Skinheads

von Svenna

11/03
 
 
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Vorwort: Der Inhalt dieser Seite ist im Rahmen eines Referates im Seminar "Jugendkultur, Popkultur" im Sommersemester 2000 an der Uni-Hamburg entstanden. Ich habe diese Seite geschrieben und ins Internet gestellt, um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Bitte entschuldigt, wenn ich an einigen Stellen die Rechtschreibreform oder der aktuellen HTML-Version etwas vorgegriffen habe. ;-)

Spirit of '69

Um 1966 kam es bei den Mods zu einer Aufsplittung in zwei Richtungen. Die College oder Art Mods begannen sich immer smarter zu kleiden und sich immer mehr auf die Findung neuer Stile, Musik und Drogen zu konzentrieren. Die Gang- oder Hard Mods f ühlten sich in den Schlachten, der Gangriots in Brighton zu Hause. Sie entwickelten einen Stil, der ihnen im Kampf hilfreich war. Eng anliegende Kleidung, kurze Haare und stabile Schuhe wurden nun getragen. Die Mods hörten schon in den Anfangstagen Soul und SKA, die Musik der Einwanderer von den Westindischen Inseln. Daran hielten auch die Gang Mods fest. Sie gingen abends in die Clubs um „ihre“ Musik zu hören und zu tanzen. Hier trafen sie auf die farbigen Jugendlichen, die aus ihrer Heimat ihren eigenen Stil mitgebracht haben: die Rude-Boys. Durch die Liebe zur Musik und dem ähnlichen sozialen Hintergrund verstand man sich gut und die Stile begannen sich gegenseitig zu beeinflussen. Zu dieser Zeit gab es viele Namen f ür diese neue Bewegung: Noheads, Baldheads, Cropheads, oder Peanuts. Man trug schwere Stiefel, enge Jeans , Button Down Hemden und einen Crop. Der Crop ist die Frisur der Skinheads. Sie wird mit einer Schermaschine und Aufsätzen der Länge No.1 – 4 geschnitten.

Die Tatsache, dass die Skinheads aus der Arbeiterklasse kamen und schon fr üh aus der Schule gingen um Geld zu verdienen und die gewonnene Weltmeisterschaft `66 führte dazu, dass sie nicht nur in die Stadien gingen um sich Heimspiele anzugucken. Sie fingen an ihre favorisierten Fußballclubs zu Auswärtsspielen zu begleiten. Hier trafen sie auf gegnerische Fans und führten die „dritte Halbzeit“ ein! Sie lieferten sich erbitterte Schlachten, was die Aufmerksamkeit der Presse erneut auf sie lenkte. Im Jahr 1969 war in der britischen Presse das erste Mal das Wort "Skinhead" zu lesen. Der Stil hatte sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Man trug jetzt Markenware: Button Down Hemden von Ben Sherman, Fred Perry und Jay Tex, Jeans von Levi`s oder Lee und Stiefel von Doc Martens. Die zunehmende Popularität und die einseitige Berichterstattung der Medien führte dazu, dass viele Jugendlichen zu den Skinheads stießen, die nicht sonderlich am Stil der Bewegung interessiert , sondern hauptsächlich auf Gewalt aus waren. Deshalb fingen die älteren Skins an, sich wieder smarter zu kleiden und die Haare gerade so lang wachsen zu lassen, um einen Kamm nötig zu machen. Sie entwickelten wieder mehr Gefühl für`s Detail und wurden bald Smooth oder Suedehead genannt (Suede = engl. Wildleder).

SKA

Der Ska entstand aus dem Mento, der sich in den 40er Jahren aus der jamaikanischen Volksmusik entwickelte. Mento war die erste Musik, die auf Jamaika auf Vinyl festgehalten wurde und so Verbreitung fand. Über die USA flossen in den 50er Jahren Elemente der R&B-Musik in die jamaikanische Musik ein. Durch die technische Entwicklung von Verstärkern und Lautsprechern konnte die Musik in größerer Lautstärke gespielt werden, sodass sie hör- und fühlbar wurde. Die jamaikanische Musik wanderte mit den Einwohnern von ländlichen Gebieten in die Städte, insbesondere nach Kingston. Im Zentrum dieser Stadt entstand eine Club- und Barszene die sogenannte Beatstreet. Der amerikanische R&B verlor Ende der 50 er Jahre seinen Hardrockstil und unter der schwarzen Bevölkerung Amerikas kam der Wunsch nach einem weicheren Musikstil auf. Der jamaikanische R&B zeichnete sich durch durchgehende Boogieshuffle, Latinelemente, Swing und Bebops aus, der dritte Schlag im Takt wurde mehr und mehr durch Gitarre und Bass betont. Aus dieser Musikrichtung entwickelte sich Anfang der 60er Jahre, kurz vor der Unabhängigkeit Jamaikas am 4.8.1962 der Ska, der 1966 in Rock-Steady überging. Durch jamaikanische Einwanderer kam Ska in den 60er Jahren nach England, wo er von Mods und Skinheads gehört wurde und Sänger wie Desmond Decker (007) sogar Charterfolge verbuchen konnten.

Ska ist und war aber nie tot!!

Durch das Ende der 70er Jahre aufkommende Skarevival mit Bands wie den Specials, Bodysnatchers, Selecter, The Beat, Bad Manners und Madness erfuhr die Skamusik eine Wiedergeburt. Bands wie die Busters, Dr. Ringding und viele andere führen diesen Musikstil bis heute fort.

Skinheads und Fußball

Als England 1966 die Weltmeisterschaft gewann, löste dies in Großbritannien einen waren Zuschauerboom aus. Dies bewirkte, dass Jugendliche nicht mehr in Begleitung von Vätern oder Onkeln, sondern mit ihren Kumpels in die Stadien gingen. So wurden 1966 auch die ersten Skinheads in den Fußballstadien gesichtet.

Erste Übergriffe seitens der Skinheadmobs geschahen 1968/69: Die Skinheads besuchten die Spiele und zeigten sich neben dem Spielfeld, welches Team das bessere war, alles drehte sich um die Einnahme des gegnerischen Blocks oder der Stürmung des Spielfeldes in der Hoffnung, dass der gegnerische Mob diesen Spaß mitmachte.

Diese Verhalten führte dazu, dass die Skinheads vor den Spielen regelrecht gefilzt, ihrer Waffen wie geschliffene Stahlkämme und mitunter auch ihrer Schuhe (wegen der Stahlkappen) erleichtert, und so in ihrem Aktionsradius erheblich eingeschränkt wurden. Nichtsdestotrotz gehören seit dieser Zeit Skinheads zu fast jeder englischen Fußballmannschaft.

Wichtig dabei ist es aber, Skinheads nicht mit den Hooligans gleichzusetzen, da sich deren Sozialstruktur stark von der der Skinheadsubkultur unterscheidet.

In Deutschland hatten Skinheads mit Fußball zunächst nicht viel am Hut. Das änderte sich Anfang der 80er Jahre, als die Politisierung der Skinheads begann. Einige der ersten Vereine mit großer Anzahl von Skinheads als Fans waren Borussia Dortmund, Hertha BSC und der HSV. Die Skinheads dieser Clubs standen der rechtsgerichteten FAP nah; damals machte es keinen Spaß zum Fußball zu gehen!!! So gingen die Zuschauerzahlen, beeinflusst von den Freunden der dritten Halbzeit und der Skinheads bis 1990 kontinuierlich zurück.

Erst die Kommerzialisierung des Fußballs und repressive Maßnahmen seitens der Staatsmacht kehrten diesen Trend um. Inzwischen steigt die Anzahl der Skinheads bei den Spielen wieder, wobei der Hauptteil unpolitisch ist.(Ausnahmen bestätigen hier wie überall die Regel!!!)

OI! Skins

Die Skinheadbewegung starb nie ganz aus. Es gab immer einige Skinheads, die den alten Stil weiter lebten und nicht sehr erfreut waren über das Erscheinen einer ganz neuen Skinheadgeneration. Diese Skinheads entwickelten sich aus desillusionierten Punks, die sich von ihrer immer mehr kommerzialisierten Subkultur verraten fühlten und nun noch mehr „schocken“ wollten als die Kids, die Punk als neue Mode begriffen und in teuren Boutiquen einkauften. Sie vereinnahmten den Begriff Skinhead für sich und überspitzten die äußerlichen Merkmale der ursprünglichen Bewegung. Es wurden Stiefel, abgeschnittene Hosen, T-Shirts und Bomberjacken getragen. Aus den bisher üblichen Ober- oder Unterarmtätowierungen wurden jetzt Gesichts- und Handtätowierungen. Kaum ein Tätowierer, der etwas auf sich hielt hat zu dieser Zeit solche Tattoowünsche erfüllt. So kam es, dass Gesichtstatoos oft von Hinterhoftätowierern oder den Kumpels vorgenommen wurden, was sich nicht gerade positiv auf das Äußere der neuen Skins auswirkte. Bald war der Punk als Mode nicht mehr aktuell und auch die populären Punkbands verschwanden. Man wandte sich den Street-Punk Bands zu, die oft schon vor dem Entstehen des Punks gegründet wurden und bis jetzt ein Dasein als Vorgruppen von bekannten Punkbands fristeten. Bands wie Shame69, Cockney Rejects oder Cock Sparrer wurden jetzt als Stars der neuen Szene gehandelt und von ihren Fans abgöttisch geliebt. Diese Szene bestand aus Punks und Skins der neuen Generation, die den alten Skins und den Teds ein Dorn im Auge waren. Das führte zu erbitterten Straßenschlachten, in denen sich Tradition und Stolz auf die Wurzeln der Subkultur und Respektlosigkeit und Abneigung gegen alles und jeden entgegenstanden.

Diese neue Skinheadgeneration und die Tatsache, dass ihre Anhänger keine "schwarze" Musik hörten und ihre Wurzeln nicht mehr mit den farbigen Jugendlichen teilten, ermöglichte es rechtsradikalen Parteien einige der Skins für ihre Zwecke zu rekrutieren. Parteien wie die National Front wurden durch das aggressive Auftreten und das einheitliche Äußere von den Skinheads angezogen. Ihre Überzeugungsarbeit wurde von steigender Arbeitslosigkeit und wachsenden Einwandererzahlen unterstützt. Bald sah man in den Medien (die ohnehin davon überzeugt waren, das Skinheads menschenfressende Hundsöhne waren) nicht nur Bilder von randalierenden Skinheads, sondern von rechtsradikalen Skinheads die Jagd auf Einwanderer machten. Ein gefundenes Fressen für die Medien, für die nun kein Zweifel mehr bestand, das alle Skinheads rechtsradikal sind.............

Redskins

Allgemein

Innerhalb der Skinhead-Bewegung sind bis heute, wie ihr auch bisher gesehen habt, verschiedene politisch ausgerichtete Strömungen zu beobachten. In meinen Ausführungen beschäftige ich mich mit den linksextremistischen Redskinheads.

Die Redskinheadkultur entwickelte sich aus der allgemeinen Skinheadbewegung der 60iger und 70iger Jahre. Insbesondere in England und den USA entstand nun eine Bewegung, welche sich antifaschistische, antirassistische und sozialistische Ideale auf die Fahnen schrieb.

Der Name "Redskin" kam durch eine Gruppe von Skinheads zustande, die in der Kommunistischen Partei Englands organisiert waren und in Sheffield den Namen Redskin ausriefen.

Wie auch die anderen Skinheadbewegungen stehen die Redskins der Arbeiterklasse nahe, hierbei aber insbesondere den kommunistischen und sozialistischen Parteien, sowie in England während der 70iger Jahre auch der Labour-Party, wo sich Ende der 70iger die League of Labor Skins bildete.

Redskins sind seit ihrer Existenz im Vergleich zu anderen Skinheadgruppierungen politisch immer besonders aktiv gewesen, hierbei ist aber klar heraus zu stellen, daß sie sich nicht nur brav in linken Parteien organisieren, sondern Sie auch zu extremistischen Mitteln greifen. Sie sind Teil der linksextremistischen Bewegung in Europa sowie in den USA; in Deutschland werden vielerorts Bündnisse mit Antifa-Gruppen und Autonomen gebildet, um die sozialistische Revolution voran zu bringen und Naziskins zu bekämpfen.

Zudem erklären sich die Redskinheadgruppierungen oftmals auch solidarisch mit Minderheiten in der Skinheadbewegung, wie z.B mit dem Gay Skinhead Movement.

Die Redskinbewegung an sich ist, wie auch die Skinheadbewegung im ganzen, nicht einheitlich zu sehen, da

  1. nicht alle Redskins politisch sind, sondern auch teils nach dem OI Skin Motto Spaß, Saufen, Sex und Fußball leben
  2. es innerhalb der linken Bewegung starke Abgrenzungen voneinander gibt, z.B. zwischen den anarchistischen RASH-Skinheads und den in sozialistischen Parteien organisierten Redskins, und
  3. es viele Splittergruppen gibt

Innerhalb der nationalen und internationalen Skinheadbewegungen stellen die Redskins genauso eine Minderheit dar wie in der linksextremistischen Szene. Die international bedeutendste Redskinorganisation ist RASH.

RASH

RASH bedeutet Red and Anarchist Shinhead und wurde 1993 von Mitgliedern der Mayday Crew (R.I.P.) in New York gegründet. Es ist ein internationales Netzwerk von antifaschistischen und linksextremistischen Skinheads. Ziele von RASH sind :

  • Klar zu machen, daß nicht alle Skins rassistisch sind, und die Wurzeln der Skinheadsubkultur schon gar nicht
  • Die Skinheadsubkultur zu leben
  • Raum für linke Ideen zu schaffen
  • Die rechten Skinheads zu bekämpfen
  • Die Beziehung zwischen Arbeiterklasse, multikultureller Skinheadkultur und linker Bewegung zu verbessern
  • Die Verteidigung gegen Rechts zu organisieren
  • Sich als eigenständige antirassistische Skinheadorganisation in der linken Bewegung zu partizipieren
  • Die linke Vision von RASH klar zu machen
  • Party zu machen
Um diese Ziele zu verwirklichen, arbeiten die RASH Mitglieder auf unterster lokaler Ebene mit Gleichgesinnten zusammen; dies stellt die Basis des Netzwerkes dar. RASH veranstaltet politische Diskussionen, gibt eine Zeitschrift heraus, organisiert Konzerte und Partys. RASH solidarisiert sich mit dem Gay Skinhead Movement sowie mit Knastinsassen. Sie verbreiten ihre Informationen z.B. übers Internet. Nur linke Skinheads können Mitglieder werden, indem sie nach 6 Monaten Probezeit gewählt werden. RASH Gruppen gibt es in Nord- und Südamerika, Europa und in der Karibik.

RASH in Deutschland

In Berlin gibt es eine RASH-Organisation, welche 1995 von ca. 50 Redskins gebildet worden ist. Sie geben die Zeitung "Revolution Times" heraus und arbeiten mit der autonomen Szene zusammen, beispielsweise bei Aktionen wie der 1. Mai-Demo. RASH International beschwert sich über die Skinheadbewegung Deutschlands, da zu viele Skins apolitisch bzw. rassistisch sind. Außerdem sind einige Redskingruppen beispielsweise in HH, Mönchengladbach, Braunschweig oder Gieben zu unorganisiert bzw. zu zersplittert, um einheitliche Redskinkultur zu verbreiten. Zudem ist in der BRD innerhalb der Skinheadbewegung die Toleranz für rassistische Skinheads zu hoch.

S.H.A.R.P.

S.H.A.R.P.(Skinheads against racial prejudice) wurde im Mai 1988 in den USA ins Leben gerufen. Diese Organisation wurde zur Abgrenzung gegen die rechtsgerichteten Skinheads gegründet. Im November 1988 las der englische Sänger der Band "The Oppressed", Roddy Moreno ein Flugblatt der Sharp-Skins. Begeistert von dieser Idee und der Möglichkeit sich anderen Skins gegenüber abzugrenzen, trug er diese Idee nach Europa. So erfolgte eine Umorientierung von Teilen der europäischen Skinheadszene. Für Moreno bedeutete die Sharp-Gruppe "Zurück zu den Wurzeln". Ein Skinhead könne schliesslich kein Rassist sein, da er sonst seine Wurzeln in der schwarzen Kultur leugne.

In Deutschland wurde Sharp erst im Juli 1989 bekannt. Das Fan-Magazin Skintonic veröffentlichte zu diesem Zeitpunkt erstmals einen Artikel über Sharp-Skinheads. Von nun an machte sich das Magazin zum Sprachrohr der Sharp-Bewegung. Skintonic bestand weiterhin auf seine politische Unabhängigkeit, aber auch auf eine antirassistische Grundhaltung. Viele der "Alt-Skins" sahen nun die Möglichkeit sich wieder als Skinheads in der Öffentlichkeit zu zeigen, da sie sich durch Sharp von den Nazi-Skins abgrenzen konnten. In Ausgabe 10 von Skintonic sagt Gerald Machner, Mitglied der Gruppe " No Sports": "... wir unterstützen Sharp, um dem zunehmenden Rassismus etwas entgegenzusetzen... nichts dumpfes, politisches, sondern ein Lebensgefühl!" Damit beschreibt Machner, worauf es den Sharp-Skins ankommt. Es geht nicht um "die Politik", sondern um ein Lebensgefühl. Viele der Sharp-Skins sagen von sich, daß sie unpolitisch sind.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen zu den Sharps. Eine von ihnen kommt von der Gruppe "Slapshot", die die Frage stellt, wo der Unterschied zwischen einer Sharp-Gang und einer Nazi- Gang ist. Schließlich schlagen beide Gangs Leute zusammen, die ihnen nicht passen. "Slapshot" räumt allerdings ein, daß es gute und schlechte Gewalt gibt. Sie bezeichnen die Gewalt als gut, die gegen Rechtsradikale gerichtet ist.

Durch das wachsende öffentliche Interesse an der Skinheadszene wurde diese zu einer Modeerscheinung. Es gab einem die Möglichkeit, kurze Haare zu tragen und trotzdem kein Nazi zu sein. Dieses stieß bei den "Alt-Skins" natürlich auf Ablehnung, sie distanzierten sich wieder von den Sharps. Erst im Laufe der Zeit verschwand diese Modeerscheinung in der Bevölkerung und die Skinheads konnten ihr Lebensgefühl wieder unabhängig von einer politischen Modeerscheinung genießen.

Die Skinhead-Studie

Ein Problem der Jugendforschung besteht darin, dass zu der Jugendszene der Skinheads keine genaue Datenlage vorhanden ist. Dennoch ist die Jugendforschung bemüht Erklärungen und Stellungnahmen abzugeben, wenn beispielsweise eine neue Gewalttat die Öffentlichkeit erschüttert, die anscheinend aus dieser Szene heraus begangen wurde. Pädagoge Dieter Baake: "Jugendforschung gewinnt ihre Kategorien nicht aus vordefinierten Problemwahrnehmungen, sondern aus eigenem Umgang mit Jugendlichen, aus der Nähe der Erfahrung, und sie bezieht Sichtweisen von Jugendlichen mit ein." In Bezug auf die Thematik Skinheads scheint dies von vornherein gescheitert zu sein, wenn man von der Erfassung der Skins als Jugendkultur ausgeht. In den sozialwissenschaftlichen Beiträgen fand das Thema Skinheads zunächst keine Beachtung, später dann fast ausschließlich unter der Rubrik Rechtsextremismus und Gewalt. Dadurch, dass Forschung sich eben nur auf Teilbereiche der Szene erstreckte, ist zugleich ein bestimmtes Bild entstanden, das kaum mehr Raum für andere Sichten lässt.

1994/95 erstellten Klaus Farin und Hellmut Heitmann eine Studie über Skinheads. ( Erschienen im Buch "Die Skins", Autor Klaus Farin, Links Verlag 1997 ) Angesprochen waren explizit Skinheads und das gesamte Spektrum der Szene wurde einbezogen. Ziel war es, ein Bild der gesamten Szene zu erhalten. 1995 wurden 8000 Fragebögen verschickt und verteilt. Vorausgegangen war dem eine Vor-Ort-Präsenz, Gesprächen und Kontakten zu Meinungsführern, Fanzine-Machern, sowie zu Bands und Plattenvertrieben. Jedes Bundesland wurde einbezogen. Der Fragebogen bestand aus 14 Seiten und beinhaltete 69 Fragen. Fragen nach Gewalt wurden zurückhaltend angesprochen, um Suggestion und Provokation zu vermeiden. Um sichergehen zu können, dass die Befragten sich der Skinheadszene zurechneten, wurden zahlreiche Fragen zu besonderen Stilmerkmalen gestellt, die szene-intern einen hohen Bekanntheitsgrad und Bedeutungswert haben, für Außenstehende aber uninteressant und nicht zu beantworten gewesen wären. Bis Ende des Jahres kamen 406 ausgefüllte Fragebögen zurück, von denen viele zusätzliche Selbstdarstellungen, Fotos und Einladungen zu Feten beigelegt waren.

Regionale Verteilung

Ostdeutschland


Westdeutschland


(n=87, 22,1%)
( n=307; 77,9% )
Thüringen 10 Saarland 4
Meck-Pom 11 Bremen 12
Brandenburg 11 Hamburg 14
Ostberlin 15 Westberlin 18
Sachsenanhalt 15 Hessen 19
Sachsen 25 Rheinl.-Pfalz 20


Baden-Würt. 31


Bayern 40


Niedersachsen 41


Schl.-Holstein 48


NRW 64

Altersgruppen

15 Jahre und jünger     2,7%

16 - 18 Jahre           20,2%

19 - 21 Jahre           31,8%

22 - 24 Jahre           24,6%

25 Jahre und älter      20,6%

Die Verteilung entspricht der Grundgesamtheit der Altersgruppe der etwa 18 – 26jährigen in der BRD. Geschlechtszugehörigkeit:

12,7 % weiblich *

87,3 % männlich

* Scheinbar sind in der Szene zwei verschiedene Frauen"rollen" vorhanden. Zu einem gibt es die "Freundin von ...", deren Status in der Gruppe mit dem des Partners steigt oder fällt. Andererseits gibt es Frauen, die in der Szene "ihren Mann stehen". Das heißt, sie verhalten sich ebenso wie ihre männlichen Cliquenmitglieder. Anscheinend ist dies ein Mittel, um sich dem in der Gesellschaft herrschenden "Frauenideal" zu widersetzen, sich dagegen aufzulehnen. Erwähnenswert ist vielleicht, dass die Gruppenstukturen mit steigendem Alter gemischter werden, also Männer und Frauen gleichermaßen den Cliquen angehören. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass im jüngeren Alter die "Männlichkeit" und das dazugehörige Gebaren eine größere Rolle spielt.

Verweildauer in der Szene:

 
2-3 Jahre              32,8%

4-6 Jahre              35,4%

> 7 Jahre              27,7%

Da die Mehrheit der Teilnehmer über 25 Jahre alt ist, kann man hier davon ausgehen, dass es sich nicht nur um eine Protesthaltung handelt, die für jüngere Szenemitglieder vielleicht ausschlaggebend ist, sondern dass es hier um eine Form der Lebenseinstellung geht.

Schulabschluß

                             Umfrage           Datenreport 1995( 20 - 29 Jahre )

Hauptschule:                 23,1 %            30,4 %
Mittl.Reife oder
vergl. Abschluss:            50,5 %            26,6 %
polytechnische Oberschule                      12,2 %  
Abitur:                      24,9 %            29,7 %

Eine Annahme bezüglich der Skinheadszene ist hier widerlegt. Allgemein wird angenommen, dass es sich hier um Jugendliche handelt, die einen niedrigen oder keinen Schulabschluss besitzen. Wie der Vergleich zum Datenreport jedoch zeigt, gibt es fast keinen Unterschied zu der Gesamtheit der Altersgruppe in der BRD.

Beziehungen:

verheiratet:                    5,7 %
lose bis feste Beziehung:       57 %
Singles:                        36,3 %

Aufgeschlüsselt aus dem Alter ergeben sich für die höheren Altersgruppen vergleichsweise hohe Werte für das "Alleinsein". Eigene Kinder haben 8,4 % der Befragten.

Berufsstatus der Eltern:

Vater:                                         Mutter: 

Med. Bereich:                     18,1 %       Arbeiter/ Handwerk:         26,9 %
Soz. Dienstleistungen             17,1 %       Beamtin:                    10,1 %
Kaufmännischer Beruf:             15,3 %       Akademikerin:               8,5 %
Arbeiter/ Handwerker              14 %         soz. Dienstleistungen:      6,5 %
Beamter/ Büro:                    11,2 %       päd. Bereich:               3,9 %
Alle anderen:                     14,9 %

Hier ist zu bedenken, dass bei der Mutter - soweit aktuell nicht berufstätig - wahrscheinlich eher die Ausbildung, beim Vater die ausgeübte Berufstätigkeit genannt wird. Ebenso erscheint bei der Frage nach dem Status fraglich, ob der erlernte Beruf nicht auch genannt wird, wenn der betreffende Elternteil arbeitslos ist. Schade ist, dass bei der Frage nach den Eltern nicht weiter auf die Familiensituation eingegangen wird, beispielsweise wie hoch der Anteil der alleinerziehenden Eltern ist, da ein weiteres Merkmal angeblich die Herkunft aus zerrütteten Familien sein soll.

Verständnis von "Working class"

Eine Arbeit zu haben wird von den Teilnehmern der Umfrage als außerordentlich hoch bewertet, dabei geht es vor allem um körperliche Arbeit und selbstverantwortliches Tun. Anderen ( Staat, Eltern ) auf der Tasche zu liegen wird abgelehnt. Auffällig bei den Antworten ist die Ablehnung von Karriere, Status und Leitungsfunktionen. Sich selbst positionieren die Teilnehmer eher gesellschaftlich unten. Selbstbewusstsein scheinen die Befragten aus der positiven Besetzung von Arbeit, Einfachheit und Prinzipientreue zu ziehen. Zwischen Arbeit und Wochenende wird jedoch strikt unterschieden, das genussvolle Leben vollzieht sich am Wochenende. Als Querschnitt der Antworten: weder Bonze noch Spießer möchte man sein. Statt dessen will man einen "ehrlichen Job haben", weniger anspruchsvoll sein können, nicht vor Autoritäten kuschen und Spaß haben.

Finanzieller Lebensunterhalt:

Eigenes Einkommen           60,5 %
Eltern                      17 %
Ab und zu von Eltern        31,6 %
Nebenjobs                   31,6 %
Staatliche Hilfe             9,9 %

Gegenwärtiger Berufsstatus:

Schüler/ Azubi              42,1 %
Facharbeiter                18,6 %
Angestellter                9,8 %
Arbeitslos/
Umschulung                  9,3 %
Studenten                   7,3 %

Zufrieden mit ihrem Berufsstatus sind 62,3 % der Befragten, 37,7 % nicht. Dies entspricht der Gesamtbevölkerung

Was ist am wichtigsten am Beruf?

Zukunftssicherheit          93,5 %
Eigenständigkeit            88,6 %
Anderen helfen/
Nützlich sein               52,2 %
Karrierechancen             35,7 %
Über andere bestimmen
Können                       9 %

Eigene Zukunftseinschätzung:

Eher optimistisch          40,3 %
Eher pessimistisch         8,7 %
Weiß nicht                 41,3 %

In Bundesländer unterschieden, äußern sich in den neuen Bundesländern 45,7 % eher optimistisch gegenüber 39,3 % in den alten Bundesländern. Bei der pessimistischen Einstellung ist eine deutliche Zunahme mit wachsendem Alter erkennbar. Die 40 % mit einer unentschiedenen Meinung weisen jedoch auch auf eine Verunsicherung hin.

Freizeit

Konzertbesuche und "Musikhören" sind existentielle Inhalte und bestimmende Merkmale der Szene, "Saufen" gehört unweigerlich dazu. Skinhead sein ist kein privatistisches Gebaren. Es wird nach außen demonstriert. Gesucht sind augenscheinlich ( Gelegenheits- ) Strukturen zum Beieinandersein und "Fun haben".

Freizeitpartner: Cliquenzusammensetzung:

81,6 % Freund, Freundin, Clique 30,1 % Stinos ( Stinknormale ) 1,7 % Eltern und Verwandte 17,5 % nur Skinheads 10,3 % gehören keine Clique an 16,5 % Punks 5,2 % Hooligans

Freizeitaktivitäten:

38,8 %             Konzerte
38,2 %             Musik hören
35,9 %             Saufen
22,5 %             Clique
22,2 %             Parties
18,3 %             Kneipe
12,8 %             Lesen

66 % der Befragten beklagen sich zudem über fehlende Angebote in der Freizeit, 83,6 % davon in den neuen Bundesländern.

Politische Orientierungen:

63,3 % bekunden politisches Interesse, davon über 26 % ein großes Interesse. 13,8 % sind politisch aktiv in einer Partei, Bürgerinitiative oder Gewerkschaft. 47 % erklärten, sie seien "unpolitisch". Auf die Frage, was denn unpolitisch für sie sei, wurde ein starker Unwillen gegen Parteien und Politiker deutlich. "Unpolitisch ist einer, der sich von politischen Gruppierungen distanziert." "Unpolitisch heißt, eine eigene Meinung zu haben, sie aber nicht für die Politik einzusetzen". "Keiner Partei angehören, weder links noch rechts, aber deswegen noch lange nicht gesellschaftsunkritisch zu sein".

Bei der "Sonntagsfrage" ( Was würden Sie wählen, wenn nächsten Sonntag Wahlen wären?) der Umfrage erhielt die PDS einen Stimmenanteil von 23,9 %, rechtsextreme Parteien erhielten 25,8 % der Stimmen. ( CDU 5 %, SPD 20 %, Bündnis 90/ Grüne17 % ) Zu beachten ist allerdings, dass nur 209 Nennungen waren, bei 406 Fragebögen, was eine Wahlbeteiligung von knapp unter 50 % ergeben würde.

Einstellungen zu szene-internen Fraktionen:

                         eher positiv      eher negativ

SHARP                    45,6 %             36,4 %
Redskins                 14,9 %             60,5 %
Naziskins                18,2 %             69,1 %
Homosexuelle              9,3 %             49,3 %
Ausländer                13,1 %             32,9 %
Antifa/ Autonome          9,2 %             78,9 %

Deutlich werden hier die Polaritäten innerhalb der Szene. Überraschend die eher hohe Zustimmung zu den SHARP-Skins, während Redskins gleichzeitig eher abgelehnt werden. Dass fast 70 % Naziskins eher negativ bewerten, kann als Hinweis darauf angesehen werden, dass Extremgruppen mehrheitlich auf Ablehnung stoßen.

Gewalt:

Skinheads gleich gewalttätig und brutal. Das ist die meist vorherrschende allgemeine Meinung, wenn nach Gewalt in der Szene gefragt wird.

In der Umfrage sind:

  • 68,7 % der Meinung, dass es Situationen gibt, in denen einem nichts anderes übrig bleibt, als zu Gewalt zu greifen,
  • 2,7 % stimmen dem nicht zu
  • 30,4 % sind der Meinung, dass man durch Gewalt mehr Beachtung erhält ( 35 % Männer, 29,6 % Frauen )
  • 17,3 % meinen, dass Gewalt ein Mittel sein kann, im Leben zurechtzukommen ( stimmt teilweise meinen 40,2 % )
  • 46 % finden, dass Gewalt unter Jugendlichen normal sei ( 29,4 % Frauen )

Gewalt scheint für viele dazuzugehören, man scheint Erfahrungen gemacht zu haben und kennt entsprechende Situationen. In diese Richtung deutet auch, dass fast

  • 68 % sich in den letzten zwei Jahren mindestens zweimal geprügelt haben, ( darunter 37, 2 % Frauen )
  • 23,5 % öfter als fünfmal.

Im Hinblick auf die Altersstufen ergeben sich dabei kaum Unterschiede.

Gefragt nach den "Prügelpartnern" ergibt sich folgendes Bild:
  • 51,3 % normale Jugendliche
  • 35,9 % Linke und Autonome
  • 32,2 % Rechte
  • 34,6 % Ausländer
  • 12,8 % andere Skinheads
  • 2,1 % Polizei

Scheinbar finden die Auseinandersetzungen eher im szeneeigenen Bereich statt, allerdings ist die hohe Zahl der normalen Jugendlichen und Ausländer nicht zu unterschätzen.

Anlässe für Prügeleien und Gewalt ergibt sich laut Umfrage aus folgenden Anlässen:

  • 47,5 % Provokation
  • 27,7 % Alkohol
  • 18,6 % eigenes Aussehen, Vorurteile anderer
  • 17,7 % Angriff auf die Clique
  • 12,1 % Meinungsverschiedenheiten
  • 6,2 % Hass auf andere / Andersaussehende ( 2,4 % sind Ausländer )

Als Fazit zu dem Thema Gewalt könnte man sagen, dass einige wenige durch Übergriffe auf Ausländer zu dem negativen Image beigetragen haben, dass in der Öffentlichkeit herrscht. Allerdings lässt sich nicht verleugnen, dass in der Szene insgesamt ein hohes Gewaltpotential steckt.

Fazit der Studie

Jugendliche und Jungerwachsene innerhalb der Skinheadszene entsprechen bei weitem nicht dem vorherrschenden Bild einer marginalisierten Gruppe. Es handelt sich insgesamt bei Skinheads um eine sehr ambivalente, flexible und differenzierte, aber auch erheblich "normalere" Jugendkultur, als ihr Ruf vermuten lässt. Skinheads entstammen weder einer Armutspopulation, noch leiden sie an herausragenden Bildungsdefiziten. Feste, in sich geschlossene Gruppen scheinen eher selten zu sein, reine Skinheadcliquen gibt es vergleichsweise wenige. Stilmerkmale mischen sich. Offensichtlich ist eine starke Orientierung auf Freizeit, Nachtleben und Veranstaltungen. Der Skinheadstil hält für verschiedene Generationen jeweils spezifisches bereit. An ihm lässt sich unterschiedlich partizipieren. Womöglich was und ist er für Jüngere eher eine Protest-, aber auch Stilfrage mit starker Freizeitorientierung, für Ältere dagegen eher eine Form der Lebenseinstellung. Deutlich sind die Polarisationen zwischen "links" und "rechts". Der größte Teil der Skinheadszene verweigert sich aber bewusst einer politischen Instrumentalisierung, votiert, bezogen auf Wahlen, - und das dürfte überraschend sein und noch einmal die Bandbreite innerhalb der Szene verdeutlichen- für Parteien im linken Spektrum. Sehr viele enthalten sich hier, ein Viertel formuliert deutliche Sympathien für das rechtsextreme Feld. Die Verunsicherungen in bezug auf die Zukunft sind vergleichsweise groß, Ausbildung und Beruf sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Möglich ist, dass Dequalifizierungs- und Marginalisierungserfahrungen gewissermaßen schon vorweggenommen werden – und vielleicht kommt hier auch der Skinheadkultur die Rolle eines „Puffers“ zu. Das Thema Gewalt ist ohne Zweifel in der Szene virulent. Es liegt vergleichsweise viel "Prügel"-Erfahrung vor, hauptsächlich aber wohl mit rivalisierenden Szenen im Umfeld. Man weiß um seine öffentliche Wirkung, und Provokationen geht man vermutlich nicht aus dem Weg. Allerdings ist Gewaltbereitschaft kaum das bestimmende Moment, Mitglied der Szene zu sein - ebensowenig wie politische Beweggründe. Die große Wertschätzung von Konzertbesuchen, Musik, von Freunden und Partys verweist auf das hohe Interesse an Freizeitzusammenhängen, Gelegenheitsstrukturen, Gruppenaktivitäten und Inszenierungen mit einer Vielzahl hedonistischer Elemente - und das mit einer gehörigen Portion Alkohol. Skinheads sind keineswegs die trotzig und in sich geschlossene homogene Jugendszene. Ein Skinhead sein, vielleicht bedeutet das bei aller Ambivalenz auch eine Art "jugendkulturelle" Selbsthilfe, die für schwierige Lebenssituationen wappnet oder Krisenerfahrung quasi vorwegnimmt.

Skinheads und ihre Rolle in den Medien

Bei der Frage nach dem äußeren Erscheinungsbild der Skinheads wird die Ambivalenz der eigentlichen Intention dieser Jugendkultur und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft im Zusammenspiel mit den Medien deutlich. Einerseits die Auflehnung gegen das Establishment in Form von Mode, Artikulation, Gebärden und der ursprünglichen unpolitischen Haltung, andererseits die Polarisierung an den äußersten rechten Flügel der politischen Kultur durch zum Teil gerechtfertigte, oftmals aber auch einseitige und panikerzeugende Berichterstattungen der Zeitungen und des Fernsehens.

Wie ja bereits in der Geschichte der Skinheads deutlich wurde, ist diese Jugendkultur weder ideologischer Wegbereiter fremdenfeindlichen Verhaltens, noch zählt sie mehrheitlich neonazistische oder faschistische Mitglieder in ihren Reihen. Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß vor allem in den achtziger Jahren Nazigrößen wie Michael Kühnen versuchten, Skinheads in die Aktionsfront Nationaler Sozialisten zu rekrutieren. Er orderte seine Leute gezielt in Fußballstadien und zu anderen Treffpunkten der Skinheadszene, um mit populistischen Themen wie die Abneigung gegen Ausländer, Arbeitslosigkeit, Drogendealer und die Wertezerstörung durch linke Elemente tatkräftige Mitstreiter zu gewinnen. Somit wird deutlich, daß nicht die Skinheadszene an sich rechtsradikal war, sondern ihr äußeres Erscheinungsbild von den Nazis übernommen wurde, denn "mit den Urskins ( nicht rassistisch, working class, anti - politisch ) hatte die neue, dritte Generation der Skinheads nur wenig mehr als die Äußerlichkeit gemeinsam". Dieses Phänomen ist in vielen europäischen Ländern zu beobachten.

In den achtziger Jahren war weder das öffentliche noch das staatliche Interesse ausgeprägt, sich mit dieser Subkultur auseinanderzusetzen. Dies belegt auch eine Übersicht des Verfassungsschutzes, wonach zu dieser Zeit die Skinheadszene nicht von vornherein dem Rechtsradikalismus zugeordnet wurde. Erst mit dem Zusammenbruch der DDR und den Progromen in Rostock und Hoyerswerda nahm das Interesse an einer neuen Terrorbewegung zu, die einerseits dem Verfassungsschutz eine weitere bzw. letzte Existenzberechtigung ermöglichte ( dieser ordnete 1992 ca. 75% der Szene den Neonazis zu ), andererseits für die Politik und die Medien eine gute Gelegenheit darstellte, eigene radikale Äußerungen zu überspielen und sämtliche Ausländerfeindlichkeit den Skinheads zuzuschieben. Hierüber gibt es zum einen eine Aussage des ehemaligen Präsidenten des BKA Zachert in der Frankfurter Allgemeinen vom 16.6.93, zum anderen einen Kommentar über die Grundlage der Fremdenfeindlichkeit durch den Innenminister Nordrhein-Westfalens Schnoor in der Frankfurter Rundschau vom 07.01.92 . ( siehe Anlage )

Es ist unbestritten, daß "Teile der Szene an rassistisch motivierten Übergriffen und anderen schweren Gewalttaten beteiligt" sind , nur muß in dieser Hinsicht auch der Politik und den Medien eine Mitschuld gegeben werden, die tagtäglich der Bevölkerung Sündenböcke für soziale Mißstände liefern und selbst über "Rückkehrprämien" und "das Boot ist voll" lamentieren. Ich halte es für sehr bedenklich, daß mittlerweile fast alle militanten Neonazis als Skinheads bezeichnet werden und somit ein Bild vermittelt wird, das mit der Szene nichts mehr zu tun hat. So schreibt der Verfassungsschutz, daß sich extremer Kurzhaarschnitt, Tätowierungen, Jeans, Hosenträger, Doc-Martens Stiefel, Bomberjacke und T-Shirt nicht mehr zum zwingenden Outfit der Skinheads zählt. Aus taktischen Gründen passen sich viele Skinheads zunehmend dem äußeren Erscheinungsbild von Normalbürgern an. Dies halte ich für einen Widerspruch, da sich die Szene dadurch ja selber verleugnen würde, was wiederum nicht ihrem Selbstbild entspricht.

Für die Medien sind martialisch gekleidete Jugendliche eine gute Basis, um sich mit der zeit- und arbeitsaufwendigen Analyse des Alltagsrassismus nicht auseinandersetzen zu müssen. So war ich nach den Terrornächten von Rostock weniger über die aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Nazis ( darunter waren viele Nazi-Skins aber auch gut bürgerlich gekleidete Menschen ) , als über die Akzeptanz von etwa 3000 anwesenden Bürgern erschrocken, die voller Begeisterung das Treiben der "kahlrasierten Monster" mit Applaus und aufmunternden Zurufen begleiteten. Ohne Zweifel waren Skinheads in Einzelfällen zu sehen, dafür aber auch viele Normalbürger und Normaljugendliche. Diese Vorfälle werden in einem Artikel der Hamburger taz vom 25.08.92 eindrucksvoll beschrieben. ( siehe Anlage )

Gleich ob ein Familienvater über die neuesten Wehrsportübungen informiert ist und ganze Waffensammlungen im Schrank hat, egal, ob rassistische Übergriffe in Polizeiwachen nachgewiesen sind, selbst offensichtliche und eindeutig rechts anzusiedelnde Äußerungen namhafter Innenminister täuschen nicht darüber hinweg, daß für die Medien und die große Masse der Bevölkerung die Gruppe der Skinheads der Inbegriff für Ausländerfeindlichkeit und Hetzte ist.

Es ist ja auch nur zu logisch, daß in einer von Quoten abhängigen Medienwelt, die auf Action und brennende Barrikaden setzt, ein Skinhead, der sich für die Aufrechterhaltung des Artikel 16 bekennt eher uninteressant wirkt, und davon abgesehen natürlich nicht dem zu vermittelnden Klischee entspricht. ( siehe Ablichtung ) Ganz im Gegenteil konnte man im stern lesen :" Rechte Jugendliche machen sich über ein Plakat der Asyl-Befürworter lustig".

In diesem Zusammenhang gibt es eine Vielzahl von Zeitungsartikeln, die über Grausamkeiten der Skinheads berichteten, deren Aufklärung im Nachhinein jedoch zu gänzlich anderen Gruppen führte. So hatte ich in der Pressedokumentation des HWWA ( Hamburger Weltwirtschaftsarchiv ) Einblick in ca. 500 Zeitungsartikel, die im Zeitraum von 1991-1993 zum Thema Rechtsradikalismus erschienen. Ein Großteil dieser Artikel setzte von vornherein rassistisch motivierte Gewalttaten mit der Skinheadszene gleich, wodurch es zu einem Wechselspiel zwischen Medienmachern und Mediennutzern kommt. Die einen wollen durch Sensation, eindeutige Schuldzuweisung und Dämonisierung Quote machen und Leser ansprechen, die anderen können durch das eben genannte ihre individuelle Schuld abladen und sich so auch aus der Verantwortung stehlen. Auf diese Weise wird das Problem des Alltagsrassismus jedoch marginalisiert.

Bei der Recherche zu diesem Thema stieß ich vor allem auf zwei Autoren, die sich ausführlich mit der Subkultur der Skinheads auseinandergesetzt haben. Mir fiel auf, daß sie in ihren Büchern erkennbare Sympathie und Verständnis für diese Gruppe zeigen, dabei aber die klaren Tendenzen innerhalb der Szene hin zum rechten politischen Rand nicht deutlich machen . So schätzten sich in einer Umfrage von 1992 41 % der befragten Skinheads als rechts ein, grenzten sich aber von den Nazi-Skins ab. Hierbei wird deutlich, daß es eine konkrete Trennung zwischen konservativ, rechts, rechtsradikal und schließlich nationalsozialistisch nicht gibt. Behauptet so zum Beispiel ein Skin von sich patriotisch und kameradschaftlich zu sein, wird er sicherlich als rechts stigmatisiert. Singen die "Böhsen Onkelz" von Deutschland, Stolz und Türken raus, so landen diese Platten definitiv auf dem Index. Geht jedoch ein Politiker mit den Worten "Kinder statt Inder" in einen Wahlkampf, so reicht es, abgesehen von einer kurzen Phase des Echauffierens immer noch zu fast 40% Wählerstimmen und der Politiker muß sich in der Regel nicht als Nazi in der Öffentlichkeit abstempeln lassen. Ich sehe hierin eine große Gefahr, denn aufgrund der fremdenfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft und der gleichzeitigen Leugnung dieser Tatsache durch die Medien und durch Personen der Öffentlichkeit, finden die Skinheads einen immer größeren Zulauf von rechten Jugendlichen, die dort ihren politischen Extremismus ausleben können, einer der Gewalt nicht unbedingt abgeneigten Gruppe angehören und mit Sicherheit von vielen Kameras begleitet werden. Dieses ist insbesondere in Ostdeutschland der Fall, wo sich mittlerweile fast alle Skins zum rechten Spektrum zählen. Hier finden sie dann ihre "Streetgangversion der Debatten in Parlamenten und Medien".

Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß es

  1. definitiv rassistisch und ideologisch begründete Straftaten innerhalb der Szene gibt
  2. die Szene an sich durch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit eine Mitschuld an ihrem Image trägt
  3. in den letzten Jahren eine gezielte Unterwanderung der Szene durch Rechtsradikale stattgefunden hat und sich im Hinblick darauf auch mehr Skinheads zum nationalsozialistischen Gedankengut hingezogen fühlen

Trotzdem halte ich die Stigmatisierung und Kriminalisierung einer gesamten Jugendkultur für überzogen und unangebracht, da diese Meinungsbilder im Grunde weder recherchiert wurden noch im Zusammenhang mit der Geschichte der Skinheads stehen. Ich halte einen differenzierteren Blickwinkel für Menschen mit einem entsprechenden Äußeren für angebracht, da dieses ja auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen gefordert und praktiziert wird und desweiteren sollte vor jeder Berichterstattung eine Prüfung der tatsächlichen Hintergründe stattfinden. Das heißt für mich, Nazis nicht von Grund auf mit Skinheads gleichzusetzten, Skinheads mit rechtsradikalem Gedankengut aber beim Namen zu nennen, nämlich Naziskins oder ähnlich.

Aufgrund der zahlenmäßigen Zunahme der Nazi-Skins und der mittlerweile fast fließenden Grenzen innerhalb der Szene wird eine zukünftige Differenzierung aber nicht erleichtert.

Skinheads im Internet

Betrachtet man den zur Zeit stattfindenden Kampf um die besten und imprägnantesten Internet-Adressen (zur Zeit werden täglich mehr als 2000 Adressen mit dem Kürzel ".de" patentiert bzw. angemeldet), so ergibt sich folgendes Ergebnis :

Ca. ein Drittel der einschlägigen Seiten ist durch Neonazis belegt, ein Drittel durch kommerzielle Anbieter, die lediglich Aufmerksamkeit erregen wollen, und etwa ein Drittel tatsächlich von der reinen, ursprünglichen und unpolitischen Skinhead Bewegung :

http://www.skinheads.de/ : "K.d.F."- Kult durch Freude Bestellmöglichkeit, rechter Inhalt, unergiebig

http://www.skinheads.net/ : Eine unpolitische nicht rassistische US-page mit vielen ebensolchen links und guter Darstellung der Bewegung und geschichtlichem Abriss.

http://www.skinheads.com/ : (sorry, der Rechner im PI kam den technisch verlangten Anforderungen nicht nach !) ?

http://www.skinheads.org/ : Eine Privatseite die wie so oft noch nicht fertiggestellt ist, kein Skinhead - Bezug

http://www.skinheads.co.uk/ : Die (Werbe?-) Firma "FRIOLA" bietet kostenlose e-mails an : wunschname@skinheads.co.uk. Reiner Kommerz.

http://www.oi-skinheads.de/ : Eine frisch-freie Darstellung ursprünglicher, deutlich nicht nazi-belasteter Seiten mit einigen Links

Ein Blick des Verfassungsschutzes (http://www.verfassungsschutz.de/) auf das rechte Spektrum zählt weltweit 320 deutsche Seiten. Da das deutsche Recht jedoch nur für Server in Deutschland gilt, werden vermehrt verfassungsfeindliche Inhalte von ausländischen Servern aus straffrei ins Netz gespeist. Der Verfassungsschutz warnt berechtigt vor rechter Gefahr, jedoch ohne zwischen Skinheads und Nazis zu differenzieren. Auf der Seite über Rechtsradikalismus prangt plakativ ein Glatzkopf.

An der Universität Wien gab es im Sommer 1997 ein Seminar mit dem Titel :"Rechtsradikalismus und Rassismus im Internet ( www.univie.ac.at/Politikwissenschaft-Sowi/Forschung/rass.htm ) statt. Die gut recherchierten Ergebnisse sind in die gefundenen rechtsradikalen und rassistischen Gruppen aufgegliedert worden, wobei die Skinheads eine der fünf betrachteten Gruppen darstellen. Diese Skinheads werden nur unter dem Gesichtspunkt Rechtsradikalimus und Rassismus untersucht und in elf Untergruppen gegliedert. Dort werden die gefundenen Internetseiten in einem genormten einheitlichen Katalog systematisch analysiert. Die Tatsache, daß nicht alle Skinheads rechtsradikal und rassistisch sind wird nicht erwähnt.

Besonders kritisch wird dort vor dem elektronischem Herzstück von Rassismus und Rechtsradikalismus im Internet, dem Thulenet (www.thulenet.com ) und seinem Gefahrenpotential gewarnt. Es ist in der Tat eine riesige Seite mit vielen internationalen Links, News-ticker, einer Rubrik : "Strafbares", Aufrufen zu Demonstrationen und Gewalttaten, sowie schwarzen Listen, auf denen politische Gegner für vogelfrei erklärt werden.

Weitere Seiten, die über Skinheads berichten :

http://users.powernet.co.uk/orion/sperm.htm : Eine britische oberflächliche Seite mit dem Versuch Licht in die Verwirrung um mögliche politische Färbungsvarianten der Skinheads zu bringen.

http://www.skinheads.net/papaskin/main1/main1.html : Eine informative US-Seite über Skins mit Euro-Roots

Fazit : In dem weltweiten Netz mit der Möglichkeit zur kostengünstigen Selbstdarstellung haben sich die Vertreter der "unpolitischen" Skinhead-Bewegung mit Herz eine nicht unbeträchtliche Position erkämpft. Es gibt sie, man kann sich über sie informieren, und sie sind genervt, immer wieder ihre nicht-rassistische Einstellung beweisen und erklären zu müssen. Kein Wunder, wenn niemand sie beachtet oder erwähnt. Der Verfassungsschutz nicht, Rassismus- Wissenschaftler nicht, und die Medien schon gar nicht. Kein Wunder, daß der Normalbürger so Skinheads immer mit Nazis gleichsetzt. Das wird dann wohl auch immer so bleiben. 

Editorische Anmerkungen:

Der Text ist eine Spiegelung von
http://www.joergfischer.biz/Skinheads.htm