Flüchtlinge
haben keine Lobby. Wenn ihre Abschiebung kurz bevorsteht, umso
weniger. An den Flughäfen, dort wo die Außengrenze der EU weit
ins Landesinnere hineinragt, agiert die Bundespolizei weitab
kritischer Öffentlichkeit offenbar in einem rechtsfreien Raum.
Über Jahre wurden Flüchtlinge vor ihrer Abschiebung in Zellen
gesperrt, ohne dass die notwendige richterliche Verfügung
eingeholt worden war. Die Grundrechte von tausenden von Menschen
wurden verletzt – oder gelten die für Flüchtlinge nicht?
Immer wieder
berichteten abgeschobene Flüchtlinge dem Verein „Hilfe für
Menschen in Abschiebehaft Büren“, dass sie vor ihrer Abschiebung
auf dem Flughafen in Düsseldorf im Gebäude der Bundespolizei
inhaftiert worden waren. Der Verein forschte nach und fragte
beim Forum Flughäfen NRW. In diesem Gremium sitzen
VertreterInnen der Zivilgesellschaft (Flüchtlingsorganisationen,
Kirchen, Wohlfahrtsverbände) gemeinsam mit staatlichen Stellen (ZAB,
Innenministerium, Bundespolizei), um über strittige Fälle und
Entwicklungen zu sprechen und so zu „verstärkter Transparenz“
beizutragen. Der Moderator des Forums antwortete und beschrieb
in seinem Brief genau das, was auch die Flüchtlinge erzählten: „Die/Der
Abzuschiebende wird dann in einer Zelle (Gewahrsamraum)
eingeschlossen."
Nun versuchte
der Verein, mit der Bundespolizei zu sprechen, doch diese
blockte ab. Auch ein Besuch des Gebäudes der Bundespolizei am
Flughafen war trotz der Unterstützung einer
Bundestagsabgeordneten der LINKEN nicht möglich.
Daraufhin
erstattete der Verein Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegen
Bundespoliziedienststellen in ganz Deutschland.
Nun, dass NGOs
jahrelang mit der Bundespolizei in einem Gremium sitzen, um über
die Einhaltung der Menschenrechte bei Abschiebungen sprechen und
nichts von dieser Grundrechtsverletzung mitbekommen haben, mag
noch ein verzeihlicher Fehler sein. Aus Fehlern sollte man
lernen. Aber anstatt sich nun auf die Seite der Flüchtlinge zu
stellen, schweigt die Zivilgesellschaft den Fall tot. Mit
stoischer Ruhe versuchen die dialogisierenden Organisationen,
den Skandal auszusitzen. Die Kirchenleitungen jedoch geben sich
damit nicht zufrieden: sie setzen alle Hebel in Bewegung, um den
Verein unter Druck zu setzen, seine Anzeige zurück zu nehmen.
Verkehrte Welt?
Beileibe nicht.
Die demokratische Konsenskultur bringt es mit sich, dass
potentiell kritische Menschen und Organisationen in einer Art
„tödlicher Umarmung“ sich selbst mundtot machen, um den „guten
Dialog“ mit den staatlichen Stellen nicht zu gefährden. Was –
abseits des guten Gesprächsklimas – dieser Dialog für die
Situation der Flüchtlinge bringt, bleibt im Dunkeln. Dialog als
Selbstzweck.
Doch wenn
dieser Selbstzweck sogar mit einschließt, vor
Grundrechtsverletzungen die Augen zu verschließen, dann ist das
Maß voll. Flüchtlinge brauchen eine Lobby. Und zwar eine, die
unabhängig ist.
Editorische
Anmerkungen
Den Text erhielten wir
von den AutorInnen zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
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