Material zum Thema "Schülerknast"
Eingreiftruppe für den "Problemkiez"
Braucht der Schillerkiez eine "Task-Force Okerstraße"? Anwohner und Politiker diskutieren


von Peter Nowak

11/09

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Die Genezarethkirche in Neukölln war am Dienstagnachmittag bis auf den letzten Platz gefüllt. Polizeiwagen vor dem Eingang und zahlreiche Kamerateams machten deutlich, dass es nicht um einen Gottesdienst ging. Das Quartiersmanagement Schillerpromenade hatte zur Debatte über die Task-Force Okerstraße eingeladen. Dieses nach seinem Büro in der Okerstraße benannte Team von Streetworkerinnen und SozialarbeiterInnen hat in den vergangenen Monaten in Neukölln für Aufregung gesorgt.

Davon war auch die Veranstaltung geprägt. Schon das Eingangsstatement des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) wurde mit Applaus, aber auch mit Pfiffen und Buhrufen beantwortet. Er verglich den Schillerkiez mit einem großen Wohnzimmer, in dem Störfaktoren dafür verantwortlich seien, dass sich nicht alle darin wohlfühlen. Die Task-Force müsse dann für Abhilfe sorgen.

Doch die AnwohnerInnen nehmen sehr unterschiedliche Dinge als Störfaktoren wahr. Eine Frau stört sich am Anblick von Kindern, die auch im Winter ohne Schuhe auf der Straße herumlaufen. Gruppen von Jugendlichen an Straßenecken sind für eine andere Anwohnerin Grund zur Beunruhigung. Und: Viele BewohnerInnen sehen in der Task-Force Okerstraße selber einen Störfaktor. "Schon der militaristische Name macht mir Angst", sagte eine ältere Frau. Mit einer schnellen Eingreiftruppe assoziiere sie Soldaten, die notfalls Häuser stürmen und Zwangsmittel anwenden. Ein Student stellte die Tätigkeit der Eingreiftruppe in den Zusammenhang mit der Planung, den als Sanierungsgebiet ausgewiesenen Stadtteil aufzuwerten. Er stellte mit Verweis auf die Entwicklung in Prenzlauer Berg die Frage, ob sich in zehn Jahren Menschen mit wenig Geld überhaupt noch die Mieten in Neukölln leisten können. Der große Applaus zeigte, dass viele Anwesenden diese Befürchtungen teilten.

Die Leiterin des Quartiersmanagements Schillerpromenade, Kerstin Schmiedeknecht, ging nur auf wenige Kritikpunkte ein. Der militärisch klingende Name sei als Provokation bewusst gewählt worden, um den Ernst der Lage deutlich zu machen. Die Erstürmung von Wohnungen gehöre aber trotzdem nicht zum Aufgabenbereich der Neuköllner Task-Force. Wohl aber der intensive Kontakt mit allen Institutionen und Ämtern im Bezirk, wozu Schmiedeknecht auch Polizei, Jobcenter und Wohnungsamt zählte.

Ergänzende Informationen

QM Schillerpromenade mit Sanierungsauftrag

Nicht vergessen werden sollte, daß die erste „Anwohnerversammlung“ im Schillerkiez durch die Polizei einberufen wurden. Das Quartiersmanagement Schillerpromenade unter Leitung der Architektin Kerstin Schmiedeknecht war lediglich Juniorpartner. Zu diesem Anlaß kamen, wie das Konzept zur „Task Force Okerstraße“ beschreibt, offenbar insbesondere xenophobe, deutsche Anwohner_innen, die ethnisiert einen Kulturkampf heraufbeschworen. Das war sogar dem QM und der Polizei zuviel.

Des Weiteren sollte nicht vergessen werden, daß Kerstin Schmiedeknecht eine Angestellte der Firma „Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH“ (BSG) ist. Das „Vor – Ort – Büro Quartiersmanagement“ ist lediglich eine Bezeichnung, die verschleiert, daß das Büro – wie auf dem Eingangsschild nachzulesen ist – eine Zweigstelle der BSG ist.

Diese Firma ist eine alte Brandenburger Baufirma, die sich um „Fragen der Sanierung, des Städtebaus und der Stadtentwicklung“ kümmert. Die Selbstbeschreibung weist keinesfalls in eine soziale Richtung, sondern betont explizit die bauliche Ausrichtung der Firma.

„Die Gesellschafter und Geschäftsführer des 1991 in Potsdam gegründeten Unternehmens, Architekten, Wirtschaftsingenieure und Stadtplaner, bauen auf langjährigen Erfahrungen mit der Stadterneuerung, der Sanierung von Gebäuden und der Stadtentwicklung auf. Die Schwerpunkte liegen in der Beratung von öffentlicher Verwaltung und privaten Bauherren bei öffentlich geförderten oder frei finanzierten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie bei der Planung und Durchführung von Wohnungs- und Industriebauten.“ siehe http://www.quartiersmanagement.de/kurzportrait.php

Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Schmiedeknecht keinerlei soziale Kompetenz besitzt und lediglich „soziale Kontrolle“ als interventionistische Methoden reproduziert. Sie muß bauliche „Problemhäuser“, die sie sanieren kann. Dazu müssen allerdings die Bewohner_innen erst entmündigt, das Gebäude schließlich von einem Amt – dem Jobcenter –übernommen werden, damit es schleißlich durch die BSG saniert werden kann.

Das nun mehr outgesourcste und umbenannte „Team Task Force“ firmiert nun als INTEGRA e.V.. Dabei wird soziale Integration lediglich simuliert. Die Informationen zu den „Klienten“ gehen direkt an die Polizei, die Ämter, das Jobcenter und selbstverständlich ans QM Schillerpromenade / BSG Zweigstelle als Auftraggeber.

„Ziel ist es, zunächst Vertrauen zu aufzubauen, für einen kontinuierlichen Schulbesuch von Kindern zu sorgen und adäquate Freizeitangebote zu schaffen. Ein besonderes Augenmerk gilt den Kindern aus Roma-Familien, die bisher keinen Zugang zu der vorhandenen Angebotsstruktur der Kinder- und Jugendeinrichtungen im Kiez gefunden haben. Die Streetworker werden dabei von Mitarbeitern aus den Fachämtern des Bezirksamtes und des örtlichen Polizeiabschnitts unterstützt.Durch die enge Abstimmung untereinander kann nun bei Problemen zielgerichtet und schnell reagiert werden.“(siehe http://www.schillerpromenade-quartier.de/Task-Force-Okerstrasse.1054.0.html

All das hat mit "sozialer Stadt" wenig zu tun, sondern deutet unmißverstädnlich in die bauliche Aufwertugn des gesamten Kiezes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der sozialen, behördlichen und polizeilichen Überwachung. Die "soziale Kontrolle" ist dabei umfaßend und total geplant. Um Hilfe geht es mitnichten. Vielmehr sollen die EU- und Senats-Mittel zur Verdrängung der derzeitigen Bevölkerung und Modernisierung der Bausubstanz genutzt werden.

willi: ich wohn da seit über 20 Jahren
stop task force!!!!!!!

In Nord Neukölln gibt es Kieze, in denen mehr oder weniger erfolglos seit den achtzigern versucht wird, die Bevölkerung zu verdrängen. Im Schiller- und Weisekiez waren das zuerst das Vorortbüro, später eben das Quartiersmanagement und bald denkt sich der Bezirk in Kooperation mit Hauseigentümern bestimmt was neues aus.

Es ist völlig richtig, dass Menschen sich gegen die Task Force wehren. Wir brauchen keine (als Sozialarbeiter getarnten) Bullen, die uns ausspionieren und dann einzelne kriminalisieren.

Editorische Anmerkungen

Artikel und Ergänzungen stammen von Indymedia.

Siehe auch in dieser Ausgabe: Berlin Neukölln: Ein Kiez beginnt sich zu wehren