Es rappelt in Französisch-Polynesien

von
Bernhard Schmid
11/04

 
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Eines der letzten "Konfettis" des einst so mächtigen französischen Kolonialreichs ist ein Archipel im Pafizik mit der Hauptinsel Tahiti. In Französisch-Polynesien herrschte bisher lange Jahre, beinahe unumschränkt und wie ein Kolonialherrscher, der Regionalpräsident Gaston Flosse, den Frankreichs Staatschef Jacques Chirac vorige Woche unumwunden seinen "Männerfreund" nannte. Der notorisch korrupte Gaston Flosse ist in insgesamt
15 Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung und Bereicherung verstrickt. Seit längerem bekannt ist, dass Flosse öffentliche Gelder für mehrere hundert "Scheinarbeitsplätze" in seiner Verwaltung kassierte, auf denen in Wirklichkeit niemand arbeitete. Erst kürzlich rechtfertigte er das mit insularen "Traditionen". Und nach Informationen der Pariser Wochenzeitung "Le Canard enchaîné" vom vorigen Mittwoch (27. Oktober) hat er gar unliebsame Kritiker mittels zweier Auftragsmorde aus dem Weg räumen lassen; ein lästiger Zeuge wurde demnach wegen "missbräuchlicher Strafanzeige" für ein Jahr hinter Gitter verbannt.

Seit dem 23. Mai dieses Jahres müsste Gaston Flosse eigentlich weg vom Fenster sein: Damals gewann eine Koalition aus Befürwortern der polynesischen Unabhängigkeit und Autonomie-Anhägern unter Führung von Oscar Temaru die Regionalparlamentswahlen. Doch am 9. Oktober stürzte eine knappe Mehrheit im Regionalparlament in Tahitis Hauptstadt Papeete überraschend die neue Regierung, die erst seit 14 Tagen amtierte. Beobachter sprechen vom Ergebnis von "Manövern" aus Paris. Anfang voriger Woche sollte das Regionalparlament erneut zusammentreten, war aber wegen abwesender
Mitglieder nicht beschlussfähig. Seitdem hat Gaston Flosse sich einfach selbst zum alt-neuen Regionalpräsidenten ernannt, wurde jedoch sogleich von Jacques Chirac anerkannt. Die AnhängerInnen der gestürzten Koalition besetzen seitdem den Palast des Regionalpräsidenten. Da die meisten Inselbewohner sehr gläubige Christen sind, geht es dabei aber betont friedfertig zu. Seit Anfang voriger Woche führt Oscar Temaru einen
Hungerstreik an. Am 8. November soll der Oberste Gerichthof in Paris entscheiden.

Editorische Anmerkungen

Diesen Artikel schickte uns der Autor am 28.10.2004 in der vorliegenden Fassung zur Veröffentlichung.