Freiwirte verpisst euch – niemand vermisst euch!

DIE SOZIALDARWINISTISCHE, RASSISTISCHE, FRAUENFEINDLICHE, ANTISEMITISCHE UND
ANTIKOMMUNISTISCHE LEHRE DES SILVIO GESELL
11/06

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Der Schweizer Freiwirtschaftsbund ging 1946 in die Liberalsozialistische Partei der Schweiz (LSPS) über. 1990 entstand aus der LPSP die Internationale Vereinigung für Natürliche Wirtschaftsordnung (INWO). Die Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung ev. ebenfalls INWO, ist die Vertreterin der Dachorganisation in der Schweiz.

Die Organisation umfasst den deutschsprachigen Raum mit Niederlassungen in Deutschland und Österreich. In der Selbstdarstellung der Schweizer Sektion heißt es unter anderem: “Die INWO Schweiz orientiert sich an den Grundgedanken der Freiwirtschaft, besonders am Werk Silvio Gesells und an Erkenntnissen aus der internationalen Tauschkreis-bewegung und alternativen Geldmodellen. .. Die INWO Schweiz ist politisch und konfessionell unabhängig. Sie ist einer Geisteshaltung verpflichtet, welche persönliche Freiheit, Menschenwürde und Toleranz gegenüber Andersdenkenden einen hohen Stellenwert einräumt. Sie grenzt sich gegen fremdenfeindliche und rassistische Kräfte ab.“

Nach wie vor bezieht sich die INWO jedoch auf Silvio Gesells Hauptwerk, „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ (NWO), das 1916 in der ersten Auflage erschien. 87 Jahre später vertreten diese Freiwirte Gesells Ideologie fast unverändert, wobei ihre fremdenfeindliche und rassistische Abgrenzung nur rein formalistischer Natur ist. Aus dem Buch werden sozialdarwinistische, rassistische, frauenfeindliche und antisemitische Inhalte bis heute bedient. Ihre moderneren Propagandisten bemühen sich die Inhalte zeitgemäß aufzubereiten, um sie stets in neuer Verpackung einem breiten Publikum schmackhaft zu machen. Meist werden die Inhalte ein wenig anders interpretiert, ohne von ihnen abzurücken oder sich von ihnen distanzieren zu müssen. Analog dazu könnten auch Neofaschisten sich vom Rassismus abgrenzen und Hitlers „Mein Kampf“ als Einstiegslektüre empfehlen.

Die Gesellianer versuchen mit einer Vielzahl von Gruppen und Projekten und einer breiten Bündnispolitik im rechten und esoterischen Spektrum, aber auch in der linken und der umweltbewegten Szene AnhängerInnen zu rekrutieren. Sie haben es immer wieder geschafft in diese Diskussions- und Organisationszusammenhänge einzudringen und dort Fürsprecher zu gewinnen. Im Schweizer Oltener Bündnis, das sich gegen das Wold Economic Forum (WEF) in Davos organisiert hat dürfen sie gegen die „Zinsknechtschaft“ der Internationalen „Finanzwelt“ wettern. Selbst ohne den Zusatz "jüdisch" ist dies im Kontext zu antisemitischen Inhalten nicht denkbar. Bei Gesell jedoch lassen sich neben anderen antisemitischen Stereotypen auch das Konstrukt der Verschmelzung von Judentum und Geld eindeutig belegen:

"Die (Gesellsche-) Münzreform macht es unmöglich, daß jemand erntet ohne zu sähen, und die Juden werden durch dieselbe gezwungen werden, die Verwertung ihrer großen geistigen Fähigkeiten nicht mehr in unfruchtbarem Schacher zu suchen, sondern in der Wissenschaft, der Kunst und ehrlichen Industrie."(vgl. Silvio Gesell: Nervus rerum - Fortsetzung zur Reformation im Münzwesen)


In der Arena Sendung zum WEF in Davos vom 17.1.03 sitzt ihr Vertreter Marco Lustenberger für das Oltener Bündnis mit in der Sendung und kann als Freiwirt öffentlich für eine natürliche Wirtschaftsordnung streiten. Ihre Vertreter bedienen sich oft des demagogischen Kniffs, ihr Modell des ungehemmten Wettbewerbs als »Dritten Weg« zu verkaufen. Nicht zufällig hatte die NSDAP diesen „Dritten Weg“ in ihrem Parteiprogramm von 1920 für sich reklamiert. Die einseitige Kapitalismuskritik vieler linker Gruppierungen wie zum Beispiel Attac, der Antiglobalisierungsbewegung und vereinzelten Anarchisten, bietet der rechten Szene genügend Anknüpfungspunkte gegen „Zinsertrag“ und „Bodenspekulation“ ihren sog. "Dritte Weg" als einfache populistische Lösung anzubieten.

1999 schreibt die Landesneofaschismuskommission der Vereinigung der Vertriebenen des Naziregimes (VVN) in Deutschland:

„Immer wieder flackert der Streit zwischen Antifas und Freiwirten auf, mal in dieser, mal in jener Stadt .. Problemstellung: Aktive AntifaschistInnen werden immer wieder mit einer politischen Richtung konfrontiert, die sich auf die Lehren Silvio Gesells beruft, eine angeblich »natürliche« Wirtschaftsordnung anstrebt und unter den Slogans »Freigeld und Freiland« die Möglichkeit des Geldhortens im Kapitalismus als das Übel der Welt anklagt. Die Nähe von Gesells Ideen zum Nationalsozialismus (»Brechung der Zinsknechtschaft«) sind offenbar. Gesells Werk strotzt denn auch von Sozialdarwinismus und Rassismus. Seine Anhänger sympathisierten stark mit den Nazis, hier besonders mit dem Strasser-Flügel. Diese Verbindung zum SA-Flügel des Neofaschismus hat sich bis heute gehalten.“

Die Illusion der GesellianerInnen, eine "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus", basiert auf drei Säulen: Freiland, Freihandel und Freigeld. Zusammen bilden sie die Elemente einer "natürlichen Wirtschaftsordnung". Sie sei "eine Ordnung, in der die Menschen den Wettstreit mit der ihnen von der Natur verliehenen Ausrüstung auf vollkommener Ebene auszufechten haben, wo darum dem Tüchtigsten die Führung zufällt, wo jedes Vorrecht aufgehoben ist und der Einzelne, dem Eigennutz folgend, geradeaus auf sein Ziel lossteuert; ohne sich in seiner Tatkraft durch Rücksichten ankränkeln zu lassen". (vgl. Silvio Gesell, Die Natürliche .., (Anm. 211), S. XVII)

Das Freiland-Konzept dient eugenischen Zielen. Die Pachtzahlung erfolgt zunächst an den Staat »und wird restlos an die Mütter nach der Zahl der Kinder verteilt« (NWO, S. 72), als »Mutterrente«. Die »Rückkehr der Frau zur Landwirtschaft« ist laut Gesell »die glücklichste Lösung der Frauenfrage« (NWO, S. 92), weil die dadurch gegebene ökonomische Sicherheit den Frauen »das freie Wahlrecht .. und zwar nicht das inhaltsleere politische Wahlrecht, sondern das große Zuchtwahlrecht, dieses wichtigste Sieb der Natur« (NWO, S. XXI) garantiert. Die Frauen gleichen damit den schädlichen Einfluss der Medizin aus die, die »Erhaltung und Fortpflanzung der fehlerhaft geborenen Menschen« (NWO, S. XXI) bewirkt. (Aus Antifaschistische Nachrichten 16/1997)

Wer war Silvio Gesell?

Gesell wurde am 7. März 1862 in St. Vith in Belgien geboren. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre in Malaga und lebte in Argentinien, der Schweiz und in Deutschland. 1887 eröffnete er in Buenos Aires ein Geschäft. Die argentinische Finanzkrise von 1890 ließ ihn volkswirtschaftliche Studien anstellen. Gesell arbeitete als Kaufmann bzw. bewirtschaftete in der Schweiz ein Landgut. 1891 erschien seine erste Schrift "Die Reformation im Münzwesen als Brücke zum sozialen Staat", in der er erstmals die "Idee des rostenden Geldes" formuliert. Um seine Ideen zu verwirklichen, beteiligt sich Gesell an dem 1909 gegründeten Physiokratischen Kampfbund. 1914 erwägt er, als Kriegsfreiwilliger ins deutsche Heer einzutreten, zieht sich dann aber auf sein Schweizer Landgut zurück. (biographische Daten vgl. Siegbert Wolf, Silvio Gesell. Eine Einführung in Leben und Werk eines bedeutenden Sozialreformers, Hannoversch-Münden 1983; Richard Stöss Hrsg., Parteienhandbuch .. Band 2, Anm. 43 S. 1397)

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Gesell in der Lebensgemeinschaft Oranienburg-Eden. Die Siedlung Eden wurde 1893 von LebensreformerInnen und VegetarierInnen gegründet und war zu Beginn "keine völkische Siedlung", doch 1916, als Gesells Hauptwerk "Die Natürliche Wirtschaftsordnung" erschien, war dies nicht mehr so. George L. Mosse, Professor für neue Geschichte an der Madison University in Jerusalem beschreibt in seinem Standardwerk "Die völkische Revolution" die Bedeutung der Siedlung Eden für den völkischen Strang zum NS-Faschismus. Danach verband Carl Russwurm, der Führer von Eden, die germanischen Grundlagen des Freiheitsbegriffs mit Silvio Gesells Freiland- und Freigeld-Theorien. Die Siedler feierten germanische Rituale, "heidnische" Weihnachten und Sonnwendfeiern. Von Eden gingen die Gründungen anderer völkischer Siedlungen aus, die den "geistigen Adel deutschen Bluts" fördern sollten und "die Pflege garmanischen Weistums". "Außer vegetarischer Ernährung", heißt es im Programmheft von Eden 1917, war zum "natürlichen Leben" in der "alternativen Kommune" die rechte Einstellung Bedingung. (vgl. Louis Lerouge, Links und Rechts kann man nicht verwechseln - oder doch?, in Contraste 106/107, Juli/August 1993) Silvio Gesell verbrachte – allem Leugnen seiner heutigen Fans zum Trotz - seinen Lebensabend in einer völkisch-rassistischen, antisemitischen Kommune, die schon vor Durchsetzung des NS-Faschismus einige seiner zentralen Elemente zu ihrem Inhalt gemacht hatte. (vgl. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Die AnhängerInnen Silvio Gesells behaupten, dessen eugenische und sozialdarwinistische Positionen würden sich aus "jener Zeit" erklären, als wären antisemitische, völkische, eugenische und sozialdarwinistische Positionen damals etwas "Natürliches" gewesen. Diese Rechtfertigungen geben erstens Aufschluß über die historische Unwissenheit oder die Unehrlichkeit derjenigen, die sie gebrauchen. Zweitens taugen sie nicht, um zu begründen, weshalb heute eineR Gesells Ideologie propagiert. (vgl. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Der Mythos: Gesell und die Münchner Räterepublik von 1919

Gesells Verwicklung in die Münchner Räterepublik dient seit Jahrzehnten zur pauschalen Entlastung von den Vorwürfen des völkischen Biologismus. Alle, die in Silvio Gesell einen halben oder ganzen Anarchisten sehen wollen, weil er 1919 sieben Tage Volksbeauftragter für Finanzen der Bayerischen Räteregierung war, straft Gesell selbst Lügen. Auch die Legende, Erich Mühsam habe Gesell in die Räterepublik geholt, ist eine Erfindung von SchönschreiberInnen. Nach der Niederschlagung der Rätebewegung durch die Freikorps Anfang Mai 1919 wird Gesell verhaftet und vor Gericht gestellt. Während andere hingerichtet wurden oder lange Jahre in Zuchthäusern verschwanden, kam Gesell frei. (vgl. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Auszüge aus seiner damaligen Verteidigungsrede:

 .. Daß diese Räteregierung mich als Finanzmann erwählte, war für mich ein Beweis, daß es sich nicht oder noch nicht um Bolschewismus oder Kommunismus handelte .. Denn eine Teilung des Volkes in hohe, mittlere und niedre Schichten bedeutet völkischen Verfall. Völkisches Empfinden duldet keine Zinsknechtung anderer oder gar die Beteiligung daran. Wer noch etwas rassisches, völkisches Empfinden verspürt, der gehe in sich, tue Buße; der gestehe, daß er und seine Ahnen Verrat begingen am eigenen Volk, am eigenen Blut. .. Irgend ein Verrat an Parteibestrebungen lag hier nicht vor. Niekisch und Landauer, die meine Wahl vorgeschlagen, wußten, was sie taten, wußten, daß ich keine Puppe bin. Sie kannten meine Ziele, die den Kapitalismus, die Zinsknechtschaft bekämpfen, aber eben so sehr den Kommunismus, die Gemeinwirtschaft. ..
 

Der Schweizer Freiwirtschaftsbund (SFB)

Während in Deutschland die Freiwirte scharenweise zu den Nazis überliefen, erlebte die NWO-Bewegung in der Schweiz in diesen Jahren ihren Aufstieg. Markus Schärrer berichtete vom SFB, seit Ende 1932 und Frühjahr 1933 sei "ein sprunghafter Anstieg seiner Aktivitäten und Publikumswirksamkeit zu verzeichnen gewesen, absolut synchron mit den faschistischen und parafaschistischen Fronten und Bünden" (vgl. Markus Schärrer, Geld und Bodenreform als Brücke zum sozialen Staat, Die Geschichte der Freiwirtschaftsbewegung in der Schweiz 1915 - 52, Zürich 1983, S. 199)

In seinem Buch zur NWO-Bewegung von 1994 schreibt der nationalrevolutionär Günter Barsch folgendes beschönigend in die Zeilen von Markus Scherrer hinein:

„War diese anzügliche Gleichsetzung berechtigt? Es handelte sich eher um eine analoge als um eine synchrone Entwicklung, ähnlich dem gleichzeitigen Anwachsen der NSDAP und KPD-Wählerschaft in Deutschland. Allerdings haben Schweizer Freiwirtschaftler ein Gespräch mit Mussolini geführt, um ihn von den Vorzügen der Freiwirtschaft auch für Italien zu überzeugen. Durch ihre größere Bodenständigkeit und Volksverbundenheit sowie durch ihr positives Verhältnis zur Schweizer Geschichte waren sie jedoch weit weniger der Versuchung des Faschismus ausgesetzt als ihre deutschen Gesinnungsfreunde durch das Wirtschaftsprogramm der NSDAP. .. Hans Konrad Sonderegger, damals noch protestantischer Pfarrer im Engadin, verstand es besonders gut, die recht schwierige Zins- und Geldtheorie Gesells allgemeinverständlich darzulegen. Aus dieser Vortragskampagne gingen die freiwirtschaftlichen Freischaren hervor, deren Leitung Sonderegger übernahm. Es handelte sich hierbei nicht um ein Freikorps oder um eine SA-ähnliche Formation - wie Markus Schärrer unterstellte - vielmehr um freiwillige Aktivisten, die organisatorische Kleinarbeit übernahmen.“ (vgl Günter Barsch, Die NWO-Bewegung)


Bei den Bernischen Kantonalratswahlen vom Juli 1934 entfielen auf Sonderegger fast 35 Prozent der Stimmen; bei einer Zweitwahl schnitt er noch besser ab und zog ins eidgenössische Parlament ein. Die folgenden Wahlen brachten dem SFB weniger Stimmen, doch eroberte er zwei Sitze im Berner Gemeinderat. .. Im Juni 1940 war er auch auf ein Arrangement mit den Achsenmächten aus, damit die Schweiz bei der Neuordnung Europas beteiligt werde, was nach Umbildung der Landesregierung "nur noch ein Freiwirtschaftler besorgen" könne. (vgl. H. K. Sonderegger, Brief an Andreas Gadient v. 4.7.1940)

Heute versucht die rechte Gesellianer Szenen über den Internationalen Strang der INWO ihr Image der Vergangenheit aufzupolieren. Die Schweiz scheint ihr ein geeigneter Ort die Geschichte umzudeuten und sich von der eigenen braunen Vergangenheit in Österreich und Deutschland los zu sagen. Fleissig wird daran gebastelt - Gesell der eine Zeit in der Schweiz gelebt hat - als eine Neutrale Eidgenössische Erfindung darzustellen und die Schweizer Freiwirtschaftsströmung als das Urgestein der Bewegung erscheinen zu lassen. Mit dem Verweis, hier sei alles anders und die ehernen Ziele der Freiwirte nicht von den „Nazis missbraucht“ worden, lässt sich schon eher ein Neuanfang machen. Grade nachdem besonders deutschen Freiwirten Antifaschistischer Widerstand entgegen schlägt und sie von ihrer braunen Vergangenheit schneller eingeholt werden, als ihnen lieb ist.

Einige Kontakte der INWO Schweiz zur deutsch-braunen Szene

Klaus Schmitt früher Herausgeber der anarchistischen Zeitschrift „agit 883“ aus Berlin, feiert Gesell unter dem Titel "Geldanarchie und Anarchofeminismus" als Nachfolger Proudhons. Besonders schätzt Schmitt die Freiland-Idee: Der gesamte Boden solle von einem "Bund der Mütter" verwaltet und an Meistbietende verpachtet werden. Die Pachteinnahmen gehen an die Mütter und ihre Kinder. Gesell habe dies als Beitrag zur "biologischen und kulturellen Fortentwicklung der Menschheit" verstanden, als Möglichkeit den potentiellen Vater auch unter eugenischen Gesichtspunkten auszuwählen. "Immerhin ist dieser Gedanke einer für die Gesunderhaltung des Erbguts und für die Evolution der menschlichen Art vorteilhaften und von den betroffenen Individuen selbstbestimmten Eugenik eine diskutable Alternative zu den auf uns zukommenden, von Staat und Kapital fremdbestimmten Genmanipulationen", schreibt Schmitt. (vgl. Peter Bierl ist Mitglied der Ökologischen Linken und Co-Autor des Buches "Ganzheitlich und ohne Sorgen in die Republik von morgen" mit Beiträgen u.a. von Thomas Ebermann und Colin Goldner zu Antisemitismus, Irrationalismus und Esoterik)
1994 wurde Klaus Schmitt von der schweizerischen Sektion der INWO in die Schweiz eingeladen. Er sollte in der Shedhalle in Zürich einen Vortrag halten. Die Rote Fabrik widmete Gesell eine ganze Ausgabe ihrer Fabrik Zeitung. Als Klaus Schmitt aber noch vor der Veranstaltung "von den Vorzügen der 'Zuchtwahl' und der 'Eugenik'“ zu faseln begann, wurde er von den Kuratorinnen der Shedhalle zurechtgewiesen und trat daraufhin noch vor seinem Vortrag die Heimreise an". (vgl Christoph Kind, Rostende Banknoten. Silvio Gesell und die Freiwirtschaftsbewegung, Beute 4/1994 S. 114 ff. Und Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Die INWO Schweiz lud Helmut Creutz im April 2002 zu einer Veranstaltungen unter dem Titel, „Aktuelle Problementwicklungen in Deutschland“ nach Schaffhausen ein. Helmut Creutz, Grüner aus Aachen, war Mitglied der rechtsextremen Freie Sozialen Union (FSU). Die deutsche Partei beruft sich ausdrücklich auf die Lehren Gesells. Außerdem arbeitete er mit den LSI (Lebensschutzinformationen), einem Organ des rechtsextremen Weltbunds zum Schutz des Lebens (WSL) zusammen. Creutz trat als Referent im Collegium Humanum, der Bildungsstätte des WSL, auf. (vgl. Justus H. Ulbricht, Grün als Brücke zu Braun?, in: Politische Ökologie, Special "Grün Heil", Nov./Dez. 1993 Und Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Speziell als Einstieg zu empfehlen ist das Buch von Margrit Kennedy, „Geld ohne Zinsen und Inflation“ heisst es auf der Homepage der INWO Schweiz. Margrit Kennedy gehört zur esoterischen Szene. Sie hat Kontakt zur esoterischen Sekte Findhorn, und sie tritt bei der sexistisch-autoritären Sekte ZEGG auf. Im Juli 1993 referierte sie im Rahmen der Vorlesungsreihe des Ökofaschisten Rudolf Bahro an der Berliner Humboldt Universität. (vgl. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei)

Für die Mitarbeit an ihrem Buch bedankt sie sich artig bei dem Japanischen Gesellianer Yoshito Otani auf den sich Margrit Kennedy auch sonst gerne bezieht. Yoshito Otanis Buch „Untergang eines Mythos“ für das in der rechten Partei Zeitschrift der FSU „Der Dritte Weg“ oder von den Christen für eine Gerechte Wirtschaftsordnung (CGW) geworben wird, stellt die Vernichtung der Jüdinnen und Juden infrage, zweifelt an der Existenz der Gaskammern in Auschwitz und leugnet die Kriegsschuld der Deutschen. Selbst am Ersten Weltkrieg seien "jüdische Banken" schuld. Otani bezeichnet die antisemitische Fälschung "Protokolle der Weisen von Zion", die angebliche Weltherrschaftspläne der Juden beinhaltet, als wahr. (vgl. Volkmar Woelk, Natur und Mythos, Duisburg, 1992, S.22, Geden, a.a.O., S. 162ff. Und Peter Bierl „Gesell und Antisemitismus“) Otanis Werk kann auch über die Homepage in Österreich direkt über INWO bezogen werden.

Anhänger wie Margrit Kennedy und Werner Onken betonen auch gerne, das Gesell "die soziale Frage in Freiheit lösen wollte um dem Kommunismus seine Attraktivität als Alternative zum Kapitalismus zu nehmen". (Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das je- dem dient, überarbeitete und erweiterte Ausgabe, München 1994, S. 184)

1994 informierte der Arbeitskreis „Volksgeld“ in der NPD seine Mitglieder in Hessen darüber: „Volkseigenes Geld und Silvio Gesell- warum Reformer miteinander sprechen sollten: Silvio Gesell, deutscher Wirtschaftsreformer (1862-1930) fand für seine „Freiwirtschaftslehre“ in den 20er und Anfang der 30er Jahre zahlreiche Anhänger. Diese gründeten nach seinem Tod verschiedene Gruppen, darunter als Dachverband die INWO. .. Wenn er (Gesell) statt gesellschaftlich = volkseigenes (Geld) geschrieben hätte, dann hätte er die gleiche Lösung gefunden wie Heinrich Färber. .. Aber diesen Gedanken vertieft er leider nicht. Statt dessen entwickelt er die Lösung mit dem Schwund Geld mit allem bürokratischen Beiwerk. .. Diese Gesellsche Hauptforderung (Geldausgabe zu Steuerzwecken) wurde schon vor seinem Tode weitgehend verschwiegen, weil die Gesellvereinigungen und Publikationen jede Nähe zu ähnlichen nationalen Forderungen vermeiden wollten. .. Wegen Offenkundigkeit wird man in der BRD bestraft, wenn man den gelehrten „Holocaust“ mit Gegenargumenten bzw. Beweisen opponiert. Genauso wie der Holocaust offenkundig ist, ist für konsequent Denkende offenkundig, wer meist hinter den Banken steht. Dies zu nennen ist gefährlich.“ (NPD Hessen, Albert Lämmel, „Für den Arbeitskreis Volksgeld“)

In der Logik der NPD bewegt sich auch die Ideologie der Freiwirte. Mit der einfachen Formel „Kapitalismus sei Zinswirtschaft“ wird das böse „Finanzkapital“ für „den konsequent Denkenden offenkundig“. Die Hetze braucht also keine Namen, sie wird historisch durch den Antisemitismus fortlaufend bedient. Es fragt sich nur was einige Linke dazu treibt sich der Lehre Gesells anzunehmen?

Obskure Lehre für linke Gemüter

Die INWO ist von Anfang an im Oltener Bündnis dabei und nutzt diesem Rahmen zur Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit und Seminaren. Bereits vor 2 Jahren wurde das Oltener Bündnis vor diesen Freiwirten gewarnt und auch in diesem Sommer (2003) gab es eine offizielle Anfrage von einer Frau von Attak zu diesem Thema. Das Oltener Bündnis sitzt das Problem aber lieber aus, anstatt sich Inhaltlich mit dieser Problematik zu befassen. Tisch an Tisch mit der Schweizer Anti-WTO-Koordination können Freiwirte über „Zinsknechtschaft“ herziehen und in diesem Bündnis gegen das böse „Finanzkapital“ nach Davos mobilisieren. Niemand scheint sich zu wundern was da abläuft und mit welcher Selbstverständlichkeit rechtes Gedankengut in linke Kreise Einzug hält. Doch leider ist es immer wieder der Fall das Freiwirte bei linken Gemütern auf Verständnis stossen!

Eine nicht so rühmliche Auseinandersetzung stammt von Jutta Ditfurth mit ihrem Buch „Entspannt in die Barbarei“ das 1997 im Konkret Verlag erschien. Wohl deshalb, weil Jutta Ditfurth gegen den anarchistischen Karin Kramer Verlag ausholt und ihn mit den Adjektiv Faschistisch in Verbindung brachte, weil dort 1989 das Buch „Silvio Gesell. Marx der Anarchisten?“ erschien. Der ehemalige Anarchist Klaus Schmitt und „agit 883“ Herausgeber hatte diese Buch zusammen mit dem nationalrevolutionär Günter Barsch verfasst. Scheinbar blieb dem Verlag der Sinneswandel eines Klaus Schmitts verborgen dessen Anliegen heute auch die Teil-Entnazifizierung der NSDAP ist, Zitat: "Die linken Nazis vertraten zwar eine staatsozialistische und - ähnlich wie der faschistische, konservative und rassistische Flügel der NSDAP - eine antisemitische Position, wendeten sich jedoch entschieden gegen das Finanz- und Bodenkapital und versprachen dem Proletariat "Arbeit und Brot" und den Kleinbürgern und Bauern die "Brechung der Zinsknechtschaft"." Ihr Erfolg, sagt Schmitt, habe auch mit ihrem "zinsorientierten Antikapitalismus" zu tun gehabt. Der "Erfolg" dieses "zinsorientierten Antikapitalismus" bei den proletarischen und kleinbürgerlichen Juden und Jüdinnen dürfte in dieser Hinsicht anfänglich geringer, später um so endgültiger gewesen sein.(vgl. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei) Trotz ihrer fälschlichen Unterstellungen gegenüber dem Karin Kramer Verlag, ist das Buch von Jutta Ditfurth nach wie vor eine empfehlenswerte Lektüre zu diesem Thema. Die darin enthaltenen Quellen sind bis heute stichfest und nicht widerlegt.

Seit Anfang der 80ziger Jahre haben sich viele Antifaschisten und linke Autoren zu diesem Thema geäussert, das besser unter dem Begriff des „Ökofaschismus“ in weiten Teilen der Linken bekannt wurde. Wie so oft drohten die Freiwirtschaftler nach jeder Veröffentlichung mit rechtlichen Schritten gegen Autoren und Verlage vorzugehen. Heute nach all den Jahren lässt sich aber feststellen, das keine rechtlichen Schritte eingeleitet wurden und sich die Freiwirtschaftler damit begnügen müssen historische Tatsachen weiterhin falsch zu interpretieren.

Zürich im November 2003

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien am 12.12.2003 bei Indymedia Schweiz.