Falsche Galionsfigur
Attac und die Tobin-Tax

von Marcus Hawel (sopos)

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Der amerikanische Ökonom James Tobin wartete 1972 mit der Idee auf, Börsengeschäfte im Devisenhandel international zu besteuern. Denn die Spekulation mit Währungsschwankungen sei verantwortlich für den Zusammenbruch ganzer Nationalökonomien. Eine Besteuerung von solchen Finanztransaktionen sei das Sand im Getriebe der Finanzmärkte.

James Tobin ist ein Anhänger des Freihandels; er befürwortet Weltbank, Internationalen Währungsfond und die Welthandelsorganisation - also eben jene internationalen Organisationen des Kapitals gegen welche sich der Protest der Globalisierungskritiker vehement richtet.

In einem SPIEGEL-Interview (36/2001) sagt Tobin sogar:

"(...) der IWF muß gestärkt werden. Sicher hat er viele Fehler gemacht, kein Zweifel. Aber ihm stehen, ebenso wie der Weltbank, viel zu wenig Geld zur Verfügung, um den Mitgliedsländern zu helfen, besonders den armen und unterentwickelten Volkswirtschaften. Weltbank und IWF sind nicht Teil einer Verschwörung, die Globalisierung heißt."

Logisch also, daß seine Besteuerungsidee wenig mit den Absichten der Globalisierungskritiker von Attac gemein haben dürfte, wie er entschieden in dem Interview anmerkt. - Attac hat sich dennoch James Tobin als Galionsfigur auserkoren. Warum? Dem publizistischen Chef von Le Monde Diplomatique, Ignacio Ramonet, der im Editorial der Dezemberausgabe von 1997 in Frankreich zur Gründung von Attac ("Association pour une Taxation des Transactions financières pour l´Aide aux Citoyens")[1] aufgerufen hatte, wäre sicher keine Unwissenheit zu unterstellen. Ramonet schrieb damals, sich positiv auf James Tobin berufend:

"Will man verhindern, daß die Welt sich im 21. Jahrhundert endgültig in einen Dschungel verwandelt, in welchem die Räuber den Ton angeben, wird die Entwaffnung der Finanzmärkte zur ersten Bürgerpflicht."

Es dürfte sich eher um eine Instrumentalisierung des Ökonomen gehandelt haben, der 1981 als Anhänger der Keyensianischen Wirtschaftslehre den Nobelpreis erhielt und Weltberühmtheit erlangte.

James Tobin ist der festen Überzeugung, daß Armut nicht durch Almosen, sondern durch freien, kapitalistischen Handel bekämpft werden muß.

Tobins Devisenumsatzbesteuerungsvorschlag sollte dem Zweck dienen, Wechselkursschwankungen so gering wie möglich zu halten. Schwache Nationalökonomien, die drastische Kursverluste ihrer Währung aufgrund von Spekulationsgewinnen auf dem Parkett internationaler Finanzmärkte zu erleiden haben, sollten davor geschützt werden, ihre Währungsschwankungen durch hohe Zinsen ausgleichen zu müssen. Solche Zinspolitik habe immer wieder Länder wie Mexiko oder Rußland in drastische Krisen gestürzt. Die Tobin-Tax soll also Spekulanten abschrecken, damit Zinspolitik nicht nötig sei.

Die Einnahmen der Tobin-Tax sind für den Ökonomen und Nobelpreisträger aber eher ein Abfallprodukt; er schlug vor, das Geld der Weltbank zukommen zu lassen. James Tobin ist der festen Überzeugung, daß Armut nicht durch Almosen, sondern durch freien, kapitalistischen Handel bekämpft werden muß.

Attac-Aktivisten sehen in den Einnahmen der Tobin-Tax dagegen eine Quelle, um die bitterste Armut in der Welt zu bekämpfen. Betrüge der Steuersatz 0,1% ergäbe das eine Summe von 100 Mrd. US-Dollar jährlich. - Sicher eine stolze Summe; allein es wäre nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.[2] Die Armut kann international nicht in Form von Entwicklungshilfe bekämpft werden, wenn gleichzeitig die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums als Problem der Produktionsverhältnisse unangetastet bleibt. Diese Kritik richtet sich nicht gegen Unverbesserliche wie James Tobin, sondern gegen Attac.

Mittlerweile zählt allein die französische Sektion von Attac über 30.000 Mitglieder, weltweit sind es sogar über 50.000. Die deutsche Sektion erfährt seit Genua starken Zulauf - nicht zuletzt, weil liberale Journalisten und linke Politiker in Attac eine neue Protestbewegung ausgemacht haben und dem Netzwerk viel Zuspruch schenken. Attac ist zur größten und prominentesten Organisation von Globalisierungskritikern in Europa geworden.

Will Attac seinem eigenen Selbstverständnis nach zu einer "gigantischen Pressure-group der Zivilgesellschaft" (Igancio Ramonet) werden und dabei nicht als Grabkasten der totgelobten Protestbewegung in Erscheinung treten, sollte sich die Organisation Tobins Distanzierung von Attac zu Herzen nehmen:

"Im großen Ganzen sind deren Positionen gut gemeint und schlecht durchdacht. Ich will meinen Namen damit nicht assoziiert wissen."


Anmerkungen

[1] Deutsche Übersetzung: "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger"

[2] Zumal die Steuer ja gerade der Eindämmung der Finanztransaktionen dienen soll. Sollte sie tatsächlich fortwährend 100 Mrd. US-Dollar in die Kassen der Nationalstaaten spülen, wäre sie mit ihrem Hauptanliegen gescheitert.

Editoriale Anmerkung:
Der Text
ist eine Spiegelung von
http://www.sopos.org/aufsaetze/3b994067492a1/1.html