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PDS-Fraktion im Bundestag!

Nach den Wahlen - so richtige Freude kommt bei mir nicht auf!

von Ekkehard Jänicke, 30. Sept. 1998

Dies ist richtige keine Wahlauswertung und soll es auch nicht sein, ich verstehe den folgenden Text mehr als Versuch, Gedanken zu Papier und auf den Bildschirm zu bringen.

Kohl ist abgelöst, Schröder triumphiert. Die Grünen eieren bereits zu Gunsten der Koalition in selbst den Fragen, die vor der Wahl noch als grüner
Konsens galten, Transrapid, Atomkraft, Autobahnen. Die PDS läuft besoffen im Siegestaumel umher, Inhalte und Kritik am Wahlkampf - kein Thema, in MVP fast bundesgrüne Anbiederei der PDS an die SPD, Minister und nicht Inhalte beherrschen die meisten Aussagen der GenossInnen, am Zurückhaltensten in der Anbiederei noch die Genossin Muth.

Zum Wahlkampf der PDS: Erstmals versuchte sich der Wahlkampf der PDS flächendeckend medial im berühmten Einseifen und Schaumschlagen. Klare Aussagen, wie noch 1994, waren in Wahlspots und auf Plakaten der PDS selten. Mehr Links, mehr Frau! Der richtige Mann, die richtige Partei! Geil und Cool! Die neue Linke! Arbeit muß her! Corporate Identity - der sogenannte Wiedererkennungswert aus einem Guß fehlte diesmal der Medienkampagne, sieht man vom PDS-Logo ab, völlig. "Sozial und solidarisch - Für eine gerechte Republik", wie vom Parteitag als Losung beschlossen, wurde entweder durch "Die neue Linke" oder durch Verkürzung auf den zweiten Teil großkotzig und eigenmächtig ersetzt.

Ein Wahlspot mit Wahlsong wurden geschaltet, der zwar mit einem musikalisch ansprechendem Rap einen gewissen Teil der jungen Rap-Szene ansprach, jedoch automatisch andere Musikszenen ausklammerte und der im Text nur individuellen Protest, aber keinerlei Inhalte einer linken Partei des sozialen und ökologischen Umbaus erkennen ließ. Erfolg: Nur 6 0er ErstwählerInnen bundesweit konnten für die PDS gewonnen werden. Im Ausklammern brisanter Themen war der zentrale PDS-Wahlkampf in Anzeigen, auf Plaketen und in der übrigen Medienwerbung einfach Spitze. Auf die Kampagnen der politischen Gegner wurde wenig eingegangen. Der "Inneren Sicherheit" als "Law and Order"-Wahlkampf wurde nichts entgegengesetzt, statt "Nazis raus aus den Köpfen" erschien in geringer Stückzahl das "Keine Chance"-Plakat, Asyl- und Flüchtlingspolitik und Internationalismus schlugen sich nur spät, angedeutet mit dem Plakat "Keine Gewalt - Menschenrechte ..." mit der schwarzen und weißen Hand nieder. Dies Plakat wurde leider in ganzen Regionen im Osten überhaupt nicht geklebt. Ökologische Themen, auch Transrapid usw., wurden mit Ausnahme Castor und Transportirrsinn in der zentralen Wahlzeitung Wahlkampf für Tabu erklärt.

Der Vorwurf eines "amerikanisierten Wahlkampfes" trifft jedoch weder den PDS-Wahlkampf noch den Wahlkampf überhaupt. Dem US-Wahlkampfstil entliehen alle Parteien nur mediale Großauftritte. Die Eigenart des täglichen Schlagabtausches der politischen Gegner, den Argumenten und Behauptungen der Gegenseite sofort inhaltlich zu kontern, die US-Wahlkämpfe besonders prägt, fand hier kaum statt.

Im Westen litt die PDS besonders an einem Wahlkampfstart ohne Plakate und Materialien, nur 1000 Wahlprogramme waren für Niedersachsen und für das größte Bundesland NRW gerade 3000 Exemplare ursprünglich vorgesehen. Viele mußten nachgedruckt werden. Als spät endlich Material kam, war darunter so dummes Zeug wie Cool und Geil, waren im Westen absurde Plakate wie "Immer wieder PDS" oder nicht bestellte Riesenmengen mit Flugblättern "Grüß Gott Herr Seehofer" zur Gesundheitspolitik.

Die zentrale Wahlzeitung der PDS mit ihren Landesausgaben wurde von Mitgliedern und auch WählerInnen häufig als Zumutung empfunden. Es fehlte
deutlich das PDS-Logo. Es fehlte jeder deutliche Hinweis auf die Wichtigkeit der Zweitstimme. Landesseiten wurden den ErstellerInnen nicht vorher zur Korrektur vorgelegt. In einem Landesverband wurden einfach die vereinbarten Artikel weggelassen und durch andere ersetzt, im anderen die Email-Anschrift durch doppelte Druckfehler zum elektronischen Briefkasten in das Nichts verunstaltet. Gute Artikel wurden durch Quatsch an anderer
Stelle nivelliert.

Die auch "ökologische" PDS setzte in ihrem Wahlpreisausschreiben darin als
ersten Preis ein rotes Auto aus, als zweiter Preis der Menschenrechtspartei PDS winkte eine Reise in das größte Hinrichtungsland der Welt, nach China. Über den Artikel "In Culitsch probt man schuldenfreien Sozialismus" raufen sich PDS-KommunalpolitikerInnen in Ost und West, die Ursachen und Folgen der Finanznöte von Städten und Gemeinden kennen, schlicht und einfach die Haare.

Mit "Kohl muß weg und Du mußt her!", in der Wahlzeitung dann "Kohl muß weg! Arbeit muß her!" relativierte die PDS den daneben stehenden Artikel, der aussagte, daß zwischen Kohl und Schröder kaum ein Unterschied auszumachen sei.

Die Talkshowauftritte von BundespolitikerInnen der PDS blieben, mit Ausnahme der von Gregor Gysi und Christa Luft, unprofessionell. Besonders Dietmar Bartsch konnte niemanden so richtig überzeugen und blieb, auch bei heftiger Kritik an den Moderatoren und ihrer Anti-PDS-Haltung beispielsweise bei RTL (Tigerrunde), im Gesagten dürftig. Von den steuerpolitischen Vorstellungen der PDS kam kaum eine Kernaussage aus seinem Munde, eine Zusammenfassung politischer Kernaussagen, wie sie Heidi Rühle für die Grünen formulierte, fehlte bei Bartsch völlig bzw. wurde reduziert auf "Ostinteressen".

Diese schwammige PDS-Wahlkampfführung konnte regional im Westen nicht durch mehr und deutlichere Inhalte aufgefangen werden. Hier kämpfte die PDS wie Don Quichote gegen die Windmühlen. Die größte Zeitung in Niedersachsen, "Hannoversche Allgemeine" stellte alle Bundestagsparteien wochenlang mit KandidatInnen und den zentralen Programmpunkten als Synopse dar, mit Ausnahme der PDS. Als sie dann alle kleineren Parteien vorstellte, die zur Bundestagswahl antraten, stellte sie sogar PSG und Bibeltreue Christen, ja sogar den DKP-Kandidaten in einem hannoverschen Wahlkreis vor, aber wieder kein Wort zur PDS. So erging es in vielen Städten und Gemeinden des Westens. Wenn jedoch Carsten Stölting als Wahlkampfleiter der PDS in NRW im ND (30. Sept.) meint, es hätten diesmal Leute vor allem aus dem studentischen und linksalternativen Milieu die PDS nicht gewählt, die es das letzte Mal nur schick fanden, PDS zu wählen und dafür habe sich eine Klientelverschiebung hin zu Menschen ergeben, denen mehr an sozialer Gerechtigkeit gelegen ist, kann diese Behauptung nicht so einfach hingenommen werden.

Menschen haben diesmal bewußter PDS gewählt und auch nicht gewählt. Viele denkende Menschen, ob Intellektuelle oder auch aus der Arbeiterschaft, schreckt Schlagschaum einfach ab. Zulegen an sozialen Brennpunkten und Verluste in städtischen Ballungsgebieten müssen genauer analysiert werden. Diese diesmal Nicht-PDS-WählerInnen nur als linke Schickeria abzutun, der wenig an sozialer Gerechtigkeit gelegen ist, erscheint völlig unangebracht. Neben der taktischen Wählerei vieler Linker auf Grund der Kampagne von SPD und Grünen gab es auch viele gute Gründe, nicht PDS zu wählen.

Ein Teil der typischen Linken, die bisher linke Bündnislisten unter Einschluß der PDS und DKP gewählt hatte, verzichtete ganz auf das Wählen. Die nicht unbedeutende Antifa-Szene in westdeutschen Großstädten wählte zu großen Teilen diesmal ebenso nicht PDS. Man vertraue zwar den PDS-GenossInnen im Westen. Jedoch habe die Nationalismusdebatte, eingeleitet von Wahlkampfmanager Brie mit seinem Interview in der neofaschistischen Postille "Mut" und dann fortgesetzt in der ND-Debatte, in der viele theoretische Köpfe der rechten Szene zu Wort kamen und teilweise Beifall in der PDS fanden, gründlich davon abgeschreckt, PDS zu wählen. Lieber habe man aussichtlose Projekte wie APPD, Chancen 2000, lokale AlternativkandidatInnen oder gar mit Bauchgrimmen Grüne gewählt, um die PDS zur Besinnung auf ihre antifaschistischen Wurzeln zu bringen. Oder noch einfacher, Frau und Mann blieb im Bett und wartete auf die Stimmauszählung. Solche oder ähnliche Kommentare erreichen GenossInnen der PDS im Westen aus fast allen Großstädten.

Bereits am Freitag vor der Wahl ging in dieser Szene bundesweit der Ar- tikel der neuesten "Spiegel"-Ausgabe als Vorabdruck von Hand zu Hand, der leider inhaltlich weitgehend der Wahrheit entsprach, was rechtes Gedankengut in ND und PDS betrifft. "Junge Welt" und TAZ hatten dieses Thema, sogar überspitzter und etwas gehässiger als der Spiegel, schon Wochen vorher unter die Leute gebracht, doch bitte hier keine falschen Schuldzuweisungen an diese Medien, sondern wenn, dann gilt hier das Verursacherprinzip für Verantwortliche in PDS und ND, in dem ein Dauerautor rechter Blätter weiter als Korrespondent schreiben darf. Ein ND, welches zwar seine Unabhängigkeit von der PDS betont, Sozi-Anzeigen gegen die PDS allerdings ablehnt, dagegen jedoch die rechte Elite zu Wort kommen läßt, ist wenig glaubwürdig als PDSunabhängiges Blatt und wird deshalb mit der PDS identifiziert.

Ob nun gute oder weniger gute oder überhaupt keine Arbeit der PDS vor Ort stattgefunden hat, schlug sich im Wahlergebnis West nicht nieder. Differenzen zwischen flächendeckender Materialverteilung oder keiner oder Häufigkeit von Infoständen usw. sind im PDS-Ergebnis nicht auszumachen, auch nicht bei genauer Einzelanalyse von Wahllokalen. Hochburgen in den alten Bundesländern verloren fast immer, andere Gebiete gewannen oft dazu. Was jedoch erstaunt und nur aus dem Erscheinungsbild der PDS in den Medien zu erklären ist: In drei Wahlkreisen in Rheinland-Pfalz fanden sich diesmal kaum Menschen, die PDS wählten, während bei der letzten Wahl dort noch ein halbes Prozent PDS-WählerInnen vorhanden waren. Bei geringster Dichte von PDS-Mitgliedern hat hier ausschließlich der zentrale PDS-Wahlkampf sein Nicht-Greifen im Westen mit Wahlkreis Cochem usw. PDS 0.0 0nter Beweis gestellt.

Im Norden, besonders Bremen und Niedersachsen, litt die PDS extrem unter der Wahlkampfzuspitzung Kohl oder Schröder mit ihrer lokalpatriotischen Seite.

Ein CSU-Ergebnis für die SPD in Niedersachsen bei 50 %! Den Bündnisgrünen erging es hier ähnlich. Während die PDS noch ihr Ergebnis hielt bei deutlich überdurchschnittlichen Erststimmenergebnissen, siehe auch Kritik an der Wahlzeitung, verloren die Bündnisgrünen in Niedersachsen 1.2 %, also das Doppelte des Bundesdurchschnitts. Die grüne Landesliste wurde vom links geltenden Trittin und der tatsächlich linken Verkehrsexpertin Gila Altmann angeführt. Durch dieses Ergebnis verlor die Anti-Atom-Aktivistin Ursel Schönberger aus Braunschweig ebenso ihr Mandat wie Rolf Köhne als ihr Pendant von der PDS. Nur Schönberger hat noch eine Chance nachzurücken, falls Trittin Minister wird und entsprechend grüner Tradition dann sein Abgeordnetenmandat niederlegen muß. Im Landesvorstand der PDS Niedersachsen jedoch wurde am Montag festgestellt, je intensiver der PDS-Wahlkampf, desto besser die Ergebnisse der SPD vor Ort und meist auch desto stabiler blieben Grüns.

Unsere Probleme und unser Sichtweisen müssen mehr Eingang finden in die Diskussionen, Darstellungen und Öffentlichkeitsmaterialen der Partei, wie dies in den Westbezirken Berlins diesmal bereits zum Teil der Fall war und bis auf den Sonderfall Kreuzberg mit einem linken grünen Kandidaten Ströbele zu guten Zugewinnen führte. Wir litten im Westen oft darunter, daß wir auch unsere Probleme formuliert fanden, zum Beispiel im Faltblatt für die
Spitzenkandidatin in Niedersachsen, Heidi Lippmann-Kasten, aber unter und
hinter Texten für Ostdeutschland versteckt, obwohl diese Probleme längst gesamtdeutsche Bedeutung erlangten.

Eines steht fest: Das Wahlkampfkonzept der PDS ist für den Westen nicht aufgegangen. Das Halten und die Verbesserung des Ergebnisses ist trotz des zentralen Wahlkampfes erreicht worden. Gregor Gysi trug durch persönlichen Einsatz mit ca. der Hälfte seiner Auftritte im Westen ebenfalls positiv bei. Jedoch Auftritte an Werktagen in Großstädten wie Göttingen und Hannover zur Mittagszeit oder am frühen Nachmittag sind ebenso fragwürdig wie die weitere Konzentration der PDS auf einen einzigen Medienstar, der irgendwann zusammenklappen muß.

Noch zu Medienstars: Die verfemte Genossin Wagenknecht hat in ihrem Wahlkreis das beste Erststimmenergebnis im gesamten Westen erzielt. Hier stellt sich auch für Menschen, die nicht immer mit ihren Positionen übereinstimmen, die Frage nach deutlicherem Profil und deutlicheren Positionierungen der PDS im antifaschistischen und antimilitaristischen Bereich und danach, ob es nicht doch besser ist, den Kapitalismus beim Namen zu nennen, statt von Marktwirtschaft so zu schwätzen, daß vom Ziel der SozialistInnen, einer sozialen, solidarischen und ökologischen Gesellschaft, hinter Nebelschwaden nur noch Fragmente übrig bleiben.

Kein Kommentar zur Peinlichkeit des Tages:

Anzeige im ND:
DANKE André!
Lothar, Gregor, Dietmar + großes rotes PDS-Logo
V.i.S.d.P. Hanno

Entschuldbar? Ja, durch die Rotwein geschwängerte Luft im KL-Haus am Montag und Dienstag, die auch medial einige Spitzengenossen besonders heiter und entrückt auf der bei Phoenix komplett übertragenen TV-Pressekonferenz zeigten. Rote und Fahnen statt roter Fahnen?

Mein Nachwahlrätsel:
Bekannter PDS-Genosse aus Berlin mit bunten Haaren?

Der ersten richtigen Einsendung winkt ein echter Torten-Brie, der zweiten
die Deklaration der Menschenrechte, die auch in China gelten sollte, ...
jaenicke@geocities.com  / e.jaenicke@link-h.comlink.apc.org  

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