Betrieb & Gewerkschaft
Nächste Runde im Übernahmekampf GM/Opel
Schluss mit der Verzichtspolitik von Betriebsratspitze
und IG Metall!


von
Martin Suchanek

11/09

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Am 5. November standen die Bänder still in den Opel-Werken in Deutschland. IG Metall und Betriebsräte hatten zum Protest gegen die Weiterführung von Opel durch General Motors aufgerufen. Fast alle 26.000 Beschäftigen folgten den Aufrufen und schloss sich den Kundgebungen vor den Werktoren an.

Tausende befürchten nach dem geplatzten Verkauf an Magna/Sberbank die Schließung ganzer Standorte. So wird abwechselnd über die Abwicklung von Bochum, Eisenach oder Kaiserlautern spekuliert. Für tausende Beschäftigte und ihre Familien droht der notdürftig über Kurzarbeitergeld gedehnte Weg in Arbeitslosigkeit und Armut auf Hartz IV-Niveau. 

Die Politik von IG Metall und Betriebsrat ist gescheitert 

Mit der GM-Entscheidung, doch nicht an Magna/Sberbank zu verkaufen, sind freilich nicht nur die Unternehmenspläne eines österreichisch-kanadischen Autozulieferers und seiner russischen Partner Sberbank und Gaz gescheitert, auch die Strategie der Betriebsratsführung um Klaus Franz und die der IG Metall hat sich eine weiteres Mal als Desaster für die Belegschaften erwiesen.

Erinnern wir uns: IG Metall und Konzernbetriebsrat hatten sich für den Deal mit Magna stark gemacht und für die „Rettung“ und eine „industriepolitische Perspektive“ von Opel zu enormen Zugeständnissen an die zukünftigen Eigner bereit erklärt, um gemeinsam „Opel“ zu retten.

„Für ‚New Opel’“, so eine Presseerklärung des Betriebsrates vom 23.September, „sind die Beschäftigen in Europa zu schmerzhaften Einschnitten bereit.“ Im „Memorandum of understanding“ für Deutschland hieß das im Klartext: Lohn- und Gehaltsverzicht, Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld, Aussetzung der Altersvorsorge für 2010 und 2011 und Verzicht auf Tariferhöhungen für drei Jahre! Außerdem wurde festgehalten, dass sich die Vertragsparteien - also Magna und Betriebsrat/IG Metall - bewusst wären, dass „Personalreduzierungen notwendig“ seien. Schon damals war klar, dass es sich in Europa um 10.000 Jobs, also etwa jeden 5. Arbeitsplatz - handeln würde. Allerdings galt als abgemacht, dass bei etwaigen Werkschließungen zuerst Standorte außerhalb Deutschlands dran sein würden.

Möglich gemacht hatte diesen Deal überhaupt erst die Intervention der Bundesregierung, die 4,5 Milliarden Euro für Magna/Sberbank in Aussicht stellte und außerdem Interesse daran hatte, im Zuge verschärfter Weltmarktkonkurrenz einen US-Konkurrenten, also GM, nachhaltig zu schwächen.

Nun stehen ehemalige SPD-Minister und Ministerpräsidenten wie Koch erneut vor den Werktoren. Sie erklären ihre „Solidarität“ mit den Beschäftigten und geben sich empört ob des ungebührlichen Verhaltens des GM-Managements. Kein Cent europäischer Steuergelder, so die Drohung fast jeden bürgerlichen Politikers, dürfe in die USA fließen.

Den US-Politikern und Managern werfen sie „Lügen“ und „Hinhaltetaktik“ vor. Aus ihnen spricht der Frust betrogener Betrüger, die glaubten, mit dem Magna-Deal einen zumindest symbolischen Erfolg im Kampf um eine zukünftige stärkere Weltmarktstellung des deutschen Kapitalismus errungen zu haben. 

Trotzdem weiter so? 

Auch Werner Franz macht nun eine 180-Grad-Wendung. Hatte er kürzlich noch Verzicht um Verzicht zugestimmt und die Belegschaft darauf eingestimmt, dass sie 100e Millionen zur Sanierung von Opel/Magna vorab abzugeben habe, dass 1000e Jobs vernichtet werden müssten, so soll nunmehr Detroit keinen müden Euro kriegen. Alle Zugeständnisse wären nichtig. Jetzt solle richtig gekämpft werden! Wofür? Für den Magna-Sberbank-Deal oder „wenigstens“ für eine „größere Eigenständigkeit“, also Magna-light???

Eine solche Perspektive ist ein schlechter Witz. Er zeigt aber, wie tief die Bindung an den „eigenen“ Standort, wie tief die nationalistische Logik bei den Betriebsratschefs und bei ihren Adepten in der IG Metall sitzt. Eisern soll ein Eigentümerwechsel verteidigt werden, für den selbst Magna nicht mehr kämpfen will!

In den Reden wird zwar immer eine „europäische“ Perspektive beschworen. Doch selbst daran denken Franz oder der IG-Metall-Verantwortliche Schild schon lange nicht mehr. Wenn von „Europa“ die Rede ist, ist „Deutschland“ gemeint. Wenn Franz von „Solidarität“ spricht, dann fragt man sich unwillkürlich, welcher Belegschaftsteil über den Tisch gezogen werden soll.

Wo war schließlich die „Solidarität“, als die Gewerkschaften im spanischen Saragossa gegen den Abbau von 1.700 Arbeitsplätzen streikten, die der Magna-Deal ursprünglich vorsah? Wo war die Solidarität mit Saab in Schweden, das schon am Beginn der Krise geschlossen wurde. Von den US-amerikanischen KollegInnen bei GM - anscheinend keine Betroffenen der weltweiten Krise - war erst gar nicht die Rede.

Stattdessen ließen Franz und Co. die Sektkorken knallen, als der Magna Deal unter Dach und Fach war.

Jetzt ist in Deutschland Katerstimmung angesagt. Anderswo feiern Standortpolitiker vom Schlage des Werner Franz. So erklärt der britische Gewerkschaftsvorsitzende Tony Woodley, die GM-Entscheidung sei ein „fantastischer Abschluss“. „Seine“ Gewerkschaft heißt ironischerweise Unite (Vereinigt Euch!).

All das zeigt, dass beim Festhalten an der Politik der „Standortsicherung“, wie sie seit Jahrzehnten betrieben wird, immer nur die Interessen der Beschäftigen auf der Strecke bleiben, ein Land oder ein Standort jederzeit gegen andere ausgespielt werden kann und wird. Vor Ort springen dann Gewerkschaftsbürokraten und Standortsicherer aus den Betriebsratsbüros beherzt „ihren“ Managern oder, neuerdings, auch „ihren“ Investoren bei. 

Eine andere Politik ist notwendig! 

So kann der Kampfwille der Opel-Beschäftigen niemals zu einem Erfolg führen. Wenn der Kampf für andere Ziele als eine Wiederbelebung des Verzichts-Deals mit Magna geführt wird, heißt das nur eine weitere fürwitzige Etappe bei der Unterordnung unter die Profitinteressen eines bestimmten Kapitals gegen eine anderes. Selbst die Vorstellung, dass bei Magna „alle Standorte“ erhalten bleiben, während GM diese schließen könne, ist nicht mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung von Magna.

Vor allem aber: sie kann auch gar nichts anderes sein. Angesichts einer weltweiten Überproduktionskrise in der gesamten Autoindustrie, von riesigen Überkapazitäten und verschärfter Konkurrenz auf dem Weltmarkt, ist es absurd, die Ursache für das Scheitern dieses oder jenes Konzern(teils), dieser oder jener Marke auf „Managementfehler“ oder eine „falsche Produktpalette“ zurückzuführen. Sicher mag es diese auch geben und diese mögen die Krise aktuell verschärfen. Aber letztlich muss immer irgendein Teil der Branche „schlecht“ abschneiden, unprofitabel werden.

In diesem knallharten Überlebenskampf gibt es - wie in der Gesamtwirtschaft - auf dem Boden des Kapitalismus nur eine „Lösung“ - die Vernichtung überschüssigen Kapitals, Betriebsschließungen und Massenentlassungen. Die Frage ist nur, wen es wo wie hart trifft.

Das heißt aber auch, dass bei GM/Opel wie in der gesamten Autoindustrie die Perspektive zur „Rettung“ nicht sein kann, mit „neuen Produkten“ „neue“, oft gar nicht vorhandene Märkte zu überschwemmen.

Hinzu kommt, dass eine solche Perspektive, z.B. in Form einer weiteren dramatischen Ausweitung des Automarktes in Ländern wie China und Indien, ökologisch ein Hasardspiel wäre, das kein vernünftiger Mensch verantworten kann. Allein, die Eigendynamik der kapitalistischen Konkurrenz treibt unwillkürlich zu diesem Wahnsinn. 

Enteignung unter Arbeiterkontrolle! 

Daher kann die „Rettung“ von Opel, das Verhindern der Vernichtung von Arbeitsplätzen bei Opel nicht der Willkür dieses oder jenes Eigentümers, dieses oder jenes Investors überlassen werden.

Ob nun mit oder ohne GM, mit oder ohne Magna: Tausende Jobs stehen auf der Kippe. Die Belegschaften, sollen Millionen, wenn nicht Milliarden dafür opfern – mit der ungewissen Aussicht, dass danach die Betriebe dennoch geschlossen werden.

Davor werden sie in einen verschärften ruinösen Wettkampf mit den ArbeiterInnen an anderen Standort im In- und Ausland, im Konzern bzw. mit anderen Unternehmern getrieben.

Derweil soll der Staat durch Milliardensubventionen bei der „Sanierung“ Opels helfen, sprich bei der Wiederherstellung von dessen Profitabilität für wenige Kapitalbesitzer!

Zu diesem Wahnsinn ohne Ende gibt es eine Alternative - die entschädigungslose Enteignung von GM/Opel!

Damit würden nicht nur keine weiteren Milliarden an private Investoren verpulvert werden, die Produktion von Opel/GM könnte gemäß gesellschaftlichen Bedürfnissen reorganisiert werden.

Die Belegschaft müsste nicht auf Einkommen verzichten, Entlassungen könnten durch eine Reduktion der Arbeitszeit und die Aufteilung der Arbeit auf alle Beschäftigen verhindert werden.

Es ist aber auch klar, dass der bürgerliche Staat als Eigentümer keine Lösung des Problems wäre. Schließlich heißt Produktion in Staatshand nicht, dass deswegen schon Nützliches, für die Mehrheit der Bevölkerung Sinnvolles produziert werden würde.

Daher ist die Frage: Wer kontrolliert, wie und was produziert wird? Dabei ist nicht nur der Staat bzw. ein vom Staat eingesetztes Management ein zweifelhafter Akteur. Auch die „Mitbestimmung“ und die Sitze in den Aufsichtsräten durch VertreterInnen der Beschäftigten haben sich als Papiertiger, als Mittel zur Einbindung von Betriebsräten und Gewerkschaften und nicht als Mittel zur Durchsetzung der Interessen der Belegschaften oder gar der gesamten Klasse der Lohnabhängigen erwiesen.

Arbeiterkontrolle heißt, wie Beispiele aus der Vergangenheit oder aus anderen Ländern zeigen, viel mehr. Es heißt, dass VertreterInnen der Beschäftigten im Betrieb wie auch der arbeitenden Bevölkerung im Falle gesellschaftlich relevanter Produktion oder Dienstleistungen die Entscheidungen des Managements und die Geschäftsvorgänge kontrollieren und darüber auch verbindlich entscheiden und bestimmen sollen.

Arbeiterkontrolle heißt, dass solche Funktionen nicht von einmal alle paar Jahre gewählten Betriebs- oder Personalräten oder von ernannten VertreterInnen einer Gewerkschaftsbürokratie ausgeübt werden sollen, sondern von der Belegschaft bzw. der Gewerkschaftsbasis gewählt werden, diesen verantwortlich und jederzeit abwählbar sind. 

Streik und Besetzung! 

Im Kampf für Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle helfen selbstredend keine Bittstellereien oder gemeinsame Kundgebungen mit CDU-Ministerpräsidenten oder sonstige leere Versprechungen diverser Politikaster.

Dazu ist es notwendig, dass die Beschäftigten bei Opel/GM unbefristet in den Streik treten, dass die Werke gegen etwaigen Streikbruch oder Abtransport von Maschinen verteidigt, also besetzt werden.

Eine solche Perspektive verträgt sich aber nicht mit dem Kurs des Betriebsratsfürsten um Klaus Franz. Sie kann nur Wirklichkeit werden, wenn in den Betrieben offen darüber diskutiert wird, welche Strategie im Kampf notwendig ist, für welche Ziele dieser geführt wird, wie er organisiert werden soll, wie Solidarität geschaffen und wie ein internationaler gemeinsamer Kampf aller Standorte geführt werden kann.

Dazu sind Betriebsversammlungen notwendig sowie die Diskussion und Beschlussfassung über eine Kampfstrategie und die Wahl (und Abwählbarkeit) von Streikleitungen!

Eine solche Strategie des Klassenkampfes wäre auch die einzige Strategie, die in der Lage wäre, das Misstrauen und das gegenseitige Ausspielen der Belegschaften in Deutschland, Spanien, Belgien, Britannien, den USA, Russland oder anderen Ländern der Welt zu überwinden.

So könnte das Scheitern des Magna-Deals nicht nur zu einer Schlappe für die Regierungen und die Bürokraten in Betriebsrat und IG-Metall werden, die die Beschäftigten ausbaden müssen. Es könnte vielmehr zum Fanal werden für einen Bruch mit der Gewerkschaftsstrategie der „Standortkonkurrenz“ und des Zurückweichens - zu einem Fanal des Klassenkampfes.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel über

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 453
6. November 2009


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