverhältnisse, sondern auch für Würde, Mitbestimmung, ja
sogar für Gewerkschaftsfreiheiten, die in Deutschland ganz
offensichtlich rar sind. Hartnäckig bestehen Sie auf ihren
Forderungen und darauf, nicht entmündigt zu werden, so dass
sie mittlerweile nicht nur im Konflikt mit der
Geschäftsführung, sondern auch mit ver.di stehen, die sich
unter dubiosen Umständen eingeklinkt hat. Selten hat ein so
kleiner Betriebskonflikt solche Wellen geschlagen, selten
solche eine Hartnäckigkeit gezeigt. Um die endlich in den
Griff zu bekommen, greifen die Opponenten zu allen Mitteln.
Nun wird gar ein Gewerkschaftsverbot bemüht. Spätestens jetzt
sollte klar sein: Babylon geht alle an!
In dieser
Woche sollte eigentlich die zweite Verhandlungsrunde zwischen
ver.di und der Geschäftsführung des Babylon Mitte um einen
Tarifvertrag stattfinden. Wie das „Neue Deutschland“ am 20.11.
berichtete, wurde diese nun aber vertagt (
http://www.neues-deutschland.de/artikel/159531.verhandlungen-ohne-beschaeftigte.html).
Warum und auf welchen Zeitpunkt, erfährt mal wieder niemand,
auch nicht diejenigen, um die es geht: die Beschäftigten. Die
Desinformationspolitik von ver.di ist man mittlerweile ja
gewohnt, hat doch der selbsternannte ver.di-Verhandlungsführer
Köhn niemals Zweifel daran gelassen, dass er auf einen
wirklichen Einbezug der Betroffenen keinen Wert legt.
Vielleicht geschieht das deswegen, dass man alles möglichst
spät erst preisgeben möchte (der Tarifvertrag soll zum 1.
Januar gelten), um möglichst wenig Raum für Einsprüche zu
bieten. Nach der ersten Verhandlungsrunde zumindest musste
sich Herr Köhn einiges anhören, wurde doch deutlich, dass sich
ein niedriges Ergebnis abzeichnet und die vielen zentralen
Forderungen der Belegschaft (siehe
http://prekba.blogsport.de/2009/10/21/die-belegschaft-fordert/)
unberücksichtigt bleiben.
Vielleicht möchte man das Ergebnis auch deswegen soweit
hinauszögern, um Zeit zu gewinnen, z.B. weil man einem
Wiedererstarken der Aktivitäten von FAU und aktiven
Beschäftigten wenig Vorschub leisten möchte. Denn womöglich
gibt es Grund zum Fürchten, dass diese das Ergebnis nicht
hinnehmen und wieder in die Offensive gehen könnten.
Aber vielleicht auch steht das damit im Zusammenhang, dass der
Betriebsrat mit seinem Drängen auf Betriebsvereinbarungen und
die Betriebsgruppe der FAU nach wie vor unbequem sind und auch
der FAU Berlin nach dem Anti-Boykott-Urteil nach wie vor
zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung stehen (vom weiteren
Kampf für einen eigenen Vertrag bis zu hin zur Einforderung
nichttariflicher Regelungen mit der Gewerkschaft), die man
erst mal noch weiter ausschalten möchte. Denn – Überraschung,
Überraschung! – jetzt droht die Geschäftsführung gar mit einer
Einstweiligen Verfügung, dass die FAU Berlin nicht mehr als
Gewerkschaft auftreten dürfe. Das würde faktisch einem
Gewerkschaftsverbot gleichkommen. Mal sehen, ob die
Geschäftsführung wirklich diesen Schritt hin zu türkischen
Verhältnissen wagt und damit endgültig zeigt, was sie von
ArbeiterInnenrechten und Gewerkschaftsfreiheit hält. Ob dann
die massiven Subventionen für das angeblich „linke“ Kino für
die „linke“ Linkspartei noch tragbar sind? Und wie steht wohl
ver.di zu dem Versuch eines Gewerkschaftsverbots? Ob Köhn
munter weiter mit der Geschäftsführung schnackt, statt sich
endlich mal an die Seite der KollegInnen zu stellen? Klar
dürfte sein: die Sache ist explosiv.
Und vielleicht auch liegt es daran, dass Herr Köhn sich nicht
sicher ist, wie er das Ergebnis legitimieren soll. Zuletzt war
die Kritik gegen ihn auch ver.di-intern gewachsen, weil das
Untragbare in seinem Vorgehen immer offensichtlicher wurde.
Lehnte er es zwischenzeitlich ab, dass das Ergebnis überhaupt
abgestimmt werden sollte, musste er nun einräumen, dass die
ver.di-Mitglieder es abstimmen dürfen sollen. Da darf man
gespannt sein. Denn mittlerweile ist bekannt, dass eines der
ominösen Vier schon länger nicht mehr im Babylon beschäftigt
ist. Ein anderes hat seine Mitgliedschaft zum nächst möglichen
Zeitpunkt gekündigt. Von Nummer drei munkelt man, dass es eher
in der Chefetage angesiedelt sei. Und der Letzte, nun, der
protestiert schon länger vehement gehen Köhns Vorgehen. Wer da
wohl Köhn herbeigerufen hat und ihm ein „Mandat“ für
Verhandlungen gab?
Oder vielleicht macht der unberechenbare Geschäftsführer
Grossman das Spielchen gar nicht mehr so mit und denkt sich,
dass Herr Köhn doch gar nichts in der Hand habe, um wirklich
etwas durchzusetzen. Oder es ist etwa schon alles unter Dach
und Fach und man versucht ein Bild von Unstimmigkeiten und
Problemen zu erzeugen, um bloß nicht die Vorwürfe aus der
Belegschaft und von FAU zu nähren, dass Machenschaften im
Spiel sind. Oder, oder, oder…
Man weiß es nicht. Im Dunkeln ist gut Munkeln, wie man so
schön sagt. Wo jegliche Transparenz vermieden wird, bleiben
halt nur noch die Mutmaßungen. Sowohl Köhn als auch
Geschäftsführung scheinen das so zu wollen.
Mit dem jetzigen, irrsinnigen Ansinnen eines
Quasi-Gewerkschaftsverbots sollte wohl endlich allen klar
sein, um was es alles im Babylon geht. Das Babylon ist zu
einem Miniaturabbild der bundesdeutschen Arbeitsbeziehungen
geworden. Es liefert einen deutlichen Vorgeschmack, was andere
ArbeiterInnen zu erwarten haben, wenn sie es wagen, ihre
Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen und mehr als nur die
typischen Krümel zu fordern. Alle Register werden hier
gezogen, um eine aufmüpfige Belegschaft und eine kleine,
aufstrebende Gewerkschaft niederzuhalten. Die FAU darf sich
geehrt fühlen. Wie einst Bebel sagte, „Lobt dich der Gegner,
dann ist das bedenklich, schimpft er, dann bist du in der
Regel auf dem richtigen Weg.“ Da hier nicht nur geschimpft,
sondern an allen Fronten getobt und gewütet wird, dürfte die
Berliner FAU wohl (fast) alles richtig gemacht haben.
Und sie macht es weiter, wenn auch für viele Außenstehende
unbemerkt. Wer die Beschäftigten und die FAU dabei
unterstützen möchte, sollte sich direkt an sie wenden. Sie
informiert erfahrungsgemäß auch gerne aus erster Hand und hat
das eine oder andere Informationsbonbon zu bieten.
Editorische
Anmerkungen
Wir spiegeln den Artikel zu
Dokumentationszwecken von Indymedia, wo er am 22.11.2009
erschien.
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