Peter Trotzig Kommentare zum Zeitgeschehen
Eine staatliche Bürgschaft für Opel?

11/08

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Gestern Abend (16.11.2008) versammelte Anne Will mal wieder ein Gruselkabinett um sich, um über die Zukunft von Opel zu diskutieren. Darunter neben Wirtschaftsminister Glos auch der Opel-Betriebsratsvorsitzende Franz.

Franz nennt sich zwar Betriebsratsvorsitzender, aber er spricht wie ein Manager der Adam Opel AG. Es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn dort der Vorstandvorsitzende gesessen hätte. Wenn Franz „wir“ sagt, dann meint er die Adam Opel AG und nicht die lohnabhängige Belegschaft.

Franz ist auch Ökonom. Er hat erkannt, dass die Medien mit ihren negativen Nachrichten die Lohnarbeitsplätze bei Opel vernichten.

Franz gleicht einem bürgerlichen Dummkopf, der wegen seines bornierten Interesses nicht verstehen kann und verstehen will, dass die kapitalistische Marktwirtschaft mit ihrer verheerenden sozialen Dynamik die Lohnarbeitsplätze bei Opel bisher vernichtet hat und weiter vernichten wird. Ob mit Bürgschaft des Staates (langsam, allmählich) oder ohne staatliche Bürgschaft (vielleicht sehr schnell und auf einen Schlag.) 

Die staatlichen Schutzschilde, die jetzt überall aufgespannt werden müssen, damit das ganze System nicht zusammenbricht, zeigen das Versagen der kapitalistischen Marktwirtschaft an. Es ist ein System ohne Zukunft oder mit einer alles verheerenden Zukunft.

  • Das Geld der Allgemeinheit, bzw. die Verschuldung der Allgemeinheit soll dazu genutzt werden, einzelne, für das ganze System wichtige, kapitalistische Unternehmen zu retten, damit es weiter gehen kann, wie bisher. Weitergehen wie bisher, das bedeutet unter anderem:

  • der Gegensatz zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander

  • die Existenz der Lohnabhängigen wird immer unsicherer

  • ihre ganze Lebensweise wird „flexibilisiert“ (das bedeutet: vollständig den Anforderungen des Marktes und den Bedürfnissen der Kapitalverwertung unterworfen)

  • die Arbeitshetze, der Rhythmus des Lebens wird immer weiter beschleunigt, usw.

Dafür verlangt die Adam Opel AG mitsamt ihrem famosen Betriebsratsvorsitzenden eine Bürgschaft des Staates, eine Absicherung durch die Allgemeinheit! Die ganze Gesellschaft soll sicher stellen, dass das bei Opel angelegte Kapital von Privatbesitzern sich weiter zu möglichst hoher Rendite vermehren kann!

Zusammen mit Herrn Glos verlangt Herr Franz, dass das durch die Bürgschaft bereit zu stellende Geld bei der Adam Opel AG bleiben soll. Nicht bei der lohnabhängigen Belegschaft!

Die sozialen Interessen der Belegschaft spielen in dem ganzen Desaster nur in soweit eine Rolle, als  es sich dabei um gemeinsame Interessen mit den Opelkapitalisten handelt. Dieses gemeinsame Interesse besteht durchaus, denn beide wollen, dass Opel weiter existiert. Die Interessen der Lohnabhängigen bei der Adam Opel AG gehen jedoch weit über dieses gemeinsame Interesse hinaus und stehen damit im schroffen Gegensatz zu den Interessen der Opelkapitalisten. Die Lohnabhängigen bei Opel, wie in anderen Betrieben, wollen

  • existenzielle Sicherheit

  • kürzere Arbeitszeit

  • weniger Arbeitshetze

  • und eine materielle Versorgung, die dem tatsächlich vorhandenen gigantischen Reichtum angemessen ist. 

Dass jetzt der Staat die Privatwirtschaft retten soll, zeigt die Richtung an, die einen Ausweg aus Krise, Unsicherheit und Armut ermöglicht: Überführung aller Unternehmen in Eigentum der Allgemeinheit! Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln! Die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit ist zu groß geworden für den bornierten Zweck der Verwertung von Wert, oder anders ausgedrückt, für den bornierten Zweck der Vermehrung privater Reichtümer, von Familien wie Quandt und Konsorten!

Damit dieses Gemeineigentum an Produktionsmitteln dann auch tatsächlich im Interesse der Allgemeinheit genutzt wird, reicht die Form der Verstaatlichung nicht aus! Keine Entscheidung über Investitionen, Organisation und Länge der Arbeit etc. darf ohne Zustimmung der Belegschaften erfolgen! Dafür müssen neu zu schaffende Selbstverwaltungs- und Kontrollorgane gebildet werden! Wenn alle kapitalistischen Unternehmen in Gemeineigentum überführt sind, dann ist auch die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Allgemeinheit für die Existenz einzelner Betriebe bürgt. Last, but not least, muss sichergestellt werden, dass nicht irgendeine sogenannte politische „Partei der Arbeiterklasse“ sich als Sprecherin der Allgemeinheit (der „Arbeiterklasse“) aufschwingt, um ihre diktatorische Herrschaft zu installieren und die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen! Eine Wiederholung des „Realsozialismus“ braucht niemand!

Wenn für Opel also jetzt eine Rettungsbürgschaft in Aussicht gestellt wird, dann sollte man „Ja“ dazu sagen. Dieses „Ja“ sollte aber mit der Forderung verknüpft werden, dass die Nutzung der möglicherweise fließenden Gelder durch die Belegschaft kontrolliert wird, damit es nicht einfach weitergeht wie bisher! Um der sozialen Katastrophe zu begebnen, werden es die Lohnabhängigen  lernen müssen, Verantwortung für ihr gesellschaftliches Leben einzufordern und zu übernehmen, um all die Politiker und Kapitalisten zu „entlasten“, die jetzt so schwer unter ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit, die Arbeitsplätze etc. „leiden“ und sich dieses „Leiden“ daher mit riesigen Einkommen und allerlei Privilegien versüßen.

 

November 2008

Editorische Anmerkungen

Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.