Überblick zur
Antinationalismus-Diskussion


von
Brummkreiselpilotin

11/09

trend
onlinezeitung

Aktuell gib es eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zur Disskusion um Antinational/Antideutsch. Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick zu allen Debattenbeiträgen inkl. Verlinkungen!

Aktuell gib es eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zur Disskusion um Antinational/Antideutsch. Aufhänger sind die "Staat. Nation. Kapital. Scheisse."-Kampagne des "…ums Ganze!"-Bündnisses und die "Still not lovin´ Germany"-Kampagne aus Lepzig, sowie die übliche Fahnendebatte. Allerdings sticht die aktuelle Diskussion insofern hervor, als das sie solidarisch geführt wird, die Protagonist_innen sich also nicht einfach in identitärer Abgerenzung üben, sondern sich aufeinander beziehen und miteinader diskutieren, sowie die geneigte Öffentlichkeit an der Debatte teilhaben lassen.

Bereits zur antinationalen Parade am 23.Mai in Berlin hatte es Diskussionen um das Mitführen von Nationalfahnen (der Alliierten und Israels) gegeben. Diese Diskussion gewann dann im Vorlauf der Demonstrationen am 3.Oktober in Saarbrücken und am 10.Oktober in Leipzig an Fahrt. Der Text "Gegen Deutschland helfen keine Gedichte!" von der autonomen antifa [f] und des Antifa AK Köln führte zu einer Reaktion der Antifa Saar / Projekt AK, einer Antwort von sinistra! und diversen Diskussion auf Blogs und in Foren. Zusätzlich gab es noch ein paar Anmerkungen zum Leipziger Aufruf, sowie eine Reaktion auf diese.
Im Vorfeld der antinationalen Demonstration am 7.November in Berlin folgte dann eine fast zweistündiges Radiointerview mit Vertreter_innen von T.O.P. B3rlin und anderen linksradikalen Gruppen und Einzelpersonen, darunter ...nevergoinghome. und die Naturfreundejugend Berlin: Teil1 & Teil2

Die Differenzen die sich in diesem Streitgespräch zeigten, manifestierten sich dann auch in verschiedenen Aufrufen für die Bündnisdemo am 7.November. Neben dem Aufruf eines großen Bündnisses u.a. getragen von den "…ums Ganze!"-Gruppen, gibt es nun auch einen der Gruppe Internationale KommunistInnen und einen von der Emanzipative Antifaschistische Gruppe, der Naturfreundejugend Berlin, ...nevergoinghome, Gruppe subcutan und den Jungdemokrat_innen/Junge Linke Brandenburg.

Und in der Jungle World läuft aktuell eine Disko-Reihe zum Verhältnis der Linken zu den Ereignissen 1989 und dem Realsozialismus. Auch in diesen Beiträgen spielen Fragen aus der Debatte um Antinational/Antideutsch eine wichtige Rolle. Angela Marquardt meint der Mauerfall war eine Befreiung und sollte daher nicht im Zentrum der antinationalen Proteste stehen. Georg Fülberth hält in der gleichen Ausgabe dagegen - die Mauer hätte ihren Zweck erfüllt und war ebenso wie die Besatzung Deutschlands eine Art Diktatur zur Erziehung der postfaschistischen Gesellschaft. T.O.P. B3rlin machen in ihrem Beitrag stark, dass es bei der Kritik an der deutschen Nation und beim Protest gegen die Wendefeierlichkeiten nicht nur um Rassismus und Antisemitismus gehen kann, sondern auch die Herrschaft einer falschen Freiheit kritisiert werden sollte. Sie nehmen darin ganz konkret Bezug auf die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte der Inititiven in Berlin und Lepzig, sowie z.T. selbst in den regionalen Bündnissen. Andreas Schreier betrachtet darauf folgend im nächsten Jungle World-Beitrag die DDR-Opposition und kommt zu dem Schluß, dass diese die Wiedervereinigung garnicht wollte. Mario Möller schließlich versucht die 1989 sich auch artikulierenden freiheitlichen Anliegen zu würdigen und behauptet, das die Linke heute "mit antikapitalistischem Getöse ihre Feindschaft gegen das individuelle Glück" hinausposaunen würde.

Zusätzlich hat die Initiative gegen jeden Extremismusbegriff (eine Gruppe aus dem "Still not lovin´ Germany"-Vorbereitungskreis) ebenfalls in der Jungle World den Text "Deutschland lieben" veröffentlicht, der sich wieder ganz explizit als Debattenbeitrag an "…ums Ganze!" richtet und vorgetragene Kritik an der inhaltlichen Ausrichtung der "Still not lovin´ Germany"-Kampagne zurückweist:

"Deutschland lieben
Die Nation im Sinne des Standortnationalismus zu analysieren, ist nicht falsch, aber eine Reduktion. Das Treiben des Mobs geht jenseits der Kapitalakkumulation vonstatten. Auch der Nationalsozialismus lässt sich nicht damit erklären, dass hier die in der ökonomischen Konkurrenz vereinzelten Individuen nach kollektiver Identifikation strebten. Eine Kritik des Antinationalismus.

Das »Supergedenkjahr« 2009 befindet sich auf dem Höhepunkt: 60 Jahre BRD und 20 Jahre Ende der DDR sind zu feiern. Zahllose fröhliche Veranstaltungen nationalistischer Provenienz finden hierzulande statt und provozieren den Widerspruch der hiesigen Linken.

Die Abwehr des nationalistischen Taumels ist dabei common sense, und doch tun sich Differenzen darüber auf, wie dieser Taumel zu interpretieren ist. Das Bündnis »Um’s Ganze« sieht hierin die Mobilisierung des Staatsvolks zur Identifikation mit der Nation und zur Sicherung des »Standorts Deutschland« in der globalen Weltmarktkonkurrenz. Den Kern sieht es demgemäß im Nationalismus als Standortlogik. In diesem Sinne organisierte das Bündnis eine antinationale Kampagne zu den »Wendefeierlichkeiten 2009« unter dem Motto »Staat. Nation. Kapital. Scheiße!« – mit größeren Demonstrationen am 23. Mai und 7. November 2009 in Berlin – und veröffentlichte jüngst eine Broschüre mit dem Titel »Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit. Zur Kritik des kapitalistischen Normalvollzugs«.

In Leipzig wiederum formierte sich ein Bündnis aus mehreren Leipziger Gruppen (inkl. Inex), um ebenfalls eine Kampagne zu den »Wendefeierlichkeiten 2009« zu lancieren, die unter dem Titel »Still not lovin’ Germany« läuft. Im Zen­trum dieser Kampagne stehen die deutsche Mythenbildung und ihre Repräsentation im Jahre 2009. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Aufrufs des Leipziger Bündnisses kritisierte die Berliner Gruppe TOP (»Um’s Ganze«) dessen vermeintliche Ausrichtung auf bloße Phänomene des deutschen Nationalismus. In einer Mail an den AK 2009 heißt es: »Gerade hierdurch besteht die Gefahr, dass sich eine ausschließliche Kritik am deutschen Nationalismus und seinen Widerlichkeiten in kons­truktive Kritik für die deutsche Nation verwandelt. Letztlich legt der Text die Forderung nach einem aufgeklärten liberalen Deutschland nahe.«

Weder unterstützt das Bündnis »Um’s Ganze« den Leipziger Aufruf noch hat Inex den Kampagnenaufruf von »Um’s Ganze« unterstützt. Beides waren Entscheidungen mit Gründen. Im Folgenden wollen wir die begonnene Diskussion aufgreifen und forcieren. Wir verteidigen den Leipziger Aufruf gegen die Kritik von TOP und kritisieren die »Um’s-Ganze«-Kampagne, vor allem den Antinationalismus, wie er von der Gruppe TOP und dem Bündnis »Um’s Ganze« formuliert wird und in der hiesigen Linken immer weiter um sich greift." weiter...


Längere Papiere zum Thema gibts ebenfalls von der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff mit ihrer Broschüre "Nie wieder Revolution für Deutschland – Unser Statement zum Gedenkjahr" und dem "…ums Ganze!"-Bündnis mit „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“.

Etwas aus dem Rahmen fällt die Georg-Weerth-Gesellschaft Köln mit ihrem Text "Farbbeutel, Böller und dummes Geschwätz - Über das Kasperletheater der "Antinationalen"", der wohl nicht als Debattenbeitrag gedacht ist, sondern nur zum Rumpöbeln . Dieser Text wurde als Flugballt vor einer gut gefüllten Veranstaltung "Zur Geschichte und Zukunft der Antinationalen" des Antifa AK Köln mit den Referent_Innen Thomas Ebermann, Jutta Ditfurth und T.O.P. B3rlin verteilt. Reaktionen darauf gibt es hier und hier.

Eine recht gute Zusammenfassung zum deutschen Superjubeljahr und den Protesten dagegen gibt es außerdem auf Indymedia.
 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel spiegelten wir von  http://brummkreiselpilotin.blogsport.de/