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Anarchismus Feminismus Anarchafeminismus

Der Anarchismus als Philosophie und politische Strategie 

Begriffliche Klärungen
Quelle: www.arnarchismus.de 
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Anarchismus

Das Wort Anarchie kommt von dem griechischen Wort an-archia und bedeutet "keine Herrschaft", meint also die Abwesenheit jeglicher Autorität.

Da das Wort Anarchie/Anarchismus in der Öffentlichkeit auch eine negative Bedeutung hat, wurde gegen Ende des 19. Jhd. mehr und mehr das Wort "libertär" (freiheitlich, nicht zu verwechseln mit "liberal") gleichbedeutend eingesetzt. (1)

Anarchistische Tendenzen gab es zu jeder Zeit. Im frühen China im Taoismus (philosophische Richtung), im klassisch griechischen Gedankengut, in der christlichen Phase des Mittelalters, wo sie sich z. B. durch Bauernrevolten ausdrückten.

Linke Ideen blühten während der industriellen Revolution in England auf und dort besonders sichtbar bei den BergarbeiterInnen.

Der Zusammenbruch des Feudalismus eröffnete die Möglichkeit eine zusammenhängende Ideologie bzw. Weltanschauung des Anarchismus zu erstellen. In modernerer Form entstand dies am Ende des 18. Jahrhunderts in Reaktion auf und als Erwiderung gegen die aufsteigenden Zentralstaaten und gegen den aufkommenden Nationalismus sowie teilweise gegen die Industrialisierung und den aufkommenden Kapitalismus.

Aber es wurde bald ein Kampf an zwei Seiten - gegen die bestehende Ordnung von Staat und Kirche einerseits und gegen die autoritären Tendenzen in der erstarkenden sozialistischen Bewegung. Während der französischen Revolution konnten anarchistische Meinungen und Organisationsformen in den Bezirken und Gemeinden gesehen werden.

William Godwin (England) war der erste, der eine deutliche Stellungnahme der anarchistischen Prinzipien vornahm. (2)

Emma Goldman:

"(Anarchismus ist) die Philosophie einer neuen sozialen Ordnung, basierend auf einer von menschlichen Gesetzen uneingeschränkten Freiheit. Die Theorie, daß alle Formen von Herrschaft auf Gewalt beruhen und deshalb falsch und schädlich sowie unnötig sind.

Der Anarchismus ist die einzige Philosophie, die den Menschen das Bewußtsein ihrer selbst bringt; die davon überzeugt ist, daß Gott, der Staat und die Gesellschaft nicht existieren, daß ihre Versprechungen null und nichtig sind, da sie nur durch die Unterordnung des Menschen erfüllt werden können." (3)

In welcher Beziehung steht der Anarchismus zum Feminismus?

Susan Brown behauptet, daß Feminismus an sich zum Anarchismus gehört, während dies umgekehrt nicht notwendigerweise der Fall ist. Anarchismus enthält Feminismus und geht über ihn hinaus, weil er damit steht und fällt, Herrschaft abzuschaffen, während Feminismus, für sich genommen, für die Befreiung aller Menschen eine ungenügende Konzeption bereitstellt. (4)

Der Anarchismus stellt sich historisch gesehen als Bewegung von Männern dar - als eine Oppositionsbewegung von vielen innerhalb der männlich dominierten Sphäre der Politik. Dabei ist er aber diejenige Strömung, die die traditionellen Formen von Politik am grundsätzlichsten und radikalsten in Frage stellt.

So rüttelt der Anarchismus an der Grundstruktur aller von Männern beherrschten politischen Organisationen: der Hierarchie - und hält ihr z. B. die Prinzipien des Föderalismus, der freien Vereinbarung und der gegenseitigen Hilfe entgegen - sowie seine Utopie von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Menschen.

In die Utopie der Gleichheit und Freiheit sind die Frauen mit eingeschlossen, mitgemeint. Ihre Unterdrückung wird ausdrücklich benannt. Und: die Rollen Mann und Frau in der bürgerlichen Gesellschaft werden nicht biologistisch gesehen - also als "natürliche" Wesensbestimmung - sondern als soziale Rollen im Herrschaftsgefüge und damit veränderbar, ja notwendigerweise zu verändern. (5)

Literatur:

(1) AutorInnenkollektiv: "Was ist eigentlich Anarchie?"

(2) Niclas Walter: "Demanding the Impossible"

(3) Emma Goldman: "Anarchismus - Seine Wirkliche Bedeutung"

(4) Schwarzer Faden, Sondernummer "Feminismus - Anarchismus": L. Susan Brown "Warum Anarcha-Feminismus?, S. 20

(5) Schwarzer Faden, Sondernummer "Feminismus - Anarchismus": Friederike Kamann "Anarchafeminismus - Anarchismus und Feminismus", S. 22

Feminismus

"Feminismus ist die Theorie der Frauenbewegung" (1), kann diese aber auch selbst bezeichnen.

"...Bei aller Vielfalt der Richtungen und Strömungen, Modifikationen (Abwandlungen) in der Ursachenerklärung der Frauenunterdrückung, Unterschieden in den praktischen Projekten, in der neuen Frauenbewegung (Entwicklung seit Mitte/Ende der 60er Jahre in den westlichen Ländern) steht (...): "... die Veränderung der Beziehungen zwischen Frauen, die Beendigung ihrer emotionalen, affektiven (gefühlsbetonten) und intellektuellen (verstandesmäßigen) Abhängigkeit vom Mann, um die Frauen ... zum neuen politischen Subjekt zu machen" (Rossana Rossanda, 1980) (im Mittelpunkt). (2)

"Feminismus: Richtung der Frauenbewegung, die ein neues Selbstverständnis der Frau und die Aufhebung der traditionellen Rollenverteilung anstrebt." (3)

"Feministin: Frau die für die Aufhebung der Herrschaft der Männer über die Frau im gesellschaftlichen und privaten Bereich ist." (4)

Feminismus : ist der Begriff der gewöhnlich und sehr verallgemeinernd und undifferenziert verwendet wird.

Einige der derzeit akzeptierten Definitionen dafür sind:

  1. eine Theorie zugunsten der Angleichung der Rechte der Frauen in der Gesellschaft und Politik an die der Männer
  2. eine organisierte Bewegung zur Durchsetzung dieser Rechte
  3. das Geltendmachen der Ansprüche der Frauen als Gruppe und der von Frauen erarbeiteten Theorien
  4. die Auffassung von der Notwendigkeit enormer sozialer Veränderungen, um die Macht der Frauen zu vergrößern.
Die meisten derer, die den Begriff "Feminismus" benutzen, verbinden mit ihm die Bedeutungen a) bis c); die Notwendigkeit eines tiefreichenden sozialen Wandels des Systems, zu dem die Frauen gleichberechtigten Zugang fordern, wird von Feministinnen nicht immer bejaht.

(...) (Hervorhebungen von mir, F. B.)

Der Begriff Frauenemanzipation bedeutet: Freiheit von auferlegten Einschränkungen aufgrund des Geschlechts; Selbstbestimmung; Autonomie der Frau.

Die Freiheit von auferlegten Einschränkungen aufgrund des Geschlechts fordert die Freiheit von biologisch begründeten und gesellschaftlich vermittelten Beschränkungen aufgrund der Geschleschlechtszugehörigkeit.

Selbstbestimmung meint:

Frei zu sein, sich selbst Ziele zu setzen; frei zu sein, die eigene soziale Rolle zu bestimmen, und die Freiheit zu haben, über den eigenen Körper selbst zu entscheiden. Autonomie bedeutet, den sozialen Status eigenen Leistungen zu verdanken, ihn nicht durch Familienzugehörigkeit oder Eheschließung zu erlangen; Autonomie meint finanzielle Unabhängigkeit und die Freiheit, den eigenen Lebensstil sowie die sexuelle Präferenz (den sexuellen Vorrang, d. h. ob Männer oder Frauen) zu wählen. All das beinhaltet und verlangt einen radikalen Wandel der bestehenden Institutionen, Wertvorstellungen und Theorien. (5)

Literatur:

(1) "Feminismus - Inspektion der Herrenkultur", Ein Handbuch; Hrsg.: Luise F. Pusch

edition Suhrkamp (S.13)

(2) "Kleines Weiberlexikon", Verlag Weltkreis 1985 (S.142)

(3) Duden "Die Rechtschreibung", Dudenverlag 1986 (S.262)

(4) "Fremdwörterlexikon", Bertelsmann Lexikonverlag 1985 (S.224)

(5) "Die Entstehung des Patriarchats", Gerda Lerner Verlag, Campus 1991 (S. 291/292)

Anarchafeminismus

Beim Anarchafeminismus handelt es sich um eine zeitgenössische Bewegung

Doch wenngleich Frauen mit Hilfe dieser Begrifflichkeit erst seit kurzer Zeit ihre Position definieren, steht diese Bewegung in einer Tradition.

Aufgrund unserer historischen Ignoranz und unserem Hang zu westlich orientierter Geschichtsschreibung beginnt auch die Traditionslinie des Anarchafeminismus mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und Mary Wollstonecraft (z.B. ihr Buch "Verteidigung der Rechte der Frauen").

Mit Blick auf die französische Revolution schrieb sie: "Es ist leichter die Heiligkeit der Könige anzugreifen, als die Ungleichheit der Geschlechter zu hinterfragen."

Weitere bekanntere Frauen in dieser Traditionslinie sind: Louise Michel, Flora Tristan, Charlotte Wilson, Lucy Parsons, Emma Goldman, Voltairine DeCleyre...

In den 30er Jahren formierte sich während der spanischen Revolution an der Basis eine Gruppe mit dem Namen Mujeres Libres (freie Frauen), in deren Folge seit 1990 ein internationales Netzwerk auf europäischer Ebene im Entstehen begriffen ist.

Allgemein kann behauptet werden, daß der radikale Feminismus Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre starke anarchistische Tendenzen aufwies. In ihrem Buch Sexual Politics schrieb Kate Millet:"eine ideale Politik sollte sich einfach als eine begreifen, die das menschliche Leben auf annehmbaren und vernünftigen Prinzipien begründet und die uneingeschränkte Idee von Macht über andere bannt".

Um 1975 begannen Radikal-Feministinnen bewußt den Schritt zum "Anarcha-Feminismus" zu gehen. Mit den Veröffentlichungen von Peggy Kornegger und Carol Ehrlich und anderen wurde der Anarchafeminismus als spezifische Richtung des Feminismus herausgearbeitet.

Wie viele Bewegungen (den Anarchismus eingeschlossen), wird auch der Feminismus durch eigene ungelöste Widersprüche in Theorie und Praxis daran gehindert, sein Potential auszunutzen. Der Anarcha-Feminismus ist ein Versuch, diese Widersprüche anzugehen. Anarcha-Feminismus schärft den Blick dafür, daß alle Formen der Unterdrückung gleich wichtig sind; daß deshalb keiner Bewegung über eine andere Vorherrschaft ausüben darf. Er betont, daß die Wurzeln der Unterdrückung weder ausschließlich materiell noch ausschließlich kulturell angelegt sind, und daß beide Veränderungen, die sozio-ökonomische und die geistig-kulturelle notwendig sind, um die Unterdrückung der Frau zu beenden und eine neue gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen. (1)

Eine allgemeine Politik "für Frauen" kann es nicht geben. Was Frauen außer ihrem biologischen Geschlecht gemeinsam ist, nämlich daß sie alle auf Grund ihres Geschlechtes unterdrückt werden, äußert sich für jede einzelne je nach dem Land, in dem sie lebt, je nach der sozialen Schicht, der sie angehört, je nach ihrer kulturellen Herkunft, je nach ihrer Arbeit anders. Noch mehr unterscheidet uns das, was wir im Kopf haben: unsere Utopie. (2)

Viele Charakteristika des Anarchismus werden von einigen radikalen Feministinnen geteilt: dezentralisierte Gruppen, Kleingruppen, die mit Konsensbeschluß arbeiten, oder auch die Einheit von Mitteln und Zielen werden innerhalb der radikal-feministischen Gruppen routinemäßig praktiziert. Die Anarchafeministin Peggy Kornegger argumentiert deshalb sogar, daß "Feministinnen seit Jahren in Theorie und Praxis unbewußt Anarchistinnen gewesen sind" (3). Nach Susan Browns Meinung, vereinfacht Korneggers Behauptung zu sehr, denn es gibt genügend radikale Feministinnen, die nichts mit anarchistischen Prinzipien im Sinn haben.

So gibt es Radikalfeministinnen, die sich allein auf das Patriarchat als Wurzel aller Herrschaft konzentrieren, stellen die Frauenbefreiung, nicht nur für sich, über alle anderen Fragen.

Mit dieser Prioritätensetzung etablieren sie eine neue Hierarchie. Anarchafeminismus verneint solche Vorrangigkeiten. Alle Formen von Herrschaft sind gleichermaßen nicht tolerierbar und der Kampf gegen Herrschaft sollte auf vielen verschiedenen Ebenen geführt werden.

Einige radikale Feministinnen sehen es sogar als entscheidende Schwäche der Frauenbewegung, daß anarchistische Prinzipien übernommen werden. Sie argumentieren u.a., daß die führungsfeindliche Strategie der Frauenbewegung in den späten 60ern die Effektivität der ganzen Bewegung geschwächt habe. (4)

Literatur:

(1) Schwarzer Faden, Sondernummer Feminismus - Anarchismus: Ron Hayley "Eine Geschichte des Anarchafeminismus", S. 51 ff

(2) Schwarzer Faden, Sondernummer Feminismus - Anarchismus: Friederike Kamann "Macht 'Macht' Frauen mächtig?", S. 15ff

(3) Peggy Kornegger "Der Anarchismus und seine Verbindung zum Feminismus", Libertad Verlag, Berlin, 1979, S. 21

(4) Schwarzer Faden, Sondernummer Feminismus - Anarchismus: L. Susan Brown "Warum Anarcha-Feminismus?", S. 20ff

Fazit

Anarchismus ist sowohl eine Philosophie wie eine politische Strategie, die anstrebt jede Form von Herrschaft abzuschaffen. Sie basiert auf der Annahme, daß menschliche Wesen ihr Leben und ihre Welt frei gestalten können und für beide verantwortlich sein wollen. Durch die permanente Herausforderung der Herrschaft unterwandern Anarchistinnen das gegenwärtige System. Durch antiautoritäre und antihierarchische Prozesse versuchen AnarchistInnen unterdrückende Strukturen auszuhöhlen.

L. Susan Brown argumentiert, daß Anarchismus feministisch ist, daß Feminismus nicht notwendig anarchistisch ist.

(...) Während es möglich ist radikale Feministin und Anarchistin zu sein, ist es andererseits deutlich, daß nicht alle radikalen Feministinnen anarchistischen Prinzipien zustimmen. Ja, daß einige autoritäre Methoden bevorzugen, andere auf die Etablierung einer matriarchalen Gesellschaft abzielen, die nach eigener Definition hierarchisch ist. Allein Anarcha-Feministinnen stellen eine Theorie zur Verfügung, die alle Hierarchien und Formen von Herrschaft bekämpft, ob sie sexistisch, rassistisch, klassenbezogen oder staatlich sind. (1)

Literatur:

(1) Schwarzer Faden, Sondernummer Feminismus - Anarchismus: L. Susan Brown "Warum Anarcha-Feminismus?, S. 21

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