Das Jahr 1989 beginnt für die deutschsprachige, radikale
Linke – im Hinblick auf prägende politische Ereignisse – dort,
wo es enden wird: in Berlin. Um die späteren Reaktionen
innerhalb der deutschsprachigen radikalen Linken auf Mauerfall
und Wiedervereinigung ab dem Winter 1989/90 besser verstehen
zu können, muss man vor dem geistigen Auge präsent haben,
welche politischen Entwicklungen sich in den Monaten zuvor in
diesem Spektrum abspielten.
Der Autor dieser Zeilen selbst – der im Juli 1989
volljährig wurde und im Frühjahr 1990 sein Abitur absolvierte
– hat diese Zeitspanne als junger Aktivist im Kommunistischen
Bund (KB) miterlebt. Dort war ich seit dem Winter 1987/88
aktiv. Meine ersten Artikel im damaligen AK, der nicht mehr
Arbeiterkampf und noch nicht analyse und kritik (ak) hieß und
dessen abgekürzter Titel seinerzeit mit Großbuchstaben
geschrieben wurde, erschienen ab Mai 1990.
Zurück zu den damaligen Ereignissen: Im Januar 1989 finden
in Westberlin die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Diese
Wahl auf Landesebene löst zweierlei bedeutende Entwicklungen
innerhalb der (radikalen) Linken aus:
(1.) Einerseits markierte sie den Endpunkt in der
Hinwendung der grünen und der parteiförmigen Alternativen hin
zu „Realpolitik“ & Regierungsbeteiligung.
Die Alternative Liste (AL) Westberlin hatte bis dahin, neben
der Grün-Alternativen Liste (GAL) Hamburg, als linksradikale
Hochburg innerhalb der Ökopartei gegolten. Bisweilen übrigens
zu Unrecht. Denn die AL Westberlin – die erst seit 1983, durch
einen Vertrag mit der Bundespartei, formell zur Partei DIE
GRÜNEN (gegründet 1980 und damals oft mit Großbuchstaben
dargestellt) gehörte – hatte war tatsächlich viele
Linksradikale und frühere Linksradikale aufgenommen.
Jedenfalls ein Teil von ihnen waren aber enttäuschte Anhänger
maoistischer „K-Gruppen“, deren schlimmste die 1980 aufgelöste
KPD-AO (KPD-Augbauorganisation, von anderen Linken auch
„KPD-A-Null“ genannt) war. Zumindest diese spezielle Fraktion
hatte längst keinen Bock mehr auf Kommunismus & Klassenkampf,
auf ermüdendes „Eintreten für die Revolution“; und sie
schwadronierte mitunter ferne gern über die unterdrückte
deutsche Nation und die Notwendigkeit einer Wiedervereinigung
zwischen BRD & DDR. Dies war ein Relikt aus der Hochphase des
Maoismus, als manche Unterströmungen, vor allem die
dogmatisch-sektiererischen (zu denen der KB niemals zählte),
ihre Begeisterung für „unterdrückte Nationen“ – in der so
genannten Dritten Welt – auch auf deutsche Verhältnisse
übertrugen und gegen USA/UdSSR richten wollten. Der KB höhnte
und spottete übrigens schon früh, in den 70er Jahren, über
diese „Vaterlandsverteidiger“, wie er sie nannte. Statt des
noch (relativ) Besten, hatten die Anhänger dieser
Unterströmung oft vor allem das Schlimmste aus ihrer
Vergangenheit und ihrer früheren Ideologie mit zu den Grünen
oder AL geschleppt.
Sei es wie es sei – und auch wenn nicht alles glänzte, was
sich „links“ nannte und mal „radikal“ gewesen war -, so war
die AL Westberlin doch innerhalb der grünen Gesamtpartei noch
weit links verortet gewesen. (Damals hatte bereits, 1987/88
bei den Grünen in Baden-Württemberg, im Vorfeld der dortigen
Landtagswahl im März 88, eine Diskussion um eine Annäherung an
die CDU und ihren „Modernisiererflügel“ unter
Ministerpräsident Lothar Späth begonnen. Prominente
Befürworter mindestens der „Tolerierung“ einer
CDU-Landesregierung waren damals Fritz Kuhn und Rezzo
Schlauch, die noch heute Protagonisten grüner Parteipolitik
sind.) Doch dann kam die Wahl in Westberlin – und, aufgrund
der neuen Mehrheitsverhältnisse im dortigen Abgeordnetenhaus,
die „Chance für Rot-Grün“. Innerhalb nur weniger Wochen
konvertierte eine deutliche Mehrheit innerhalb der AL
Westberlin, mit erheblicher Geschwindigkeit, zu Befürwortern
von Koalitions- und Regierungsbeteiligung an der Seite der
SPD. Unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper trat
die Alternative Liste in ein „rot-grünes“ Kabinett ein.
Innerhalb der (verbliebenen) radikaleren Linken läutete
diese Entwicklung eine Absetzbewegung von jener einstigen
„Partei der neuen sozialen Bewegungen“ ein - auf die noch
wenige Jahre früher nicht unbeträchtliche Teile dieses
Spektrums mehr oder weniger verhaltene, mehr oder weniger
ausgesprochene Hoffnungen gesetzt hatten. Kurz zuvor, im
Dezember 1988, hatte zudem ein grüner Bundesparteitag in
Karlsruhe den letzten Bundesvorstand abgesägt, der durch
radikalere Linke geprägt gewesen war.
(Prominenteste Mitglieder im damals abgesetzten Sprecherrat
des Bundesvorstands waren Rainer Trampert und Jutta Ditfurth
gewesen.) Breitere Kreise der politischen Linken, die einen
gesellschaftsverändernden Anspruch beibehielten, bereiteten
nun ihren Rückzug von den Grünen vor.
Ein Artikel im damaligen AK, verfasst von Heiner Möller,
titelte infolge der Westberliner Koalitionsverhandlungen und
ihres Abschlusses: „Abschied von den Grünen.“ Die damalige
Strömung der „Ökosozialisten“ um Thomas Ebermann und Rainert
Trampert beginnt ihren Ausstieg aus der grünen Partei
vorzubereiten, wird den Akt des kollektiven Austritts jedoch
erst einige Zeit später (im April 1990) vollziehen. - In
demselben Kontext entsteht im Frühjahr 1989 eine neue
(kleinere) Sammlungsbewegung, auf die noch ausführlicher
zurückzukommen sein wird und die u.a. durch enttäuscht sich
abwendende Linksgrüne, durch Teile des KB, durch
Intellektuelle aus dem eher autonomen(-nahen) Spektrum und
durch AutorInnen der Zeitschrift KONKRET getragen wird. Es
handelt sich um einen Kreis, der auf den Namen Radikale Linke
(mit einem Großbuchstaben für das „R“) hören wird.
(2.) Parallel dazu zeichnete sich das Westberliner
Wahlergebnis, zum Anderen, noch durch ein zweites markantes
Ereignis aus: den ersten Ein- oder Durchbruch der extremen
Rechten auf die „politische Bühne“ der Etablierten seit
zwanzig Jahren.
Zum ersten Mal schafften die rechtsextremen Republikaner
(REPs), die 1983 gegründet worden waren, den Durchbruch in ein
Parlament – mit einem Stimmenanteil von 7,5 % zogen sie damals
in das Westberliner Abgeordnetenhaus ein. Erstmals waren damit
Rechtsradikale, seit dem kurzzeitigen Aufstieg der NPD in den
Jahren zischen 1968 und 72, wieder in einem Länderparlament
vertreten. Die REPs (die inzwischen die Jahre ihres Erfolges
längst hinter sich haben) erschienen damals zeitweilig als
eine mit erheblichen Zukunftschancen ausgestattete
„Alternative“ zu den älteren Parteien NPD und DVU im
Rechtsaußenspektrum: nicht so bündnisunfähig, nicht so sehr in
breiten Kreisen diskreditiert, nicht so sehr überwiegend von
Altnazis geprägt. In den folgenden Wochen und Monaten
erschütterte eine heftige Debatte vor allem die CDU/CSU: Teile
der Unionsparteien forderten, auf ein Bündnis mit dem Newcomer
auf ihrer Rechten zu setzen; oder nutzten die Gunst der
Stunde, um eine drastische Verschärfung der „Ausländerpolitik“
zu fordern. Etwa im politischen Milieu rund um den CDU-Rechten
Alfred Dregger. Der damalige rheinland-pfälzische
Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) erklärte die REPs
im Frühjahr 1989 rundheraus für „koalitionsfähig“. Bei den
Europaparlamentswahlen im Juni 1989 konnte die „Republikaner“
ihren Erfolg wiederholen, dieses Mal bundessweit, mit 7,1 %
der Stimmen. Neben ihnen erhielt die (1987 neu gegründete)
„DVU-Liste D“ auch noch mal anderthalb Prozent.
Die aufstrebende neue Partei schien eine Lücke im Raum
zwischen CDU und NPD zu füllen. Ihr Vorsitzender, der
mittlerweile verstorbene Franz Schönhuber, rief im selben Jahr
– 1989 – eine „Intellektualisierung“ der Partei aus, bemühte
sich um die Rekrutierung von Mitgliedern an den Universitäten
und um die Herausbildung eines gut ausgebildeten
Nachwuchskaders. (Dies ist ihm damals nur in einzelnen Fällen
gelungen. An einem Kreis an der Universität Köln etwa ging die
Rekrutierungsstrategie, vor allem unter Jurastudierenden,
zeitweilig auf. Aus ihm erwuchs der heutigen Führungszirkel
der rechtsextremen Regionalpartei Pro Köln rund um Markus
Beisicht, der 1989 Jurastudent und junger Parteifunktionär der
REPs war, und Manfred Rouhs.)
Das Stimmvolk der neuen extremen Rechten: Radikale Variationen
in der Einschätzung durch die Linke
Innerhalb der radikaleren Linken polarisierte sich damals die
Debatte um die Einschätzung des neuen politischen Phänomens
auf der extremen Rechten. In einem Teil der alt- oder
vulgärmarxistisch geprägten Linken, aber auch der
bewegungsverhafteten autonomen Linken wurde vor allem die
These von den „Protestwählern“ in den Mittelpunkt gestellt: Es
handele sich um enttäuschte Proleten, die lediglich durch die
SPD und/oder die Linke zu sehr vernachlässigt worden seien und
deren sozialen Belangen man folglich stärker Beachtung
schenken müsse. (In Wirklichkeit war die Wählerschaft der
extremen Rechten weitaus stärker ausdifferenziert. Im
norddeutschen Raum wurde damals stärker die DVU gewählt, deren
Stimmpublikum tatsächlich eher aus dem Bereich der „sozialen
Verlierer“ kam. Hingegen dominierten in Süddeutschland die
„Republikaner“, die in Bayern bis zu 15 Prozent der Stimmen –
im Juni 1989 – einfuhren. Ihre Wählerschaft setzte sich
hingegen stärker aus „Mittelständlern“, Facharbeitern und auch
Angehörigen sozial eher privilegierter Schichten zusammen.)
Auf diese These antwortete in einem Teil der radikaleren
Linken, auf der eine neue Diskussion um Antirassismus begonnen
hatte – darunter auch im KB -, eine Gegenthese: Nein, die
„Protestwähler“-Analyse unterschätze sträflich die
rassistische Ideologie und ihre Eigendynamik. Einige
Protagonisten entwickelten diese (im Kern richtige,
ideologiekritische) Annahme dann weiter zu einer Haltung, die
darauf hinauslief zu sagen: „Die sind wirklich so, die Leute.“
Deswegen müsse man das Massenpublikum als solches bekämpfen,
das weit über die Anhängerschaft der REPs hinaus von Rassismus
und Nationalismus geprägt und (auf absehbare Zeit hin)
unveränderbar sei. Ein kleinerer Teil spitzte diese Tendenz
dann zu einer ausgeprägten, die Dinge verabsolutierenden
„Massenfeindschaft“ zu. Zu seinen Protagonisten zählte –
zuerst im KB, später (in den frühen neunziger Jahren) dann als
Publizist unter eigenem Namen - etwa Bernd Schulz.
Auf eine nochmals zugespitzte Konsequenz brachte diese Haltung
Jahre später dann der Publizist Jürgen Elsässer, der einstmals
ebenfalls aus dem KB hervorging, aber sich längst weit von
seinen politischen Ursprüngen entfernt hatte. Im April 1998 –
Elsässer befand sich damals in seiner „antideutschen“ Phase,
bevor er später nochmals eine radikale Kehrtwende hin zu heute
eher völkisch-pseudosozialen Positionen vollzog – holte die
DVU bei einer Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 13 Prozent der
Stimmen. Als Reaktion auf dieses Abschneiden der DVU forderte
Elsässer, in Beiträgen u.a. für die damalige Jungle World, und
kurz darauf in seinem Braunbuch DVU, die sozialen Interessen
der dortigen Bevölkerung dürften infolge dieses
Wahlergebnisses nicht nur ausdrücklich nicht berücksichtigt
bleiben. Vielmehr müsse man über eine gezielte wirtschaftliche
Bestrafung der dortigen Bevölkerung insgesamt (etwa in Gestalt
von Subventions-Abbau) nachdenken, um ihr eine Lehre zu
erteilen, denn der deutsche autoritäre Untertanen-Charakter
verstehe nur diese Sprache. Eine fatale Konsequenz.
Bruch/Brüche mit der Friedensbewegung der 80er Jahre
Viele der Positionen, die später unter dem Label
„antinational“ oder „antideutsch“ entwickelt worden sind,
nehmen in den Diskussionen des Jahres 1989 ihren Ausgang. Dies
gilt auch für die Kritik an der – in den achtziger Jahren
teilweise sehr breiten und quantitativ starken –
Friedensbewegung, die bei den späteren Antideutschen zum Teil
zur brachialen Abrechnung wurde und sie zu Positionen der
offenen (US-)Kriegsbefürwortung trieb.
Im Sommer 1989 steckt die Friedensbewegung bereits in einer
tiefen Orientierungskrise. Ihren Höhepunkt hatte sie im Herbst
1983 – dem Zeitpunkt des Beginns der Raketenstationierung in
Westdeutschland – durchlaufen. In jenem Jahr hatte sie eine
Niederlage erfahren, da es ihr nicht gelungen war, die
Aufstellung der Pershing-2 und Cruise Missiles zu verhindern.
Sie blieb jedoch noch für Jahre hinaus die quantitativ
stärkste „neue soziale Bewegung“ im Land. Gleichzeitig
erwarten zur Jahresmitte 1989 quasi alle BeobachterInnen für
die nächste Bundestagswahl, die turnusmäßig (ohne dass die
Wiedervereinigung dazwischenkäme) Ende Januar 1991 anstünde,
nunmehr einen wahrscheinlichen Wahlsieg von „Rot-Grün“. In
jenem Sommer lanciert die SPD - oder Teile ihrer Führung -
eine Debatte, die auf einen (wahl)strategischen
innenpolitischen Effekt abzielt: Sie möchte sowohl den Anhang
der Friedensbewegung als auch Teile der neu erstarkten
rechtsextremen Wählerschaft anziehen und für sich gewinnen.
Vor diesem Hintergrund initiieren Spitzenpolitiker der SPD,
unter ihnen Oskar Lafontaine, eine Kampagne zum Thema
„Souveränitätsrechte der Alliierten auf deutschem Boden“.
Die Debatte hat einen materiellen Kern: Damals sorgen die
Überflugsrechte (insbesondere von US-amerikanischen und
kanadischen Militärflugzeugen), die in Landschaften wie dem
Hunsrück Tiefflugübungen veranstalten, immer wieder für
erregte Skandalisierungsversuche. Tatsächlich bedeuten diese
Tiefflüge für Lärmterror und Umweltzerstörung. Alliierte
Truppen sind damals – vor dem Abschluss des
„Zwei-Plus-Vier-Vertrags“ von 1990, der dem vereinigten
Deutschland seine volle außenpolitische Souveränität
zurückgibt - noch in größerer Zahl auf deutschem Boden
stationiert. Die Militärübungen im Hunsrück hängen allerdings
nicht nur oder nichtn überwiegend damit und mit dem alliierten
Truppenstatut zusammen, sondern schlicht mit dem NATO-Pakt:
Kanada beispielsweise ist keine alliierte Macht im Sinne der
Führungsmächte der Anti-Hitler-Koalition, wohl aber
NATO-Mitgliedstaat.
In Teilsegmenten des erweiterten gesellschaftlichen Umfelds
der Friedensbewegung wird damals davon gesprochen, dass
Deutschland „ein besetztes Land“ sei; und die (maßgeblich auf
die USA, oder – je nach Standpunkt –die „beiden Supermächte“
zurückgeführte) Kriegsgefahr und die Stationierung von
Atomwaffen wird damit in Zusammenhang gesetzt. Eine mindestens
vergröbernde, wenn nicht grundfalsche Sichtweise, denn die
Rede von der „Raketenlücke“ von 1977 in London – die zum
Ausgangspunkt für den ANTO-Doppelbeschluss vom 12. 12. 1979
und dadurch die Raketenstationierung wurde – hielt der
westdeutsche Kanzler Helmut Schmidt.
Auch in Teilen der, intelligenteren, politischen Rechten hat
man damals übrigens entdeckt, dass die Debatte über
Deutschland als vorgeblich unterdrückte Nation ihr ein
Einfallstor in das Umfeld der „neuen sozialen Bewegungen“
verschaffen könne. In der rechtskonservativen Zeitschrift
Criticon wird damals darüber diskutiert, welchen deutschen
Kern die Friedensbewegung habe und wie man sich an dieses
Spektrum adressieren könne. In Einzelfällen versuchen
nationalrevolutionäre Aktivisten (wie etwa Rolf Stolz, heute
Autor bei der Jungen Freiheit, „Gründungsmitglied der
Grünen“), die Friedensbewegung und auch die grüne Partei zu
unterwandern. Wesentlich mehr realpolitische Schlagkraft hat
da aber ein Manöver des einflussreichen Politikers der
CDU-Rechten Alfred Dregger, der im Frühjahr 1989 ebenfalls
vermeintlich friedensbewegte Töne spuckt: Er fordert damals
lautstark den Abzug der teilweise mit Atomwaffen bestückten
Pershing 1a-Kurzstreckenraketen von (west)deutschem Boden.
Begründung: Diese Kurzstreckenwaffen würden, falls sie
eingesetzt werden, auf deutschem Boden herunterkommen –
während die Mittelstreckcnraketen vom Typ Pershing-2 und
Cruise Missiles, deren Abzug damals beginnt, „nur“ etwa in der
Ukraine und anderswo im Westen der UdSSR niedergegangen wären.
Dregger, Protagonist des „Stahlhelmflügels“ der CDU, hatte
zuvor zu den Befürwortern der Stationierung der letztgenannten
Waffen gezählt.
Im Jahr 1989 gibt es also eine Art Zangenbewegung, mit der
versucht wird, die Überreste der Friedensbewegung für
nationale Belange zu vereinnahmen. Dabei versuchen führende
SPD-Politiker, den Zustrom von Wählern und Anhängerinnen aus
diesem Spektrum ebenso wie von den rechten Stammtischen durch
die Rede von den „Besatzungsrechten in Deutschland“ zu
mobilisieren. Aus der radikaleren Linken wird übrigens
versucht, dieser Konzentration auf die Projektionsfläche USA
gegenzusteuern, indem damals der Fokus auf die „eigenen
Atomwaffen-Ambitionen der BRD“ konzentriert wird – etwa in
Gestalt der Kampagne „Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz“, die
1988/89 neben dem linksgrünen Bundestags-Abgeordneten Thomas
Ebermann maßgeblich von Teilen des KB und einigen damaligen
Köpfen (Jürgen Elsässer, Matthias Küntzel, Detlev zum Winkel)
betrieben wird.
Vor diesem Hintergrund muss es gesehen werden, wenn später
Teile der sich 1990 herausbildenden „antinationalen“
respektive „antideutschen“ Linken sich dann – in
darauffolgenden Jahren – auf teilweise nachgerade hysterische
Art und Weise an der Friedensbewegung als Ausdruck des Bösen
an & für sich abarbeiten.
Vorläufiges Fazit
In diesen dreifachen Kontext hinein – Herausbildung der
Allianz „Radikale Linke“, beginnende Abwendung eines Teils der
Linken von sozialen Massenbewegungen und insbesondere der
Friedensbewegung (deren „nationale Aufladung“ gleichzeitig von
anderer Seite her versucht wird), und Aufstieg einer
rassistischen und chauvinistischen extremen Rechten – platzt
im Herbst 1989 die Nachricht von der Staatskrise der DDR. Und
dann erfolgt der Mauerfall in Berlin. Wir daraufhin in den
ersten Jahresmonaten 1990 der Kristallisationskern der
späteren „Antideutschen“ entsteht – und wie er 1990/91 durch
einen heftigen Streit um den Irakkrieg erschüttert wird -,
gilt es in einem in Kürze folgenden zweiten Beitrag
ausführlicher darzulegen.
Bernhard Schmid
Editorische Anmerkungen
Es handelt sich vorliegendem Text um den (ausführlichen)
Teil 1 eines Artikels, der in vom Autor gekürzter Fassung in
der jüngsten Ausgabe von ‚Analyse & Kritik’ erschien. Der
Verfasser dieser Zeilen wirft dabei einen Blick zurück auf die
Debatte, welche die westdeutsche (radikale) Linke 1989 bzw. im
Zeitraum 1989/90, vor und nach dem Berliner Mauerfall,
durchzogen. Teil 2 dazu folgt in Kürze