Für Selbstbestimmung gegen
jeglichen Kolonialismus

Interview von Max Brym mit Hysen Durmishi und Liburn Aliu, zwei führenden Aktivisten der „Bewegung für Selbstbestimmung“ ( LPV) aus Prishtina.

11/07

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Max Brym: Sie befinden sich als Vertreter der kosovarischen „ Bewegung für Selbstbestimmung“ LPV gegenwärtig in Deutschland. Sie hatten Pressegespräche und wurden im Bundestag von der Abgeordneten Ulla Jelpke ( Die Linke) empfangen. Was ist eigentlich die LPV, oft wird ihnen unterstellt nationalistische Positionen zu vertreten. In bestimmten deutschen Publikationen wird Ihnen der Vorwurf gemacht in der Tradition der SS- Division Skanderbeg zu stehen. Was Sagen Sie dazu ?

Liburn Aliu: Während dem Zweiten Weltkrieg, kämpfte das Volk Kosovas und gab viele Martyrer, wie auch viele andere freiheitsliebende Völker, gegen den Faschismus. Die SS-Division Skanderbeg in Kosova, ähnelte vielen anderen Strukturen in Europa. An vielen Orten mobilisierten Faschisten und Nazis Kollaborateure für ihre eigenen Interessen. Wir sind eine Bewegung für Befreiung und stehen somit in der Tradition aller Befreiungsversuche in unserer Geschichte.

Im Monat Oktober weilte eine Delegation der LPV ( Bewegung für Selbstbestimmung) auf Einladung u.a. von Ulla Jelpke Bundestagsabgeordnete der Partei „ Die Linke“ in Deutschland. Die beiden LPV Aktivisten Hysen Durmishi und Liburn Aliu, wurden von ihr zu einem längerem Gespräch im Deutschen Bundestag empfangen. Außerdem führten die beiden LPV- Vertreter Zusammenkünfte mit der albanischen Diaspora und mit Pressevertretern durch.  Spätestens seit dem 10. Februar 2007 ist die LPV auch in der deutschen Öffentlichkeit ein Begriff. An diesem Tag ermordeten internationale Polizisten in Prishtina zwei Demonstranten der LPV. Seit diesem Tag befindet sich der bekannteste LPV Vertreter Albin Kurti in Haft. Ihm wird Widerstand gegen die UNMIK vorgeworfen. Seit Juni wird Kurti unter strengem Hausarrest in seiner Wohnung in Prishtina festgehalten. Laut Gerichtsbeschluß vom 14. November darf sich nun Kurti zwischen 10 Uhr morgens und 19 Uhr abends außerhalb seiner Wohnung aufhalten. Die deutsche Öffentlichkeit hat allen Grund sich mit den Positionen der LPV auseinanderzusetzen, denn sie verkörpert einen nicht unwesentlichen Teil, vor allem  der jungen Generation Kosovas. Zudem ist in Kosova/o der Deutsche Joachim Rücker, UNMIK Protektoratsleiter und Deutschland stellt das größte Truppenkontingent im Rahmen der KFOR. Außerdem ist der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger, gegenwärtig EU- Verhandlungsführer bei den „Kosovo- Statusverhandlungen. Max Brym

Max Brym: Gibt es in Kosova noch Jüdinnen und Juden ? Welches Verhältnis haben Sie zum Antisemitismus der in Deutschland noch immer viele Gehirne beherrscht?

Liburn Aliu; Die Zahl der in Kosova lebenden Juden ist gering, sie leben aber in Harmonie mit den Albanern. Grund dafür ist die freundschaftliche Tradition in der Geschichte und besonders während des Zweiten Weltkrieges. Das jüdische Volk hat in der Geschichte gelitten, aber trotzdem, überall auf der Welt verteilt, überlebt. Unsere Bewegung bekämpft, jegliche antisemitische, chauvinistische oder rassistische Einstellung.

Max Brym: Wie stellen Sie sich das Zusammenleben zwischen, Albanern Serben und Roma in Kosova vor?

Hysen Durmishi: Die Albaner haben in Kosova historisch betrachtet immer in Harmonie mit den anderen Minderheiten zusammengelebt. Sie haben sogar zusammen gegen die türkische Besetzung gekämpft. Diese Harmonie wurde erst 1912 durch die serbische Besetzung Kosovas und der anderen albanischen Gebiete zerstört. Damals wurde der antialbanische Chauvinismus vielen Serben eingepflanzt. Das Recht auf Selbstbestimmung bringt nicht nur die Freiheit für Kosova, sondern auch die Befreiung des serbischen Volkes vom Chauvinismus, unter dem sie über Jahrzehnte selbst litten. Somit, wären die Bedingungen für die Freundschaft zwischen den Albanern mit der serbischen Minderheit (und mit den anderen fünf Minderheiten, welche die Unabhängigkeit Kosovas akzeptieren) geschaffen. Dies, würde erreicht werden, indem man jegliche Möglichkeit einer Instrumentalisierung der serbischen Minderheit durch Belgrad, eliminiert.

Max Brym: Warum sind sie eigentlich gegen die Statusverhandlungen?

Liburn Aliu: Wir sind gegen Verhandlungen, da die Freiheit eines Volkes nicht verhandelbar ist. Erst nach der Anerkennung des Rechtes auf Selbstbestimmung für das Volk Kosovas, als grundsätzliche Bedingung für Freiheit und Demokratie, kann man über Aspekte, die das Verhältnis zwischen zwei Staaten regeln würde, verhandeln.

Max Brym: Haben Sie etwas gegen die orthodoxen Kirchen und Kulturobjekte in Kosova. Serbien betrachtet bekanntlich Kosova als ihr Mutter und Kirchenland. Wollen Sie orthodoxe Kirchen zerstören?

Liburn Aliu: In Kosova gibt es viele Objekte des orthodoxen Kulturerbes, die im Mittelalter erbaut wurden. Heute, werden diese Objekte fälschlicher- und feindseligerweise als national serbisches Kulturerbe behandelt, entgegen der Tatsache, dass diese Objekte in einer Zeit erbaut wurden, in welcher der Begriff ‚Nation’ nicht existierte. Sie wurden von der Bevölkerung Kosovas und für die Bevölkerung Kosovas erbaut. Nachkommen dieser Bevölkerung sind Albaner, sowie Serben, wofür viele Fresken und architektonische Elemente innerhalb dieser Objekte, ausreichende Beweise liefern. Außerdem beweisen dies auch viele Bräuche in der albanischen Bevölkerung Kosovas, welche eng mit dem früheren orthodoxen Glauben verbunden sind. Auch heute noch werden orthodoxe Feiertage gefeiert. Durch die Behandlung des orthodoxen Kulturerbes, als serbisch, verweigert man heute den Albanern die Möglichkeit, zum orthodoxen christlichen Glauben zu konvertieren, da man in dem Fall, die nationale Identität aufgeben müsste.


Max Brym: Was stört Sie grundsätzlich am Athisaari-Plan?

Hysen Durmishi: In erster Linie, erkennt der Ahtisaari-Plan den Willen des Volkes von Kosova für Freiheit, nicht an. Auch die Souveränität sowie das Recht auf eine eigene Armee, wird in diesem Plan verweigert. Es wird nur eine substanzielle Autonomie innerhalb Serbiens zugestanden. Kosova soll erneut von einer fremden Mission , die der EU, regiert werden. Diese neue Mission unterscheidet sich nicht im Geringsten von der gegenwärtigen UNMIK Herrschaft und wird ebenso die absolute Kontrolle über das Leben in Kosova haben. Kosova, wird durch zwei Prozesse, die auch schon implementiert werden, in ein ewiges Pulverfass verwandelt: Die „Dezentralisierung“, durch welche man Kosova in zwei Entitäten auf etnischer Basis teilt, sowie die „Exterritorialität“ um orthodoxe Objekte in Kosova, durch welche man die Kultur und Geschichte Kosovas usurpiert (aneignet), in dem man sie serbisiert. Diese zwei Prozesse haben zum Ziel, den historischen Konflikt zwischen dem albanischen Volk und dem hegemonialem Staat Serbien, in einen etnischen Konflikt, zwischen den Albanern und den lokalen Serben und, noch schlimmer, in einen religiösen Konflikt, durch die besonderen Zonen um orthodoxe Objekte, zu verwandeln.

Max Brym: Warum lehnen Sie die UNMIK und die geplante kommende EU- Mission in Kosova ab?

Liburn Aliu: Die UNMIK ist gegenwärtig die alleinige Macht in Kosova. Sie kontrolliert alle drei Machtsäulen: Exekutive, Legislative und Judikative. Sprich, sie kontrolliert die Polizei und die Gerichte, sowie die Fiskal-, Monetär- und Sozialpolitik. Kontrolliert alles in Kosova und hat in Allem das letzte Wort. Die Bürger Kosovas werden als Bewohner gesehen. Die UNMIK ist den Einwohnern gegenüber nicht Rechenschaftspflichtig. Die UNMIK ist also eine Institution über dem Gesetz. Als solche, ist sie nicht vom Volk gewählt worden und ist somit auch inakzeptabel für die Lëvizja VETËVENDOSJE!. Die kommende Mission der EU, wird eine Fortsetzung der UNMIK sein, ohne prinzipielle Änderungen. Auch diese Mission wird das letzte Wort in Allem, inklusive der Interpretation des Ahtisaari-Planes, haben. Sie wird die Macht haben, Gesetze und lokale Beamte, die dem Ahtisaari-Plan widersprechen, zu ändern und zu entlassen. Auch diese Mission wird nicht vom Volk Kosovas gewählt sein, und auch keine Rechenschaft für ihre Handlungen abgeben. Als solches inakzeptabel für uns.

Max Brym: Welche Struktur hat die UNMIK ist Sie eine Kolonialmacht?

Hysen Durmishi: Die UNMIK ist nicht nur undemokratisch aus dem Grund, dass sie vom Volk nicht gewählt wurde, sie ist auch innerhalb, wegen ihrer pyramidalen Struktur, undemokratisch. Kopf dieser Struktur ist der absolute Monarch – der Leiter der UNMIK. Die UNMIK ist eine Kolonialmacht. Das Entscheidungszentrum kolonialer Administrationen ist in der Regel außerhalb des Landes, in dem sie regieren. Zum Beispiel, hatte die englische koloniale Administration in Indien, ihr Zentrum in London, die Französische in Algerien hatte ihres in Paris, die Italienische in Äthiopien, hatte ihres in Rom, die Belgische im Kongo, hatte ihres in Brüssel usw. Auch die UNMIK hat ihr Zentrum außerhalb Kosovas, in New York, aber auch in Washington und Brüssel, auf jeden Fall nicht in Prishtina. Dort, wo sich koloniale Administrationen niederlassen, versuchen sie die Geschichte zu beseitigen. Es existiert schlicht keine Vergangenheit mehr. Die Zeit beginnt vom Moment ihrer Installierung an zu laufen. Auch die UNMIK verhält sich nach diesem Muster. Es gibt keine Frist für den Aufenthalt der UNMIK in Kosova. Alles ist vorläufig und nichts hat eine Frist. Wie jede koloniale Administration, ist auch die UNMIK ein diktatorisches Regime, dass kein Referendum zuläßt. Sie hat Organe für die lokale Bevölkerung organisiert , sie negiert die Freiheit , indem man das Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerung nicht anerkennt. Die UNMIK organisiert Wahlen mit den lokalen Parteien, die Macht aber, behält sie für sich. Diese Parteien haben sich einzig und allein aus einer korrumpierten und eingeschüchterte lokale Elite gebildet. Das Verhältnis zwischen den Gehältern der Arbeiter, den Bezügen der kolonialen Administration und den Gehältern der Lokalen Bevölkerung ist zweistellig.

Max Brym: Was heißt das ?

Hysen Durmishi: Das bedeutet, dass der Lohn eines TMK- oder Polizeibeamten im Monat, dem entspricht was ein internationaler Polizist oder ein Soldat der KFOR am Tag verdient! Ein kleiner Unterschied zu den klassischen kolonialen Administrationen besteht darin, dass Kosova kein Ort ist, der allein exploitiert wird, sondern, ein Ort, in dem sich die Internationale Gemeinschaft auch selbst, im Namen Kosovas exploitiert. Also, keine Administration die nur aus dem Land schöpft, dass sie administrieren, sondern eine, die in erster Linie aus dem Reichtum der Länder schöpft, die diese Autorität ausmachen und welche im Namen des Landes, das sie administrieren, ernannt wurde. Viele Albaner, die in der UNMIK arbeiten, erklären, dass die meisten Beamten des internationalen Personals der UNMIK, Vorurteile gegenüber uns hegen. Sie denken wir seien unfähig, verantwortungslos und sogar primitiv (sie aber sind die Zivilisierenden hier!). Jetzt, liegt ihr Handeln nur darin, die Exaktheit dieser Vorurteile zu bestätigen und zu beweisen. All das, ist typisch für koloniale Administrationen. Die UNMIK ist verantwortungslos, führt sich verantwortungslos auf. Nach allen offiziellen Dokumenten die in Kraft sind ,handelt sie wie jede andere koloniale Administration, sie muss der Bevölkerung auch keine Rechenschaft ablegen. Die UNMIK ist nicht gewählt vom Volk Kosovas, dennoch entscheiden sie für das Volk Kosovas. Die UNMIK-Polizei steht über dem Gesetz, sie trägt vollkommen die Charakteristiken der Kolonialpolizei. Etliche Missbräuche und Misshandlungen der Bürger sind üblich für die UNMIK-Polizei geworden.

Max Brym: Haben solche Erscheinungen keine Konsequenzen für UNMIK- Beamte ?

Liburn Aliu: Niemand wird jemals dafür verurteilt oder entlassen. Man hat uns in eine solche Situation gebracht, in der wir, die Bürger Kosovas, in dem Maß, in dem die UNMIK-Polizei uns schützt, uns vor ihr schützen müssen. Die UNMIK, wie jede koloniale Administration, macht uns, die Bürger von Kosova, verantwortlich, gibt uns aber keine wichtigen Kompetenzen, obwohl es klar ist, dass es keine Verantwortung ohne Kompetenzen gibt. Wenn die UNMIK möchte, dass die Probleme in Kosova, die Kosovas sind, dann muss sie erlauben, dass die Probleme in Kosova auch wirklich die Kosovas sind. Jegliche Kritik an den Zuständen in Kosova wirft sie den Bürgern Kosovas vor, die immer die Schuldtragenden sind, zu. Mit den Verdiensten dagegen, schmückt sie sich natürlich selbst. Es existiert keinerlei Selbstkritik bei der UNMIK, und auch kein Bedarf dafür. Die lokalen Kräfte, die die offizielle Sprache der kolonialen Administration – in unserem Fall die der UNMIK – beherrschen, haben überall und immer Vorrang, wie auch der Sudanese, der Englisch konnte, der Marokkaner, der französisch sprach, der Kameruner der deutsch oder der Mosambiker der portugiesisch beherrschte. Die UNMIK als koloniale Administration, organisiert Veranstaltungen, Zeremonien, verschiedene Parties die einem Karneval ähneln, und in welche sie lokale Führer und Prominente einlädt, während das Volk in einer ganz anderen Welt, einer Welt in der sie täglich tiefer in die Armut fallen, erleben.

Max Brym: Was passierte am 10 Februar in Prishtina?

Liburn Aliu: Am 10. Februar, wurde der friedliche Marsch, organisiert von Lëvizja VETËVENDOSJE!, unterbrochen, da die UNMIK-Polizei die Strasse blockiert hatte. Die Protestierenden versuchten diese Blockade physisch zu durch brechen, in dem sie mit ihren eigenen Körpern, aneinander gebunden, gerade weiter marschierten. Dieses Vorhaben wurde durch Gummiknüppeleinsätze und den Einsatz von Tränengas verhindert. Erst nach dem die Protestierenden auf dem Rückzug waren, schossen sie mit Gummigeschossen auf sie. Das Resultat, man ermordete Arben Xheladini und Mon Balaj sowie 80 weitere wurden verletzt. Wie auch bei allen anderen Demonstrationen und Aktionen der Lëvizja VETËVENDOSJE!, gab es auch diesmal keine Verletzten auf Seiten der Polizei.

Max Brym: Seit 10. Februar ist ihr bekanntester Aktivist Albin Kurti in Haft. Gegenwärtig ist er in strengem Hausarrest in Prishtina. Was wird Kurti eigentlich vorgeworfen ? Wie bewerten Sie die Anklage gegen ihn?

Hysen Durmishi: Albin Kurti, ist gegenwärtig ein politisch Gefangener. Er wird allein wegen seiner Überzeugungen unter Arrest gehalten. Die Aktivitäten der Lëvizja VETËVENDOSJE! und Albin Kurti, stellen den einzigen Widerstand gegen die politischen Prozesse in Kosova dar, sowie die einzige oppositionelle Kraft. Die Verhaftung Kurtis, wie auch der Einsatz vom 10. Februar, hatten das Ziel die einzige sich wehrende Stimme in Kosova auszulöschen.

Max Brym: n Kosova gibt es die höchste Arbeitslosigkeit und die größte Armut am Balkan. Wie sehen Sie den Privatisierungsprozess unter dem Kommando des 4. Büros der UNMIK. Die dem Büro unterstehende ( Kosova Treuhandagentur) ist ja nach allen Berichten in Kosova ziemlich unbeliebt. Unterstützen Sie Widerstandsaktionen der Arbeiter gegen die Privatisierung ?

Liburn Aliu: Kosova unter der UNMIK-Administration, fällt tag täglich tiefer in die Armut. Heute leben 15 % der Bevölkerung in extremer Armut und 40 % in Armut. Kosova hat die höchste Arbeitslosigkeit am Balkan und diese Lage verschlimmert sich fortlaufend. Eines der Gründe für diese Armut, ist auch der Privatisierungsprozess in Kosova, welcher direkt von der UNMIK kontrolliert wird. Die Revolte der Arbeiter gegen diesen Prozess, empfinden wir, als Bewegung, für absolut gerecht und unterstützen sie auch.

Max Brym: Welche Haltung haben Sie zur Geschichte der UCK wie stehen Sie zu dem Vertrag von Rambouillet. Wie bewerten Sie den damaligen Angriff der NATO gegen Jugoslawien?

Hysen Durmishi: Der Kampf der UÇK, war ein sauberer Befreiungskrieg. Er entstand aus dem Bedürfnis für Freiheit, für das albanische Volk Kosovas und als Folge des fortlaufenden Terrors, ausgeführt von der serbischen Macht. Dieser Krieg wurde aber auf halbem Weg gestoppt, in Rambuoillet wurde die Souveränität Serbiens über Kosova sowie die Demilitarisierung der UÇK akzeptiert. Das Resultat davon, ist die Anwesenheit der UNMIK in Kosova und das Risiko auf neue Kriege mit Serbien.

Max Brym: Welche Verbrechen gab es in Kosova bis Juni 1999 an den Albanern. Wurden nicht anschließend auch unschuldige Serben und Roma von Albanern getötet ?

Liburn Aliu: Die Periode, seid der Besetzung Kosovas durch Serbien 1912, bis 1999, ist eine Geschichte fortlaufender genozidaler Verbrechen durch die serbische Besatzung, an dem unbewaffneten albanischem Volk. Zwischen den zwei Weltkriegen, wurden über 300.000 Albaner vertrieben, hunderte von Dörfern abgebrannt und zehntausende Albaner ermordet. Zu der Zeit, machte das die Hälfte der Bevölkerung Kosovas aus. Man ersetzte sie durch Serben, die man in Kolonnen aus Serbien brachte, um die Bevölkerungsstruktur zu ändern. Auch das jugoslawische Tito-Regime verfolgte das Ziel der Vertreibung in den `50ern und ´60ern. Die ´80er Jahren dagegen waren Verfolgungen politischer Natur, in welchen tausende von Jugendlichen, in die Hände serbischer Polizisten fielen. Dies, steigerte sich in den ´90ern um weiters, als um die 400.000 Jugendlichen vom Terror durch Serbien unter Miloshovic ins wesltiche Europa flohen. Den Höhepunkt aber, erreicht man ´98 und ´99, als die Armee Serbiens, 12.000 Menschen ermordete, 20.000 Frauen vergewaltigten und um die 1.000.000 vertrieb. All das, wurde auf organisierte Art und Weise, unter jenem Regim, vollbracht. Im Sommer ´99, gab es auch durch Albaner, ermordete Serben und Roma, aus Rache für die Verbrechen die in den Jahren ´98 und ´99 ausgeübt worden sind. Morde gab es hauptsächlich in den Gebieten, in denen es Verbrechen durch die serbische Besatzung gab. In vielen Gebieten, in denen Serbien keine grosse Verbrechen verübte hatte, wie z.B. in Dardana, gab es auch keine ermordeten Serben. Auch heute, ist in diesen Gebieten das Zusammenleben ausserordentlich normal. (Dieses Zusammenleben versucht man heute unter dem UNMIK-Regime durch die sogenannte ”Dezentralisierung” zu zerstören). Heute leben in Besiana, die dort lebenden Roma in Harmonie mit den Albanern, da sie in den Jahren ´98 und ´99 zusammen mit der Bevölkerung Kosovas in den Wäldern verbrachten. In vielen anderen Gebieten dagegen, instrumentalisierte die serbische Polizei und Armee, die Roma, aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage Einige nahmen auch Teil an den Verbrechen und der Ausbeutung von Albanern. Heute gibt es viele Roma auf den Strassen Prishtinas die man in Ruhe lässt. Leider leben diese als Bettler, auf Grund der Armut, die in Kosova herrscht.

Max Brym: Kann man die Ereignisse von März 2004 ein Pogrom an den Serben in Kosova nennen. Was passierte konkret z.B. im März 2004 in Prizren?

Hysen Durmishi: Die Revolte im März 2004, war eine spontane Revolte auf Grund der steigenden Unzufriedenheit mit der UNMIK. Da sie nicht organisiert war, verlor sie schnell das Ziel aus den Augen und richtete sich gegen lokale Serben und orthodoxe Objekte. Die organisierten lokalen Serben mit ihren parallelen Strukturen, geführt von Belgrad, blockierten in dieser Zeit die Hauptstraßen in Kosova, was mit dazu führte, dass die Revolte sich dann gegen lokale Serben richtete. Auch die orthodoxen Objekte, welche während der Milosevic Periode zu einem Symbol und einzigen Argument für den an Albanern ausgeübten Terror wurden, dienten schnell als Angriffspunkt. Dies geschah auch auf Grund der Tatsache, dass man keine Versuche machte, die wahre historische Herkunft dieser Objekte zu erläutern, sie zu depolitisieren und sie als Teil der Kultur Kosovas zu akzeptieren. Sie blieben aber politisiert, um den politischen Argumenten des serbischen Staates zu dienen, und um somit das Verbleiben Kosovas, als Teil Serbiens, zu rechtfertigen. Diese Abweichung der Revolte, vom wahren Problem, in Richtung lokaler Serben und orthodoxer Objekte, wurde dann von der UNMIK als Rechtfertigung für ihren Aufenthalt in Kosova (sie müssen quasi in Kosova bleiben, um die Ethnien in Kosova für ein gutes Zusammenleben zu erziehen) und von Serbien als Rechtfertigung für ihren direkten Einfluss auf Kosova, im Namen des Schutzes für die Rechte der serbischen Minderheit, genutzt.

Max Brym: Wie stehen Sie zur Rückkehr der Serben und zu der Rückkehr von vertriebenen oder geflüchteten Roma nach Kosova?

Liburn Aliu: Wir sind für die Rückkehr der Serben, an ihre ursprünglichen Wohnorte, da dies human ist und weil wir auch für die Rückkehr der Albaner, an ihre Wohnorte im Norden Kosovas sind. Wir sind auch dafür, die Rückkehr der Albaner, die in die Türkei vertrieben wurden zu erörtern, die dort in Armut, in den Dörfern Anatoliens leben.

Max Brym: Wie hoch ist gegenwärtig der Bevölkerungsanteil der Serben in Kosova ?

Liburn Aliu: Bezüglich der Bevölkerungsstruktur in Kosvoa, dient als einzige Grundlage, die Registrierung im Jahre ´81. Bei dieser Registration waren, fast 90% der Bevölkerung Albaner. Um die 8% waren Serben und um die 4% andere nationale Gruppen. Auch heute können wir sagen, dass 90% der Bevölkerung Albaner sind. Einigen Aufzeichnungen zu Folge, die im Jahre 1991 von der serbischen Republik gemacht wurden, um Statistiken über Kosova zu erstellen, lebten 1991 194.000 Serben in Kosova. Diese Zahl ist in den ´90er Jahren nicht gewachsen, falls man die Polizisten und Soldaten die von Serbien aus nach Kosova geschickt wurden, weglässt. Heute leben in Kosova 132.000 Serben, was bedeutet, dass um die 60.000 Kosova im Jahre 1999 verließen.

Max Brym: In Ihrer Agitation und Propaganda treten Sie gegen die Dezentralisierung in Kosova ein. Oft erscheint es so,als ob Sie etwas gegen die Rechte der serbischen Gemeinden in Kosova hätten. Nochmals warum sind Sie gegen die Dezentralisierung?

Hysen Durmishi: Der Dezentralisierungsprozess in Kosova ist eigentlich die Zentralisierung der Macht in Belgrad, da diese Gemeinden das Recht haben werden, sich vertikal direkt mit Belgrad zu verbinden. Außerdem, werden diese Gemeinden auch eine horizontale Verbindung untereinander haben. All das, teil Kosova in zwei Entitäten auf etnischer Basis. Die Art von Dezentralisierung, die für unsere Bewegung akzeptabel wäre, ist eine Form, in der die Macht, sich dem Bürger nähert und nicht eine, in der sich die Macht in Belgrad zentralisiert. Der Aufbau einer wahren Regierung in Kosova, aufgebaut auf der Willensbasis des Volkes, könnte eine wirkliche Art von Dezentralisierung herbeiführen, da es erst dann wirklich etwas zu dezentralisieren gäbe.

Max Brym: Erzählen Sie uns noch etwas mehr zur Gesichte der LPV?

Liburn Aliu: Lëvizja VETËVENDOSJE! wurde im Juni 2005 gegründet. Bis dahin, war seit 2003, KAN (Kosova Action Network) in Kosova aktiv. KAN versuchte durch verschieden Aktivitäten, eine aktive Gesellschaft in Kosova zu schaffen. Aus KAN wurde dann schließlich eine politische Bewegung, also die Bewegung für Selbstbestimmung! Welche auch sofort mit der Veröffentlichung ihrer wöchentlichen Zeitung VETÊVENDOSJE! und ihrer Radiosendung PËRBALLJA, begann. Seit dem, erreichte man die Eröffnung von Zentren über all in Kosova (18 Zentren) und in der Diaspora (9 Zentren). Ihre Aktivität erstreckt sich also über ganz Kosova. Man begann im Sommer 2005 mit Aktionen, öffentliche Versammlungen mit den Menschen und mit der Aufschrift unserer Parole ‚Keine Verhandlungen – Selbstbestimmung!’. Bis heute wurden über 200 Versammlungen in allen Dörfern und Wohnbezirken der Städte Kosovas organisiert, mit dem Ziel, das Volk Kosovas politisch aufzuklären und unsere politischen Ansichten zu erläutern. Es wurden außerdem, viele symbolische Aktionen gegen die Macht der UNMIK, die puppenhaften lokalen Institutionen und gegen die negativen Prozesse in Kosova, organisiert. Über dem hinaus, wurden auch noch viele Volksdemonstrationen organisiert. All diese Aktivitäten wurden von Verhaftungen, von Verprügelungen unserer Aktivisten durch die Polizei, von Gefängnisstrafen, von Verletzungen der Demonstranten und bis zur Ermordung von zwei davon am 10. Februar 2007, begleitet. Gegenwärtig ist unsere Bewegung dabei eine Kampagne gegen die Wahlen in Kosova, sowie Vorbereitungen für kommende Demonstrationen, zu organisieren.

Max Brym: Wie bewerten Sie die Arbeit von Joachim Rücker aus Deutschland als Protektoratsleiter in Kosova. Welche Erfahrungen haben Sie mit deutschen UNMIK Beamten und Soldaten gemacht?

Hysen Durmishi; Wir sind vielmehr gegen seine Job-Beschreibung als Leiter der UNMIK in Kosova, als gegen Joachim Rücker selbst. Also, kaum gegen ihn persönlich, und erst recht nicht gegen das deutsche Volk, das er möglicherweise vertritt. Das gleiche gilt auch für andere deutsche Beamte und auch für die, die in der KFOR Soldaten sind. Wir fordern die Trennung von Serbien, aber auch innerhalb Kosovas eine demokratische Republik und keine solche postmoderne Monarchie, mit einem König ganz oben. Unabhängig davon, ob dieser dann Joachim Rücker oder anders heisst.

Max Brym: Nochmals ist die LPV nationalistisch ?

Hysen Durmishi: Lëvizja VETËVENDOSJE! ist eine Organisation die ihre Verankerung im Volk hat, um eben dieses Volk für die Realisierung der Selbstbestimmung für Kosova zu mobilisieren und zu organisieren. Die Mission der Bewegung ist die Befreiung und folglich, sind auch die Positionen der Bewegung Befreiungsnationalistisch (nationalistisch befreiend). Diese Positionen sind nicht gegen zivile Serben gerichtet, sondern gegen die hegemonischen und expansionistischen Bestrebungen Belgrads.

Max Brym: Aber der Nationalismus ist doch keine progressive Basis?

Liburn Aliu: Es kommt darauf an was man unter Nationalismus versteht. Es gibt den rassistisch unterlegten Nationalismus der Unterdrückung zementieren und verschärfen will. Diesen lehnen wir grundsätzlich ab. Es gibt aber auch den progressiven Befreiungsnationalismus, der eine konkrete Unterdrückung beenden will, ohne dabei Privilegien gegenüber anderen anzustreben.

Vielen Dank für das Gespräch

 

Editorische Anmerkungen

Dieser Artikel erhielten wir von Max Brym am 16.11.2007 zur Veröffentlichung.