"Aufbrechen!" & Gruppe Internationaler SozialistInnen
Gegen den geplanten Krieg am Golf:
NO WAR BUT THE CLASS WAR!
Gegen imperialistischen Krieg und Frieden
11/02
 
 
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Hunderttausende sind allein in den USA und Westeuropa in den letzten Wochen auf die Straße gegangen, um gegen einen drohenden Krieg zu demonstrieren. Der geplante Überfall der USA auf den Irak wird anders wahrgenommen, als der Krieg gegen Afghanistan. Die Anschläge auf das World-Trade-Center können nicht mehr als unmittelbare Legitimation herhalten. Es ist offensichtlich, daß die Fragen von Terrorunterstützung und Abrüstungsinspektionen nur Vorwände für das erklärte Ziel der USA sind: Das Hussein-Regime zu stürzen und ein Protektorat zu errichten, über dessen genaues Aussehen schon heftig spekuliert wird. Allerdings regt sich bei vielen Staaten vor allem auch Europas zunehmend Widerstand gegen die US-Kriegspläne, wie die UNO-Resolutionen, die einer Legitimation des Krieges Absagen erteilten, beweisen. Dies ist weniger dem Nachgeben gegenüber der zunehmenden Antikriegsstimmung geschuldet, als vielmehr dem Aufbrechen der Interessenunterschiede in der sog. Antiterrorkoalition. Rot-Grün gewann die Bundestagswahl u.a. durch ihre erklärte Ablehnung einer deutschen Kriegsbeteiligung und empfahl sich damit weiterhin als Sachwalter eines immer offensiveren deutschen und europäischen Imperialismus. Die Kriegstreiber präsentieren sich wieder als Friedensapostel und die Friedensbewegung macht mit, wenn sie fordert "die Regierung beim Wort" zu nehmen (Demoaufruf für den 26.10.) und dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung "alles tut, den drohenden Krieg zu verhindern". (Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft Blach im JW-Interview v. 23.10.)

Die imperialistischen Ursachen des Krieges

Die Anschläge des 11.September wurden vor allem von den USA zur Ursache der sog. weltwirtschaftlichen Verwerfungen verklärt, für eine nationalistische Mobilisierung benutzt und als Anlaß für einen langwierigen Krieg genommen. Konnten die USA vor dem Hintergrund des 11. September und der von allen geteilten Einsicht in die Notwendigkeit der Erschließung neuer Ölquellen die anderen imperialistischen Staaten bei ihrem Krieg gegen Afghanistan ins Schlepptau nehmen, brechen in der Frage eines erneuten Golfkrieges die Rivalitäten zwischen den Großmächten voll auf. Es geht dabei nicht nur um verschiedene Konzepte imperialistischer Herrschaft in einer geostrategisch wichtigen Region. Diese hat die graue Eminenz der US-Aussenpolitik Brzezinski als "Schachbrett, auf dem der Kampf um die globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird" bezeichnet (in seinem Buch "Die einzige Weltmacht"). Es geht um gegensätzliche Interessen. Und zwar darum, wer die Hand auf dem Ölhahn hat. Öl ist nicht nur der letzte nicht synthetisch ersetzbare Rohstoff, sondern durch seine zentrale Rolle in der Energiegewinnung geradezu das Schmiermittel der kapitalistischen Wirtschaft. Insofern entspricht ein niedriger Rohölpreis den Akkumulationsbedingungen des Kapitals, um die Profitrate hoch und die Reproduktionskosten des Proletariats in den Industrieländern niedrig zu halten. Wichtiger als ein kurzfristig niedriger Ölpreis, dessen kriegsbedingtes Steigen für die über kaum Reserven verfügenden europäischen Mächte eher ein Problem darstellt als für die US-Ökonomie, scheint in Washington dabei die langfristige und direkte Sicherung der mit Abstand zweitgrößten Erdölreserven der Welt erörtert zu werden. Und dies umso dringlicher, als den USA durch das Schwanken ihres langjährigen Verbündeten Saudi-Arabien der Verlust ihres strategischen Vorteils droht. Denn gerade die Krise und Verschuldung des saudischen Sozialstaats, der weiten Teilen seines Staatsvolkes auf Kosten vor allem palästinensischer Arbeitsmigranten ein fast sorgen- und arbeitsloses Leben ermöglichte, haben seit 1999 zu einem von Saudi-Arabien initiierten Anstieg des Ölpreises geführt. Daneben liegt hier auch der Schlüssel zum Verständnis der politischen Destabilisierung des Nahen Ostens. Denn die Krise war auch Auslöser der Aufkündigung der Freundschaft zu den USA seitens Teilen der arabischen Elite und somit des Aufkommens des Islamismus als Ideologie eines zu schaffenden panarabischen imperialistischen Blocks (vgl. dazu das wildcat-zirkular Nr. 61 und dessen Beilage). Daß auch bin Laden und die meisten seiner Glaubenskrieger aus Saudi-Arabien kommen, ist da sicher mehr als Zufall. Vor diesem Hintergrund rücken die Ölreserven des Irak zunehmend wieder in das Blickfeld der US-Administration, die ja geradezu als Lobby der amerikanischen Ölindustrie gilt. Denn während die USA über keinerlei diplomatische oder wirtschaftliche Verbindungen zum Hussein-Regime mehr verfügen, wenn auch über Umwege natürlich weiterhin Öl aus dem Irak importieren, haben vor allem Russland und Frankreich gerade ihre Verbindungen weiter ausgebaut. Es sind auch diese beiden Staaten, die am schärfsten gegen Bushs Kriegspläne vorgehen und weiteren Widerstand in den UNO-Gremien ankündigen (vgl. Tagesspiegel v. 23.10.2002). Und Deutschland nicht zu vergessen, das als europäische Führungsmacht vor allem daran interessiert ist, die überlegene amerikanische Kriegsmaschinerie über die UNO zu zügeln und US-Protektorate zu verhindern. Stefan Frank hat in der konkret 11/2002 herausgearbeitet, dass gerade die drei Länder mit dem schärfsten Kriegskurs, die USA, Großbritannien und Italien, diejenigen sind, deren Verbindungen in den Irak gekappt wurden. Es sind also die Kräfteverhältnisse innerhalb der imperialistischen Konkurrenz, die über Krieg und Frieden entscheiden. Es darf aber nicht übersehen werden, dass
die Friedensengel von heute die Kriegstreiber von morgen sein werden, wenn sich die Konstellationen in dieser oder anderen Regionen der Welt andersherum darstellen. Fast unnötig zu sagen, daß der Kampf um Machterhalt und Ölpreiskontrolle am Golf nicht nur auf Kosten des arabischen Erdölproletariats, das die Bomben am eigenen Leib zu spüren kriegen wird, geht, sondern sich auch gegen die amerikanische Arbeiterklasse richtet. So wurde z.B. vor zwei Wochen der große Hafenarbeiterstreik an der Westküste der USA aus Gründen "nationalen Interesses" per Präsidentenerlaß für 80 Tage ausgesetzt. Er war nach einer großangelegten Aussperrung, welche sich gegen die Macht der Gewerkschaften richtete, ausgebrochen. Die Dimension des Streiks wird an folgenden Zahlen deutlich: Über 200 Schiffe warteten vor der Westküste auf Abfertigung, der direkte Schaden wurde auf bis zu 2 Milliarden US-Dollar täglich geschätzt. Außerdem hätte vor dem Hintergrund allgemeiner sozialer Angriffe hier eine soziale Dynamik entstehen können, die den Kriegsplänen der USA gefährlich geworden wäre.

Die Linke in den Fängen der Kriegsideologie

a) antiamerikanischer Antiimperialismus und Pazifismus auf deutscher/europäischer Seite

Es wird immer deutlicher, daß die Erklärungen des Antiterrorkrieges, für Freiheit, Demokratie und Zivilisation nur die Propagandaphrasen des imperialistischen Krieges sind. Genauso wie hinter dem diplomatischen Geplänkel im Sicherheitsrat um UN-Resolutionen und Mandate handfeste imperialistische Interessengegensätze stecken. Auch die neu entstehende Antikriegsbewegung bewegt sich weitgehend auf der Ebene dieser ideologischen Verschleierungen, anstatt sie zu demaskieren. Es wird für die Herrschenden dann allerdings ein Einfaches sein, die Empörung gegen den Krieg für ihre Politik zu mobilisieren und im innerimperialistischen Konkurrenzkampf zu instrumentalisieren. Der Drang der nur moralisch argumentierenden Linken, sich immer auf eine Seite schlagen zu müssen, um damit eine imaginäre Relevanz im imperialistischen Konflikt zu erhalten, verhindert die Entwicklung einer internationalistischen Position, die allein eine revolutionäre Perspektive aufstoßen kann. So wird in einem von autonom-kommunistischen Gruppen bis zu PDS-Kreisverbänden unterschriebenen Aufruf dem Irak ein "im Völkerrecht verankertes Recht auf Selbstverteidigung" bescheinigt und unter Ignorierung jeglicher sozialökonomischer Realität behauptet: "Demokratische Alternativen im Irak werden erst dann eine Chance haben, wenn die Sanktionen aufgehoben und der Krieg und die sonstigen Formen der imperialistischen Intervention gegen das Land beendet sind". Da wollen sie so radikal und antikapitalistisch sein und verbleiben kläglich im ideologischen Rahmen von Empfehlungen an Recht und Staat, was zu ihren Idealen von nationaler statt sozialer Befreiung auch ganz gut passt! Ganz davon abgesehen, daß die Demokratie die adäquate Form der politischen Verwaltung von Warengesellschaft und Ausbeutung darstellt und damit keinen Gegensatz sondern die Ergänzung imperialistischer Herrschaft ist. Während der eine Teil der Linken die angeschlagene und bedrohte kapitalistische Regionalmacht Irak gegen "Bushs Krieg" verteidigen will und einige dabei sogar bereit sind mit islamischen Reaktionären zusammenzuarbeiten (Linksruck/SWP zur Antikriegsdemo in London: "Einige Leute wollten, daß das Bündnis arabische Selbstmordanschläge ablehnt. Wir haben das Verhindert. Eine solche Forderung hätte das Bündnis gespalten"), greift der andere Teil dieser Linken ebensolche ideologischen Muster auf, um gleich Partei für die größte Kriegsmacht zu ergreifen:

b) "Antideutsche wünschen den USA viel Glück" (Flugblatt s.u.)

Daß Linke und vermeintliche Kommunisten mit Nationalfahnen aufmarschieren, hat eine lange und unsägliche Tradition. Das Ersetzen des internationalen Klassenkampfes durch nationale Kriege führte die Arbeiterklasse schon häufiger auf die Gleise des imperialistischen Krieges. Daß allerdings 57 Jahre nach dem Ende des 2.Weltkrieges wieder Linke die Fahne einer kriegstreibenden imperialistischen Macht schwenken und damit auch noch eine kommunistische Perspektive herbeiphantasieren, verwundert schon. Wie schon beim historischen Antifaschismus, der die weltweite kapitalistische Krise als Ursache des Krieges ignorierte und der Arbeiterklasse das Bündnis mit der Bourgeoisie für die Demokratie verordnete und der den Antideutschen heute als historisches Vorbild gilt, wird ein von den sozialökonomischen Verhältnissen abstrahierender moralisierender Widerspruch zwischen Barbarei und Zivilisation aufgemacht. Als Prüfstein gilt diesmal nicht wie noch bei Thälmann das Verhältnis zu Stalins sowjetischem Imperialismus, sondern das zu Israel. Der konkrete kapitalistische Charakter des israelischen Staates wird ignoriert, seine rassistische Politik antifaschistisch verklärt: "Wenn Israels Existenz scheitern würde, dann hat die kapitalistische Barbarei in Form des Antisemitismus jenen Schutzwall überwunden." (Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig, 23.09.02) Nicht die tagtägliche kapitalistische Barbarei von Ausbeutung und Unterdrückung, von staatlicher Ausgrenzung, rassistischer Stigmatisierung und Verfolgung als Ergebnis der warengesellschaftlichen Zivilisation wird von diesen Israel-verliebten "Kommunisten" angegriffen, sondern sie wird als kleineres Übel gegen den ideologisch konstruierten anti-zivilisatorischen Hauptfeind verteidigt: "Solange in den USA in der Haupttendenz eine Barbarisierung nicht auszumachen ist und die USA zur Zielsetzung eine bessere Kapitalakkumulation hat, kann man sich bei der Anwendung ihrer Mittel gewahr sein, daß diese nicht als Zweck die Vernichtung von Menschen haben." (ebenda) Und weiter: "Wenn ein Krieg notwendig ist, um die faschistischen Pläne des Iraks zu stoppen, dann werden wir nicht dagegen sein." (ebenda) Auch die antideutschen Kommunisten, die sich mit zusammenhangslosen Marx-Zitaten gegen die "deutschen Zustände" drapieren, wollen so radikal sein und merken nicht, daß die Argumentationsmuster ihrer Kriegsideologie schon von den Sozialchauvinisten der 2. Internationale gebraucht wurden. Schon 1914 leugnete die Sozialdemokratie den imperialistischen Charakter des Weltkrieges und hob den anti-zivilisatorischen Charakter des russischen Zarismus hervor. Auch sie kramten alte Engels-Zitate über die "geschichtslosen Völker" des Ostens aus, um ein "Vaterland zu verteidigen".

Die internationalistische Position des Kommunismus

Gegen die nationalistischen Verirrungen der 1914 implodierten Arbeiter-Internationale setzten die Revolutionäre damals ihre internationalistische Position: Die Linksradikalen verschiedener Länder unter ihnen auch die Bolschewiki, welche in einer unüberwindlich scheinenden Situation des Kriegstaumels nicht nur die Beendigung des Krieges forderten, sondern aktiv für die Niederlage der eigenen Bourgeoisie und die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg eintraten. Ihr Erfolg war die Beendigung des Weltkrieges durch eine Welle von proletarischen Aufständen, unter ihnen vor allem die russische Oktoberrevolution vor 85 Jahren. Auch wenn die internationale Isolierung dieser Revolution dazu führte, daß in Russland der Kapitalismus nicht überwunden werden konnte, bleibt sie trotzdem ein lehrreiches Beispiel für eine revolutionäre Perspektive aus dem Dreck des imperialistischen Krieges und der linken Realpolitik.

"Aufbrechen!" & Gruppe Internationaler SozialistInnen (im Oktober 02)

Veranstaltung:
Weder Antiimp noch Antideutsch
Für eine internationalistische Antikriegsposition.

Freitag, den 29. November 2002 um 19 Uhr im Blauen Salon
des Mehringhofes, Gneisenaustr. 2a, Berlin-Kreuzberg

Veranstalter: "Aufbrechen!", Gruppe Internationaler SozialistInnen
Unterstützer: Bündnis antiparlamentarische Linke

Editorischer Hinweis

Am 1.11. 2002 erhielten wir von der GUS den obigen Text mit der Bitte um Verbreitung.

Gruppe Internationaler SozialistInnen (GIS)
gruppe-inter-soz@gmx.net
www.gis.here.de