Scholastik
Name für die von den
Ideologen der katholischen Kirche im
europäischen Mittelalter entwickelte und ausgestaltete
objektiv-idealistische theologisch-philosophlsche Lehre. |
Die Scholastik war die einflußreichste
theologisch-philosophische Lehre und zugleich die
herrschende Ideologie der europäischen
Feudalgesellschaft. Ihre Wirkung erstreckte sich über einen
Zeitraum von rund 700 Jahren, von etwa 800 bis 1400. Die
Herausbildung der Scholastik erfolgte auf der Grundlage der
gesellschaftlichen Verhältnisse des europäischen
Feudalismus. «Das Mittelalter hatte sich ganz aus dem Rohen
entwickelt. Über die alte
Zivilisation, die alte Philosophie, Politik und Jurisprudenz
hatte es reinen Tisch gemacht, um in allem wieder von vorn
anzufangen. |
|
Das einzige, das es aus der alten Welt übernommen hatte, war
das Christentum und eine Anzahl halbzerstörter, ihrer ganzen
Zivilisation entkleideter Städte. Die Folge davon war, daß, wie
auf allen ursprünglichen Entwicklungsstufen, die Pfaffen das
Monopol der intellektuellen Bildung erhielten und damit die
Bildung selbst einen wesentlich theologischen Charakter bekam.
Unter den Händen der Pfaffen blieben Politik und Jurisprudenz,
wie alle übrigen Wissenschaften, bloße Zweige der Theologie und
wurden nach denselben Prinzipien behandelt, die in dieser
Geltung hatten... Diese Oberherrlichkeit der Theologie auf dem
ganzen Gebiet der intellektuellen Tätigkeit war zugleich die
notwendige Folge von der Stellung der Kirche als der
allgemeinsten Zusammenfassung und Sanktion der bestehenden
Feudalherrschaft» (marx/
engels 7,343). In diesem allgemeinen gesellschaftlichen
und ideologischen Rahmen entwickelte die Scholastik ihre Lehren.
Im Einklang mit der «Oberherrlichkeit der Theologie auf dem
ganzen Gebiet der intellektuellen Tätigkeit» als Folge «der
Stellung der Kirche als der allgemeinsten Zusammenfassung und
Sanktion der bestehenden Feudalherrschaft» sah die Scholastik
ihre Aufgabe darin, das kirchliche Dogmensystem, das sie im
wesentlichen von der Patri-stik übernahm, vernunftmäßig zu
begründen, d.h., es mit der philosophischen Überlieferung (der
griechischen, vor allem der Aristotelischen
Philosophie, soweit sie damals bekannt war) in Einklang zu
bringen (zu versöhnen) und gegen Auffassungen «heidnischen)
(gegnerischer) Autoren zu verteidigen. Sie wollte nachweisen,
daß die kirchlichen Dogmen (der christliche Glaube) vernünftig
(rational erfaßbar) sind und das Vernünftige (die überlieferte
Philosophie) mit den kirchlichen Dogmen übereinstimmt. Die
Scholastik wollte «durch Anwendung der Vernunft, der Philosophie
auf die Offenbarungswahrheiten möglichste Einsicht in den
Glaubensinhalt gewinnen, um so die übernatürliche Wahrheit dem
denkenden Menschengeiste näherzubringen, eine systematische,
organisch zusammenfassende Gesamtdarstellung der Heilswahrheit
zu ermöglichen und die gegen den Offenbarungsinhalt vom
Vernunftstandpunkte aus erhobenen Einwände lösen zu können»
(grabmann, Geschichte, Einl.). Im Zuge des Versuchs, diese
zentrale Aufgabe zu lösen, entwickelte die Scholastik spezielle
Methoden des Lehrbetriebs, der Untersuchung und der '
Darstellung, die unter dem Namen scholastische Methode in
die Geschichte der Philosophie eingegangen sind. Die
bürgerliche Philosophiegeschichtsschreibung hat die zentrale
Aufgabe der Scholastik, den dogmatisch fixierten christlichen
Glauben mit philosophischen Argumenten zu stützen und
rational einsichtig zu machen, meist verkannt und die
scholastische Methode als eigentliche Bestimmung der Scholastik
ausgegeben.
Für die Scholastik charakteristisch war ihre völlige
Abhängigkeit von der Theologie. Sie war und wollte sein: Magd
der Theologie (philosophia ancilla theologiae, zuerst von
petrus damiani gebraucht) - auch als philosophische Lehre. In
diesem Unterordnungsverhältnis bestimmt die Theologie die
Themata der (theologisch-) philosophischen Bemühungen, ihre
Richtung und Grenzen. Was «Wahn»
ist (besser: zu sein hat), ergibt sich aus den kirchlichen
Dogmen. Die Philosophie hat auf ihre Art und mit ihren Mitteln
die «Wahrheit» der Dogmen noch einmal zu bestätigen und gegen
Angriffe «heidnischer» Lehren abzuschirmen. Daraus folgen als
weitere Kennzeichen der Scholastik: ihre Unterschätzung und
Mißachtung der empirischen Forschung, ihr Verweilen in bloßen
begrifflichen Operationen, ihre Spekulation über allgemeinste
und abstrakteste Begriffe, ihr Hang zu umfassender, zugleich
aber einseitiger Systematisierung, ihre Unduldsamkeit und ihr
militanter Charakter.
Die Scholastik ist keine einheitliche, in sich geschlossene
Schule. Sie kennt die verschiedensten Gruppierungen und
Schulrichtungen. Ihre Geschichte ist ausgefüllt von Kämpfen und
Auseinandersetzungen zwischen diesen Gruppierungen und
Schulrichtungen: Universalienstreit,
Nominalismus, Realismus.
Die Entwicklung der Scholastik vollzog sich im
wesentlichen in drei Etappen (Einteilung zuerst von
baeumker) : die
Frühscholastik (etwa 800 bis 1200), die Hochscholastik
(etwa 1150-1300), die Spätscholastik (etwa
1300-1400). Die Frühscholastik (Herausbildung der
Scholastik) ist gekennzeichnet durch die explizite Formulierung
des Universalienproblems und die beginnenden
Auseinandersetzungen darüber (Universalienstreit), das
Bekanntwerden der logischen Schriften des aristoteles und die
Ausbildung der scholastischen Methode. Hauptvertreter der
Frühscholastik sind:
johannes scotus oder
eriugena, anselm von canterbury, wilhelm von cham-peaux,
abaelard, petrus lombardus. Die Hochscholastik
(Blütezeit der Scholastik) ist gekennzeichnet durch das
Bekanntwerden der übrigen Schriften des aristoteles, das Bemühen
um Synthese von kirchlichem Dogmensystem und Aristotelischer
Philosophie mit Hilfe der scholastischen Methode, die
Auseinandersetzungen mit der jüdischen und der zum
Materialismus tendierenden arabischen Philosophie, die
vorübergehende «Lösung» des Universalienstreites. Hauptvertreter
der Hochscholastik sind:
alexander von hales, bonaventura, albertus magnus (albert von
bollstädt), thomas von aquin (Thomismus).
Die Spätscholastik ist gekennzeichnet durch das
erneute Hervorbrechen des Universalienstreites, das Auftreten
ockhams und die Bekämpfung seiner Lehre (-> Nominalismus),
die weitgehende Entartung der scholastischen Methode zu
abstrakter Begriffsspielerei. Die Etappe der Spätscholastik ist
identisch mit dem Niedergang der Scholastik, der einhergeht mit
der Auflösung der Feudalgesellschaft.
Mit Beginn der bürgerlichen Neuzeit wird die
Scholastik immer mehr aus dem geistigen Leben der Völker
verdrängt. Zwar führt sie, von der offiziellen katholischen
Kirche gefördert und unterstützt, auch in den folgenden
Jahrhunderten ihr Dasein, bleibt mit ihrer Wirkung jedoch auf
die Klöster und Ordenseinrichtungen, die immer mehr zu Stätten
ideologischer Reaktion herabsinken, beschränkt. Im Zuge der
Gegenreformation erfährt die Scholastik im 16. und 17.
Jahrhundert in Italien und Spanien (SUAREZ)
eine gewisse Belebung vorübergehender Art. Erst in der Periode
des Übergangs des Kapitalismus in das Stadium des Imperialismus
gelingt es der katholischen Kirche, die Scholastik verstärkt
neuzubeleben und mit ihr in Gestalt der Neuscholastik
ideologischen Einfluß zu gewinnen. Infolge der der Scholastik
eigenen formalistischen Spekulation ohne jeden erfahrungsmäßigen
Inhalt erhielt der Begriff «Scholastik» eine abwertende
Bedeutung zur Umschreibung aller inhaltslosen Spekulation
und begrifflichen Spitzfindigkeit.