In Erwägung, dass die Bewohner Oaxacas das
Recht haben, so zu leben, wie sie es wollen, in der Stadt und
der Region, die ihre sind;
In Erwägung, dass sie Opfer brutaler Angriffe der
Polizei, des Militärs und der Todesschwadrone im Solde eines
korrupten Gouverneurs und einer korrupten
Regierung, deren Autorität sie nicht mehr anerkennen, geworden
sind;
In Erwägung, dass die Bewohner Oaxacas das
legitime Recht auf Leben haben, und dass die Illegalität das
Ergebnis der Besatzungs- und
Repressionskräfte ist;
In Erwägung, dass der massive und friedliche
Widerstand der Bevölkerung Oaxacas nicht nur ihre
Entschlossenheit bezeugt, sich nicht der Drohung,
der Angst, der Unterdrückung zu beugen, sondern auch ihre
Weigerung, auf die Gewalt der Polizisten
und paramilitärischen Mörder, mittels einer
Gewalt zu antworten, die das von den gedungenen Feinden
des Lebens ausgeübte Werk des Leids und des Todes rechtfertigen
würde;
In Erwägung, dass der Kampf der Bevölkerung
Oaxacas der Kampf von Millionen von Menschen ist, die verlangen,
human zu leben und nicht wie Hunde, in
einer Welt, in der alle Lebensformen durch Finanzinteressen, das
Gesetz des Profits, die Mafias der Geschäftswelt, von der
Warenwerdung der natürlichen Ressourcen,
des Wassers, der Erde, der Flora und Fauna, der
Frauen, der Kinder, der versklavten Körper und Köpfe der
Menschen, bedroht sind;
In Erwägung, dass der im Namen des Lebens gegen
den totalitären Einfluss der Ware
aufgenommene weltweite Kampf das Volk Oaxacas daran hindern
kann, der Verzweiflung nachzugeben, die
immer ergeben der Macht dient, da sie das
Denken lähmt, das Selbstvertrauen schmälert, die Fähigkeit
hemmt, sich neue Lösungen vorzustellen
und zuerschaffen und neue Kampfformen zu
entwickeln;
In Erwägung, dass die internationale Solidarität
sich allzu häufig mit endlosen
emotionellen Wiederholungen, humanitären Diskursen und hohlen
Erklärungen, die nur den Dünkel des Sprechenden
befriedigen, begnügt;
Wünsche ich, dass den Volksversammlungen Oaxacas eine praktische
Unterstützung zukommt, damit sich das, was noch keine Kommune
ist, dazu entwickeln kann. Denn das, was
sich hier abzeichnet, ordnet sich in der
Nachfolge der Pariser Kommune und der andalusischen,
katalanischen und aragonesischen
Kollektive während der spanischen Revolution von 1936-1938
ein, wo die Erfahrungen der Selbstorganisation den Grund
für eine neue Gesellschaft legten. Zu
diesem Zweck appelliere ich an die Kreativität einer jeden und
eines jeden, die Probleme aufzugreifen, über deren
Relevanz und Bedeutungnicht im Voraus zu entscheiden ist,
die, ob nun zu Recht oder Unrecht, im
Rahmen des Aufbaus einer Regierung des Volkes durch
das Volk normalerweise auftauchen, das heißt, Probleme
einer direkten Demokratie, in der die
individuellen Forderungen in Betracht gezogen, unter
dem Blickwinkel einer möglichen Harmonisierung betrachtet und
mit einer kollektiven Anerkennung bedacht
werden, die es erlaubt, sie zu
befriedigen.
Wie, wenn überhaupt, ist es möglich und wünschenswert, dass die
Angehörigen der Opfer der Repression und der polizeilichen
Besatzung als Nebenkläger gegen den
Gouverneur und die für die Morde, die Gewalt
Verantwortlichen auftreten? Wie kann ihnen internationale
Unterstützung zugesichert werden? Wie
können die Verhaftungen, das Vorgehen der Paramilitärs, die
Rückgabe der Region in die eisernen Hände der Korrumpierten
verhindert werden? Wie kann über die von der Barbarei der
Polizei und der Mafia ausgelösten Welle der Empörung
hinaus, der Bevölkerung Oaxacas darin
geholfen werden, das von ihr beständig
ausgedrückte Streben effektiv gesichert werden: wir wollen von
keiner Art Gewalt mehr heimgesucht
werden?
Auf welche Art und Weise sollte gehandelt werden, damit keine
Repression auf die Individuen und
Kollektive, die das Recht zu leben verteidigen,
ausgeübt wird? Was kann die internationale Solidarität
zum zivilen Widerstand in Oaxaca
beitragen, damit dieser zivile Widerstand einfach zur
Legitimität eines Volkes wird, um sich unmittelbar selbst
in der direkten Demokratie zu regieren?
Und in einer langfristigeren Perspektive: Wenn sie es wünscht,
wie können wir der Kommune von
Oaxaca dabei helfen, die Nahrungsmittelversorgung und
die Versorgung mit individuellen und kollektiven Gütern
sicherzustellen?
Wie können wir den Volksorganisationen dabei helfen, dass sie
selbst, ohne Abhängigkeit von den
Mächten "von oben", die Verwaltung des
Verkehrswesens, der Gesundheitseinrichtungen, der Wasser- und
Stromversorgung sicherstellt? Welche internationale
Unterstützung kann dem Projekt einer
"alternativen Bildung", das sich nach dem langen Streik der
Lehrer in Oaxaca abzeichnet, gewährt werden? Gibt es
keine
wissenschaftliche Organisation, die die Nutzung natürlicher und
sauberer Energien in der Region
Oaxaca entwickeln helfen kann? Es würde sich um ein
doppeltes Ziel handeln. Einerseits zu verhindern, dass
diese zum Nutzen des Staates und der multinationalen Konzerne
autoritär durchgesetzt werden, wie dies
im Isthmus passiert ist. Andererseits geht es darum, sich
daran zu erinnern, dass die Sorge um die
Energieversorgung und die Umwelt
für uns nur in ihrem Verhältnis zur Selbstorganisation einen
Sinn ergibt. Denn, da sie in den
Dienst der selbstorganisierten Gemeinden gestellt
werden, ermöglichen sie es nicht nur, sich von den Erdöl-
und Technikmafias unabhängig zu machen,
sondern führen auch nach und nach die
Unentgeltlichkeit ein, die ihr erneuerbarer Charakter und ihre
Unerschöpflichkeit garantieren,
sobald einmal die Investitionskosten
gedeckt sind. Und diese Vorstellung unentgeltlicher Energie, die
auch die Unentgeltlichkeit der
Transportmittel, der Gesundheitsversorgung, der
Bildung einschließt, stellt nicht nur eine kompromisslose
Waffe gegen die Tyrannei der Waren,
sondern vor allem den sichersten Garanten unseres menschlichen
Reichtums dar.
Jedes Mal wenn eine Revolution das Ziel der Verbesserung des
Alltagslebens aller Menschen vernachlässigt hat, hat sie der
Repression Waffen an die Hand gegeben.
Editorische Anmerkungen
Quelle: LPA Berlin <mailto:lpa(a)free.de> erhalten am
15.11.2006
Übersetzung aus dem Französischen: Lars Stubbe, 12.11.2006