Betrieb & Gewerkschaft

Mit dem Rad zur Revolution?
Strike Bike Produktion abgeschlossen

Ein Indymedia-Bericht

11/07

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In dem kleinen Ort Nordhausen im Harz, kämpfen 125 ArbeiterInnen um ihren Job. Im Dezember 2005 wurde die Fabrik von dem Finanzinvestor Lone Star aufgekauft. Schon kurz darauf verkaufte Lone Star „Bike Systems“ für eine 25%ige Beteiligung an die „Mifa“, den bis dahin größten Konkurrenten der „Bike Systems“. Nachdem im Juni 2007 der Belegschaft mitgeteilt wurde, dass das Werk geschlossen werden sollte, regte sich spontan Widerstand in der Belegschaft. Mit Hilfe einer „Dauerbetriebsversammlung“ wurde das Gelände im Dreischichtsystem besetzt. Von Anfang an bemühten sich die KollegInnen um Unterstützung aus Gewerkschaften und Parteien, jedoch ohne ihre Autonomie dabei aufzugeben. Nach über 100 Tagen „Werksbesetzung“ und Perspektivlosigkeit, ließen sich die ArbeiterInnen durch KollegInnen des selbstverwalteten Betriebs „Cafe Libertad“ inspirieren. Sie erzählten den KollegInnen von vergangenen Zeiten und fernen Ländern: von der Besetzung der Uhrenfabrik LIP 1973 in Besançon (Frankreich), und von den Betriebsübernahmen in Argentinien seit 2001. Nach gründlicher Diskussion wurde beschlossen eine Woche lang in Selbstverwaltung ein „Strike Bike“ zu produzieren.

Allerdings: Ziel dieses Plans war nicht die Übernahme des Betriebes durch die ArbeiterInnen. Vielmehr wollten sie so auf sich aufmerksam machen um potentielle Investoren an zu locken.

Internationale Solidarität und Heuschrecken

Trotz eines extrem schmalen Zeitfensters von knapp 21 Tagen, wurden mehr als die benötigten 1.500 Fahrräder bestellt und in Vorkasse bezahlt. Intensive Pressearbeit und das Bemühen internationaler Kontakte zu kämpferischen ArbeiterInnen auf der ganzen Welt führten dazu, dass binnen kurzem Bestellungen aus Deutschland, Europa, Nordamerika, Australien, Israel und Afrika bei der Belegschaft eintrafen. Diese direkte Hilfe imponierte nicht nur den KollegInnen in Nordhausen. Auch die NPD, die zwischenzeitlich versucht hatte sich „des Themas an zu nehmen“, entblödete sich nicht trotzdem zu „nationaler Solidarität gegen die Heuschrecke“ auf zu rufen. Ein Aufruf der übrigens von der Belegschaft scharf zurückgewiesen wurde.

Das Bild „Heuschrecke“, wurde leider nicht nur von der NPD gebraucht. Auch die IG-Metall und so manch freier Journalist bemühte diese Methapher immer wieder. Der extra gegründete Verein »Bikes in Nordhausen e.V.« machte in seinen Presserklärungen jedoch immer wieder deutlich, dass sie nicht zwischen „bösem ausländischen“ Kapital und „gutem“, weil „deutschem“ Kapital unterscheiden!

Die Rolle der Gewerkschaften

Zu Beginn des Konfliktes stand die IG-Metall beratend zur Seite und gab wichtige Tip's bezüglich der Legalisierung der „Werksbesetzung“. Die Gewerkschaftslinke hat ihrerseits über den Konflikt berichtet und sich bemüht innerhalb des DGB Öffentlichkeit her zu stellen. In dem Moment als die KollegInnen etwas andere Wege einschlugen als „normal“, zogen sich beide erst einmal zurück. Die IGM versuchte sogar die ArbeiterInnen von dem Vorhaben, auch nur eine Woche selbstverwaltet und ohne Chef bei gleicher Bezahlung für alle zu arbeiten, ab zu bringen.

Erst nachdem die „Tagesthemen“ einen Bericht über die Werksbesetzung gesendet hatte, sprangen sie wieder auf den Zug auf. Allerdings bestellte die IG-Metall keine Fahrräder oder organisierte Solidarität. Vielmehr versuchte sie wieder verstärkt Mitglieder zu werben. Unter anderem versprachen sie ein zinsloses Darlehen, „Übergangsgeld“ genannt. Anstatt dieses Darlehen möglichst schnell an die neuen Mitglieder auszuzahlen, wurden nur die Mitgliedsbeiträge abgebucht, Wimpel und IG-Metall-Girlanden und Fahnen aufgehängt.
Mitlerweile hat die IGM offiziell verlautbaren lassen die „Übergangsgelder“ gar nicht zu zahlen. Viele der neuen IGM-Mitglieder traten daraufhin aus und auch Fahnen und Wimpel der IGM sind in Nordhausen wieder verschwunden.

Zukunft

Mitlerweile gibt es zwei Investoren (darunter sogar ein arabischer Scheich), jedoch steht noch nicht fest, ob und zu welchen Bedingungen einer von beiden „Bike Systems“ übernehmen würde. Darum wurde zeitgleich weiter über eine „Übergangsgesellschaft“ verhandelt. Dank der Aktivitäten des Vereins, Cafe Libertad, der FAU-IAA und der Berliner Radspannerei wurde diese mit deutlich besseren finanziellen Mitteln ausgestattet als ursprünglich vorgesehen. Zu guter letzt spielen auch einige KollegInnen immer noch mit der Idee eine Produktivgenossenschaft zu gründen.
 

Editorische Anmerkungen

Dieser Artikel erschien bei Indymedia wir spiegelten von dort.

Die »Strike-Bike« Produktion wurde am Freitag, dem 26. Oktober 2007 um 12 Uhr beendet.

For more information: http://www.strike-bike.de