Nach den Wahlen in Kosova/Kosovo
Es wird eng für Rugova

von Max Brym
11/04

trend

onlinezeitung

Im UNMIK Protektorat Kosova fanden am Samstag, den 23. Oktober die zweiten nationalen Parlamentswahlen statt. Der Leiter der "Zentralen Wahlkommission (CEC)" ,Adnan Mervoci, gab am 25.Oktober das vorläufige Endergebnis bekannt. Diesen Ergebnissen zufolge gaben nur 51,11 Prozent von insgesamt 1304 000 Wahlberechtigten in Kosova ihre Stimme ab.

Bei den letzten Wahlen lag die Wahlbeteiligung noch bei 64 Prozent. Die Wahlen wurden von der serbischen Bevölkerung fast vollständig boykottiert. Damit folgten sie dem Aufruf der serbischen Regierung sowie der serbischen orthodoxen Kirche, die den Serben suggeriert, Kosovo bei Serbien halten zu können. Nur 0,4 Prozent der Serben machten von ihrem Wahlrecht gebrauch. Aber auch bei den Albanern ging die Wahlbeteiligung extrem zurück. Die Neue Züricher Zeitung führt das auf "die starke Unzufriedenheit mit der UNMIK Verwaltung" zurück. Tatsächlich ist Kosova das ärmste Gebiet auf dem Balkan, mit einer realen Arbeitslosigkeit von weit über 70 Prozent. Gleichzeitig sehen die Kosovaren gut lebende Verwalter in Luxuskarossen, die für sich die Oberhoheit über das Gebiet beanspruchen. In Kosova spricht man von der UNMIK als ARMIK, was Feind heißt. Das gewählte Parlament und die kommende Regierung sind an einen "gesetzlichen Rahmen" gebunden, dieser "Rahmen" sieht eine Regierung ohne Innen- Außen und Verteidigungsministerium vor. Jede Entscheidung des Parlaments oder der Regierung muß durch den Leiter der UNMIK bestätigt werden. Aus diesem Grund nahm die "linksnationalistische" LKCK nicht an den Wahlen teil und rief zum Boykott auf. Dennoch hatten die Wahlen ihre Bedeutung, gegenwärtig gibt es auf der diplomatischen Bühne Bewegung bezüglich der "Kosovo Frage". In den USA sprach sich John Kerry, im US Wahlkampf ziemlich deutlich für die Unabhängigkeit Kosovas aus. Auch die Republikaner von Georg Bush bewegen sich in diese Richtung. Die europäische Antwort scheint zu sein, aus Kosova ein EU-Protektorat zu machen. Rußland besteht darauf, Kosova bei Serbien zu belassen, was sich teilweise mit der Haltung der französischen Regierung deckt. Jeder genannte internationale Faktor hat vor Ort seine "Lieblingspartei". In den USA ist Hashim Thaci der Favorit, aber auch Veton Surroi ist auf dem US-amerikanischen Spielplan. Die deutsche Diplomatie bevorzugt Ibrahim Rugova. In Kosova versuchen einige Politiker von der "internationalen Rivalität" zu profitieren um die Unabhängigkeit zu erreichen. In der albanischen Presse wird laufend über die "Uneinigkeit" innerhalb der "westlichen Staatengemeinschaft" berichtet.

Das Wahlergebnis

Die LDK erreichte bei den Wahlen 45,3 Prozent. Damit verlor die Partei von Ibrahim Rugova einige Prozente und noch mehr an absoluten Stimmen. Das zweitbeste Resultat erzielte die PDK mit 28,6 Prozent. Das ist kein gutes Ergebnis für Hashim Thaci, zwar konnte die PDK um knapp 3 Prozent zulegen, sie erwartete allerdings ein wesentlich besseres Ergebnis, auch die PDK verlor bei den absoluten Stimmen. Die AAK unter Ramush Haradinaj erreichte 8,2 Prozent. Mit diesem Ergebnis verbesserte sich die AAK leicht. Der ehemalige Herausgeber der Tageszeitung Koha Ditore, schnitt mit der kürzlich gegründeten "Bürgerinitiative "ORA" ziemlich gut ab. Mit 6,2 Prozent könnte Surroi zum Zünglein an der Wage in Sachen "Regierungsbildung" werden. Mit 1,8 Prozent erreichte die PSHDK ihr altes Resultat. Diese Partei gibt vor die albanischen Katholiken zu vertreten. Die türkische KDTP mit Schwerpunkt in Prizeren erhielt 1,32 Prozent, die Gerechtigkeitspartei 1,0 Prozent und alle anderen zusammen 7,3 Prozent. Darunter befinden sich die Parteien der Bosnier, die "Vereinigte Partei der Roma" eine Ahskali Partei, die serbische Bürgerliste, aber auch die "linkspatriotische" albanische LPK mit 0,7 Prozent der Stimmen. All die genannten Gruppen und Parteien sind im 120 köpfigen Parlament vertreten. Für die Parteien der nationalen Minderheiten sind im Parlament Sitze reserviert. Ab einem Ergebnis von 0,5 Prozent gibt es einen Abgeordneten. Für die größeren Parteien gibt es für 1 Prozent einen Abgeordneten. Nicht im Parlament vertreten ist die PR-DK von Bujar Bukohsi. Die Partei bezeichnet sich als rechtskonservativ, ihr Wahlergebnis lag bei 0,28 Prozent. Der Balli Kombetar, eine Organisation, die sich positiv auf die Kollaboration im zweiten Weltkrieg bezieht, erreichte 0,32 Prozent. Ihre Abspaltung, die NDSHP schnitt mit 0,12 Prozent noch schlechter ab. Eine erklärte linke Partei stand nicht zur Wahl. Die "Marxisten-Leninisten Kosovas" befinden sich in tiefer Illegalität. Es kandidierte keine Partei, die sich auf den politischen Islamismus bezieht.

Nach den Wahlen

Die Zeitung Koha Ditore berichtete am 29.10. von einem Brief den der "UCK- Veteranenverband" an die PDK, die AAK, die ORA und an die LPK richtete. In dem Schreiben werden die Parteien aufgefordert, eine Koalition gegen die Wiederwahl von Ibrahim Rugova zu bilden. Der Verband wirft Rugova vor: "seit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 1992 sämtliche Versprechen gebrochen zu haben und jeweils bereitwillig entweder Milosevic und dann der UNMIK gedient zu haben." Der Verband drohte für den Fall, das Rugova wieder Präsident wird, "Unruhen" an. Die Parteien der nationalen Minderheiten erklärten sich dazu bereit, mit Hashim Thaci zusammenzuarbeiten. Das hat auch realpolitische Gründe. Der Wahlkampf der PDK war für die nationalen Minderheiten wesentlich ansprechender, als der Wahlkampf der LDK. Hashim Thaci sprach sich für die Unabhängigkeit eines "multiethnischen Kosova" aus. Die PDK propagierte einen Staat der sich mit dem mazedonischen Modellversuch vergleichen läßt. Demzufolge Gleichberechtigung der nationalen Gruppen, Serbisch und Albanisch sollen anerkannte Amtssprachen werden. Zudem sprach sich die PDK deutlicher als die LDK für die Rückkehr der geflüchteten oder vertriebenen Serben und Roma aus. Dagegen polemisierte die LDK, indem sie Thaci in ihrer Hauszeitung Bota Sot als "enveristischen Slawokommunisten" attackierte. Rugova selbst gibt sich stets moderat, aber seine Hauszeitung und seine Propagandisten sind meist offene Rassisten. Dem widerspricht nicht Rugovas unterwürfige Haltung gegenüber der UNMIK. Besonders enge Beziehungen unterhält die LDK zur politischen Elite in Deutschland. Nicht umsonst gilt Rugova in der bürgerlichen Presse Deutschlands als "gemäßigt". In den USA ist es genau umgekehrt, die US-Medien bevorzugen Hashim Thaci. In der sozialen Frage haben die beiden Hauptparteien in Kosova den Menschen nichts zu bieten. Beide sprechen sich für die Privatisierung der Wirtschaft aus und beide gaukeln dem Volk vor, durch eine Integration in die Weltwirtschaft die sozialen Probleme lösen zu können. Die Realität der kapitalistischen Weltwirtschaft wird vollständig ausgeblendet. Die PDK ist jedoch wegen ihrer starken Verankerung innerhalb der Jugend gezwungen soziale Forderungen aufzustellen. Sie polemisierte stark gegen die Renovierung des Parlaments durch die LDK, die 100 Millionen Euro verschlang. Die PDK tritt gegen den Verkauf der reichen Minen des Kombinats Trepca an ausländische Investoren auf, "da die Gesellschaft eine wirtschaftliche Basis braucht". Mit der "arbeitslosen Arbeiterbewegung", die viele Streiks und Demonstrationen für Arbeit und gegen hohe Preise durchführt, haben die beiden Parteien wenig gemein ( Der Euro ist Landeswährung, die Preise haben deutsches Niveau, ein Rentner bekommt höchstens 35 Euro Rente und ein Arbeiter verdient durchschnittlich 135 Euro im Monat). Allerdings ist die PDK in der Frauenfrage moderner, die Gleichberechtigung der Frau ist der PDK im bürgerlichen Sinn wichtig. Von der LDK gibt es in dieser Frage nur Lippenbekenntnisse, normalerweise wird die Tradition und damit das feudale Patriarchat beschworen. Die Lage in Kosova ist gespannt, es gibt keine Arbeit und für viele nur knappe Kalorienmengen. Wut ist ausreichend vorhanden, es besteht die Möglichkeit das der Laden explodiert. Solange es allerdings keine organisierte Linke gibt, besteht die Gefahr, dass der Unmut nationalistisch kanalisiert wird und die UNMIK nur sporadisch angegriffen wird. Für die internationale Diplomatie ist die Lage in Kosova deprimierend, verwirrend und gefährlich.. Deshalb besteht die UNMIK auf eine große Koalition zwischen LDK, PDK und AAK um die Kontrolle zu behalten. Zwischenzeitlich erklärte die PDK jedoch, "entweder Hashim Thaci wird Ministerpräsident oder wir gehen in die Opposition". Damit kann die LDK nicht leben und der UCK Veteranenverband will Rugova als Präsident stürzen. Es dürfte spannend weitergehen.

Anmerkungen

AAK = "Allianz für die Zukunft Kosovas" Vorsitzender Ramush Haradinaj ehem. UCK Kommandeur. Hauptideologe der AAK ist Mahmut Bakalli bis 1981 Gebietschef des "Bundes der Kommunisten"

Balli Kombetar = "Nationale Front". Im zweiten Weltkrieg arbeiteten die Ballisten mit den italienischen Faschisten zusammen.

PDK = "Demokratische Partei Kosovas". Vorsitzender Hashim Thaci. Die PDK Führung gehörte ursprünglich der LPK an. Einige prominente Führungsmitglieder, wie "Ministerpräsident" Bajram Rexhepi, waren Mitglieder der LDK. Die Mitglieder der PDK Leitung waren Teil der UCK Führung.

LPK = "Volksbewegung Kosovas". Die LPK wurde 1982 gegründet und war damals im Sinne Enver Hoxhas "marxistisch-leninistisch". Im Jahr 1993 änderte die LPK ihr Programm und bezog sich nicht mehr auf die Lehren Enver Hoxhas. Die LPK gründete die UCK.

LKCK = "Nationale Bewegung für die Befreiung Kosovas". Im Jahr 1993 wurde die LKCK gegründet. Anlaß war die Spaltung der LPK im selben Jahr. Die LKCK wollte an der alten Programmatik festhalten. Innerhalb der UCK gehörte die LKCK zu dem Flügel der das Bündnis mit der NATO im Jahr 1999 ablehnte. Heute vertritt die LKCK eine breite Volksfront Konzeption "um die Massen gegen die UNMIK" sowie "den serbischen Chauvinismus zusammenzuschließen."

LDK = "Demokratische Liga Kosovas" Vorsitzender ist Ibrahim Rugova. Die LDK wurde 1991 gegründet und repräsentierte damals mehr als neunzig Prozent der Bevölkerung. Rugova erklärte im Frühjahr 1998, "die UCK ist eine Erfindung des serbischen Geheimdienstes". Damit begann der Mythos Rugova zu verblassen. Die LDK wird autoritär geführt, Funktionär wird man durch ein Familien und Klientelsystem.

PR-DK = "Neue Demokratische Partei Kosovas" Vorsitzender ist Bujar Bukoshi. Bukoshi war jahrelang der Exilministerpräsident von Ibrahim Rugova im Ausland. Bukoshi residierte einst in Ulm und hat enge Beziehungen zur politischen Elite in Deutschland. Jahrelang kassierte Bukoshi 3 Prozent des Einkommens vieler Arbeitsemigranten für seine "Exilregierung"". Bis heute gibt es keine logische Erklärung über den Verbleib der Gelder. Bukoshi finanzierte in den neunziger Jahren seine eigene militärische Gruppe unter der Bezeichnung FARK "Armee der Republik Kosova".

PSHDK = "Albanische Christlich Demokratische Partei Kosovas". Die PSHDK ist eine katholische Partei mit Verankerung im Raum Gjakova. Seit Jahren ist sie eng mit der LDK verbunden

KDTP = "Demokratische Partei der Türken Kosovas". Partei der türkischen Minderheit mit starken Strukturen in der Stadt Prizeren.

ORA = "Bürgerinitiative Stunde", geführt wird die Partei von Veton Surroi. Surroi war bis vor kurzem Herausgeber der einflußreichen Tageszeitung "Koha Ditore". Surroi ist Betreiber eines eigenen TV-Kanals, sein Vermögen wird auf 42 Millionen Euro geschätzt. Politisch gibt Surroi den "aufgeklärten westlichen Demokraten". Er spricht sich für "Laizismus und parlamentarische Demokratie" aus.

Quellen

Kosova Live 25.10.04 Koha Ditore 26.10.04 27.10.04 29.10.04 Zeri 28.10.04 Epoka E Re 27.10.04 29.10.04 Wahlprogramme LDK PDK AAK LPK ORA Neue Zürcher Zeitung 28.10.04
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 29.10.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.