Betrieb & Gewerkschaft
Maulkörbe im Sonderangebot
In Untertürkheim und Bochum grenzt die IG Metall organisationsinterne Kritiker aus  

von
Peter Nowak
11/05

trend onlinezeitung

Vor den Betriebsratswahlen in den 2004 umkämpften Autowerken in Untertürkheim und Bochum will die IG Metall ihre Listen »sauber« halten.

»Wir suchen nur die Besten«. Unter diesem Motto laufen seit dem 10. Oktober im DaimlerChrysler-Werk in Untertürkheim Vorwahlen zur neuen Betriebsratsliste der IG Metall für die im März 2006 stattfindende Betriebsratswahl. Doch wer zu den Besten zählt und wer nicht gut genug ist, darüber streitet man sich jetzt heftig in der mächtigen Organisation. Kritische Gewerkschaftler beklagen in ihrer Betriebszeitung »Alternative«, sie seien von der Mehrheit von der Wahl ausgeschlossen worden. Zu den Betroffenen gehört neben anderen auch der als kämpferisch bekannte Betriebsrat Tom Adler.

»Sie reden von Einheit und meinen Maulkorb«, lautet der Vorwurf der Gewerkschaftslinken gegen die Betriebsratsspitze um Helmut Lense und Karl Reif. Dieses Vorgehen wird von der zuständigen Esslinger Verwaltungsstelle der IG Metall unterstützt. Das Anforderungsprofil der IG-Metall verlange von potenziellen Kandidaten, in der Betriebsöffentlichkeit nur noch die Meinung der Betriebsratsmehrheit zu vertreten und keine eigenständigen Publikationen mehr zu veröffentlichen, heißt es dort. Das richtet sich gegen die Betriebszeitung »Alternative«, die mit dem Slogan »parteilos, aber immer parteiisch für die Kolleginnen und Kollegen« mit harter Kritik an der Politik der Betriebsratsmehrheit nicht sparte. Es geht vor allem um die gewerkschaftlichen Antworten auf die von den Unternehmen forcierte Politik des Arbeitsplatzabbaus. Die Gewerkschaftslinken setzen hier vor allem Arbeitszeitverkürzung bei vollem auf Lohnausgleich und werfen der Betriebsratsmehrheit Konzeptlosigkeit vor.

Die Oppositionellen denken gar nicht daran, ihre Zeitung einzustellen, nur um doch noch auf die Betriebsratslisten aufgenommen zu werden. Sie fordern eine echte Wahl zwischen verschiedenen Alternativen und geben sich in ihrer Zeitung kampfentschlossen: »Deshalb werden wir zu dieser Betriebsratswahl im März 2006 antreten. Am liebsten in einer Persönlichkeitswahl. Wenn nicht anders möglich, dann eben mit vielen anderen Gewerkschaftern auf einer eigenen Liste«.

Im Bochumer Opelwerk hat die einst größte Gewerkschaft der Welt derzeit offensichtlich ebenfalls Maulkörbe im Sonderangebot. Auch hier klagt die Gewerkschaftslinke über Repressalien durch den Gewerkschaftsapparat. So werden die Flugblätter der IG-Metall-Vertrauensleute, die sich kritisch mit der Politik des Betriebsrats auseinandersetzen, von der örtlichen Gewerkschaft nicht mehr gedruckt. Ähnlich wie in Untertürkheim befürchten die in der Initiative »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG) zusammen geschlossenen Betriebsratskritiker von den IG-Metall-Listen ausgeschlossen zu werden. In einem auf der den Gewerkschaftslinken nahestehenden Internetplattform »Labournet« abgedruckten Entwurf für eine Arbeitsplattform der IG Metall Bochum heißt es unter Punkt 3 sehr deutlich: »Veröffentlichungen geben ausdrücklich die getroffenen Mehrheitsentscheidungen wieder (...). Die Herausgabe von Informationen und Stellungnahmen zu laufenden Debatten innerhalb der Gremien und die Veröffentlichung von Positionen, die den getroffenen Mehrheitsmeinungen entgegenstehen, unterbleibt.«

Bezeichnenderweise gab es sowohl bei dem Autowerk in Untertürkheim und in Bochum im letzten Jahr von großen Teilen der Belegschaft getragene Proteste, die von der IG-Metall-Spitze kaum unterstützt wurden. Ob sich die Kritik mit administrativen Maßnahmen erledigen lässt, darf aber bezweifelt werden. Das hat schon in den späten 70er Jahren nicht geklappt. Damals hoben in Stuttgart, ganz in der Nähe von Untertürkheim, kritische Gewerkschafter mit der Plakat-Gruppe eine linke Gewerkschaftsalternative jenseits der IG Metall aus der Taufe. Auch damals hat das harte Vorgehen der IG Metall gegen linke Kritiker viel zu der Spaltung beigetragen. Peter Nowak

Editorische Anmerkungen

Der Autor übergab uns seinen Artikel am 23.10.2005 zur Veröffentlichung.