Max Brym:
Sie befinden sich als Vertreter der kosovarischen „
Bewegung für Selbstbestimmung“ LPV gegenwärtig in
Deutschland. Sie hatten Pressegespräche und wurden im
Bundestag von der Abgeordneten Ulla Jelpke ( Die Linke)
empfangen. Was ist eigentlich die LPV, oft wird ihnen
unterstellt nationalistische Positionen zu vertreten. In
bestimmten deutschen Publikationen wird Ihnen der Vorwurf
gemacht in der Tradition der SS- Division Skanderbeg zu
stehen. Was Sagen Sie dazu ?
Liburn Aliu:
Während dem Zweiten Weltkrieg, kämpfte das Volk
Kosovas und gab viele Martyrer, wie auch viele andere
freiheitsliebende Völker, gegen den Faschismus. Die
SS-Division Skanderbeg in Kosova, ähnelte vielen anderen
Strukturen in Europa. An vielen Orten mobilisierten
Faschisten und Nazis Kollaborateure für ihre eigenen
Interessen. Wir sind eine Bewegung für Befreiung und
stehen somit in der Tradition aller Befreiungsversuche in
unserer Geschichte. |
Im Monat Oktober weilte eine Delegation der
LPV ( Bewegung für Selbstbestimmung) auf Einladung u.a.
von Ulla Jelpke Bundestagsabgeordnete der Partei „ Die
Linke“ in Deutschland. Die beiden LPV Aktivisten Hysen
Durmishi und Liburn Aliu, wurden von ihr zu einem längerem
Gespräch im Deutschen Bundestag empfangen. Außerdem
führten die beiden LPV- Vertreter Zusammenkünfte mit der
albanischen Diaspora und mit Pressevertretern durch.
Spätestens seit dem 10. Februar 2007 ist die LPV auch in
der deutschen Öffentlichkeit ein Begriff. An diesem Tag
ermordeten internationale Polizisten in Prishtina zwei
Demonstranten der LPV. Seit diesem Tag befindet sich der
bekannteste LPV Vertreter Albin Kurti in Haft. Ihm wird
Widerstand gegen die UNMIK vorgeworfen. Seit Juni wird
Kurti unter strengem Hausarrest in seiner Wohnung in
Prishtina festgehalten. Laut Gerichtsbeschluß vom 14.
November darf sich nun Kurti zwischen 10 Uhr morgens und
19 Uhr abends außerhalb seiner Wohnung aufhalten. Die
deutsche Öffentlichkeit hat allen Grund sich mit den
Positionen der LPV auseinanderzusetzen, denn sie
verkörpert einen nicht unwesentlichen Teil, vor allem der
jungen Generation Kosovas. Zudem ist in Kosova/o der
Deutsche Joachim Rücker, UNMIK Protektoratsleiter und
Deutschland stellt das größte Truppenkontingent im Rahmen
der KFOR. Außerdem ist der deutsche Diplomat Wolfgang
Ischinger, gegenwärtig EU- Verhandlungsführer bei den
„Kosovo- Statusverhandlungen.
Max Brym |
Max Brym:
Gibt es in Kosova noch Jüdinnen und Juden ? Welches Verhältnis
haben Sie zum Antisemitismus der in Deutschland noch immer
viele Gehirne beherrscht?
Liburn Aliu; Die Zahl der in
Kosova lebenden Juden ist gering, sie leben aber in Harmonie
mit den Albanern. Grund dafür ist die freundschaftliche
Tradition in der Geschichte und besonders während des Zweiten
Weltkrieges. Das jüdische Volk hat in der Geschichte gelitten,
aber trotzdem, überall auf der Welt verteilt, überlebt. Unsere
Bewegung bekämpft, jegliche antisemitische, chauvinistische
oder rassistische Einstellung.
Max Brym: Wie stellen Sie sich
das Zusammenleben zwischen, Albanern Serben und Roma in Kosova
vor?
Hysen Durmishi:
Die Albaner haben in Kosova historisch betrachtet immer
in Harmonie mit den anderen Minderheiten zusammengelebt. Sie
haben sogar zusammen gegen die türkische Besetzung gekämpft.
Diese Harmonie wurde erst 1912 durch die serbische Besetzung
Kosovas und der anderen albanischen Gebiete zerstört. Damals
wurde der antialbanische Chauvinismus vielen Serben
eingepflanzt. Das Recht auf Selbstbestimmung bringt nicht nur
die Freiheit für Kosova, sondern auch die Befreiung des
serbischen Volkes vom Chauvinismus, unter dem sie über
Jahrzehnte selbst litten. Somit, wären die Bedingungen für die
Freundschaft zwischen den Albanern mit der serbischen
Minderheit (und mit den anderen fünf Minderheiten, welche die
Unabhängigkeit Kosovas akzeptieren) geschaffen. Dies, würde
erreicht werden, indem man jegliche Möglichkeit einer
Instrumentalisierung der serbischen Minderheit durch Belgrad,
eliminiert.
Max Brym: Warum sind sie
eigentlich gegen die Statusverhandlungen?
Liburn Aliu: Wir sind gegen
Verhandlungen, da die Freiheit eines Volkes nicht verhandelbar
ist. Erst nach der Anerkennung des Rechtes auf
Selbstbestimmung für das Volk Kosovas, als grundsätzliche
Bedingung für Freiheit und Demokratie, kann man über Aspekte,
die das Verhältnis zwischen zwei Staaten regeln würde,
verhandeln.
Max Brym: Haben Sie etwas gegen
die orthodoxen Kirchen und Kulturobjekte in Kosova. Serbien
betrachtet bekanntlich Kosova als ihr Mutter und Kirchenland.
Wollen Sie orthodoxe Kirchen zerstören?
Liburn Aliu:
In Kosova gibt es viele Objekte des orthodoxen
Kulturerbes, die im Mittelalter erbaut wurden. Heute, werden
diese Objekte fälschlicher- und feindseligerweise als national
serbisches Kulturerbe behandelt, entgegen der Tatsache, dass
diese Objekte in einer Zeit erbaut wurden, in welcher der
Begriff ‚Nation’ nicht existierte. Sie wurden von der
Bevölkerung Kosovas und für die Bevölkerung Kosovas erbaut.
Nachkommen dieser Bevölkerung sind Albaner, sowie Serben,
wofür viele Fresken und architektonische Elemente innerhalb
dieser Objekte, ausreichende Beweise liefern. Außerdem
beweisen dies auch viele Bräuche in der albanischen
Bevölkerung Kosovas, welche eng mit dem früheren orthodoxen
Glauben verbunden sind. Auch heute noch werden orthodoxe
Feiertage gefeiert. Durch die Behandlung des orthodoxen
Kulturerbes, als serbisch, verweigert man heute den Albanern
die Möglichkeit, zum orthodoxen christlichen Glauben zu
konvertieren, da man in dem Fall, die nationale Identität
aufgeben müsste.
Max Brym: Was stört Sie
grundsätzlich am Athisaari-Plan?
Hysen Durmishi:
In erster Linie, erkennt der Ahtisaari-Plan den Willen
des Volkes von Kosova für Freiheit, nicht an. Auch die
Souveränität sowie das Recht auf eine eigene Armee, wird in
diesem Plan verweigert. Es wird nur eine substanzielle
Autonomie innerhalb Serbiens zugestanden. Kosova soll erneut
von einer fremden Mission , die der EU, regiert werden. Diese
neue Mission unterscheidet sich nicht im Geringsten von der
gegenwärtigen UNMIK Herrschaft und wird ebenso die absolute
Kontrolle über das Leben in Kosova haben. Kosova, wird durch
zwei Prozesse, die auch schon implementiert werden, in ein
ewiges Pulverfass verwandelt: Die „Dezentralisierung“, durch
welche man Kosova in zwei Entitäten auf etnischer Basis teilt,
sowie die „Exterritorialität“ um orthodoxe Objekte in Kosova,
durch welche man die Kultur und Geschichte Kosovas usurpiert
(aneignet), in dem man sie serbisiert. Diese zwei Prozesse
haben zum Ziel, den historischen Konflikt zwischen dem
albanischen Volk und dem hegemonialem Staat Serbien, in einen
etnischen Konflikt, zwischen den Albanern und den lokalen
Serben und, noch schlimmer, in einen religiösen Konflikt,
durch die besonderen Zonen um orthodoxe Objekte, zu
verwandeln.
Max Brym: Warum lehnen Sie die
UNMIK und die geplante kommende EU- Mission in Kosova ab?
Liburn Aliu: Die UNMIK ist
gegenwärtig die alleinige Macht in Kosova. Sie kontrolliert
alle drei Machtsäulen: Exekutive, Legislative und Judikative.
Sprich, sie kontrolliert die Polizei und die Gerichte, sowie
die Fiskal-, Monetär- und Sozialpolitik. Kontrolliert alles in
Kosova und hat in Allem das letzte Wort. Die Bürger Kosovas
werden als Bewohner gesehen. Die UNMIK ist den Einwohnern
gegenüber nicht Rechenschaftspflichtig. Die UNMIK ist also
eine Institution über dem Gesetz. Als solche, ist sie nicht
vom Volk gewählt worden und ist somit auch inakzeptabel für
die Lëvizja VETËVENDOSJE!. Die kommende Mission der EU, wird
eine Fortsetzung der UNMIK sein, ohne prinzipielle Änderungen.
Auch diese Mission wird das letzte Wort in Allem, inklusive
der Interpretation des Ahtisaari-Planes, haben. Sie wird die
Macht haben, Gesetze und lokale Beamte, die dem Ahtisaari-Plan
widersprechen, zu ändern und zu entlassen. Auch diese Mission
wird nicht vom Volk Kosovas gewählt sein, und auch keine
Rechenschaft für ihre Handlungen abgeben. Als solches
inakzeptabel für uns.
Max Brym: Welche Struktur hat
die UNMIK ist Sie eine Kolonialmacht?
Hysen Durmishi: Die UNMIK ist
nicht nur undemokratisch aus dem Grund, dass sie vom Volk
nicht gewählt wurde, sie ist auch innerhalb, wegen ihrer
pyramidalen Struktur, undemokratisch. Kopf dieser Struktur ist
der absolute Monarch – der Leiter der UNMIK. Die UNMIK ist
eine Kolonialmacht. Das Entscheidungszentrum kolonialer
Administrationen ist in der Regel außerhalb des Landes, in dem
sie regieren. Zum Beispiel, hatte die englische koloniale
Administration in Indien, ihr Zentrum in London, die
Französische in Algerien hatte ihres in Paris, die
Italienische in Äthiopien, hatte ihres in Rom, die Belgische
im Kongo, hatte ihres in Brüssel usw. Auch die UNMIK hat ihr
Zentrum außerhalb Kosovas, in New York, aber auch in
Washington und Brüssel, auf jeden Fall nicht in Prishtina.
Dort, wo sich koloniale Administrationen niederlassen,
versuchen sie die Geschichte zu beseitigen. Es existiert
schlicht keine Vergangenheit mehr. Die Zeit beginnt vom Moment
ihrer Installierung an zu laufen. Auch die UNMIK verhält sich
nach diesem Muster. Es gibt keine Frist für den Aufenthalt der
UNMIK in Kosova. Alles ist vorläufig und nichts hat eine
Frist. Wie jede koloniale Administration, ist auch die UNMIK
ein diktatorisches Regime, dass kein Referendum zuläßt. Sie
hat Organe für die lokale Bevölkerung organisiert , sie
negiert die Freiheit , indem man das Recht auf
Selbstbestimmung der Bevölkerung nicht anerkennt. Die UNMIK
organisiert Wahlen mit den lokalen Parteien, die Macht aber,
behält sie für sich. Diese Parteien haben sich einzig und
allein aus einer korrumpierten und eingeschüchterte lokale
Elite gebildet. Das Verhältnis zwischen den Gehältern der
Arbeiter, den Bezügen der kolonialen Administration und den
Gehältern der Lokalen Bevölkerung ist zweistellig.
Max Brym: Was heißt das ?
Hysen Durmishi: Das bedeutet,
dass der Lohn eines TMK- oder Polizeibeamten im Monat, dem
entspricht was ein internationaler Polizist oder ein Soldat
der KFOR am Tag verdient! Ein kleiner Unterschied zu den
klassischen kolonialen Administrationen besteht darin, dass
Kosova kein Ort ist, der allein exploitiert wird, sondern, ein
Ort, in dem sich die Internationale Gemeinschaft auch selbst,
im Namen Kosovas exploitiert. Also, keine Administration die
nur aus dem Land schöpft, dass sie administrieren, sondern
eine, die in erster Linie aus dem Reichtum der Länder schöpft,
die diese Autorität ausmachen und welche im Namen des Landes,
das sie administrieren, ernannt wurde. Viele Albaner, die in
der UNMIK arbeiten, erklären, dass die meisten Beamten des
internationalen Personals der UNMIK, Vorurteile gegenüber uns
hegen. Sie denken wir seien unfähig, verantwortungslos und
sogar primitiv (sie aber sind die Zivilisierenden hier!).
Jetzt, liegt ihr Handeln nur darin, die Exaktheit dieser
Vorurteile zu bestätigen und zu beweisen. All das, ist typisch
für koloniale Administrationen. Die UNMIK ist
verantwortungslos, führt sich verantwortungslos auf. Nach
allen offiziellen Dokumenten die in Kraft sind ,handelt sie
wie jede andere koloniale Administration, sie muss der
Bevölkerung auch keine Rechenschaft ablegen. Die UNMIK ist
nicht gewählt vom Volk Kosovas, dennoch entscheiden sie für
das Volk Kosovas. Die UNMIK-Polizei steht über dem Gesetz, sie
trägt vollkommen die Charakteristiken der Kolonialpolizei.
Etliche Missbräuche und Misshandlungen der Bürger sind üblich
für die UNMIK-Polizei geworden.
Max Brym: Haben solche
Erscheinungen keine Konsequenzen für UNMIK- Beamte ?
Liburn Aliu: Niemand wird jemals
dafür verurteilt oder entlassen. Man hat uns in eine solche
Situation gebracht, in der wir, die Bürger Kosovas, in dem
Maß, in dem die UNMIK-Polizei uns schützt, uns vor ihr
schützen müssen. Die UNMIK, wie jede koloniale Administration,
macht uns, die Bürger von Kosova, verantwortlich, gibt uns
aber keine wichtigen Kompetenzen, obwohl es klar ist, dass es
keine Verantwortung ohne Kompetenzen gibt. Wenn die UNMIK
möchte, dass die Probleme in Kosova, die Kosovas sind, dann
muss sie erlauben, dass die Probleme in Kosova auch wirklich
die Kosovas sind. Jegliche Kritik an den Zuständen in Kosova
wirft sie den Bürgern Kosovas vor, die immer die
Schuldtragenden sind, zu. Mit den Verdiensten dagegen,
schmückt sie sich natürlich selbst. Es existiert keinerlei
Selbstkritik bei der UNMIK, und auch kein Bedarf dafür. Die
lokalen Kräfte, die die offizielle Sprache der kolonialen
Administration – in unserem Fall die der UNMIK – beherrschen,
haben überall und immer Vorrang, wie auch der Sudanese, der
Englisch konnte, der Marokkaner, der französisch sprach, der
Kameruner der deutsch oder der Mosambiker der portugiesisch
beherrschte. Die UNMIK als koloniale Administration,
organisiert Veranstaltungen, Zeremonien, verschiedene Parties
die einem Karneval ähneln, und in welche sie lokale Führer und
Prominente einlädt, während das Volk in einer ganz anderen
Welt, einer Welt in der sie täglich tiefer in die Armut
fallen, erleben.
Max Brym: Was passierte am 10
Februar in Prishtina?
Liburn Aliu: Am 10. Februar,
wurde der friedliche Marsch, organisiert von Lëvizja
VETËVENDOSJE!, unterbrochen, da die UNMIK-Polizei die Strasse
blockiert hatte. Die Protestierenden versuchten diese Blockade
physisch zu durch brechen, in dem sie mit ihren eigenen
Körpern, aneinander gebunden, gerade weiter marschierten.
Dieses Vorhaben wurde durch Gummiknüppeleinsätze und den
Einsatz von Tränengas verhindert. Erst nach dem die
Protestierenden auf dem Rückzug waren, schossen sie mit
Gummigeschossen auf sie. Das Resultat, man ermordete Arben
Xheladini und Mon Balaj sowie 80 weitere wurden verletzt. Wie
auch bei allen anderen Demonstrationen und Aktionen der
Lëvizja VETËVENDOSJE!, gab es auch diesmal keine Verletzten
auf Seiten der Polizei.
Max Brym: Seit 10. Februar ist
ihr bekanntester Aktivist Albin Kurti in Haft. Gegenwärtig ist
er in strengem Hausarrest in Prishtina. Was wird Kurti
eigentlich vorgeworfen ? Wie bewerten Sie die Anklage gegen
ihn?
Hysen Durmishi: Albin Kurti, ist
gegenwärtig ein politisch Gefangener. Er wird allein wegen
seiner Überzeugungen unter Arrest gehalten. Die Aktivitäten
der Lëvizja VETËVENDOSJE! und Albin Kurti, stellen den
einzigen Widerstand gegen die politischen Prozesse in Kosova
dar, sowie die einzige oppositionelle Kraft. Die Verhaftung
Kurtis, wie auch der Einsatz vom 10. Februar, hatten das Ziel
die einzige sich wehrende Stimme in Kosova auszulöschen.
Max Brym: n Kosova gibt es die
höchste Arbeitslosigkeit und die größte Armut am Balkan. Wie
sehen Sie den Privatisierungsprozess unter dem Kommando des 4.
Büros der UNMIK. Die dem Büro unterstehende ( Kosova
Treuhandagentur) ist ja nach allen Berichten in Kosova
ziemlich unbeliebt. Unterstützen Sie Widerstandsaktionen der
Arbeiter gegen die Privatisierung ?
Liburn Aliu: Kosova unter der
UNMIK-Administration, fällt tag täglich tiefer in die Armut.
Heute leben 15 % der Bevölkerung in extremer Armut und 40 % in
Armut. Kosova hat die höchste Arbeitslosigkeit am Balkan und
diese Lage verschlimmert sich fortlaufend. Eines der Gründe
für diese Armut, ist auch der Privatisierungsprozess in Kosova,
welcher direkt von der UNMIK kontrolliert wird. Die Revolte
der Arbeiter gegen diesen Prozess, empfinden wir, als
Bewegung, für absolut gerecht und unterstützen sie auch.
Max Brym: Welche Haltung haben
Sie zur Geschichte der UCK wie stehen Sie zu dem Vertrag von
Rambouillet. Wie bewerten Sie den damaligen Angriff der NATO
gegen Jugoslawien?
Hysen Durmishi: Der Kampf der
UÇK, war ein sauberer Befreiungskrieg. Er entstand aus dem
Bedürfnis für Freiheit, für das albanische Volk Kosovas und
als Folge des fortlaufenden Terrors, ausgeführt von der
serbischen Macht. Dieser Krieg wurde aber auf halbem Weg
gestoppt, in Rambuoillet wurde die Souveränität Serbiens über
Kosova sowie die Demilitarisierung der UÇK akzeptiert. Das
Resultat davon, ist die Anwesenheit der UNMIK in Kosova und
das Risiko auf neue Kriege mit Serbien.
Max Brym: Welche Verbrechen gab
es in Kosova bis Juni 1999 an den Albanern. Wurden nicht
anschließend auch unschuldige Serben und Roma von Albanern
getötet ?
Liburn Aliu: Die Periode, seid
der Besetzung Kosovas durch Serbien 1912, bis 1999, ist eine
Geschichte fortlaufender genozidaler Verbrechen durch die
serbische Besatzung, an dem unbewaffneten albanischem Volk.
Zwischen den zwei Weltkriegen, wurden über 300.000 Albaner
vertrieben, hunderte von Dörfern abgebrannt und zehntausende
Albaner ermordet. Zu der Zeit, machte das die Hälfte der
Bevölkerung Kosovas aus. Man ersetzte sie durch Serben, die
man in Kolonnen aus Serbien brachte, um die
Bevölkerungsstruktur zu ändern. Auch das jugoslawische
Tito-Regime verfolgte das Ziel der Vertreibung in den `50ern
und ´60ern. Die ´80er Jahren dagegen waren Verfolgungen
politischer Natur, in welchen tausende von Jugendlichen, in
die Hände serbischer Polizisten fielen. Dies, steigerte sich
in den ´90ern um weiters, als um die 400.000 Jugendlichen vom
Terror durch Serbien unter Miloshovic ins wesltiche Europa
flohen. Den Höhepunkt aber, erreicht man ´98 und ´99, als die
Armee Serbiens, 12.000 Menschen ermordete, 20.000 Frauen
vergewaltigten und um die 1.000.000 vertrieb. All das, wurde
auf organisierte Art und Weise, unter jenem Regim, vollbracht.
Im Sommer ´99, gab es auch durch Albaner, ermordete Serben und
Roma, aus Rache für die Verbrechen die in den Jahren ´98 und
´99 ausgeübt worden sind. Morde gab es hauptsächlich in den
Gebieten, in denen es Verbrechen durch die serbische Besatzung
gab. In vielen Gebieten, in denen Serbien keine grosse
Verbrechen verübte hatte, wie z.B. in Dardana, gab es auch
keine ermordeten Serben. Auch heute, ist in diesen Gebieten
das Zusammenleben ausserordentlich normal. (Dieses
Zusammenleben versucht man heute unter dem UNMIK-Regime durch
die sogenannte ”Dezentralisierung” zu zerstören). Heute leben
in Besiana, die dort lebenden Roma in Harmonie mit den
Albanern, da sie in den Jahren ´98 und ´99 zusammen mit der
Bevölkerung Kosovas in den Wäldern verbrachten. In vielen
anderen Gebieten dagegen, instrumentalisierte die serbische
Polizei und Armee, die Roma, aufgrund ihrer schlechten
wirtschaftlichen Lage Einige nahmen auch Teil an den
Verbrechen und der Ausbeutung von Albanern. Heute gibt es
viele Roma auf den Strassen Prishtinas die man in Ruhe lässt.
Leider leben diese als Bettler, auf Grund der Armut, die in
Kosova herrscht.
Max Brym: Kann man die
Ereignisse von März 2004 ein Pogrom an den Serben in Kosova
nennen. Was passierte konkret z.B. im März 2004 in Prizren?
Hysen Durmishi: Die Revolte im
März 2004, war eine spontane Revolte auf Grund der steigenden
Unzufriedenheit mit der UNMIK. Da sie nicht organisiert war,
verlor sie schnell das Ziel aus den Augen und richtete sich
gegen lokale Serben und orthodoxe Objekte. Die organisierten
lokalen Serben mit ihren parallelen Strukturen, geführt von
Belgrad, blockierten in dieser Zeit die Hauptstraßen in Kosova,
was mit dazu führte, dass die Revolte sich dann gegen lokale
Serben richtete. Auch die orthodoxen Objekte, welche während
der Milosevic Periode zu einem Symbol und einzigen Argument
für den an Albanern ausgeübten Terror wurden, dienten schnell
als Angriffspunkt. Dies geschah auch auf Grund der Tatsache,
dass man keine Versuche machte, die wahre historische Herkunft
dieser Objekte zu erläutern, sie zu depolitisieren und sie als
Teil der Kultur Kosovas zu akzeptieren. Sie blieben aber
politisiert, um den politischen Argumenten des serbischen
Staates zu dienen, und um somit das Verbleiben Kosovas, als
Teil Serbiens, zu rechtfertigen. Diese Abweichung der Revolte,
vom wahren Problem, in Richtung lokaler Serben und orthodoxer
Objekte, wurde dann von der UNMIK als Rechtfertigung für ihren
Aufenthalt in Kosova (sie müssen quasi in Kosova bleiben, um
die Ethnien in Kosova für ein gutes Zusammenleben zu erziehen)
und von Serbien als Rechtfertigung für ihren direkten Einfluss
auf Kosova, im Namen des Schutzes für die Rechte der
serbischen Minderheit, genutzt.
Max Brym: Wie stehen Sie zur
Rückkehr der Serben und zu der Rückkehr von vertriebenen oder
geflüchteten Roma nach Kosova?
Liburn Aliu: Wir sind für die
Rückkehr der Serben, an ihre ursprünglichen Wohnorte, da dies
human ist und weil wir auch für die Rückkehr der Albaner, an
ihre Wohnorte im Norden Kosovas sind. Wir sind auch dafür, die
Rückkehr der Albaner, die in die Türkei vertrieben wurden zu
erörtern, die dort in Armut, in den Dörfern Anatoliens leben.
Max Brym: Wie hoch ist
gegenwärtig der Bevölkerungsanteil der Serben in Kosova ?
Liburn Aliu: Bezüglich der
Bevölkerungsstruktur in Kosvoa, dient als einzige Grundlage,
die Registrierung im Jahre ´81. Bei dieser Registration waren,
fast 90% der Bevölkerung Albaner. Um die 8% waren Serben und
um die 4% andere nationale Gruppen. Auch heute können wir
sagen, dass 90% der Bevölkerung Albaner sind. Einigen
Aufzeichnungen zu Folge, die im Jahre 1991 von der serbischen
Republik gemacht wurden, um Statistiken über Kosova zu
erstellen, lebten 1991 194.000 Serben in Kosova. Diese Zahl
ist in den ´90er Jahren nicht gewachsen, falls man die
Polizisten und Soldaten die von Serbien aus nach Kosova
geschickt wurden, weglässt. Heute leben in Kosova 132.000
Serben, was bedeutet, dass um die 60.000 Kosova im Jahre 1999
verließen.
Max Brym: In Ihrer Agitation und
Propaganda treten Sie gegen die Dezentralisierung in Kosova
ein. Oft erscheint es so,als ob Sie etwas gegen die Rechte der
serbischen Gemeinden in Kosova hätten. Nochmals warum sind Sie
gegen die Dezentralisierung?
Hysen Durmishi: Der
Dezentralisierungsprozess in Kosova ist eigentlich die
Zentralisierung der Macht in Belgrad, da diese Gemeinden das
Recht haben werden, sich vertikal direkt mit Belgrad zu
verbinden. Außerdem, werden diese Gemeinden auch eine
horizontale Verbindung untereinander haben. All das, teil
Kosova in zwei Entitäten auf etnischer Basis. Die Art von
Dezentralisierung, die für unsere Bewegung akzeptabel wäre,
ist eine Form, in der die Macht, sich dem Bürger nähert und
nicht eine, in der sich die Macht in Belgrad zentralisiert.
Der Aufbau einer wahren Regierung in Kosova, aufgebaut auf der
Willensbasis des Volkes, könnte eine wirkliche Art von
Dezentralisierung herbeiführen, da es erst dann wirklich etwas
zu dezentralisieren gäbe.
Max Brym: Erzählen Sie uns noch
etwas mehr zur Gesichte der LPV?
Liburn Aliu: Lëvizja
VETËVENDOSJE! wurde im Juni 2005 gegründet. Bis dahin, war
seit 2003, KAN (Kosova Action Network) in Kosova aktiv. KAN
versuchte durch verschieden Aktivitäten, eine aktive
Gesellschaft in Kosova zu schaffen. Aus KAN wurde dann
schließlich eine politische Bewegung, also die Bewegung für
Selbstbestimmung! Welche auch sofort mit der Veröffentlichung
ihrer wöchentlichen Zeitung VETÊVENDOSJE! und ihrer
Radiosendung PËRBALLJA, begann. Seit dem, erreichte man die
Eröffnung von Zentren über all in Kosova (18 Zentren) und in
der Diaspora (9 Zentren). Ihre Aktivität erstreckt sich also
über ganz Kosova. Man begann im Sommer 2005 mit Aktionen,
öffentliche Versammlungen mit den Menschen und mit der
Aufschrift unserer Parole ‚Keine Verhandlungen –
Selbstbestimmung!’. Bis heute wurden über 200 Versammlungen in
allen Dörfern und Wohnbezirken der Städte Kosovas organisiert,
mit dem Ziel, das Volk Kosovas politisch aufzuklären und
unsere politischen Ansichten zu erläutern. Es wurden außerdem,
viele symbolische Aktionen gegen die Macht der UNMIK, die
puppenhaften lokalen Institutionen und gegen die negativen
Prozesse in Kosova, organisiert. Über dem hinaus, wurden auch
noch viele Volksdemonstrationen organisiert. All diese
Aktivitäten wurden von Verhaftungen, von Verprügelungen
unserer Aktivisten durch die Polizei, von Gefängnisstrafen,
von Verletzungen der Demonstranten und bis zur Ermordung von
zwei davon am 10. Februar 2007, begleitet. Gegenwärtig ist
unsere Bewegung dabei eine Kampagne gegen die Wahlen in Kosova,
sowie Vorbereitungen für kommende Demonstrationen, zu
organisieren.
Max Brym: Wie bewerten Sie die
Arbeit von Joachim Rücker aus Deutschland als
Protektoratsleiter in Kosova. Welche Erfahrungen haben Sie mit
deutschen UNMIK Beamten und Soldaten gemacht?
Hysen Durmishi; Wir sind
vielmehr gegen seine Job-Beschreibung als Leiter der UNMIK in
Kosova, als gegen Joachim Rücker selbst. Also, kaum gegen ihn
persönlich, und erst recht nicht gegen das deutsche Volk, das
er möglicherweise vertritt. Das gleiche gilt auch für andere
deutsche Beamte und auch für die, die in der KFOR Soldaten
sind. Wir fordern die Trennung von Serbien, aber auch
innerhalb Kosovas eine demokratische Republik und keine solche
postmoderne Monarchie, mit einem König ganz oben. Unabhängig
davon, ob dieser dann Joachim Rücker oder anders heisst.
Max Brym: Nochmals ist die LPV
nationalistisch ?
Hysen Durmishi:
Lëvizja VETËVENDOSJE! ist eine Organisation die ihre
Verankerung im Volk hat, um eben dieses Volk für die
Realisierung der Selbstbestimmung für Kosova zu mobilisieren
und zu organisieren. Die Mission der Bewegung ist die
Befreiung und folglich, sind auch die Positionen der Bewegung
Befreiungsnationalistisch (nationalistisch befreiend). Diese
Positionen sind nicht gegen zivile Serben gerichtet, sondern
gegen die hegemonischen und expansionistischen Bestrebungen
Belgrads.
Max Brym: Aber der Nationalismus
ist doch keine progressive Basis?
Liburn Aliu: Es kommt darauf an
was man unter Nationalismus versteht. Es gibt den rassistisch
unterlegten Nationalismus der Unterdrückung zementieren und
verschärfen will. Diesen lehnen wir grundsätzlich ab. Es gibt
aber auch den progressiven Befreiungsnationalismus, der eine
konkrete Unterdrückung beenden will, ohne dabei Privilegien
gegenüber anderen anzustreben.
Vielen Dank für das Gespräch
Editorische
Anmerkungen
Dieser Artikel erhielten
wir von Max Brym am 16.11.2007 zur Veröffentlichung.
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