Schülerstreikdemo in Berlin
Ein Erfahrungsbericht von der Demonstration.

von Autonome Anarchist_In

11/08

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onlinezeitung

So viel Anti-Propaganda und Kriminalisierungsversuche auf den Mainstream-Medien und auf Indymedia, zeigt die Notwendigkeit eines Berichtes aus "anarchistischer Sicht". Selbst Linke Spalter sind sich nicht zu schade gegen die "bösen gewalttätigen Auswüchse" von "Linksextremisten" zu hetzen.

Der Beginn war recht gut. Viele Schülerinnen und Schüler trafen sich überall in der Umgebung vom Alex (berlinerisch: Alexanderplatz) und gingen in Grüppchen zum "Roten Rathaus" (Berlinerisch für Regierungssitz des berliner Oberbürgermeisters und "seiner Regierung").

Da die Gewerkschaften "Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft" (ver.di) und "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" (GEW) Lohnabhängigen-Zentristisch sind und das bloße Bildungmassenmaterial, d.h. die Schüler, die ihrer Meinung nach eh nichts zu melden haben, sich kurzfristig "ENTSOLIDARISIERTEN" gab es auch keine Horterzieherinnen oder Angestellte Lehrer_Innen die sich hätten an dem "Schülerstreik" beteiligen sollen. Aber dann wundern wenn sich niemandes aus der Schule mit ihnen PRAKTISCH solidarisiert!!!

Ausdruck fand dies in der kurzzeitige Umverlegung des Endpunktes der um 8:30 Uhr begonnen Erzieher_Innen-Demo ab Friedrichstadtpalast zum August-Bebel-Platz. Ursprünglich sollte sie ja zum Roten Rathaus gehen. Da die Gewerkschaftsspitzen aber jeden Streik hassen und vor den Bossen zu Kreuze kriechen, haben sie schnell nicht nur die Demo umverlegt, sondern gleich die nächsten 4 Streiktage abgeblasen.

Dieser Verrat an den gemeinsamen Interessen von Schülern und Lehrern macht medial dann so die Runde:

Lehrerstreiks/ Horterzieher_Innen- und Bürgerämter-Streiks sind unpolitisch und ökonomistisch, tun ausserdem "unseren Chefs" weh, also berichten wir neutral bis gut über ihn. Schließlich sind sie ja in einem gesättigtem Alter wo eine Rebellion ja nur noch symbolisch stattfindet und (mal ehrlich) eigentlich wurden sie ja von allen verarscht (Gewerkschaft/ Eltern/ Senat/ Medien).

Schülerstreiks seien frech und eine Provokation, da diese faulen Subjekte weder wüssten was ARBEITEN ist noch was "Geld verdienen" richtig hieße. Irgendwelche Rotznasen würden von Linksradikalen "Chaoten" aufgehetzt durch die Stadt marodieren und in ihrem überschwenglichen jugendlichen Leichtsinn unbescholtene Bürger ausversehen totschlagen und alles kaputthauen. Also berichten wir neutral bis schlecht über sie! Schließlich sind sie ja noch unverbraucht und formbar, also gibt man ihnen Sechsen, haut ihnen aufs Maul und redet ihre Rebellion im Nachhinein schlecht.

Auf dem Weg zum Schülerstreik fragte man Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen, "kommt ihr mit zum Schüler-Streik?", sie waren irritiert da sie ihren letzten freien Tag geniessen wollten, bevor die Scheiss Maloche wieder anfängt. "Nein, wir wollen mit unseren Kolleginnen noch einen Kaffee trinken gehen".

Die Erzieherinnen-Gewerkschaft hätte die Streikdemo auf 11 Uhr verlegen können. Hat sie bei den letzten Streiks im Oktober getan. Dort wären dann die Streiklisten gewesen und schülerische und wissenschaftlich-lehrerische Interessen hätten sich gegenseitig befrustet oder hätten ein "WIR" erzeugt. Schließlich kennen sich ja die "Linken Gewerkschafter", die den Schülerstreik organisierten und Gewerkschaftsbosse persönlich (auch wenn sie zugegeben nicht die intimsten Busenkumpel sind).

So waren halt ungefähr 5.000 Schülerinnen und Schüler beim Auftakt.

Kommunistische Gruppen: "Sozialistische Alternative Voran" (SAV), Spartakist Arbeiterpartei Deutschland (SpAD), Sozialistische Arbeiterstimme, Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS.Linkspartei/Linksruck), Gruppe Internationaler SozialistInnen (GIS), Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), Revolution ("unabhängige Jugendorganisation"), Revolution (Jugendorganisation der "LIGA"), diverse Antifaschistische Gruppen (welche geht natürlich niemandes etwas an [macht doch eure eigenen Recherchen]).

Ausserdem Anarchistische Gruppen: "Anarchist_Innen aus deinem Kiez", die klassenkämpferisch-anarchistische "Solidarität von Unten"-Gruppe und die Gruppe "SCHULfrei!-Anarchistische Schülerzeitung für Berlin".

Die Kommunistischen und sich nach aussen hin sozialistisch bis sozialdemokratisch gebenden Gruppen machten Propaganda mit Flugblättern und Zeitungen. Die können und werden aber selber über sich und ihre Vereinahmungsstrategien berichten müssen.

Von den explizit "Anarchistischen" Gruppen, sollte gesagt werden, das zum Beispiel im Gegensatz zu SAV, "Spartakist" oder "Revolution" keine Kohle (von ihren Eltern arm gehaltenen) Schülern für ihre Propaganda wollten. D.h. 16 Seitige Schülerzeitung der Anarchist_Innen kost nix. 12-seitige Leninführer Lektüre von "REVOLUTION" kostet von sauarm "Fifty"-Cent bis "Mercedes-Aktien-100-Euro". Das, zwar "in bewegungslateinisch geschriebene", anarchistische Heftchen über den "Sozialen Generalstreik" kost nix. SAV-Zeitung, Spartakist usw. kostn ab 50 Cent. "Bildung umsonst" ist also für einige nur eine Parole.

Ausnahmen waren natürlich Autonome Fachzeitschrtiften im chiqen, kaum zu Schlagendem Profioutfit, wie zum Beispiel das "Antifa-Jugend-Info" oder der "ANTIBERLINER" oder die Parteizeitungen "tendenz" und "critica".

O.K. fair ist das nicht. Der Gedanke dahinter ist ja folgender: Wer so weit geht und sich unseren Scheiss für 50 Cent holt ist entweder irre oder will bei uns mitmachen, also laber ich ihn solange zu bis er oder sie abhaut oder mitmacht. Bei den Anarchistischen geht das ungefähr so: Was willst du von uns? Verpiss Dich und mach doch deine eigene Gruppe [Selbstironie]!

Wie auch immer gab es mehrere Lautis. Die Polizeirepression gegen den Schülerstreik war von Anfang an nicht zu übersehen. "Unseren Bengeln" zeigen wirs mal richtig. Den "Arsch voll" sollten die Schüler kriegen. Stattdessen haben ein paar Schüler aufs Maul gekriegt und Polizei wurde am Tor der Humbold-Uni ausm Weg geschubst und schaffte es nicht einmal gegen die Übermacht der Schüler das Tor zu schließen (was ja einfach nur ein Muskelkraftakt sei). Einschüchternde Repressalien gegen unerfahrene Schüler_Innen und den Demo-Strukturen wurden versucht. Aber ehrlich, die Polizei rechnete nach dem was sie aufgefahren hatte mit 500 Schülern, obwohl die "prügelavangarde"- Einheiten vor Ort waren. Herr Hass lief relativ unbeteiligt und schweigsam und nach der Uni etwas traurig mit Kollegin und Kollege nebenher und dachte sich vielleicht: Zu wenig Polizei, zu viele Schüler, und zu jung um sie auseinanderzudreschen...

Linksradikale hätten sich unter die Demo gemischt? Jugendliche Linke, deren Herz links schlägt haben getreikt! Keine organisierten Nazis, keine Spießer oder aufstrebende Elite hat sich blicken lassen und den "Bildungs-Schand-Ort" Deutschland betrauert. Viele Punks, Jugendliche mit Aufnähern, Migrantische Kids aus "revolutionärem Elternhaus", Normal aussehende Linksbürgerliche, alternative Hippies, Black-Block-Autonome, Jugendantifas und "Schüler-Anarchas & Anarchos". Das waren die Demonstranten! Die älteren Genoss_en haben se nur mitjebracht.

Lehrer hätten sich beteiligt? Nur weil jemand ne relativ tolle "ver.di"-Weste an hat ist er kein Lehrer. Bei den Erzieher_Innen Streiks haben sie damit so nach alles was sich bewegte geworfen das es schwer war KEINE zu kriegen. Ausserdem waren es wenn überhaupt nicht mehr als 20 Lehrer und in Relation zu 10.000 Schülern ist das GAR NICHTS!!!!

"Deutscher marodierender Mob"? Die wenigsten sahen "rassisch" DEUTSCH aus. Eigentlich waren die meisten sogar ziemlich "undeutsch" und viele hatten sogar "dunkle Haut". Schließlich war es ja die tendenzielle "Unterschicht". Einsatzkommando "Rütli" war auch da. Irgendwelche "internetpopel" haben von antijüdischen Ausschreitungen berichtet. Erstens ist soetwas stark relativierend (unabhängig davon wieviele Schüler_Innen tatsächlich solche Tendenzen haben) und zweitens ist nicht jeder "Kyffr"-Tuch Träger ein bekennender Antizionist. Es hat auch niemandes "Juden Raus" im Foyer des "Universität Berlin" (Humbold zu) Hauptgebäudes geschrien. Es war eher so das bei 20 mal 20 Meter Foyer einfach keine 2.000 Schüler Platz haben. Die Ausstellung hing an dünnen Angelsehnen (in der Decke [5 Meter hoch] und am Boden befestigt) und bei leichtem Platzmangel rissen diese. Klar ist das Pietätlos - aber hat dennoch keinen palästinensischen, deutschen oder "antijüdischen" Hintergrund. Es hat ja auch keiner die goldenen "Karl-Marx-Letter" rausgepopelt. Was ein deutscher Mob wohl getan hätte. Diese Hetze, von bürgerlichen Medien angestoßen diffamiert den sogenannten "Pöbel". Es waren viele "israelsolidarische" Menschen vor Ort, so das auch nur der Hauch einer Antisemitischen Äusserung zu SOFORTIGEM AUSSCHLUSS geführt hätte.

Da wir schon mal dabei sind:

Es wurde randaliert? In jeder S-Bahn am Samstag Abend ist ja mehr los. Selbst der verkommerzialsierte Fußball, lässt Raucherabteile in Zügen entstehen, niemand setzt sich zu Fußballfans, obwohl sie nur singen und saufen oder rumprollen. Aber bitte: Niemandes von den "Fußballfans" schlägt unbeteiligte Spießerkleinfamilien bei Auswärtspielen in Regionalexpressen zusammen. Trotzdem riechen sie so als tanzten sie aus der Reihe. Die Schüler kloppften an verschlossenen Lehramts-Türen, "öffneten" Vorlesungen (überließen den Studenten aber die Wahl den Unterricht fortzusetzen), schmissen Klopapierrollen aus dem Fenster (Was ja eine schwerste Sachbeschädigung ist, was nicht alles dabei hätte kaputtgehen können), leerten aus versehen den ein oder anderen Feuerlöscher und Papierkorb oder stibitzten das ein oder andere Büffet-Häppchen irgendwelcher Manager (Was haben die eigentlich in der Uni zu suchen?). Wenn randaliert worden wäre dann wären Fenster rausgeflogen, Kloschüsseln zertreten, Türen rausgerissen, Menschen wären körperlich attackiert worden, die "Hochschule" wär kaputt. Teile der Uni hätten geschlossen werden müssen oder zwangsgeräumt. Stattdessen kuckten manche Vor"ge"lesenen mit nem halben Auge und angeödet ausm Fenster aufm HU-Hinterhof, als Schüler vorbeizogen. Ein paar coole Kiddies [nicht abwertend gemeint] mit Megaphon und Transpi stellten sich aufn Balkon und zogen das Halstuch etwas höher. Aus offenen "Erdgeschossen" sprangen doch tatsächlich diese "ungehobelten" Schüler, statt wie jeder Spießer die schwere Tür zu benutzen und in Schlangenformation ORDENTLICH auszutreten. Wir sind dabei nur ganz knapp an der internationalen Weltrevolution vorbeigeschlittert. In jeder Schulhofpause passier ja mehr blödsinn, als in der Uni tatsächlich passierte.

Zahlenrätsel. Anfangs 5.000 da der Auftakt hinterm Rathaus war sind viele erst dazu gestoßen als es losging, denn erst dann konnte man aus allen Perspektiv-Richtungen des Roten Rathauses die Demo sehen. Zwischen Rathaus und Uni waren es 10.000. Da ich die letzten 5 Tage mehrere Groß-Demos gesehen haben kann ich es vergleichen. Mit 7.000 am Sonnabend, einmal sogar mehr als 10.000 am Montag, 9.000 am Dienstag muss gesagt werden es waren 10.000 bis zur Zwischenkundgebung. Nach der Uni waren es nur noch 3.000. Am Alex nur noch 1.000 Demonstrant_Innen.

Friedliche Schüler wurden von Chaoten belästigt? Wenn ihr das denkt, dann hattet ihr keine Jugend oder seid ihr im Kloster aufgewachsen.

Die Demo war von "den Linken"? Nur weil jemand ein paar Lautis hinstellt und Fronttransparente malt heisst das nicht das sie ein Eigentumsrecht auf eine Aktionsform haben. Zumal sie sie nicht kontrollieren sondern nur "versuchen" zu lenken. So ging die Demo einfach los und der Lauti musste 2 Minuten lang nörgeln und rumflennen, bis die Spitze sich erbarmte einfach gnadenlos weiterzugehen und den Lauti zu ignorieren. Es kamen auch keine "organisierten Schulbusse" an, sondern die Meisten kamen mit den öffentlichen. Es wurde auch niemandes an die Hand genommen oder "gezwungen" bei der Schülerstreikdemo mitzumachen. Man könnte sagen sie taten es aus eigenem Interesse auch wenn nicht allen genau klar ist was sie damit bezwecken wollen und alles so toll reflektiern. Das machen aber die Erzieherinnen auch nicht. Die Schülergrüppchen hatten keine erkennbaren Führer usw.

Alles in allem mag dieser Text hier leicht schöngefärbt und übertrieben sein. Aber dieses ewige rumgehetze ist mit Sicherheit das eigentlich kriminelle. Demnächst, es ist schon angekündigt, gibt es in Neukölln einen "Schülerknast" für Schulstreikende/"schwänzende" und deren Eltern "zumeist Migranten" entzieht man bei Wiederholung das Sorgerecht. Und das ist nicht übertrieben, sondern geplant!

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien bei Indymedia am 13.11.2008. Wir spiegelten.