Sexismus? Sex is must? Hat das etwas mit Sex zu tun?
Oder wo bitte geht´s hier zur Emanzipation?
über die Mechanismen des patriarchalen Gesellschaftssystems
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Wir begegnen dem Sexismus praktisch überall, er durchzieht alle Bereiche unseres Lebens: Politik, Wirtschaft, die Medien, vom Arbeitsplatz über Liebesbeziehungen bis hin zu politischen Gruppen ist er überall anzutreffen. Doch was ist es, das uns so offensichtlich penetrant begegnet, oder subtil und selbstverständlich sein kann, so dass es kaum wahrnehmbar ist für die meisten Menschen? Das so oft thematisiert wird und trotzdem immer wieder aktuell und omnipräsent ist? Die patriarchale Unterdrückung ist in ihrer Komplexität wohl kaum zu übertreffen, so durchdringt sie unsere gesamte Lebensweise, unsere Wertvorstellungen, und wird trotzdem - oder wohl eher gerade deshalb - meistens gar nicht als solche wahrgenommen. Ich versuche nun im Folgenden, etwas Licht ins Dunkel der ältesten Unterdrückungsform der Menschheit zu bringen. Zu diesem Zweck hab' ich die Thematik in "geschlechtsspezifische Rollenverteilung", "Gewalt gegen Frauen" und "Sexismus in Politik & Wirtschaft" aufgeteilt, und mich darauf beschränkt.

Zu Beginn müssen wir aber definieren, was Sexismus oder Patriarchat überhaupt bedeutet. Per Definition ist Sexismus die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere des weiblichen. Es handelt sich dabei v.a. um eine institutionalisierte, nichtpersönliche Diskriminierung, die sich gegen alle Frauen wendet. Der Begriff Sexismus ist von Rassismus abgeleitet.

Patriarchat wird laut Bedeutungswörterbuch als "Gesellschaftsordnung, in welcher der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat und in der die männliche Linie bei Erbfolge und sozialer Stellung ausschlaggebend ist." definiert. Diese Gesellschaftsform ergibt sich aus der Überzeugung, dass der Vater Schöpfer ist und Ursprung, und somit auch die politische und soziale Macht hat.

Für unsere Gesellschaft bedeutet es, dass Frauen institutionell benachteiligt werden (juristisch, wirtschaftlich, politisch). Den Boden für diese reelle Unterdrückung bilden die gesellschaftliche Benachteiligung, die geschlechtsspezifische Rollenverteilung und die sexistischen Werthaltungen in der Gesellschaft. Sexismus ist demnach "bloss" ein Instrument, dessen sich das Patriarchat bedient, um seine Macht aufrechtzuerhalten, und gleichzeitig auch Ausdruck der HERRschenden Verhältnisse. Doch, so mag sich die Eine oder der Andere fragen, was hat das alles mit uns zu tun? Wir leben doch in einer fortschrittlichen Gesellschaft? Bei uns können doch auch die Frauen arbeiten gehen und Karriere machen, oder? Und überhaupt: Seid Ihr irgendwie lustfeindlich? Sexuell frustriert vielleicht, weil Ihr keinen abbekommt? So oder ähnlich tönt es oft, wenn versucht wird, das Problem von Frauenseite her zu thematisieren. Und in der Tat sind Gleichstellung und Frauenförderung Schlagworte, derer sich zeitgenössische Politiker und Politikerinnen, und nicht zuletzt Wirtschaftsexponenten geradezu inflationär1 bedienen. Doch die schönen Worte stellen sich bei genauerem Hinschauen als sinnentleerte Phrasen heraus: Wenn es darum geht, sich und die Umwelt von patriarchalen Strukturen zu befreien, und die Gleichstellung in die Tat umzusetzen, ist von Frauenfreundlichkeit keine Spur. An Frauen wird gespart: Sei es im Betrieb oder durch Streichung der öffentlichen Frauenförderung. Auf eine akzeptable Mutterschaftsversicherung warten wir nun schon seit über 50 Jahren. Frauen haben auch kein Recht auf eine selbstbestimmte Fortpflanzung: Die Abtreibung ist bis auf einige wenige (und u.a. eugenische!) Ausnahmen verboten2. Nach wie vor unternimmt der Staat/die Gesellschaft nicht sehr viel, um Gewalt an Frauen ernsthaft zu verhindern. Die Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit kurzem strafbar. Die Gratisarbeit, welche von Frauen allein in der Schweiz geleistet wird, beträgt 120 Mia. Franken pro Jahr (laut WoZ-Studie vom 14. Juli 97)...

Die Liste liesse sich endlos fortsetzen. Sexismus findet sich überall da, wo Menschen zusammenkommen, und/oder wo kommuniziert wird, in (fast) allen Institutionen und Zusammenhängen, die von Menschen geschaffen wurden. Damit wir uns in der Komplexität des Themas nicht verlieren, möchte ich einige der Hauptfunktionen, mit deren Hilfe Frauen erfolgreich unterdrückt werden vorstellen und deren Funktionieren aufzeigen, um die Mechanismen der Machterhaltung der Männer und der Unterdrückung der Frauen besser zu verstehen.

Männergewalt gegen Frauen

Sexuelle Gewalt ist die krasseste Form der Männergewalt gegenüber Frauen. Sie ist quasi die Spitze des Eisbergs, die offene und eindeutige Gewaltanwendung, und wird daher auch gesellschaftlich verurteilt. Die Gewalt, der Frauen tagtäglich ausgesetzt sind, die strukturelle Gewalt, sei es durch ständige Diskriminierung, Entwertung des Weiblichen, Unterschätzen, Reduktion auf den Körper, ökonomische Benachteiligung, Hineinpressen in die Frauenrolle, verkappte sexuelle und psychische Angriffe, latente Frauenverachtung, etc. werden nicht geahndet, obwohl sie die offene (sexuelle) Gewalt gegen Frauen erst möglich machen. Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist das letzte und einschneidenste Mittel, mit dem Frauen vollständig unterworfen werden können. Indem die körperliche Integrität3 und Selbstbestimmung auf diese massive Weise verletzt wird, werden das Selbstwertgefühl und die psychische Unversehrtheit weitgehend zerstört.

Bei sehr offensichtlichen Fällen ist der gesellschaftliche Konsens meistens die Verurteilung des Verhaltens des Täters und die Anerkennung der Tat als sexuelle Gewalt gegenüber einer Frau. Oft kommt dabei aber eine ziemlich selbstgerechte Doppelmoral zum Vorschein: Sexualstraftäter werden als "perverse und abartige Schweine" durch die Öffentlichkeit gezogen. Wir alle kennen einschlägige Blickplakate, mittels derer wieder mal der Umsatz in die Höhe getrieben werden soll. Sexueller Missbrauch als Kassenschlager. Die öffentliche Meinung verurteilt sexuelle Gewalt ganz klar, einige Konservative fordern für Sexualstraftäter sogar die Todesstrafe! Diese Sündenbockhaltung trübt jedoch den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse: Gewalt gegen Frauen kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft, sie ist in unserer patriarchalen Gesellschaft angelegt und bildet den Höhepunkt der Unterdrückung der Frauen. Jede fünfte Frau hat in ihrem Leben schon körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch Männer erlitten.

Der Täter ist meistens ein Familienmitglied, der Ehemann, der Freund, ein Bekannter, ein "Freund", den frau schon lange kennt oder eine neue Bekanntschaft. Die Mär, dass ein Vergewaltiger in der Regel ein Unbekannter ist, und dass Vergewaltigungen nur dann passieren, wenn Frauen nachts alleine unterwegs sind, lenkt nur von den wirklichen Tatsachen ab: Die meisten Täter haben eine (wie auch immer geartete) Beziehung zum Opfer. Es geht dabei nicht immer in erster Linie um Sexualität, sondern auch und vor allem um Macht. Die Macht, dass Männer ihre Bedürfnisse auch gegen den Willen der Frauen befriedigen können, dass sie ihren Willen um jedem Preis - also notwendigerweise auch mit Gewalt - durchsetzen können.

Die Auswirkungen der Gewalt gegen Frauen beschränken sich jedoch nicht auf diesen intimen Rahmen, in der sie oft stattfindet. Nur schon die Möglichkeit, dass Männer über Frauen Gewalt ausüben könnten, und dies auch immer wieder tun, schafft gesamtgesellschaftlich ein Klima der Gewalt von Männern gegenüber Frauen.

Das fängt damit an, dass ich mir als Frau z.B. gut überlegen muss, abends irgendwohin zu gehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ich den Nachhauseweg alleine zurücklegen muss - weil jeder Mann, der um diese Zeit das selbe Trottoir hinter mir benützt, eine potentielle Gefahr bedeutet, der Heimweg zur Qual wird, weil ich in ständiger Alarmbereitschaft sein muss und das kleinste Geräusch den Adrenalinspiegel in die Höhe jagt...Auch das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel zu später Stunde ist oft alles andere als angenehm...

Es bedeutet auch, dass ich mir als Frau gut überlegen muss, mich mit einem Mann, den ich nicht gut kenne, sexuell einzulassen, weil immer auch die Gefahr besteht, dass er meine Grenzen im entscheidenden Augenblick nicht respektieren könnte; oder dass für die bezahlten Drinks und die unverfängliche Einladung zu ihm nach Hause auch eine Gegenleistung meinerseits erwartet wird...

Diese Möglichkeit, sexueller Gewalt von Männern ausgesetzt zu sein, führt dazu, dass ich mich als Frau in meiner Bewegungsfreiheit einschränke (mich einschränken muss).

Das gewaltsame Klima zwischen Männern und Frauen äussert sich auch darin, dass viele Frauen sich unterordnen und sich in gewissen Momenten nicht wehren, da potentiell gewalttätige Reaktionen vermieden werden wollen (bspw. in Beziehungen). Allgemein bewirkt es, dass Frauen nicht aus ihrer Rolle ausbrechen und "niedrig gehalten" werden. Z.B. Frauen, die ihre Sexualität frei ausleben und sich nicht an die gesellschaftlichen Normen halten, (oder auch Prostituierte) sind eher gefährdet, sexuellen Übergriffen ausgesetzt zu sein, weil sie als Freiwild betrachtet werden. Eine andere Auswirkung der Gewalt gegen Frauen kann sein, dass Frauen den Schutz von Männern suchen (Zweierkiste, PartnerInnenschaft, Ehe) und sich auf oft unbefriedigende Beziehungen einlassen, die in manchen Fällen nicht weniger bedrohlich sind, als das Umfeld, aus dem die Frau herkommt.

Sexuelle Gewalt dient der Aufrechterhaltung der patriarchalen Verhältnisse. Und diese bedeuteten Macht und Privilegien für alle Männer, ob sie nun Gewalt anwenden oder nicht.

Diese Tatsache und die Übervertretung von Männern in den legislativen (gesetzgebenden) und judikativen (rechtssprechenden) Gremien führen dazu, dass es immer wieder vorkommt, dass misshandelte Frauen oder solche, die sexuelle Gewalt erfahren haben, letztendlich vor Gericht - und oft auch gemäss gesellschaftlichen Werthaltungen - als Mitschuldige angesehen werden (Schlampe, Nutte, hat es provoziert mit ihrem Verhalten, etc.), und der Mann nur unzureichend oder gar nicht zur Rechenschaft gezogen wird.

Frauenunterdrückung auf politischer Ebene

Politik und Gesetzgebung haben die Funktion, das Zusammenleben der Menschen zu regeln. Sie sind einerseits Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse, und reproduzieren diese, stellen diese immer wieder her. Entsprechend wenig Frauen finden den Weg in die heiligen Hallen Berns oder in sonstwelche kompetenzträchtige Ämter. Das hat zur Folge, dass Frauenanliegen von einer Männerüberzahl immer wieder unter den Tisch gekehrt werden. Eine wirkliche Gleichstellung zwischen Männern und Frauen kann so nicht erreicht werden. Auf parlamentarischer Ebene kann höchstens eine Besserstellung der Frauen erzielt werden. "Ein bisschen weniger Unterdrückung" sozusagen, wie es beispielsweise die parlamentarische Linke propagiert, in der festen Überzeugung, dass eine egalitäre, gerechte Welt ins Reich der Utopien gehört. Den Menschen wird die Fähigkeit, fair und sozial zusammenleben zu können, kurzerhand abgesprochen. Das ist eine typisch patriarchale Haltung, die die Macht der einen über die anderen rechtfertigen soll, und die bestens zu Menschen passt, die auf der Gewinnerseite stehen und von den globalen Missverhältnissen profitieren (und dieses Privileg nicht aufgeben wollen), wie es immer noch sehr viele Menschen in Industrieländern mit einem hohen Lebensstandard, wie ihn die Schweiz hat, tun.

An den Frauen verdienen

Während die Frauenbewegung vor knapp 30 Jahren viel ins Rollen gebracht hat und sich die Verhältnisse für Frauen im Westen nach zahlreichen Kämpfen um einiges gebessert haben, wird die ökonomische Ausbeutung mehr und mehr in den Trikont und nach Osteuropa ausgelagert, wo wiederum Frauen das letzte Glied einer grausamen Kette von Unterdrückung und Ausbeutung bilden. In den letzten Jahren haben auch in der Schweiz die Fälle von illegalisierten Hausangestellten aus Lateinamerika oder Asien zugenommen. Die Emanzipation der Frauen in den Industrieländern wird auf Kosten der Menschen und insbesondere der Frauen auf der südlichen Halbkugel ausgetragen. Eine globale Emanzipation der Frauen kann es in den bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen also noch aus einem anderen Grund nicht geben: Die grösste Maxime der kapitalistischen Wirtschaft ist die Anhäufung von Kapital bei möglichst geringem Aufwand. Die Kosten, die für den Gewinn eines/einer Einzelnen entstehen, werden also kurzerhand auf die Allgemeinheit abgewälzt, auf den Staat. Wir sehen das beispielsweise anhand der Arbeitslosigkeit: Während die Gewinne der Multis ins Unermessliche steigen, muss der Staat immer grössere Summen für die steigende Zahl der Erwerbslosen ausgeben.

Auf ähnliche Weise werden ebenfalls mit unbezahlter oder unterbezahlter Frauenarbeit jährlich Millionen eingespart. Nicht auszudenken, was wohl passieren würde, wenn plötzlich alle Hausfrauen Lohn verlangen würden für ihre Arbeit und alle Mütter für das Grossziehen der Kinder bezahlt werden wollten! Wenn die psychische Aufbauarbeit und das Erhalten eines sozialen Umfelds für den Ehemann, damit er jeden Tag fit ist und in dieser Leistungsgesellschaft bestehen kann, nicht mehr selbstverständlich und kostenlos geleistet würden! Wenn plötzlich Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe beim Bundesgericht eingereicht würden, um die Frauen für die erlittene Männergewalt zu entschädigen! Eine Katastrophe! Der unverzügliche Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft, eine unvorstellbare, gigantische Staatsverschuldung wäre die Folge!

Da die Staaten im Westen den Status quo des verhältnismässigen Wohlstandes natürlich erhalten wollen (wie auch sämtliche Oberschichten auf der ganzen Welt), sind sie auch nicht an einer wirklichen, ökonomischen und sozialen Gleichstellung der Frauen mit den Männern interessiert.

Auch wenn der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit per Gesetz garantiert werden soll, bedeutet das noch lange nicht, dass das Gros der Frauen auch etwas davon hat: In Berufen, in welchen mehrheitlich Frauen arbeiten (Sozialbereich, Reproduktion4, Verkauf, Dienstleistungen wie Coiffeuse, etc.) sind die Löhne nach wie vor miserabel. Und sie sind nicht miserabel, weil es sich dabei um minderwertige Arbeiten handelt, sondern weil sie mehrheitlich von Frauen ausgeführt werden. Auch bekommen Frauen selten wirklich gutbezahlte Jobs, auch wenn sie die selben Qualifikationen wie die männlichen Bewerber ausweisen können. Gesetzliche Gleichstellung, ohne die Emanzipation jeder und jedes Einzelnen, bringt also noch lange nicht eine egalitäre Gesellschaft. Und die scheint auch gar nicht angestrebt zu werden: Frauenförderung bleibt aufgrund "fehlender" finanzieller Mittel auf der Strecke. So wird vorab bei Frauenprojekten gekürzt und gestrichen, was das Zeug hält - "Sie müssen verstehen, Frau X, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie diesen können wir uns solche Ausgaben nicht mehr leisten..." lautet der Grundtenor. Gleichberechtigung verkommt zum Luxus. Während z.B. die Stadt Luzern für das neue Kultur- und Kongresszentrum Millionen locker machen konnte, nagt das örtliche Frauenzentrum am Hungertuch.

Aus dem selben Grund "kann" auch der Schutz vor Männergewalt für akut bedrohte Frauen nicht mehr gewährleistet werden (ein Menschenrecht), da sogar den Frauenhäusern finanzielle Mittel gekürzt werden. Jüngstes, und damit ein weiteres trauriges Beispiel ,ist wohl das Frauenhaus in Olten, welches trotz dringender Notwendigkeit (es ist fast immer voll ausgelastet) wohl in absehbarer Zeit seine Türen schliessen muss, weil der Kanton Solothurn kein Geld mehr dafür ausgeben will.

Die Tragödie beginnt kurz nach der Geburt...

Die Rolle der Frau zeichnet sich aus durch Passivität, emotionell geprägtes Handeln, kooperatives Verhalten, liebevolles Umsorgen, Verständnis und Geduld, Gefühlsarbeit, friedvolles Verhalten, Unterwürfigkeit, agieren im Hintergrund, Reproduktionsarbeiten7 übernehmen, Selbstaufopferung, "schön" sein, Konkurrenz unter Frauen, den Männern gefallen, usw. usf..

Die Rolle, die dem Mann zugeschrieben wird, beinhaltet Aktivismus, Dominanz, Verantwortung, rationale Handlungsweise, wetteiferndes Verhalten nicht nur im Beruf, Einzelkämpfertum, Stärke zeigen, stark sein, egozentrisches Verhalten, im Vordergrund stehen, die "wichtigen" Arbeiten übernehmen, Gewalt, etc..

Dieses Rollenkonditionierung5 beginnt schon kurz nach der Geburt. Mit der Frage "Ist es ein Junge?" "Ist es ein Mädchen?" wird festgelegt, wie das Kind sozialisiert6 werden soll. Ist es ein Mädchen, bekommt es weniger Muttermilch und schon früh die ersten Puppen, damit es von klein an lernt, was später von ihm erwartet wird. Während der Junge mit Autos spielt und in seiner Kreativität gefördert wird, werden Mädchen auf widerspruchslose Anpassung getrimmt. Schon früh müssen sie sich den männlichen Familienmitgliedern unterordnen, wobei auch die Mithilfe im Haushalt eine Rolle spielt. Das Mädchen lernt, dass es Anerkennung kriegt, wenn es lieb ist und dem Grosi ein Blüemli bringt; der Junge wird für seinen Erfindungsreichtum belohnt. Das Selbstbewusstsein wird bei Jungen somit ungleich stärker gefördert, bei Mädchen hingegen gehemmt, wie auch alle anderen Fähigkeiten, wie Autonomie, Kreativität und eine eigenständige Persönlichkeitsentwicklung ermöglichen können. Es werden v.a. Fähigkeiten gefördert, die für andere von Nutzen sind (d.h., vor allem für Männer). Bereits mit circa fünf Jahren ist die geschlechtsspezifische Rolollenkonditionierung weitgehend abgeschlossen. Wir sehen beispielsweise schon im Kindergarten, wie sich kleine Jungen so egozentrisch benehmen, als seien sie der Nabel der Welt, wohingegen die Kommunikations- und Teamfähigkeit bei Mädchen schon ziemlich ausgeprägt ist, und sie an einem guten Einvernehmen untereinander interessiert sind. In der Schule etablieren sich diese Verhältnisse endgültig: Die Mädchen glänzen mit Fleiss und versuchen die Gunst der Lehrkraft mit Bravsein und zuweilen auch Unloyalität mit MitschülerInnen (petzen, etc) auf ihre Seite zu ziehen. Die Jungen versuchen mit nervigen Störaktionen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, geben sich keine Mühe, benehmen sich oft absolut daneben und bekommen gerade dafür die grösste Anerkennung. Jungen werden für ihre Originalität gelobt, sie werden anerkannt, als das, was sie sind, als Menschen mit verschiedenen Charakteren. Mädchen werden für ihre Anpassungsfähigkeit, ihren Fleiss und ihre Folgsamkeit geschätzt, für Fähigkeiten, mit denen sie als Person also überhaupt nix zu tun haben. Alles in Allem bedeutet das für Jungen, eine ungleich grössere Freiheit zu haben, sich zu entfalten, als Mädchen. Sie werden in ihrer Persönlichkeitsentfaltung bekräftigt, und auch später wegen ihrer ausgeprägten Persönlichkeit geschätzt, wobei sie ein starkes Selbstwertgefühl entwickeln können.

Im Gegensatz dazu ziehen Frauen mit ebensolchen Verhaltensweisen meist nur Missmut auf sich. Sie werden in keiner Art und Weise ermutigt, sich selbst zu sein, und dementsprechend tragisch sieht's dann auch in Sachen Selbstbewusstsein aus. Die Tatsache, dass Frauen sich ständig selbst unterschätzen und sich wenig zutrauen, ist nur ein trauriges Abbild ihres verstümmelten Selbstwertgefühls.

Gerade darauf baut das männliche Selbstbewusstsein auf: Auf dem praktischen Nichtvorhandensein desselben bei Frauen, was bei Männern zuweilen zu Überschätzung und Chauvinismus8 führt.

Natürlich hat auch die männliche Sozialisation9 nicht nur Vorteile: Wie auch die Rollenkonditionierung der Frau ist sie ein Akt der Gewalt, der die freie Entfaltung des Kindes verhindert. Das Verkümmernlassen der emotionalen Fähigkeiten der Männer ("Jungen weinen nicht", "das ist kein richtiger Junge" etc.) ist dabei wohl die bitterste und folgenschwerste Konsequenz, die sich nicht zuletzt auch auf Frauen fatal auswirkt. Der Zwang für Männer, keine Schwäche zeigen zu dürfen, immer im Wettbewerb mit allen anderen zu stehen, beruflich erfolgreich zu sein und Verantwortung tragen zu müssen, ist ein enormer Druck, dem sich Männer beugen müssen, wollen sie gesellschaftlich anerkannt werden.

Letztendlich werden beide Geschlechter in ihrer freien Entfaltung behindert, das zu werden, was sie sein wollen. Unter gesellschaftlichem Einfluss entwickeln sich einige Fähigkeiten übermässig stark, während andere verkümmern oder mit erzieherischer Gewalt abgewürgt werden. Zurück bleiben, durch zwei Stereotypen voneinander getrennte, Menschen, denen beiden die Hälfte ihres Menschseins fehlt.

Vergleichsweise ungleich

Obwohl auch Jungs in ihre Rolle hineingepresst werden, ist diese letztendlich eine privilegierte, die ungleich mehr Bewegungsfreiheit zulässt als die der Mädchen.

Sowenig diese Rollenverteilung biologisch begründet ist, so wenig ist sie wertfrei. Eine Rollenverteilung ohne Zweckmässigkeit wäre gänzlich überflüssig. Sie dient dem Machterhalt des Einen, und der Ohnmacht der Andern. Es stehen sich zwei absolut ungleichmächtige Rollen gegenüber, die wie Zahnrädchen ineinandergreifen. Des einen Macht, ist der andern Ohnmacht. Die eine Rolle bedingt die andere. Eine rein rationale Verhaltensweise beispielsweise, bedingt, dass jemensch (bzw.-frau) anders die Gefühlsarbeit machen muss; wenn jemannd im Vordergrund stehen will, muss es Hintergrundakteurinnen geben, die dann natürlich vom Applaus ausgeschlossen sind. Gibt es Herren, so gibt es Sklaven, und umgekehrt - eine Binsenwahrheit. So ist die Rolle, welcher sich die Frauen anzupassen haben, "zufälligerweise" genau die, welche weder sozial, noch politisch, noch wirtschaftlich Macht verspricht.

Die Unterdrückung besteht nicht nur darin, dass in dieser Gesellschaft die Bereiche, in denen Frauen zugestanden wird sich zu bewegen (Sozialbereich, Hausfrauenarbeit, etc.), nicht als wichtig erachtet werden, obwohl diese für das Funktionieren der Gesellschaft und insbesondere der kapitalistischen Gesellschaftsform absolut unabdingbar sind, sondern, weil sie auch, ganz objektiv gesehen, keine gesellschaftliche Einflussnahme bedeuten.

Nur so ist es auchzu verstehen, weshalb sich das Patriarchat Jahrtausende halten konnte und auch heute noch kein Ende in Sicht ist. Sobald Frauen in die Öffentlichkeit traten, wurde versucht, sie zurückzudrängen. Einmal mit der Begründung, dass Frauen gar keine Menschen sind (zu grauer Vorzeit), oder aber viel dümmer als Männer (als die Forschung am menschlichen Hirn noch nicht so fortgeschritten war), ein andermal weil sie sexuell unkontrolliert oder unsauber, befleckt sind (bis in dieses Jahrhundert). Heute noch ist der im 19. Jahrhundert geschaffene Mythos der "Mutterliebe" ein effektives Mittel, das durch die Aufwertung des Mutterseins Frauen vor Unabhängigkeitsbestrebungen abhält (Es tauchte just in dem Moment auf, als die Frauen sich anschickten, den Arbeitern Konkurrenz zu machen, um durch ausserhäusliche Arbeit finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen). Die Aufwertung einzelner Bereiche der Frauenrolle, wie z.B. nebst der Mutterliebe auch die "Hausarbeit", bedeutet noch lange nicht die Abschaffung der Unterdrückung, sondern legitimiert bloss die Rolle der Frau, da nicht die Arbeit an sich aufgewertet wird, sondern bloss die Rolle der Frau in diesem Arbeitsbereich. Das Propagieren der Aufwertung von Frauenarbeit, wie es bürgerliche Frauen oft tun, widerspricht der Emanzipation der Frauen von ihrer gesellschaftlich determinierten Rolle und verhindert, dass Frauen sich frei entwickeln können.

Das Rollenspiel mitspielen

Indem Frauen diese Scheinprivilegien zelebrieren und als positiver Aspekt der Frauenrolle erhalten wollen, tragen sie selber aktiv zur eigenen Unterdrückung bei. Ein markantes Beispiel dafür ist, nebst den obengenannten (Mutter und Hausfrau), die Überhöhung der Frau, die Anerkennung der Frau als "schöner Körper".

Da für Frauen eine der wenigen Möglichkeiten, gesellschaftliche Anerkennung und Macht zu erhalten, in ihrem Aussehen liegt, bemühen sich alle (zumindest fast alle), dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen. Dies hat einen Konkurrenzkampf unter Frauen zur Folge, in dessen Mittelpunkt der Mann steht. Er ist es, der umworben wird, ihm will frau gefallen, da seine Anerkennung sozialer Aufstieg, teilhaben an der Macht bedeutet. Dabei ist die Frau jedoch nach wie vor von Männern abhängig - die Macht ist und bleibt bei den Männern: Die Definitionsmacht, was schön ist, und die gleichzeitige Abwertung und Diskriminierung von Frauen, die sich nicht dem Schönheitsideal unterwerfen wollen oder können. Der Konkurrenzkampf unter Frauen ist es dann auch, der die Solidarisierung unter Frauen, welche für den Kampf gegen die Unterdrückung unabdingbar ist, verhindert. Die gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber Frauenfreundinschaften werden vor allem von Frauen geprägt. Sprüche wie: "Zwei Frauen können nicht zusammenarbeiten" u.ä. zeugen vom tief verinnerlichten Rollenbild, vom Selbstverständnis, dass der Konkurrenzkampf unter Frauen so alt ist wie die Menschheit selbst.

Eine weitere wirksame Rolleneigenschaft ist die "Emotionalität" der Frauen, die sogenannt "weibliche Intuition", die ihnen oft zugeschrieben wird. Sie funktioniert deshalb so gut, weil die Frauen sie selbst mittragen, weil sie von weiten Teilen der Gesellschaft als positiv gewertet wird. Die oft gut gemeinte Aussage, dass Frauen halt emotioneller seien (und somit die ganze Beziehungsarbeit machen müssen!), ist aber im Grunde sexistisch: Es ist die einzige Art der Beteiligung am sozialen Leben, die für die Frau gesellschaftliche Anerkennung bringt - und "per Zufall" wieder mal eine ziemlich machtlose und abhängige. Eine kooperative Intuition zu entwickeln ist ein eigentliches Charakteristikum von Unterdrückten. Obwohl sie im sozialen Zusammenleben absolut Sinn macht, richtet sie sich letztendlich gegen die Frauen selbst, wird sie nur von ihnen geleistet, und verkommt so zur emotionalen Ausbeutung durch den Mann. Es handelt sich um Hintergrundarbeit, die wenig Macht verspricht, ist sie doch eine Reproduktionsarbeit, die nicht viel an Kreativität oder Originalität erfordert.

Aber Macht sollen sie ja eigentlich auch nicht haben, die Frauen. Während nämlich Macht den Männern per gesellschaftlichem Konsens gut steht (soll ja bei Männern sogar sexy sein...), stossen mächtige oder erfolgreiche Frauen oft auf Missmut (sowohl bei Frauen als auch bei Männern) und werden als "Mannsweiber" oder machthungrig diffamiert, ihnen wird kurzerhand die Sexualität abgesprochen, oder es wird gelästert, dass sie bei Männern sicher kein Glück hätten, sonst müssten sie nicht nach Erfolg streben. Welche Frau hat unter diesen Umständen noch Lust, Karriere zu machen oder überhaupt Erfolg zu haben?

Die Behauptung, Frauen wollten ganz einfach keine Macht haben, oder, sie hätten ja auf ihre Weise auch Macht (z.B. durch Liebe zu Männern), erweist sich als nix anderes denn als Verteidigung der eigenen Privilegien. Diese Haltung widerspiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse: Eine Frau kann alles machen, was sie will, sie darf auch ein bisschen Macht haben, wenn sie sich bloss an ihre Rolle hält. Frauen, die ihrer Rolle nicht entsprechen, sind keine richtigen Frauen.

Schlimm ist, dass massgeblich Frauen selber grossen Wert darauf legen, dass sich andere Frauen an die Spielregeln halten und sich in ihre verstümmelnde Rolle fügen. Ebenso werden Männer, die ihre Privilegien nicht aktiv verteidigen, oft verächtlich als "Softies" oder als "Losers" betrachtet. Die patriarchalen Werthaltungen werden von Männern wie von Frauen geteilt.

Fazit

Abschliessend kann mensch also sagen, dass die Rollenverteilung in erster Linie den Zweck erfüllt, den Männern Privilegien zu verschaffen, das Patriarchat, die Vorherrschafft der Männer ständig zu reproduzieren und aufrechtzuerhalten. Dazu braucht es aber nicht nur Männer, die ihre Macht behalten wollen. Es kann nur funktionieren, wenn Frauen ihre Macht abgeben, sich unterdrücken lassen und sich in ihre geschlechtsspezifische Rolle fügen oder gewisse vermeintlich positive Aspekte davon sogar verteidigen. Solange es die geschlechtsspezifischen Rollen gibt, wird es auch eine geschlechtsspezifische Unterdrückung geben. Diese ist zugleich ein wichtiger Aspekt für die anderen Unterdrückungsformen: Ein Kapitalismus ohne Frauen- unterdrückung ist schlecht denkbar; die Ausbeutung der Frauen im Arbeitsprozess ist für diese Wirtschafts- und Gesellschaftsform existentiell (Frauen verrichten 3/4 der ganzen Arbeit auf der Welt!), die kostenlos geleistete Reproduktionsarbeit der Frauen unabdingbar. Ebensowenig kann ein faschistisches, oder sonstwie hierarchisiertes, System funktionieren, wenn Frauen nicht unterworfen werden; schon Nationalismus trägt den patriarchalen Gedanken in sich und bedingt Frauenunterdrückung, da die Fortpflanzung dem Staat unterworfen werden muss. Auch Rassismus geht immer einher mit sexistischer Unterdrückung und Ausbeutung.

Wenn wir nicht Teil der Lösung sind, sind wir Teil des Problems...

Die Problematik ist also, dass sich ein nicht unbedeutender Teil dessen, was es zu bekämpfen gilt, nicht ausserhalb von uns befindet. Wir sind sozusagen ein wesentlicher Teil des Problems, indem wir in diese patriarchale Gesellschaft hineingeboren und -sozialisiert wurden und werden, indem wir überhaupt darin funktionieren. Und zwar sowohl Männer als auch Frauen.

Die Sichtweise, dass nur die Männer das Problem darstellen, weil sie ja die Macht haben, greift zu kurz. Sie erfasst die Komplexität der Verhältnisse nicht. Es handelt sich um eine Systematik, in der sowohl Unterdrücker wie Unterdrückte ihren Teil dazu beitragen, sich gegenseitig bedingen. So gesehen sind es dann auch Männer und Frauen, die sich dessen bewusst werden müssen, und versuchen müssen, ihr spezifisches Rollenverhalten abzubauen und das Gegenüber als AngehörigeR der Spezies Mensch zu begreifen und nicht als ExponentIn des jeweiligen Geschlechts mit entsprechend unterschiedlichem Verhalten. Das heisst, die Rollenkonditionierung Stück für Stück abzubauen, sich von seiner geschlechtsspezifischen Rolle zu emanzipieren und dies auch von Menschen beiderlei Geschlechts einzufordern. Indem Männer an ihrer Rolle und ihrem Hegemonieanspruch festhalten, verunmöglichen sie mir die Emanzipation als Frau; indem ich mich als Frau in meine Rolle füge, erschwere ich es den Männern, sich von ihren Privilegien zu trennen. Zwar ist es wichtig für Frauen, immer wieder Frauenräume, Frauenzusammenhänge ganz ohne Männerdominanz in Anspruch zu nehmen, um das Selbstbewusstsein und die Solidarität zu stärken - letztendlich können die Rollenbilder jedoch nur aufgelöst werden, wenn sich beide Geschlechter aktiv daran beteiligen und sich gegenseitig in diesem Vorhaben unterstützen.

Irene

1 der Ausdruck wird so oft gebraucht, bis er seinen Inhalt vollends verliert und keine Aussagekraft mehr hat. (vgl. Inflation auf dem Finanzmarkt)
2 Im Nationalrat wurde vor kurzem die Vorlage für eine Fristenlösung angenommen. Wie jedoch der konservativere Ständerat entscheiden wird, steht in den Sternen. LebensschützerInnenorganisationen haben jedenfalls bei allfälliger Annahme der Gesetzesänderung das Referendum angekündigt
3 Integrität: Ganzheit, Unversehrtheit
4 Reproduktion, reproduzieren: sich immer wieder herstellen
5 Konditionierung (siehe Sozialisation)
6 sozialisieren: in die Gesellschaft eingliedern. Hier wird der Begriff ausschliesslich für die geschlechtsspezifische Erziehung und Beeinflussung durch die Gesellschaft gebraucht, das Eingliedern in die Frauen- oder Männerrolle
7 Reproduktionsarbeit: Arbeit die geleistet wird, um die Voraussetzungen für das tägliche Leben zu schaffen, bspw. Hausarbeit oder auch Aufbauarbeit und Pflege am Menschen, Kinderaufziehen, etc., ein angenehmes Umfeld schaffen (hier in Bezug auf den Mann)
8 Chauvinismus: Der chauvinistische Mensch geht davon aus, dass er immer und überall im Mittelpunkt des Geschehens steht und bemüht sich darum, dass dies auch so ist. Er bezieht alles was passiert in erster Linie auf sich und nimmt übermässig Raum ein.
9 Sozialisation, Sozialisierung: siehe sozialisieren

Editoriale Anmerkung:
Der Artikel  wurde von http://www.kuzeb.ch/karnikl/04-12.htm 
gespiegelt. 
Er erschien dort bei karnikl.

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