Betrieb & Gewerkschaft
Über die Parole „Wir sind Opel!“

Thesen von
Robert Schlosser

11/09

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1. Wäre die lohnabhängige Belegschaft von Opel „Opel“, dann sähe sicher manches anders aus! Eine Situation, wie die jetzige, in der die Eigentümer von Opel Entscheidungen fällen, gegen die die Belegschaften unter der Parole „Wir sind Opel“ demonstrieren, könnte gar nicht entstehen! Tatsächlich gehört das Unternehmen „Opel“ nicht der lohnabhängigen Belegschaft, sondern Aktionären und vor allem dem Mehrheitsaktionär GM. Die Belegschaft hat keinerlei Rechte, um auf Unternehmensentscheidungen direkt Einfluss zu nehmen.

In Deutschland dürfen die Belegschaften der einzelnen „Standorte“ laut Betriebsverfassungsgesetz in sehr begrenztem Umfang mitbestimmen. Dieses Recht erlaubt keine Einflussmöglichkeiten auf Investitions- oder Verkaufsentscheidungen.

2. Tatsächlich sind die Beschäftigten bei Opel nicht nur lohnabhängig, sondern im Ernstfall geradezu Lohn“sklaven“, die zugleich mit dem Unternehmen von den Eigentümern des Unternehmens verkauft werden können. Von welchem Eigentümer eines Unternehmens Lohnabhängige ausgebeutet werden wollen, können sie nur bei und mit Abschluss eines Arbeitsvertrages entscheiden. Verkauft der Eigentümer das Unternehmen, so werden die Beschäftigten gleich mit verkauft, fast wie Sklaven oder Leibeigene. Selbstverständlich aber darf ein Lohnabhängiger kündigen, wenn ihm der neue Eigentümer nicht gefällt. Sehr realistisch und mit der schönen Perspektive auf Hartz IV!
Kein Aktionär (ob Privatperson oder Unternehmen wie GM) muss die Belegschaft fragen, wenn er sich entscheidet, seine Aktien, also Eigentumsanteile am Unternehmen, zu verkaufen. Die Arbeitsplätze gehören zum Besitzstand der Aktionäre und können mit dem Unternehmen verkauft werden. Es sind nicht die Arbeitsplätze der lohnabhängig Beschäftigten!

3. So gesehen ist die Parole „Wir sind Opel“ eine ziemlich hohle und abgeschmackte Phrase. Es steckt darin aber mehr, nämlich der Wunsch, das Unternehmen möge der Belegschaft gehören. Es steckt darin also der heimliche, noch ziemlich unausgegorene Wunsch, das Unternehmen solle Gemeineigentum der Beschäftigten sein. Wenn die Parole „Wir sind Opel“ wahr werden soll, dann geht das nämlich nur, wenn das Unternehmen den Beschäftigten gehört. Das verlangte aber viel mehr als das, was heute angestrebt, um was heute gekämpft wird. Das würde zum einen die Enteignung der Aktionäre zugunsten der Belegschaften erfordern. Und das würde zum anderen erfordern, dass die Beschäftigten nicht mehr unter fremdem Kommando arbeiten wollen. Sie müssten bei sich selbst den Anspruch entwickeln, gemeinsam alle wichtigen Entscheidungen darüber was und wie es produziert wird zu treffen. Nur so könnte die Parole „Wir sind Opel“ Realität werden.

4. Würde die Parole „Wir sind Opel“ wahr, so wäre damit der Kapitalismus, die sogenannte „Marktwirtschaft“ nicht überwunden. Unter dem Druck des Marktes müssten die selbstverwalteten Opel-Betriebe Entscheidungen treffen, die die Konkurrenz von ihnen verlangt (ausreichende Profitrate). Von einer wirklichen Entscheidungsfreiheit darüber, was und wie es produziert wird, könnte so noch keine Rede sein. Trotzdem wäre es eine tolle Sache, wenn diese Parole wahr würde! Vor allem aber wäre es die einzige Sache, die eine wirklich soziale Perspektive eröffnete.

5. Diese Perspektive bestünde darin, dass alle Unternehmen von den lohnabhängig Beschäftigten übernommen würden und damit die Lohnabhängigkeit aufhörte! Dann bestünde die Aufgabe darin, in einer demokratischen Planung diese Unternehmen zu vernetzen, um den Kapitalismus mit seinen Krisen und seinem sozialen Elend endgültig zu überwinden. Gemeineigentum, Selbstverwaltung, demokratische Planung!
Von einer solchen praktischen Perspektive des Kampfes sind wir alle aber meilenweit entfernt, aber ich träume weiter davon! Und ich träume auch sehr konkret, wie ich das schon bei der Schließung des Nokia-Werkes in Bochum tat. Damals schrieb ich zu ersten Schritten in dieser Richtung:

In Absprache mit der Belegschaft entwickelt die Landesregierung folgenden Plan:

1. Nach Rückzug von Nokia wird die Firma mit allem Inventar Eigentum des Landes NRW. Entschädigungslos!
2. In der Zeit bis dahin erhält die Belegschaft die Möglichkeit eine Selbstverwaltung zu entwickeln und zu erproben. (Erfahrungsaustausch mit Zanon in Argentinien) Das Geld dafür stellt Nokia bereit. (Förderung durch Fort- und Weiterbildung nennt man sowas.)
3. In der Zeit bis dahin erhält die Belegschaft mit Unterstützung durch Land und andere Einrichtungen die Möglichkeit eine alternative Produktion zu entwickeln. Weg von den Handys, falls eine solche Produktion nicht weiter geführt werden kann.
4. Nach dem Rückzug von Nokia bleibt das Unternehmen zwar Landeseigentum, aber die Produktion wird in Selbstverwaltung der Belegschaft organisiert.
5. Das Land übernimmt eine Bestandsgarantie für die nächsten Jahre, auch bei roten Zahlen! Zu diesem Zweck wird ein „Solidaritätsbeitrag-Aufbau West“ von allen privaten Unternehmen im Lande NRW erhoben!
6. Die Landesregierung erklärt, dass sie künftig mit allen Unternehmen so verfahren wird, die „ihren sozialen Verpflichtungen nicht nachkommen“. Sie erklärt ferner das künftig Schluss ist mit allen Privatisierungsmaßnamen, und dass die bereits vollzogenen rückgängig gemacht werden.

6. Das sind natürlich „unrealistische“ Träumereien! Aber wie „realistisch“ sind eigentlich die vorgeschlagenen Perspektiven der Gewerkschaften und gewählten Betriebsräte, die im Namen der Belegschaften sprechen?

Schon peinlich die ständigen radikal klingenden Phrasen ...“Das werden wir nicht akzeptieren ....“, „Wir werden nicht hinehmen, dass ...“ Tatsächlich werden „Restrukturierungen“ mit Personalabbau, Lohnsenkungen, Verzicht auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Urlaub etc. überall im Rahmen des Co-Managements hingenommen. Was ist denn heute beispielsweise von Opel-Bochum noch übrig? Der ständige „Kampf um jeden Lohnarbeitsplatz“ hat im Resultat zu einem gigantischen Arbeitsplatzabbau geführt. So sieht die Bilanz all der Zugeständnisse aus! Und jetzt steht auch der traurige Rest zur Disposition: der „Standort“, der liebste Ort von Gewerkschaften und gewählten Betriebsräten.

Man sollte lieber ernsthaft über die Parole „Wir sind Opel“ diskutieren, um daraus eine Perspektive von kapitalistischen Zwängen befreiten sozialen Zusammenlebens zu entwickeln!

November 2009
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor.