„Fulda ist
bunt nicht braun“, dieses Motto war am vergangenen Samstag
in der osthessischen Stadt auf Transparenten, Plakaten und
sogar auf einer Deutschlandfahne zu lesen. Damit machte man
gegen eine NPD-Demonstration mobil, zu der sich 150 Neonazis
trafen.
Das war aber
gar nicht etwa ironisch gemeint. Dabei hat Fulda nun mal schon
seit Jahrzehnten den Ruf, nicht etwa bunt sondern tiefschwarz
zu sein. Dregger und Dyba wachten lange Jahre über den Schlaf
der Stadt. Ersterer war CDU-Rechtsaußen, lange Zeit
Oberbürgermeister von Fulda, dann CDU-Bundestagsabgeordneter mit
hohen absoluten Mehrheiten. Dyba war Erzbischof und bekannt
als Feind von Schwulen, Lesben, Linken und überhaupt der
Moderne. Deswegen gab es öfter Demonstrationen gegen Dyba und
seine Intoleranz. Das katholische Fulda schäumte. Auch schon
Dybas Vorgänger beschränkten ihren Einfluss nicht auf den
Barockdom der Stadt, sondern kümmerten sich auch darum, dass
beispielsweise kritischer Kabarettist nicht in städtischen
Gebäuden auftreten sollen. Damals wurde der Kabarettistensatz
„In Fulda wohnen die dümmsten Deutschen“ geprägt.
Jahre später
machte ein anderer Fuldaer unrühmliche Schlagzeilen.
Dregger-Nachfolger Martin Hohmann fragte sich in einer Rede, ob
die Juden nicht auch als Tätervolk bezeichnet werden müssten,
wenn die Deutschen so bezeichnet werden. Auch von dem
Zusammenhang von Juden und Oktoberrevolution schwadronierte der
rechte CDU-Mann. Die Fuldaer CDU störte es nicht. Erst als der
Druck von Außen und auch aus der Bundes-CDU immer größer wurde,
musste Hohmann gehen. Noch immer hat er viele Anhänger in der
Gegend.
Deswegen macht
die CDU auch gute Miene zum bösen Spiel und beteiligte sich am
Samstag an der Kampagne gegen Rechts. Doch die Parole Bunt statt
Braun“ wollte sie dann doch nicht übernehmen. Sie wählte statt
dessen „Braun hat in Fulda keine Chance“. Zu dumm nur, dass die
3 älteren Männer mit grau-braunen Mänteln am CDU-Stand so
aussehen, als seien sie persönlich gemeint. Trauern hier noch
mal eine unverbesserliche Hohmann-Fans?
Viele der mehr
als 1000 Menschen, die sich gegen die Neonazis auf der Straße
zeigten, hatten mit der CDU und speziell mit Hohmann wenig am
Hut. Gerade viele junge Menschen hatten sich mit viel Engagement
an den Antinazi-Aktionen beteiligt. Ein antifaschistisches
Jugendbündnis verteilte seit Wochen Flugblätter vor Schulen und
Jugendzentren. Die Jugendlichen verurteilten auf ihren
Transparenten aber nicht nur die NPD; sondern prangerten auch
Nationalismus und Rassismus an. Deswegen sollten sie nicht in
den vorderen Reihen gehen. Der Platz war für den DGB reserviert
und dort ging es gegen die NPD und sonst nichts.
Nazis
totlachen?
Viel Applaus
und Lob von allen Seiten bekam die „Deutsche Apfelfront“,
die den Anspruch hatten, mit Witz und Satire gegen Rechts
aufzutreten. Teilweise sorgten sie wirklich für frischen Wind
und brachten fast alle zum Lachen. Doch, wenn man nur Parolen
wie „Euer Führer ist tot, unserer lebt“ oder „Ihr seht nicht
arisch aus“ oder „Fallobst raus“ hört, fragt man sich schon, ob
die Apfelfront so populär ist, weil man dann über politische
Inhalte nicht mehr reden muss. Ein Neonazi zumindest scheint
auch von den Satirikern gegen Rechts mitbekommen zu haben.
Der spazierte allein zur Abschlusskundgebung der
Anti-Nazi-Aktionen und fragte, ob denn auch alle Spaß haben. Zu
dieser Zeit waren aber nur noch wenige auf den Platz und der
Rechte konnte ungeschoren den Platz wieder verlassen.
Deutsche
Opfer
Ein Teil der
Nazigegner hatte sich noch an dem Platz versammelt, wo vor 70
Jahren die Fuldaer Synagoge von SA-Männern angesteckt wurde. Auf
der einstündigen Gedenkveranstaltung wurde allgemein vor einem
Wiederaufleben des Antisemitismus gewarnt, der aber heute wohl
eher in Teheran als in Deutschland verortet wird. Das hat zur
Folge, dass man sehr engagiert vor der iranischen Bombe warnt,
aber die fortdauernden Beschimpfungen und Belästigungen von als
Juden erkennbaren Menschen in Deutschland weitgehend ignoriert.
Am 9. November
widmet man sich dann doch lieber wieder deutschen Opferkult.
Gisela Heidenreich las im Fuldaer Schloss aus ihrer Biographie
„Das endlose Jahr – ein Lebensbornschicksal“. Die
Veranstalterinnen vom Förderverein Frauenzentrum und Frauenbüro
der Stadt Fulda hatten den Termin 9. November bewusst gewählt,
erzählten sie der Fuldaer Zeitung. Schließlich seien auch die
Lebensbornkinder Opfer. Unabhängig vom individuellen Schicksal
dieser Menschen ist es wohl aber vermessen, sie in eine Reihe
mit den verfolgten Jüdinnen und Juden zu stellen. Die Mutter
der Autorin war hohe Funktionärin beim Lebensborn, musste auch
bei den Nürnberger Prozessen aussagen. Dass die Frau ihre
NS-belasteten Mutter gar nicht mehr so richtig böse sein kann,
wird auch mit Verständnis entgegen genommen. Die Zeit der Fragen
und Vorwürfe, was hast Du in der Nazizeit gemacht, ist rum.
Versöhnen statt spalten ist angesagt. Die NS- Generation
verträgt sich wieder mit den einst kritischen Heranwachsenden
und Täter und Opfer versöhnen sich nach 70 Jahren auch endlich
zur großen Opfergemeinschaft. Hatten nicht alle nach Kriegsende
ihre Last zu tragen. Die Familie der Referentin lebte bis zum
Ende des 2. Weltkrieges in Bad Tölz recht komfortabel. Nach
Kriegsende musste sie, wie viele weitere Nutznießer des
NS-Regimes, die Wohnungen verlassen und durften nur das nötigste
mitnehmen. Noch heute erzählt die Autorin davon mit Empörung und
im gut besuchten Veranstaltungssaal nickte jung und alt
verständnisinnig. Das Leid der Familie, die ihre Wohnung
verlassen musste kann der anwesende CDU-Politiker genau so gut
nachvollziehen wie die Frau von Attac-Fulda. Darüber, dass auf
die Familie kein KZ geschweige denn ein Vernichtungslager
wartete, wie auf die Jüdinnen und Juden nach dem 8.November
1938 wurde großzügig hinweggesehen. Sonst könnte man sich ja
auch nicht als große Opfergemeinschaft gerieren, die am 8.
November niemand vergisst, nicht die Juden, nicht die Bürger in
der DDR und auch nicht die Frauen vom Lebensborn. Der 8.
November eignet sich dafür besonders gut. Im nächsten Jahr
dürfte es eine Fortsetzung des großen Versöhnungszirkus geben.
Schwerpunkt wird dann ganz eindeutig auf dem Mauerfall liegen,
der dann 20tes Jubiläum hatte.
Editorische
Anmerkungen
Der Autor stellte
uns seinen Artikel für diese Ausgabe zur Verfügung.
Er ist
schon mehr als 20 Jahren Fuldaer im Exil
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