Kein traditionalistisches Frauenbild

Von Fehresta Ludin

11/03
 
 
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Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts(BverfG) wurde klar bestätigt, dass das Kopftuch nicht an sich als ein religiöses Symbol zu werten ist: „Erst die Person und ihr Verhalten", so heißt es im Urteil, „können dessen Wirkung entfalten." Ein deutlicher Aufruf also, bei der Deutung eines Tuches wirklich und endlich zu differenzieren. Burqa und Tschador sind im Übrigen vom Urteil des Gerichts ausgenommen, da diese im Lehrberuf als kommunikationsbehindernd befunden wurden.

Vorurteile abbauen

Das Kopftuch an sich ist ein Kleidungsstück. Es kann Emanzipation, Modebewusstsein genauso wie Unterdrückung verkörpern. Ähnlich wie viele andere Kleidungsstücke auch.  Die Trägerin selbst macht letzten Endes das gesamte Bild aus. Und deshalb steht eine Kopftuch tragende Lehrerin als Vorbild nicht außer Frage. Wenn sie ihre freiheitlichdemokratische Einstellung, eine emanzipierte Haltung und Lebensrührung -schon alleine z.B. ihre Berufstätigkeit spricht deutlich gegen ein traditionalistisches Frauenbild - im schulischen Kontext vermittelt, kann sie viele Vorurteile abbauen, kann gerade sie die Integration besonders fördern. Toleranz kann so in der Schule zu einem sehr greifbaren Thema für alle Schüler werden. Sowohl unser Grundgesetz wie auch der darauf basierende Erziehungsauftrag der Schule versteht die „gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität nicht als distanzierend im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse fördernde Haltung". Das schließt eine Benachteiligung oder Bevorzugung der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften aus. Persönlich bin ich natürlich sehr froh, mein Verständnis von der Neutralität des Staates durch das Karlsruher Urteil so deutlich bestärkt zu sehen. Meine Überzeugung ist, dass davon Jeder Einzelne für sich wie auch die Gesellschaft insgesamt profitieren kann. Verschiedene, nach außen erkennbare Formen von Religiosität sollen und können nicht aus der Realität, auch insbesondere der des Schulalltags, abgeschafft werden. Erziehung zur Toleranz und die respektvolle Akzeptanz kann in der Schule und somit in der Gesellschaft nur dann vermittelt werden, wenn sich alle Menschen gleichwertig behandelt fühlen. Es führt in dieser Diskussion zur unfairen und unsachlichen Auseinandersetzung, wenn bestehende Ängste vor verschiedensten extremen muslimischen Erscheinungen dermaßen in den Vordergrund rücken, dass dadurch die beruflich aktive Teilnahme einer muslimischen Frau mit Kopftuch am öffentlichen Leben nur noch als extremistischpolitisch intendiert erklärbar scheint. Für mich bleibt es interessant zu beobachten - vor allem in der nach dem Urteil entstandenen gesellschaftlichen Diskussion -, wer hier das Thema eigentlich zu einem Politikum macht und welche grundsätzlichen politischen Veränderungen in unserer Gesellschaft damit eventuell bezweckt werden sollen.

Editorische Anmerkungen:

OCR-Scan by red. trend, nach der Printvorlage, erschienen in "Erziehung & Wissenschaft" 11/03