Präsidentschaftswahlen in den USA
Oder: Wer soll für die Herrschenden die Kohlen aus dem Feuer holen?

von Johannes Wolf

11/08

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Dass Barack Obama für keine fundamental andere Politik steht, ist ziemlich offensichtlich. Wie ist aber die zunehmende Unterstützung für ihn durch immer größere Teile der KapitalistInnen und sogar durch bekannte Republikaner erklärbar? Wie hängen Obamas politisches Programm, derzeitiger Zustand des US-Kapitalismus und die Perspektiven der herrschenden Klasse zusammen? Hier soll Licht ins Dunkel hinter der klingenden Phrase „Change“ gebracht werden.

Die politische Strategie der Bush-Administration ist offensichtlich fehlgeschlagen. Im Irak, wie im gesamten „Mittleren Osten“, ist keine nachhaltige Stabilität absehbar und die Führungsrolle des US-Imperialismus auf Weltebene ist weiter zurückgegangen. Dazu kommt noch, die aktuelle Finanzkrise, die in den USA wahrscheinlich eine Rezession bringen und das ohnehin schon hohe Haushaltsdefizit noch weiter vergrößern wird. Innenpolitisch wird sich die nächste Regierung durch die (zum Teil jetzt schon bemerkbaren) Auswirkungen der Krise (Hauspfändungen, steigende Arbeitslosigkeit…) mit einer wachsenden Unzufriedenheit konfrontiert sehen.

Bereits jetzt glauben 80% der AmerikanerInnen, dass das Land in eine falsche Richtung geht. In allen Umfragen der letzten 18 Monate zeigten sich die AmerikanerInnen gegenüber „ihrer“ politischen Führung äußerst pessimistisch. Was also tun? Genau! Jemanden finden, der der Bevölkerung einen „Change“ vermitteln kann, aber in Wirklichkeit den angeschlagen US-Imperialismus – innen- und außenpolitisch – retten kann.

Laut verschiedenen Umfragen zu den US-Präsidentschaftswahlen am kommenden Dienstag (4. November) liegt Barack Obama, der Kandidat der Demokratischen Partei, vor John McCain, dem Kandidaten der Republikaner. Auch wenn aus derzeitiger Sicht Obama als Sieger hervorgehen dürfte, ist das Rennen sicherlich noch nicht entschieden.

In folgendem Artikel wird der Fokus auf Obama und seinem Programm des „Change“ liegen; aus folgenden Gründen: McCain repräsentiert stärker eine Kontinuität mit der Politik des amtierenden Präsidenten George W. Bush. In Obama bestehen hartnäckige Illusionen von „Linken“ und Linken. Der wichtigste Grund ist aber wohl, dass Obama wahrscheinlich Präsident werden wird und sich die Frage nach seinem Plan zur Rettung des US-Imperialismus stellt. Und selbst wenn er das Rennen nicht machen sollte, findet doch ein wachsender Teil der US-KapitalistInnen Gefallen an seinem „Change“.

Zunächst noch ein paar Worte zur Rolle und Kompetenzen des/r US-PräsidentIn: diese/r ist nicht nur Staatsoberhaupt (wie etwa in Österreich und Deutschland; hauptsächlich eine repräsentative Funktion), sondern gleichzeitig auch Regierungschef (entspricht etwa dem/der BundeskanzlerIn). Die Befugnisse erstrecken sich von der Unterzeichnung von Gesetzen über die Rolle des Oberbefehlshabers bis zur Ernennung der Bundesrichter.

Wachsende Unterstützung der Herrschenden für Obama

Sogar der republikanische Kandidat John McCain sieht sich gezwungen einen Wahlkampf in Abgrenzung zur jetzigen Regierung unter Bush zu führen. Dennoch kann Obama diese Rolle viel glaubwürdiger vertreten. Er ist, auch anders als Hillary Clinton, noch ein „unbeschriebenes Blatt“. Nicht ohne Grund vereinigt er die Unterstützung 163 (!) bürgerlicher Zeitungen und zahlreicher Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft hinter sich. Zu seinen FürsprecherInnen zählen sowohl republikanische Politiker wie Colin Powell (ehemaliger Außenminister der Bush-Administration und wichtiger Architekt des Irakkriegs) und Scott McClellan (Bushs ehemaliger Sprecher), als auch die Finanz-Milliardäre George Soros, William Louis-Dreyfus und Warren Buffet.

Auch wenn Obama Powell einen Platz in seiner zukünftigen Regierung zugesichert hat, ist dessen Unterstützung für Obama aber kein Einzelfall oder darauf reduzierbar, dass sich dieser einen Posten erhofft. Darin spiegelt sich vielmehr ein allgemeiner Trend in der herrschenden Elite der USA wider. In der Medienlandschaft sind die Lobesgesänge der zwei einflussreichsten liberalen Blätter Washington Post und New York Times ein eindeutiges Zeichen und sogar die konservativ-republikanische Chicago Tribune stellt sich, zum ersten Mal in seiner 161-jährigen Geschichte, hinter einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten.

Der Chicago Tribune sieht in Obama jemanden der „uns durch eine gefährlich Zeit“ führen und mit der „ernsten innen- und außenpolitischen Krise, der wir gegenüber stehen“ umgehen kann. Die New York Times lobt, in Zeiten der Gefahr von wachsenden Klassenkonflikten, seine Fähigkeit zum „breiten politischen Konsens“ und seine Aufrufe für die Aufteilung der Last und „soziale Verantwortung“, d.h. Sparmaßnahmen und Kürzungen im sozialen Bereich. Die Washington Post sieht Obama als konservativen Kandidaten, der „auf die ökonomische Krise mit einem gesunden Respekt vor dem Markt reagiert“ und sich gegen „links“gerichtete Elemente in seiner Partei stellt. Aus Sicht der KapitalistInnen spricht für Obama auch, dass dieser in Krisenzeiten, die tief greifende Entscheidungen fordern, leichter zu einem Bruch bereit sein könnte, als der konservative McCain und einen solche Wende der Bevölkerung sicher auch besser verkaufen könnte.

Ein weiterer Indikator für die Unterstützung von nicht unwesentlichen Teilen der herrschenden Klasse, ist die Wahlkampffinanzierung. Mit den insgesamt 600 Mio. $ hat Obama weit mehr Geld als McCain (und auch Bush in den Jahren 2000 und 2004) zur Verfügung. 80% dieser Gelder kamen von KapitalistInnen. Unter seinen Wahlkampffinanziers befinden sich auch eine Million „kleine“ SpenderInnen. Zum Teil gibt es tatsächlich viele Spenden die unter 100 $ liegen, aber ein guter Teil davon lässt sich auch durch buchhalterische Tricks erklären: Unternehmen spenden meist nicht direkt, sondern über ihre Angestellten in Bündeln von 2500$.

Für die wachsende Zahl seiner prominenten UnterstützerInnen hat die Ausweitung der Finanzkrise eine wichtige Rolle gespielt – die Probleme, denen sich der US-Kapitalismus gegenüber sieht, verschärf(t)en sich dadurch noch weiter. Die zentrale Aufgabe der nächsten Regierung wird es sein, die Auswirkungen der Krise auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen. Dass Obama zugetraut wird, das gut zu erledigen, zeigt auch eine Umfrage des Wall Street Journal: Während drei Viertel derjenigen mit (Anlage)Vermögen zwischen 1 und 10 Millionen $ McCain unterstützen, wollen zwei Drittel derjenigen mit (Anlage)Vermögen über 30 Mio. $ Obama wählen. Das Vertrauen der Finanz-KapitalistInnen hat sich Obama auch durch die Unterstützung des 700 Milliarden $ Banken-Rettungspaktes gesichert. Wie sieht nun aber sein Programm zur Stabilisierung und Rettung des US-Kapitalismus aus? Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Bereiche.

Der neoliberale Professor und seine Freunde

Obama wird versuchen die Krise durch neoliberale Maßnahmen auf die ArbeiterInnnenklasse abzuwälzen. Damit kennt er sich gut aus: nicht nur, dass er 12 Jahre an der Chicagoer Universität, Heimstätte des neoliberalen Vordenkers Milton Friedman, unterrichtet hat, zählt er auch entsprechende „ExpertInnen“ zu seinem Berater- und Freundeskreis. Auf seine milliardenschweren Finanzfreunde und Unterstützer (allen voran Buffet und Soros) habe ich oben schon hingewiesen. Erhellend ist auch ein Blick auf seine politischen Berater für ökonomische Fragen – sein „free market team“, wie es die Chicago Tribune betitelt hat. Große Teile dieses Teams waren schon während der Amtszeit von Bill Clinton mit dabei (bzw. stehen in engem Verhältnis zu diesen Leuten). Sie hatten maßgeblichen Anteil an dessen UnternehmerInnen-freundlicher Wirtschaftspolitik, die den von den Republikanern unter Reagan eingeschlagenen Weg fortsetze. So zum Beispiel Michael Froman, Manager der Citigroup Bank, und Jason Furman, die beide engen Kontakt zu Robert Rubin, Clintons Treasury Secretary, pflegen. Nachdem Furman Teil von Obamas Team wurde, sah sich der Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes AFL/CIO, John Sweeney, dazu gezwungen, seine Skepsis über den „Einfluss der Konzerne auf die Demokratische Partei“ zu äußern.

Dennoch hält sich bei manchen (Links-) Liberalen und „Linken“, gerade in Europa, die Illusion, Obama würde/könne einen tatsächlichen Change bringen. Das hat zum Teil wahrscheinlich auch mit seiner positiven Bezugnahme auf den ehemaligen Demokraten und Präsidenten Franklin Delano Roosevelt zu tun. Dessen New Deal, als Reaktion auf die Grosse Depression der 1930er und die zunehmende Radikalisierung der ArbeiterInnen, als Folge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 , stellte das erste Modell sozialpartnerschaftlicher Einbindung der ArbeiterInnenbewegung und keynesianistischer Wirtschaftspolitik dar. Sozialstaatliche Maßnahmen wurden eingeführt und den Gewerkschaften relativ umfassende Rechte zugestanden. Obamas Bezugnahme darauf ist jedoch hauptsächlich Wahlkampfmarketing – sein Change soll ähnliche Hoffnungen auf eine politische Wende hervorrufen, wie sie mit dem New Deal noch immer verknüpft sind, durch Symbole WählerInnen mobilisieren und von seinen wahren Vorhaben ablenken.

Besonders deutlich wird dies daran, dass er sich gegen die Erhöhung des Mindest(real)lohns auf den Stand von 1970 (10$/Stunde, derzeit 6,25$/Stunde) ausgesprochen hat. Sein tatsächliches Programm enthält keinerlei Maßnahmen in diese Richtung, sondern ist im Gegenteil stark neoliberal geprägt. Versprochene Verbesserungen bei der Gesundheitsvorsorge will er nicht durch die Verstaatlichung dieser erreichen, sondern diese soll weiterhin privatwirtschaftlich über den Markt organisiert sein. Insgesamt ist er ein Befürworter von „freiwilligen“, d.h. keinen Lösungen, weil die KapitalistInnen natürlich nie freiwilligen Mehrzahlungen oder Ähnlichem zustimmen werden.

Gegen Illusionen in Obama liefert sein Programm also die besten Argumente. Und er selber ließ diese Hoffnungen als lächerlich dastehen, als er meinte, dass er für einen angeblichen Linken in einer ungewöhnlichen Gesellschaft verkehre. Obama ist insgesamt bemüht, jeden radikalen Anstrich loszuwerden und klarzustellen, dass er ein „verantwortungsvoller“ Politiker ist – sprich: verlässlich im Dienste der KapitalistInnen.

Der neoliberale Charakter seines ökonomischen Programms ist derart offensichtlich, dass das Wall Street Journal seine Kampagne sogar als „Bushs dritte Amtszeit“ bezeichnete und überrascht ist, dass ein Demokrat das Programm von Bush rehabilitiert. Demnach bevorzugt auch Obama im sozialen Bereich, wie bei (betrieblicher) Pensions- und Gesundheitsvorsorge, „Markt-Lösungen“. Orientieren will sich Obama eher an Ronald Reagan, den er als umgestaltenden Präsidenten bezeichnete, als an Bill Clinton. Auch wenn Clintons Politik im ökonomischen Bereich nicht weniger neoliberal und aggressiv war, als die von Reagan, gibt es doch eine andere Wahrnehmung von Clinton. Dabei schwingt die Mythologie des New Deal mit und ihm wird ein nicht vorhandener Keynessianismus angedichtet. In einem seiner Bücher nimmt Obama auch auf Reagans „zentrale Einsicht“, dass der Sozialstaat zu behäbig und bürokratisch wäre und das Wirtschaftswachstum verhindern würde, positiv Bezug. Die Reagonomics markierten den Beginn der neoliberalen Offensive gegen die ArbeiterInnenklasse und deren Errungenschaften und bedeuteten eine massive Umverteilung von unten nach oben. Darauf wird Obama sicherlich auch Bezug nehmen.

Mythos und Wirklichkeit des „Kriegsgegners“ Obama

Manchen erscheint Obama als Kriegsgegner und Anti-Militarist. Es ist es auch nicht besonders schwierig, sympathischer als die aggressive und nationalistische Kriegspropaganda der Bush-Regierung zu wirken. Auf elektoraler Ebene versucht er auch, die wachsende Stimmung gegen den Irakkrieg in der AbeiterInnenklasse für sich zu nutzen. Die deutlichste Ansage in diesem Zusammenhang ist wohl, dass er die US-Truppen innerhalb von 16 Monaten nach seinem Amtsantritt aus dem Irak abziehen würde. In Wirklichkeit repräsentiert er aber die außenpolitischen Interessen des US-KapitalistInnen – niemand glaubt mehr, dass die USA im Irak kurz vor einer Wende stehen und daher braucht es schön langsam wirklich eine erfolgsversprechende(re) Strategie. Es ist davon auszugehen, dass Obama und sein Team hier noch nicht über einen endgültigen Plan verfügen, klar ist aber, dass sie angesichts der für den US-Imperialismus momentan unbefriedigenden Situation, nach neuen „Lösungen“ suchen. Und dafür lassen sich schon mal ein paar Puzzleteile ausmachen.

Die sieht zunächst mal so aus, dass US-Truppen vom Irak nach Afghanistan verlegt und auch Pakistan ein größeres Augenmerk geschenkt werden soll. Seine „Opposition“ gegen den Krieg ist also vielmehr eine realistischere Umorientierung. Er steht für keine prinzipielle Opposition gegen Imperialismus und Krieg, sondern sucht vielmehr innerhalb dieser Logik nach einer besseren Lösung. Der Mythos des Kriegsgegners Obama wirkt, wenn seine fortdauernde Zustimmung zum Irakkrieg als Senator bedacht wird, besonders lächerlich.

Und auch in diesem Fall ist ein Blick auf seine BeraterInnen äußerst aufschlussreich. Dass Colin Powell mit an Board sein soll, ist oben schon erwähnt worden. Dabei sein sollen auch: Zbigniew Brezinski, Nationaler Sicherheitsberater von Jimmy Carter, der zum Beispiel für den Aufbau der Taliban in Afghanistan, als Bollwerk gegen die Sowjetunion, verantwortlich war und später auch für Ronald Reagan und George Bush Sr. Kriegspläne austüftelte. Anthony Lake war Berater von Henry Kissinger während des Vietnamkriegs, Nationaler Sicherheitsberater von Bill Clinton und Hauptstratege der US-Angriffe am Balkan. Und last, but not least: Madeleine Albright, unter Bill Clinton Außenministerin und UN-Botschafterin der USA und maßgeblich für das Embargo gegen den Irak verantwortlich.

Albrights Beteiligung, die schon immer militärische Interventionen in mehrere Staaten befürwortet hat, geht Hand in Hand mit Obamas allgemeiner außenpolitischer Ausrichtung. Er spricht wie McCain von der Notwendigkeit die NATO wieder zu beleben. Obama betont aber, nicht wie McCain die (historische) Führungsrolle der USA, sondern stärker die Zusammenarbeit mit anderen, vor allem europäischen, aber auch aufsteigenden asiatischen, Ländern. Obama soll auch das Image der USA in der Welt wieder aufpolieren. Um diese Anliegen zu vermitteln diente auch seine „Welttour“ im Juli.

In diesem Zusammenhang muss auch die unterschiedliche Haltung gegenüber Russland gesehen werden. McCain rührt kräftig die Kalte-Kriegs-Trommel und konnte vom Georgien-Südosetien-Konflikt gewaltig profitieren. Er versucht sich seinen WählerInnen gegenüber als harter, anti-kommunistischer Kämpfer zu präsentieren und damit auch an Symbolen anzuknüpfen. Diese Ausrichtung hat aber auch mit einer anderen außenpolitischen Orientierung zu tun. Er will Russland aus der G8 ausschließen und prowestliche Ländern in Russlands Peripherie (Georgien, Ukraine…) stärken.

Gegenüber dem Iran unterscheiden sich die Positionen der beiden Kandidaten nur in ihrer taktischen Herangehensweise. Obama versucht zwar zunächst eine „Lösung“ über Diplomatie und ökonomische Sanktionen herbeizuführen, schließt aber Militäraktionen – wenn „notwendig“ –nicht aus. Wenn bedacht wird, dass die Kräfte der US-Armee für einen Angriff auf den Iran momentan ohnehin beschränkt sind, vertritt er hier hauptsächlich eine pragmatischere Position.

Damit in Zusammenhang ist seine Ansage interessant, dass er als Präsident in zehn Jahren die Abhängigkeit der USA von Öl aus dem Mittleren Osten beenden zu wollen – (auch) durch Investitionen in Kohle, Atomenergie und erneuerbare Energieträger. Ein guter Teil dieser Ansage sind sicherlich nur Wahlkampfphrasen. Aber es steckt auch Wahrheit drinnen: in Afrika gibt’s doch auch genug Öl zu holen! Obama steht für eine Fortsetzung der unter Bush verstärkten „Bemühungen“ in Afrika, vor allem an der Westflanke. Derzeit kommen von dort 20% der US-Ölimporte und der Anteil soll in den nächsten Jahren rasant ansteigen. Dafür soll auch die „Entwicklungshilfe“ bis 2012 auf 50 Milliarden $ verdoppelt werden. Militärisch wurden auch schon die entsprechenden Vorbereitungen getroffen und AFRICOM, eine seit 1. Oktober von Stuttgart aus operierende eigenständige Befehlsstruktur, geschaffen. Gegenüber Venezuela schlägt Obama auch einen härteren Ton an.

Rassismus und Nationalismus

Die Republikaner setzen die „Angst vor dem schwarzen Mann“ ganz gezielt ein, um Weiße (unter anderem ArbeiterInnen) von einer Unterstützung für ihn abzubringen. In einer Werbe-Anzeige der Republikaner wird Obama als Promi dargestellt und ist dementsprechend mit Britney Spears und Paris Hilton, zwei jungen, weißen Blondinen, zu sehen. Damit soll auch das in den USA traditionelle Bild des schwarzen „Lüstlings“ bedient werden. Weißen Frauen soll damit Angst einjagt werden und sie, in Verbindung mit Sarah Palin als weibliche Kandidatin, für die Republikaner gewonnen werden. Auch Hillary Clinton (unterstützt von ihrem Mann Bill) machte während den internen Vorwahlen der Demokraten, mit dem Argument „Rasse“ Stimmung gegen Obama.

Auch in den Medien ist Rassismus gegenüber Obama – getarnt durch Codewörter – verbreitet. Der Rassismus könnte vielleicht sogar ein wahlentscheidender Faktor werden. Wenn bedacht wird wie sehr die republikanische Bush-Administration diskreditiert ist und dass die Demokraten sowohl im Repräsentantenhaus und Senat die Mehrheit haben, als auch bei zahlreichen lokalen Wahlen gewinnen konnten, würde ein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen auch nahe liegen, ist aber eben nicht sicher. Als RevolutionärInnen weisen wir natürlich jeglichen Rassismus, auch gegenüber jemandem aus der herrschenden Klasse, zurück. Obama muss als Vertreter der Bourgeoisie kritisiert und bekämpft werden – seine Hautfarbe hat damit nichts zu tun.

Jegliche Hoffnungen, dass Obama als Präsident wirkliche Verbesserungen für die Mehrzahl der Schwarzen (und der MigrantInnen im Allgemeinen) durchsetzen wird, sind deplaziert. Er stimmte im Senat mehreren rassistischen Einwanderungsgesetzen zu. Unter anderem auch dem „Secure Fence Act“: um sieben Milliarde $ werden an der Grenze zu Mexiko, auf der Länge von 700 Kilometern, Zäune, Mauern und andere Sicherheitsmaßnahmen gebaut. Die KapitalistInnen, die seinen Wahlkampf finanziert haben und für die er vielleicht ins Weiße Haus einziehen wird, profitieren von der Überausbeutung bestimmter Teile der ArbeiterInnenklasse – und das soll in ihren Augen auch so bleiben.

Sein Rassismus lässt sich auch im Zusammenhang mit der seiner Darstellung seiner persönlichen Lebensgeschichte festmachen: Seine Eltern hätten sich ausgemalt, „dass ich, auch wenn sie nicht reich waren, die besten Schulen des Landes besuchen würde, weil man in einem großzügigen Amerika nicht reich sein muss, um sein Potenzial auszuschöpfen.“ Obama kommt selber aus ärmlicheren Verhältnissen, hat aber einen Harvard Abschluss und ist vielleicht bald US-Präsident. Als Gründe, warum die meisten Schwarzen das nicht schaffen und in Armut leben, identifiziert er „kulturelle Probleme“ – ein gängiges Argument von rechten RassistInnen. Ähnlich rassistische Töne schlägt auch sein „running mate“ Joe Biden an, der Obama als den „ersten Mainstream-Afroamerikaner, der angepasst, klug und sauber und ein netter Typ“ sei, beschrieben hat.

Obama kommt durch seine Hautfarbe die Möglichkeit zu, glaubhafter die Klassenlinien unter dem Deckmantel der „Vielfältigkeit der Nation“ zu verschleiern und so eine verbreitete Basis für die Durchsetzung seiner Politik zu finden. Dieses Image bedient er auch ganz bewusst (hier mit Bezug auf den 11. September): „Im dunkelsten Moment haben wir hier in Amerika verstanden, dass wir am Leben der anderen teilhaben und als Nation gemeinsam aufsteigen oder fallen.“ Bezüglich der „Rassen“frage formulierte er ähnliches: „Es gibt kein schwarzes Amerika oder ein weißes Amerika; es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika.“

Die Nominierung von Joe Biden zu seinem „running mate“ (Vizepräsidentschaftskandidat) steht damit in Zusammenhang: er soll Stimmen von weißen ArbeiterInnen anziehen und mithelfen den „Change“ glaubhaft zu vermitteln. Biden steht für einen einfachen, volksnahen, aber erfahrenen Politiker. Im US-Senat gehört Biden, mit einem Vermögen von 300.000 $ (im Vergleich zu 12 Millionen $ im Durchschnitt) tatsächlich zu den „Armen“. Aber auch er hat im Senat 2003 für den Irakkrieg gestimmt und gilt insgesamt als außenpolitischer „Routinier“ Clintonscher Prägung. Mit Biden möchte Obama auf der sicheren Seite sein und nichts riskieren – eine Frau als „running mate“ eines Schwarzen wäre für konservativere WählerInnenschichten dann vielleicht doch zuviel gewesen.

Um das Image der vereinten Nation hinter dem „Change“ zu verbreiten, wurde auch versucht seine Kandidatur als von einer Bewegung getragen/begleitet darzustellen. Der Obama-Hype wie er in Europa existiert und ausgemacht wird, existiert so in den USA allerdings nicht. Wahr ist, dass Obamas Wahlkampagne auf mehr freiwillige UnterstützerInnen als McCain (oder während den Vorwahlen auch Hillary Clinton) zählen kann. In diesem Zusammenhang gilt es auch darauf hinzuweisen, dass sich bei dieser Wahl unter AfroamerikanerInnen eine überdurchschnittlich hohe Wahlregistrierung, besonders in innerstädtischen Gebieten, feststellen lässt. Doch eine Bewegung macht das noch lange nicht aus, geht es hier doch vor allem darum Wahlkampfhilfe zu mobilisieren. Und letztlich kann das Ziel für Obama, als bürgerlichen Politiker, nur sein, jegliche Bewegungen zu absorbieren und/oder ruhig zu stellen.

Für eine unabhängige, revolutionäre ArbeiterInnenpartei!

Es ist also völlig klar, dass Obama nicht für eine grundsätzlich andere Politik steht. Außenpolitisch steht er für eine realistischere und pragmatischere, aber keinesfalls „bessere“ oder „harmlosere“, Ausrichtung. Innenpolitisch kommt ihm die Aufgabe zu, die Abwälzung der ökonomischen Krise auf die ArbeiterInnenklasse, als „Change“ zu verkaufen.

Er kann aber trotzdem auf die Unterstützung fast aller Gewerkschaftsverbände zählen, die traditionell den Kandidaten der Demokraten unterstütz(t)en. Und auch viele Linke (in den USA wie in Europa) unterstützen ihn - als das angeblich „kleinere Übel“. Bei manchen von ihnen ist eine solche Unterstützung mit dem Verweis verbunden, dass es eigentlich um den Aufbau einer Bewegung gehe und die Hoffnungen in Obama dafür genutzt werden können. Nicht selten kann man/frau hören, dass diese Bewegung Druck auf Obama aufbauen und sicherstellen müsse, dass er „ehrlich“ bleibe. Damit verbleiben sie in der Logik der bürgerlichen Politik und verhindern letztlich den Aufbau einer unabhängigen, revolutionären ArbeiterInnenbewegung. Eine Unterstützung für Obama – aus welchen Gründen auch immer – wirkt dieser notwendigen Unabhängigkeit allerdings entgegen.

Auch wenn der Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei in den USA, aufgrund der Geschichte (es hat sich nicht einmal eine reformistische ArbeiterInnenpartei etablieren können) und den beschränkten Möglichkeiten auf Grund des Zwei-Parteien-Systems und des Mehrheitswahlrechts, subjektiv und objektiv vor großen Schwierigkeiten steht, ist sie doch der einzige Weg. Eine solche Partei darf ihren Fokus freilich nicht auf Wahlen legen oder sich gar darauf beschränken. Diese können höchstens als Möglichkeit zur Propaganda dienen. Sie müsste sich (perspektivisch) vor allem durch die Intervention in und das Vorantreiben von Klassenkämpfen und kämpferischen sozialen Bewegungen aufbauen.

Die Geschichte der US-ArbeiterInnenbewegung ist, anders als uns manche Märchen weismachen wollen, durchaus von Militanz und Radikalität geprägt. Es gilt an diesen Traditionen anzuknüpfen und ihnen eine systemüberwindende Perspektive zu geben – die sich verschlechternde Lage für große Teile der ArbeiterInnenklasse schaffen Anknüpfungspunkte dafür. Auf politischer Ebene stellt die Nähe der ArbeiterInnenbewegung zu bzw. Wahlunterstützungen für bürgerliche Parteien eine problematische Tradition dar, mit der es zu brechen gilt.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von

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Nr. 55, 03.11.2008

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