Kopftuchdebatte
Neue Eskalationsstufe der baden-württembergischen Regierung

von Thomas Meyer - Falk
11/05

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onlinezeitung

“Kauft nicht bei Juden “ – so hieß es noch vor wenig mehr als 60 Jahren in Deutschland und heute scheint ein bestimmter Teil der politischen Elite, assistiert vom nazistischen Pöbel auf der Strasse, der Devise zu folgen : “ Schick Eure Kinder nicht zu Kopftuch behangenen islamischen Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen “!!
An dieser Stelle wird nun keineswegs die Singularität des Holocausts, der Shoa, in Frage gestellt, es soll lediglich verdeutlicht werden, wie der Mechanismus – gerade in Deutschland – funktioniert, eine bestimmte Gruppe ob ihres religiösen Bekenntnisses zu stigmatisieren, auszugrenzen, ihrer beruflichen, mithin auch materiellen Existenz zu berauben.

Am 19 Oktober 2005 entschied die Landesregierung Baden – Württemberg den neuen Kultusminister des Landes mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes zu beauftragen, mit welchem künftig Kindergärtnerinnen muslimischen Glaubens verboten wird ihren Beruf auszuüben, sofern sie ein Kopftuch während der Dienstzeit tragen. Allein in der Stadt bzw. im Kreis Stuttgart wären von dem geplanten Berufsverbot mindestens 12 muslimische Kopftuch tragende Kindergärtnerinnen laut SWR Rundfunk betroffen.

Eigentlich dachte man nach dem Weggang der christlich – fundamentalistischen Annette Schavan aus Stuttgart, wo sie bislang den Posten der Kultusministerin bekleidete und dafür Sorge trug, dass ein Heidelberger Antifaschist nicht als Lehrer eingestellt wurde, sowie ein Berufsverbot gegen eine muslimische Grundschullehrerin (casus: Ludin) wegen deren Kopftuch verfügt hatte, dass nunmehr Ruhr einkehren würde. Dr. Schavan, habilitierte römisch katholische Theologin, Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, soll nun als Bildungsministerin im Bund, unter Regie von Kanzlerin Angela Merkel, ihr Gedankengut bundesweit predigen. Aber ihr Umzug nach Berlin half nicht.

Nachdem eine Gemeinde in Baden Württemberg einer Kinderpflegerin fristlos kündigte, als sie ihren Dienst in einem Kindergarten mit Kopftuch antrat und man feststellen musste, dass es hierfür gar keine gesetzliche Grundlage gab, denn Dr. Schavan hatte seinerzeit nur das Schulgesetz ändern lassen um muslimische kopftuchtragende Lehrerinnen ausgrenzen zu können, beschloss nun flugs die Landesregierung, auch für Kindergärtnerinnen eine solche Rechtsgrundlage zu schaffen.

Eine Lex Islam soll her – denn christliche Nonnen können und dürfen selbstredend weiterhin Kleinkinder und Grundschüler beaufsichtigen und unterrichten. Die Manipulation von Kindern durch fundamentalistische Christinnen ist offenbar gewollt oder wird zumindest toleriert.

Was wird es für all die vom Lex Islam betroffenen Kindergärtnerinnen, die bislang völlig unbeanstandet ihrer Arbeit nachgehen bedeuten, wenn sie voraussichtlich im Frühjahr 2006 (denn noch vor den Landtagswahlen im März 2006 möchte die Regierung die Neuerungen in Kraft setzen) vor dem beruflichen Aus stehen werden ?
Ein Umzug in ein anderes Bundesland hilft nicht zwangsläufig, denn Baden Württemberg hat bspw. Im Fall des oben erwähnten Antifaschisten demonstriert, dass die Stuttgarter Kultusbehörde die Arbeitsaufnahme auch in einem anderen Bundesland vereiteln kann. Sie veranlasste, das seine Bewerbung um eine Lehrstelle in Hessen letztlich ohne Erfolg blieb, obwohl die Schule bei der er sich beworben hatte, ihn gerne angestellt hätte.

Mein Schwager ist Muslim und meine Schwester Muslima ; sie haben drei kinder und ob seines Glaubens und seiner Herkunft wird mein Schwager heute schon genügend diskriminiert. Werden diese Kinder indoktriniert, wenn sie einen Kindergarten oder eine Grundschule besuchen, in welchen die weiblichen Arbeitskräfte vereinzelt vielleicht ein Kopftuch tragen ?

Oder trägt nicht viel mehr die Politik a la Schavan dazu bei neue Feindbilder ganz bewusst herauszubilden ?

Es muss doch auffallen, dass der Terror der Nazis auf den Straßen - nicht nur in Deutschland - auf den Vormarsch ist. Neben antisemitisch motivierten (Mord - ) Anschlägen, nehmen auch Anschläge auf Menschen muslimischen Glaubens zu.
Die staatlichen Repressionsbehörden wiederum forcieren die Ausspähung angeblich “ gefährlicher “ islamistischer Kreise, halluzinieren von terroristischen Vereinigungen
(erst vor kurzem wurde in Berlin ein Muslim vom Kammergericht freigesprochen), oder überziehen andere Personen mit Ermittlungsverfahren, wie in Duisburg geschehen, wegen “ Volksverhetzung “, weil angeblich ein islamistischer Text aus dem Internet heruntergeladen und angeblich per Post an einen inhaftierten geschickt worden sein soll (in diesem Fall dauern die Ermittlungen noch an).

Kopftuchverbote sind das falsche Signal, aber sie verdeutlichen die Geisteshaltung der politischen Akteure. Um ein bisschen polemisch zu werden : Kürzlich ging die Meldung durch die Presse, Bush habe gesagt, Gott persönlich habe ihm Befehl gegeben in Afghanistan und im Irak einzufallen. Wir warten gespannt, wann Schavan oder ihr Nachfolger offenbaren, Gott hätte ihnen Order gegeben, Kopftücher zu untersagen.

Editorische Anmerkungen

Dieser Artikel erschien am 26.10.2005 bei Indymedia

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