Die Obama-Mixtur: Shrimp-Salat und imperialistischer Angriffskrieg
Eine kurze Rezension über die Aufzeichnungen eines Polit-Popstars

von
Roman Birke

11/08

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Über ein Monat war ich diesen Sommer auf einer politischen Reise in  Süd-Asien. Nachdem ich auch mehrere Stunden auf diversen Flughäfen und  in diversen Transportmitteln verbracht habe, überlegte ich mir eine  Auswahl von leichter Lektüre zum Überbrücken der Zeit. In die Sammlung habe ich auch Obamas Buch "/The Audicity of Hope/" (Dt. Ausgabe "Hoffnung wagen" 2008)  aufgenommen. In dem 2006 in Taschenbuch-Format erschienen Buch, legt  Obama auf 362 Seiten seine Grundsätze zu verschiedenen  gesellschaftlichen und moralischen Fragen dar. Und wie gut das Buch  nicht zur Liste der leichten Lektüre passte. Nicht nur einmal fühlt man  sich während dem Lesen gefangen in einer Seifenoper. Erst ein Blick auf  das Cover verrät einem wieder, dass es sich bei dem Autor wahrscheinlich um den nächsten Präsidenten der wirtschaftlich und militärisch stärksten Macht der Welt handelt. Mittlerweile weiß ich, wie Obama seine Frau
Michelle kennengelernt hat, dass er in seinen ersten Nächten als Senator schlecht schlafen konnte und gerne Shrimp-Salat in Privatjets isst.

Rechtfertigung des Imperialismus

Neben diesen insgesamt langweiligen Auszügen aus seinem Privatleben, mit denen er sich selbst als der durchschnittliche Kerl von nebenan (Joe the Plumber, wie er nun im amerikanischen Wahlkampf genannt wird) darstellen möchte, ist das Buch jedoch durchsetzt von imperialistischer Ideologie und Rechtfertigungen des grundlegenden Charakters des jetzigen Herrschaftssystems. Gespickt wird das ganze durch eine umfangreiche Darstellung des Wertesystems des demokratischen  Präsidentschaftskandidaten. Dieses Wertesystem besteht vor allem aus  drei Einheiten: Dem tiefen Glauben an unveräußerliche Rechte, dem Hochleben lassen der amerikanischen Freiheit und der Macht der individuellen Entscheidung in freien Märkten und der christlichen Religion als zusammenhaltendes Element der Gesellschaft.


Das ist prinzipiell nichts neues, und wohl kaum ein Repräsentant der herrschenden Klasse Amerikas würde diese Werte ablehnen. Doch folgendes ist interessant daran: Liest man das Buch, so beginnt man besser zu verstehen, warum Obama einen solchen Aufstieg in der Demokratischen Partei erfahren hat. Denn es ist kein Zufall, dass in Zeiten der  zunehmenden Legitimationskrise des Kapitalismus im allgemeinen und der amerikanischen Politik im besonderen ein Kandidat aus dem Hut gezaubert  wird, der die Rückbesinnung auf die originären Werte der amerikanischen Gesellschaft fordert (natürlich ohne Sklaven und Abschlachtung der indigenen Bevölkerung).

Neue alte Werte

Mindestens drei Viertel des Buches bestehen aus solch allgemeinen  Floskeln. Das restliche Viertel setzt sich zusammen aus dem Bekenntnis zu harter Einwanderungspolitik und der Bereitschaft zu militärischen Interventionen. So schreibt er zum Beispiel: "/Wenn ich mexikanische Flaggen auf Demonstrationen für Immigration sehe, fühle ich manchmal einen Strom patriotischer Ärgernis in mir. Wenn ich gezwungen bin einen Übersetzer zu verwenden, um mit dem Typen zu reden, der mein Auto richtet, fühle ich eine gewisse Frustration./" Und zu guter letzt sagt er auch noch, dass die amerikanische Staatsbürgerschaft ein "/Privileg und kein Recht/" ist. Jeder der also glaubt, Obama würde durch seine Wurzeln ein antirassistischer Kandidat sein, hat sich zutiefst  getäuscht. Auch er ist für die rigide Regelung der Einwanderung nach den Erfordernissen der US-Wirtschaft.

Krieg führen

Klar wird auch, dass hinter seiner Kritik an der Bush-Administration und  dem Irak-Krieg keine prinzipielle Ablehnung militärischer Interventionen der imperialistischen Supermacht USA steht. Während des Wahlkampfes hat er schon die Bombardierung der pakistanischen Grenzgebiete gefordert. In seinem Buch verallgemeinert er seine Herangehensweise zu militärischem Eingreifen durch US-Truppen: "/Wir haben das Recht auf unilaterale Militäraktionen, um eine immanente Gefahr für unsere Sicherheit  abzuwehren -- so lang eine immanente Gefahr als Nation, Gruppe oder  Individuum verstanden wird, welche aktiv einen Angriff auf U.S.-Ziele (oder Verbündete, mit welchen die USA Verteidigungsabkommen haben), vorbereitet oder die Mittel hat oder entwickelt dies in unmittelbarer  Zukunft zu tun./" Mit diesem verwinkelt formulierten Satz sagt uns Obama
nichts anderes als dass er zum Beispiel einen Angriff auf den Iran  durchaus als legitim betrachten würde.

Es ist klar, dass diese relativ offenen Aussagen nur einen kleinen Teil seines Buches darstellen. Den größeren Teil machen Bekenntnisse zu einem besseren Gesundheitssystem, zu besserer Arbeitslosenversicherung und zur stärkeren Einbeziehung der gewerkschaftlichen Interessen aus. Kurz: Populistischer Wahlkampf auf über 300 Seiten. Barack Obama -- ein Polit-Popstar der aufgrund zerstörter Illusionen wahrscheinlich mit derselben Geschwindigkeit abstürzen wird, mit der er aufgestiegen ist.
Fortschrittliche ArbeiterInnen und Linke tun jedenfalls gut daran, weder  für die Wahl von Obama noch für McCain aufzurufen.


BARACK OBAMA
Hoffnung wagen
Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream

Originaltitel: The Audicity of Hope
Originalverlag: Crown

Gebundenes Buch, Klappenbroschur, 480 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-570-50102-3
€ 14,95 [D] | € 15,40
Verlag: Riemann