Verstaatlichung für wen?

Von Max Laszer

11/08

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Im Wahlkampf stellte die Liga der Sozialistischen Revolution die Forderung nach "Enteignung von Superreichen" sowie der "Verstaatlichung der Banken und Konzernen unter Kontrolle der Beschäftigten" auf. Konkretisiert bedeutet diese Forderung zum
Beispiel, Konzerne die Mitarbeiter abbauen in staatliches Eigentum zu  überführen und der Kontrolle der Beschäftigten zu unterstellen. Mehr noch, es geht dabei darum, die gesamten Schlüsselbereiche der Wirtschaft, die Finanzwelt, die Industrie- und Handelskonzerne, den Großkapitalisten entschädigungslos zu entreißen und mit der  Verstaatlichung den ersten Schritt Richtung Vergesellschaftung zu machen.

Aber Verstaatlichung ist nicht gleich Verstaatlichung. Die Verstaatlichung, die von sozialistischen RevolutionärInnen gefordert wird, hat wenig gemein mit der Verstaatlichung, die beispielsweise die reformistische Sozialdemokratie über Jahrzehnte hinweg in Europa umsetzte.

Warum Verstaatlichung fordern?

Die Verstaatlichung von Betrieben hat den Vorteil, dass bislang  "private" Angelegenheiten wie die Höhe des Gehalts der ArbeiterInnen, Überstundenregelungen, die Frage von Neuanstellungen oder Entlassungen, oder der am Markt verlangte Preis der vom Betrieb produzierten Güter nunmehr in öffentliche Angelegenheiten umgewandelt werden. Wären
beispielsweise Lebensmittelhandelskonzerne wie SPAR oder BILLA in  öffentlicher Hand, wäre die Frage der Preissteigerungen von Lebensmitteln einfach in den Griff zu bekommen: Ein gewähltes Komitee von ArbeiterInnen soll Einsicht in die Firmenbücher erhalten, die
notwendigen Kosten einer strengen Kontrolle unterziehen und dann Preise  für die Produkte festlegen, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen.

Abgesehen von den unmittelbaren Vorteilen, die durch diese Form der  Verstaatlichung entstehen, hat sie noch eine viel weitergehende politische Bedeutung: Die Kontrolle der ArbeiterInnen im Betrieb, unter  den Umständen eines noch kapitalistischen Staates, bedeutet eine Situation der Doppelmacht. Sofern die Fabriks- und Betriebsbesitzer fest
im Sattel sitzen, werden sie alles tun um zu verhindern, dass ihnen ihr Betrieb genommen und er unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt wird. Eine solche Forderung ist deswegen nur vermittels schroffem Klassenkampfes und einer Änderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zugunsten der Werktätigen umsetzbar.

Kontrolle der Produktion und der mit dem Kampf um diese verbundene Klassenkampf wiederrum wird zwangsläufig zur Frage führen, wer im Staat die Fäden in der Hand hält. Der Kampf um sie führt zur allgemeinen Machtfrage und damit dazu, die proletarische Revolution auf die politische Tagesordnung zu stellen.

Was unterscheidet nun die revolutionäre von der reformistischen Verstaatlichung?

Alleine die größten 1.000 Unternehmen machen einen Umsatz von jährlich 293 Mrd. Euro. Würden wir die 6.000 größten Unternehmen ,das sind ca. 3% aller Betriebe in Österreich ,von den Kapitalisten enteignen, so hätte der Staat mit einem Schlag 63% des unternehmensbezogenen Vermögens unter seiner Kontrolle. Kurz und gut, unsere Losung der Enteignung der Superreichen würde die Macht über die Wirtschaft ,und damit die
Grundlage der Gesellschaft und der Politik ,mit einem Schlag in die Hände der Gesellschaft legen.

Es versteht sich von selbst, dass die revolutionäre Losung der Enteignung keinerlei Entschädigung vorsieht. Während die sozialdemokratischen BürokratInnen in der Geschichte oft den vermögenden Konzernherren auch noch großzügige Abschlagzahlungen gaben, sehen wir keinen Grund, den Großkapitalisten noch mehr Geld in den Rachen zu werfen.

Die reformistischen ArbeiterverräterInnen meinen, wenn sie von Verstaatlichung sprechen, keine Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle, sondern eine Verstaatlichung unter Kontrolle der Vertreter des Bürgertums. Die Kontrolle über die Betriebe findet oftmals
durch eine Instanz, zusammengesetzt aus vermeintlichen VertreterInnen der Interessen von Werktätigen (hohe Gewerkschaftsfunktionäre oder Betriebsratsvorsitzende) sowie VertreterInnen der Interessen der Unternehmer statt. In den zweifelhaften Genuß dieser
klassenkollaborateurischen Form der Verstaatlichung kamen wir nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland oder England bereits. Wie Leo Trotzki bereits Anfang der 1930 Jahre treffend anmerkte, handelt es sich dabei nur um eine "Zähmung der Arbeiterbürokratie durch das Kapital" und keineswegs um eine Kontrolle der Arbeiter über die Produktion.

In Zeiten der Krise rufen die Kapitalisten zum Teil selber nach Verstaatlichung, um sich so vor dem Zusammenbruch zu retten und das System weiter in ihrem Interesse zu betreiben. Kein Wunder, dass die konservativen Präsidenten Bush oder Sarkozy ,unter dem Jubel der
sozialdemokratischen Bürokratie ,heute faktisch zum Mittel der Verstaatlichung greifen. Sie verstaatlichen, um den Kapitalismus zu retten. Die revolutionäre Losung der Verstaatlichung hingegen zielt auf die Entmachtung der Kapitalisten und die Ermächtigung der ArbeiterInnenklasse ab.
 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir durch die LSR per Mail: Erstveröffentlicht wurde er in BEFREIUNG Nr. 170, November 2008, www.sozialistische-revolution.org