Von Frankfurt über Belgrad nach Kosova

von Max Brym
11/04

trend

onlinezeitung

Der bundesdeutsche Staatsapparat schiebt rücksichtslos Flüchtlinge in alle Gegenden der Welt ab. Das Grundrecht auf Asyl besteht nur noch auf dem Papier. Menschen mit unsicherem Status müssen jederzeit mit einem gewaltsam durchgeführten Transport zum nächsten freien Flugzeug rechnen.

Endgültig gelöst werden soll in diesen Tagen und Wochen, wie es im Behördendeutsch heißt „die Albanerfrage“. Praktisch jede Nacht werden im Bundesgebiet zwischen 3 und 4 Uhr morgens Kosovaalbaner aus den Betten gerissen. Seit neuestem werden Albaner und Albanerinnen auch über den Flughafen Belgrad abgeschoben. Jede Abschiebung ist prinzipiell abzulehnen, es lohnt sich aber dennoch, diese spezifische Abschiebemaßnahme näher zu untersuchen

„Es besteht kein Risiko in Belgrad“

Dies erklärten Vertreter bundesdeutscher Behörden in der Abschiebeverfügung gegenüber Frau Servete Haliti in einem Schreiben. In dem Dokument ist zu lesen: „Wir haben saubere Garantien aus Belgrad.“ Demzufolge wurde Frau Haliti mit ihren beiden Kindern Mergim und Besmir, vor einer Woche in ein Flugzeug nach Belgrad verfrachtet. Gegen 2 Uhr nachts erschienen Polizeibeamte am Wohnort von Frau Haliti und forderten sie auf, sich umgehend fertig zu machen, „um außer Landes gebracht zu werden“. An der Tatsache dass Frau Haliti ihren kranken Mann zurücklassen mußte, störten sich die Polizeibeamten nicht. Frau Haliti lebte 9 Jahre in Deutschland und ihre beiden Kinder wurden in Deutschland geboren. Ein Kind ist 6 Jahre alt und das andere 8 Jahre. Frau Haliti stammt aus Skenderaj im Norden Kosovas. Das Gebiet leidet immer noch besonders unter den Folgen des Krieges. Im Gebiet um Skenderaj haben real gerechnet über 80% der Bevölkerung kein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Frau Haliti legte seit Jahren Geld für die Familie zurück. Sie kam aber in Kosova ohne Geld an.

Behandlung in Belgrad

Die Beamten am Flughafen in Belgrad brachten Frau Haliti kurz nach der Landung in ein spezielles Vernehmungszimmer. Dort attackierten sie die Frau mit rassistischen Sprüchen. Zudem wurde Frau Haliti geschlagen und ihre Kinder geohrfeigt. Anschließend wurde ihr erläutert, dass „es 4000 Euro koste wenn Albaner in Belgrad landen“. Frau Haliti gab den Beamten „nur 3000 Euro“, die die Herren ohne Quittung einsteckten. Nach ihrer Freilassung versuchte Frau Haliti mit einem Autobus nach Kosova zu reisen. Obwohl es eine reguläre Busverbindung in den Norden Kosovas gibt, gelang es ihr nicht mit den Kindern einen Bus zu besteigen. Sie wurde stets als Albanerin identifiziert und aus jedem Bus hinausgeworfen. Die Reisegäste verhielten sich rassistisch, „mit einer Skiptarski reisen wir nicht“ war eine gängige Beschimpfung. Als es ihr tatsächlich einmal gelang, in einen Bus zu kommen, holten sie ein „staatlicher Reisebegleiter“ wieder aus dem Bus und warf sie mitsamt den Kindern auf das Pflaster. Der Offizielle erklärte ihr „sie dürfe nur mit einem Taxi durch Serbien reisen“ Es blieb Frau Haliti nichts anderes, als an einem Taxistand ihr Glück zu versuchen. Die Fahrer versuchten 1000 Euro aus der Frau herauszuschlagen. Einer fand sich bereit sie für „nur“ 500 Euro an die Grenze nach Kosova zu bringen. Gegenüber der Zeitung Koha Ditore (12.11.04) beschrieb Frau Haliti die Taxifahrt als Horrorfahrt. Ständig beleidigte der Fahrer die Frau und ihre Kinder, zusätzlich wollte er doch noch mehr Geld als ursprünglich vereinbart herausschlagen. Der Herr drohte mit Vergewaltigung vor den Augen der Kinder, letztendlich ließ er es aber bei verbalen Drohungen und gab sich mit 500 Euro zufrieden. Vorher hatte er Frau Haliti noch damit bedroht ihr die Kinder wegzunehmen mit der Begründung: „ Ihr habt eh zu viele Kinder“.

Frau Haliti in Kosova

Ausgeraubt und gedemütigt befindet sich Frau Haliti jetzt in ihrem Heimatdorf nahe Skenderaj. Der bundesdeutsche Staat schiebt Menschen rücksichtslos nach Kosova ab, ohne die dortige materielle Not zu berücksichtigen. Kinder die in Deutschland geboren wurden, haben aufgrund ihrer „ethnischen“ Abstammung zu verschwinden. Gegenwärtig reichen den bundesdeutschen Behörden die Flugkapazitäten nach Prishtina offensichtlich nicht mehr aus. Zu dem Schrecken der Abschiebung kommt noch eine zusätzliche Unmenschlichkeit, nämlich einige Albaner via Belgrad aus Deutschland abzuschieben.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 13.11.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.