Rückblick „20 Jahre danach“
Das Jahr 1989 und die radikale Linke zwischen Abkehr von der „Massenlinie“, aufkeimender „Massenfeindlichkeit“, DDR-Fluchtbewegung und Mauerfall  (Teil 1)
von Bernard Schmid

11/09

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Das Jahr 1989 beginnt für die deutschsprachige, radikale Linke – im Hinblick auf prägende politische Ereignisse – dort, wo es enden wird: in Berlin. Um die späteren Reaktionen innerhalb der deutschsprachigen radikalen Linken auf Mauerfall und Wiedervereinigung ab dem Winter 1989/90 besser verstehen zu können, muss man vor dem geistigen Auge präsent haben, welche politischen Entwicklungen sich in den Monaten zuvor in diesem Spektrum abspielten.

Der Autor dieser Zeilen selbst – der im Juli 1989 volljährig wurde und im Frühjahr 1990 sein Abitur absolvierte – hat diese Zeitspanne als junger Aktivist im Kommunistischen Bund (KB) miterlebt. Dort war ich seit dem Winter 1987/88 aktiv. Meine ersten Artikel im damaligen AK, der nicht mehr Arbeiterkampf und noch nicht analyse und kritik (ak) hieß und dessen abgekürzter Titel seinerzeit mit Großbuchstaben geschrieben wurde, erschienen ab Mai 1990.

Zurück zu den damaligen Ereignissen: Im Januar 1989 finden in Westberlin die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Diese Wahl auf Landesebene löst zweierlei bedeutende Entwicklungen innerhalb der (radikalen) Linken aus:

(1.) Einerseits markierte sie den Endpunkt in der Hinwendung der grünen und der parteiförmigen Alternativen hin zu „Realpolitik“ & Regierungsbeteiligung.
Die Alternative Liste (AL) Westberlin hatte bis dahin, neben der Grün-Alternativen Liste (GAL) Hamburg, als linksradikale Hochburg innerhalb der Ökopartei gegolten. Bisweilen übrigens zu Unrecht. Denn die AL Westberlin – die erst seit 1983, durch einen Vertrag mit der Bundespartei, formell zur Partei DIE GRÜNEN (gegründet 1980 und damals oft mit Großbuchstaben dargestellt) gehörte – hatte war tatsächlich viele Linksradikale und frühere Linksradikale aufgenommen. Jedenfalls ein Teil von ihnen waren aber enttäuschte Anhänger maoistischer „K-Gruppen“, deren schlimmste die 1980 aufgelöste KPD-AO (KPD-Augbauorganisation, von anderen Linken auch „KPD-A-Null“ genannt) war. Zumindest diese spezielle Fraktion hatte längst keinen Bock mehr auf Kommunismus & Klassenkampf, auf ermüdendes „Eintreten für die Revolution“; und sie schwadronierte mitunter ferne gern über die unterdrückte deutsche Nation und die Notwendigkeit einer Wiedervereinigung zwischen BRD & DDR. Dies war ein Relikt aus der Hochphase des Maoismus, als manche Unterströmungen, vor allem die dogmatisch-sektiererischen (zu denen der KB niemals zählte), ihre Begeisterung für „unterdrückte Nationen“ – in der so genannten Dritten Welt – auch auf deutsche Verhältnisse übertrugen und gegen USA/UdSSR richten wollten. Der KB höhnte und spottete übrigens schon früh, in den 70er Jahren, über diese „Vaterlandsverteidiger“, wie er sie nannte. Statt des noch (relativ) Besten, hatten die Anhänger dieser Unterströmung oft vor allem das Schlimmste aus ihrer Vergangenheit und ihrer früheren Ideologie mit zu den Grünen oder AL geschleppt.
Sei es wie es sei – und auch wenn nicht alles glänzte, was sich „links“ nannte und mal „radikal“ gewesen war -, so war die AL Westberlin doch innerhalb der grünen Gesamtpartei noch weit links verortet gewesen. (Damals hatte bereits, 1987/88 bei den Grünen in Baden-Württemberg, im Vorfeld der dortigen Landtagswahl im März 88, eine Diskussion um eine Annäherung an die CDU und ihren „Modernisiererflügel“ unter Ministerpräsident Lothar Späth begonnen. Prominente Befürworter mindestens der „Tolerierung“ einer CDU-Landesregierung waren damals Fritz Kuhn und Rezzo Schlauch, die noch heute Protagonisten grüner Parteipolitik sind.) Doch dann kam die Wahl in Westberlin – und, aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse im dortigen Abgeordnetenhaus, die „Chance für Rot-Grün“. Innerhalb nur weniger Wochen konvertierte eine deutliche Mehrheit innerhalb der AL Westberlin, mit erheblicher Geschwindigkeit, zu Befürwortern von Koalitions- und Regierungsbeteiligung an der Seite der SPD. Unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper trat die Alternative Liste in ein „rot-grünes“ Kabinett ein.

Innerhalb der (verbliebenen) radikaleren Linken läutete diese Entwicklung eine Absetzbewegung von jener einstigen „Partei der neuen sozialen Bewegungen“ ein - auf die noch wenige Jahre früher nicht unbeträchtliche Teile dieses Spektrums mehr oder weniger verhaltene, mehr oder weniger ausgesprochene Hoffnungen gesetzt hatten. Kurz zuvor, im Dezember 1988, hatte zudem ein grüner Bundesparteitag in Karlsruhe den letzten Bundesvorstand abgesägt, der durch radikalere Linke geprägt gewesen war. (Prominenteste Mitglieder im damals abgesetzten Sprecherrat des Bundesvorstands waren Rainer Trampert und Jutta Ditfurth gewesen.) Breitere Kreise der politischen Linken, die einen gesellschaftsverändernden Anspruch beibehielten, bereiteten nun ihren Rückzug von den Grünen vor.

Ein Artikel im damaligen AK, verfasst von Heiner Möller, titelte infolge der Westberliner Koalitionsverhandlungen und ihres Abschlusses: „Abschied von den Grünen.“ Die damalige Strömung der „Ökosozialisten“ um Thomas Ebermann und Rainert Trampert beginnt ihren Ausstieg aus der grünen Partei vorzubereiten, wird den Akt des kollektiven Austritts jedoch erst einige Zeit später (im April 1990) vollziehen. - In demselben Kontext entsteht im Frühjahr 1989 eine neue (kleinere) Sammlungsbewegung, auf die noch ausführlicher zurückzukommen sein wird und die u.a. durch enttäuscht sich abwendende Linksgrüne, durch Teile des KB, durch Intellektuelle aus dem eher autonomen(-nahen) Spektrum und durch AutorInnen der Zeitschrift KONKRET getragen wird. Es handelt sich um einen Kreis, der auf den Namen Radikale Linke (mit einem Großbuchstaben für das „R“) hören wird.

(2.) Parallel dazu zeichnete sich das Westberliner Wahlergebnis, zum Anderen, noch durch ein zweites markantes Ereignis aus: den ersten Ein- oder Durchbruch der extremen Rechten auf die „politische Bühne“ der Etablierten seit zwanzig Jahren.

Zum ersten Mal schafften die rechtsextremen Republikaner (REPs), die 1983 gegründet worden waren, den Durchbruch in ein Parlament – mit einem Stimmenanteil von 7,5 % zogen sie damals in das Westberliner Abgeordnetenhaus ein. Erstmals waren damit Rechtsradikale, seit dem kurzzeitigen Aufstieg der NPD in den Jahren zischen 1968 und 72, wieder in einem Länderparlament vertreten. Die REPs (die inzwischen die Jahre ihres Erfolges längst hinter sich haben) erschienen damals zeitweilig als eine mit erheblichen Zukunftschancen ausgestattete „Alternative“ zu den älteren Parteien NPD und DVU im Rechtsaußenspektrum: nicht so bündnisunfähig, nicht so sehr in breiten Kreisen diskreditiert, nicht so sehr überwiegend von Altnazis geprägt. In den folgenden Wochen und Monaten erschütterte eine heftige Debatte vor allem die CDU/CSU: Teile der Unionsparteien forderten, auf ein Bündnis mit dem Newcomer auf ihrer Rechten zu setzen; oder nutzten die Gunst der Stunde, um eine drastische Verschärfung der „Ausländerpolitik“ zu fordern. Etwa im politischen Milieu rund um den CDU-Rechten Alfred Dregger. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) erklärte die REPs im Frühjahr 1989 rundheraus für „koalitionsfähig“. Bei den Europaparlamentswahlen im Juni 1989 konnte die „Republikaner“ ihren Erfolg wiederholen, dieses Mal bundessweit, mit 7,1 % der Stimmen. Neben ihnen erhielt die (1987 neu gegründete) „DVU-Liste D“ auch noch mal anderthalb Prozent.

Die aufstrebende neue Partei schien eine Lücke im Raum zwischen CDU und NPD zu füllen. Ihr Vorsitzender, der mittlerweile verstorbene Franz Schönhuber, rief im selben Jahr – 1989 – eine „Intellektualisierung“ der Partei aus, bemühte sich um die Rekrutierung von Mitgliedern an den Universitäten und um die Herausbildung eines gut ausgebildeten Nachwuchskaders. (Dies ist ihm damals nur in einzelnen Fällen gelungen. An einem Kreis an der Universität Köln etwa ging die Rekrutierungsstrategie, vor allem unter Jurastudierenden, zeitweilig auf. Aus ihm erwuchs der heutigen Führungszirkel der rechtsextremen Regionalpartei Pro Köln rund um Markus Beisicht, der 1989 Jurastudent und junger Parteifunktionär der REPs war, und Manfred Rouhs.)

Das Stimmvolk der neuen extremen Rechten: Radikale Variationen in der Einschätzung durch die Linke Innerhalb der radikaleren Linken polarisierte sich damals die Debatte um die Einschätzung des neuen politischen Phänomens auf der extremen Rechten. In einem Teil der alt- oder vulgärmarxistisch geprägten Linken, aber auch der bewegungsverhafteten autonomen Linken wurde vor allem die These von den „Protestwählern“ in den Mittelpunkt gestellt: Es handele sich um enttäuschte Proleten, die lediglich durch die SPD und/oder die Linke zu sehr vernachlässigt worden seien und deren sozialen Belangen man folglich stärker Beachtung schenken müsse. (In Wirklichkeit war die Wählerschaft der extremen Rechten weitaus stärker ausdifferenziert. Im norddeutschen Raum wurde damals stärker die DVU gewählt, deren Stimmpublikum tatsächlich eher aus dem Bereich der „sozialen Verlierer“ kam. Hingegen dominierten in Süddeutschland die „Republikaner“, die in Bayern bis zu 15 Prozent der Stimmen – im Juni 1989 – einfuhren. Ihre Wählerschaft setzte sich hingegen stärker aus „Mittelständlern“, Facharbeitern und auch Angehörigen sozial eher privilegierter Schichten zusammen.)

Auf diese These antwortete in einem Teil der radikaleren Linken, auf der eine neue Diskussion um Antirassismus begonnen hatte – darunter auch im KB -, eine Gegenthese: Nein, die „Protestwähler“-Analyse unterschätze sträflich die rassistische Ideologie und ihre Eigendynamik. Einige Protagonisten entwickelten diese (im Kern richtige, ideologiekritische) Annahme dann weiter zu einer Haltung, die darauf hinauslief zu sagen: „Die sind wirklich so, die Leute.“ Deswegen müsse man das Massenpublikum als solches bekämpfen, das weit über die Anhängerschaft der REPs hinaus von Rassismus und Nationalismus geprägt und (auf absehbare Zeit hin) unveränderbar sei. Ein kleinerer Teil spitzte diese Tendenz dann zu einer ausgeprägten, die Dinge verabsolutierenden „Massenfeindschaft“ zu. Zu seinen Protagonisten zählte – zuerst im KB, später (in den frühen neunziger Jahren) dann als Publizist unter eigenem Namen - etwa Bernd Schulz.
Auf eine nochmals zugespitzte Konsequenz brachte diese Haltung Jahre später dann der Publizist Jürgen Elsässer, der einstmals ebenfalls aus dem KB hervorging, aber sich längst weit von seinen politischen Ursprüngen entfernt hatte. Im April 1998 – Elsässer befand sich damals in seiner „antideutschen“ Phase, bevor er später nochmals eine radikale Kehrtwende hin zu heute eher völkisch-pseudosozialen Positionen vollzog – holte die DVU bei einer Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 13 Prozent der Stimmen. Als Reaktion auf dieses Abschneiden der DVU forderte Elsässer, in Beiträgen u.a. für die damalige Jungle World, und kurz darauf in seinem Braunbuch DVU, die sozialen Interessen der dortigen Bevölkerung dürften infolge dieses Wahlergebnisses nicht nur ausdrücklich nicht berücksichtigt bleiben. Vielmehr müsse man über eine gezielte wirtschaftliche Bestrafung der dortigen Bevölkerung insgesamt (etwa in Gestalt von Subventions-Abbau) nachdenken, um ihr eine Lehre zu erteilen, denn der deutsche autoritäre Untertanen-Charakter verstehe nur diese Sprache. Eine fatale Konsequenz.

Bruch/Brüche mit der Friedensbewegung der 80er Jahre

Viele der Positionen, die später unter dem Label „antinational“ oder „antideutsch“ entwickelt worden sind, nehmen in den Diskussionen des Jahres 1989 ihren Ausgang. Dies gilt auch für die Kritik an der – in den achtziger Jahren teilweise sehr breiten und quantitativ starken – Friedensbewegung, die bei den späteren Antideutschen zum Teil zur brachialen Abrechnung wurde und sie zu Positionen der offenen (US-)Kriegsbefürwortung trieb.
Im Sommer 1989 steckt die Friedensbewegung bereits in einer tiefen Orientierungskrise. Ihren Höhepunkt hatte sie im Herbst 1983 – dem Zeitpunkt des Beginns der Raketenstationierung in Westdeutschland – durchlaufen. In jenem Jahr hatte sie eine Niederlage erfahren, da es ihr nicht gelungen war, die Aufstellung der Pershing-2 und Cruise Missiles zu verhindern. Sie blieb jedoch noch für Jahre hinaus die quantitativ stärkste „neue soziale Bewegung“ im Land. Gleichzeitig erwarten zur Jahresmitte 1989 quasi alle BeobachterInnen für die nächste Bundestagswahl, die turnusmäßig (ohne dass die Wiedervereinigung dazwischenkäme) Ende Januar 1991 anstünde, nunmehr einen wahrscheinlichen Wahlsieg von „Rot-Grün“. In jenem Sommer lanciert die SPD - oder Teile ihrer Führung - eine Debatte, die auf einen (wahl)strategischen innenpolitischen Effekt abzielt: Sie möchte sowohl den Anhang der Friedensbewegung als auch Teile der neu erstarkten rechtsextremen Wählerschaft anziehen und für sich gewinnen. Vor diesem Hintergrund initiieren Spitzenpolitiker der SPD, unter ihnen Oskar Lafontaine, eine Kampagne zum Thema „Souveränitätsrechte der Alliierten auf deutschem Boden“.
Die Debatte hat einen materiellen Kern: Damals sorgen die Überflugsrechte (insbesondere von US-amerikanischen und kanadischen Militärflugzeugen), die in Landschaften wie dem Hunsrück Tiefflugübungen veranstalten, immer wieder für erregte Skandalisierungsversuche. Tatsächlich bedeuten diese Tiefflüge für Lärmterror und Umweltzerstörung. Alliierte Truppen sind damals – vor dem Abschluss des „Zwei-Plus-Vier-Vertrags“ von 1990, der dem vereinigten Deutschland seine volle außenpolitische Souveränität zurückgibt - noch in größerer Zahl auf deutschem Boden stationiert. Die Militärübungen im Hunsrück hängen allerdings nicht nur oder nichtn überwiegend damit und mit dem alliierten Truppenstatut zusammen, sondern schlicht mit dem NATO-Pakt: Kanada beispielsweise ist keine alliierte Macht im Sinne der Führungsmächte der Anti-Hitler-Koalition, wohl aber NATO-Mitgliedstaat.

In Teilsegmenten des erweiterten gesellschaftlichen Umfelds der Friedensbewegung wird damals davon gesprochen, dass Deutschland „ein besetztes Land“ sei; und die (maßgeblich auf die USA, oder – je nach Standpunkt –die „beiden Supermächte“ zurückgeführte) Kriegsgefahr und die Stationierung von Atomwaffen wird damit in Zusammenhang gesetzt. Eine mindestens vergröbernde, wenn nicht grundfalsche Sichtweise, denn die Rede von der „Raketenlücke“ von 1977 in London – die zum Ausgangspunkt für den ANTO-Doppelbeschluss vom 12. 12. 1979 und dadurch die Raketenstationierung wurde – hielt der westdeutsche Kanzler Helmut Schmidt.
Auch in Teilen der, intelligenteren, politischen Rechten hat man damals übrigens entdeckt, dass die Debatte über Deutschland als vorgeblich unterdrückte Nation ihr ein Einfallstor in das Umfeld der „neuen sozialen Bewegungen“ verschaffen könne. In der rechtskonservativen Zeitschrift Criticon wird damals darüber diskutiert, welchen deutschen Kern die Friedensbewegung habe und wie man sich an dieses Spektrum adressieren könne. In Einzelfällen versuchen nationalrevolutionäre Aktivisten (wie etwa Rolf Stolz, heute Autor bei der Jungen Freiheit, „Gründungsmitglied der Grünen“), die Friedensbewegung und auch die grüne Partei zu unterwandern. Wesentlich mehr realpolitische Schlagkraft hat da aber ein Manöver des einflussreichen Politikers der CDU-Rechten Alfred Dregger, der im Frühjahr 1989 ebenfalls vermeintlich friedensbewegte Töne spuckt: Er fordert damals lautstark den Abzug der teilweise mit Atomwaffen bestückten Pershing 1a-Kurzstreckenraketen von (west)deutschem Boden. Begründung: Diese Kurzstreckenwaffen würden, falls sie eingesetzt werden, auf deutschem Boden herunterkommen – während die Mittelstreckcnraketen vom Typ Pershing-2 und Cruise Missiles, deren Abzug damals beginnt, „nur“ etwa in der Ukraine und anderswo im Westen der UdSSR niedergegangen wären. Dregger, Protagonist des „Stahlhelmflügels“ der CDU, hatte zuvor zu den Befürwortern der Stationierung der letztgenannten Waffen gezählt.

Im Jahr 1989 gibt es also eine Art Zangenbewegung, mit der versucht wird, die Überreste der Friedensbewegung für nationale Belange zu vereinnahmen. Dabei versuchen führende SPD-Politiker, den Zustrom von Wählern und Anhängerinnen aus diesem Spektrum ebenso wie von den rechten Stammtischen durch die Rede von den „Besatzungsrechten in Deutschland“ zu mobilisieren. Aus der radikaleren Linken wird übrigens versucht, dieser Konzentration auf die Projektionsfläche USA gegenzusteuern, indem damals der Fokus auf die „eigenen Atomwaffen-Ambitionen der BRD“ konzentriert wird – etwa in Gestalt der Kampagne „Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz“, die 1988/89 neben dem linksgrünen Bundestags-Abgeordneten Thomas Ebermann maßgeblich von Teilen des KB und einigen damaligen Köpfen (Jürgen Elsässer, Matthias Küntzel, Detlev zum Winkel) betrieben wird.
Vor diesem Hintergrund muss es gesehen werden, wenn später Teile der sich 1990 herausbildenden „antinationalen“ respektive „antideutschen“ Linken sich dann – in darauffolgenden Jahren – auf teilweise nachgerade hysterische Art und Weise an der Friedensbewegung als Ausdruck des Bösen an & für sich abarbeiten.

Vorläufiges Fazit

In diesen dreifachen Kontext hinein – Herausbildung der Allianz „Radikale Linke“, beginnende Abwendung eines Teils der Linken von sozialen Massenbewegungen und insbesondere der Friedensbewegung (deren „nationale Aufladung“ gleichzeitig von anderer Seite her versucht wird), und Aufstieg einer rassistischen und chauvinistischen extremen Rechten – platzt im Herbst 1989 die Nachricht von der Staatskrise der DDR. Und dann erfolgt der Mauerfall in Berlin. Wir daraufhin in den ersten Jahresmonaten 1990 der Kristallisationskern der späteren „Antideutschen“ entsteht – und wie er 1990/91 durch einen heftigen Streit um den Irakkrieg erschüttert wird -, gilt es in einem in Kürze folgenden zweiten Beitrag ausführlicher darzulegen.
Bernhard Schmid
 

Editorische Anmerkungen

Es handelt sich vorliegendem Text um den (ausführlichen) Teil 1 eines Artikels, der in vom Autor gekürzter Fassung in der jüngsten Ausgabe von ‚Analyse & Kritik’ erschien. Der Verfasser dieser Zeilen wirft dabei einen Blick zurück auf die Debatte, welche die westdeutsche (radikale) Linke 1989 bzw. im Zeitraum 1989/90, vor und nach dem Berliner Mauerfall, durchzogen. Teil 2 dazu folgt in Kürze