100 JAHRE NOVEMBERREVOLUTION

Chronik zur Geschichte der Novemberrevolution

10/2018

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3. Okt. Ernennung des Prinzen Max v. Baden zum Reichskanzler. Die deutsche Regierung ersucht in einer Note den Präsidenten der USA, W. Wilson, um die Vermittlung von Waffenstillstands- und Friedens­verhandlungen. Am 4. Okt. bildet Max v. Baden eine parlamentarische Regierung, die die revolutionäre Bewegung in Deutschland aufhalten, die Monarchie retten und der Entente gegenüber verhandlungswürdig erscheinen soll. In diese Regierung treten Ph. Scheidemann (Vors. der SPD) und G. Bauer (2. Vors. der Generalkommission der Gewerkschaf­ten Deutschlands) als Staatssekretäre ein. Mit diesem Schritt gehen die rechten sozialdemokratischen Führer von der Burgfriedens- zur Koali­tionspolitik über und unterstützen damit die Politik zur Rettung der imperialistischen Klassenherrschaft.

5. Okt. Ein Aufruf der Parteileitung und der Reichstagsfraktion der USPD stimmt dem Waffenstillstands- und Friedensangebot der deut­schen Regierung zu und betont, daß dieser Schritt ihren „unausgesetz­ten Friedensbestrebungen" entgegenkomme.

7. Okt. Reichskonferenz der Spartakusgruppe mit Vertretern der Linksradikalen in Berlin. Die Konferenz erörtert und beschließt Maß­nahmen zur Vorbereitung des bewaffneten Aufslandes und nimmt das Programm der Volksrevolution an. In seinein Mittelpunkt stehen die sofortige Beendigung des Krieges, die revolutionäre Erkämpfung de­mokratischer Rechte und Freiheiten und der Sturz des Imperialismus. Als Endziel des Kampfes wird die sozialistische Republik proklamiert. In einem Aufruf an die Bevölkerung werden folgende unmittelbare Forderungen aufgestellt: unverzügliche Freilassung aller politischen Gefangenen und aller wegen militärischer und politischer Verbrechen verurteilten Soldaten; sofortige Aufhebung des Belagerungszustandes; sofortige Aufhebung des Hilfsdiensgesetzes; entschädigungslose An­nullierung aller Kriegsanleihen; Enteignung des Bankkapitals, der Bergwerke und Hütten; wesentliche Verkürzung der Arbeitszeit, Fest­legung von Mindestlöhnen; Enteignung des Groß- und Mittelgrundbesitzes und Übergabe der Leitung der Produktion an Delegierte der Landarbeiter und Kleinbauern; durchgreifende Umgestaltung des Heerwesens; Abschaffung der Todes- und Zuchthausstrafen für poli­tische und militärische Vergehen; Übergabe der Lebensmittelverleilung an Vertrauensleute der Arbeiter; Abschaffung der Einzelstaaten und Dynastien. Das Programm formuliert — unter Berücksichtigung der Klassenverhältnisse — die nationale und soziale Grundaufgabe der Revolution im wesentlichen richtig. In seinen Hauptzügen kommt es den Grunderkenntnissen nahe, die W. I. Lenin in seinem Werk „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution" über (Ins Heranführen der werktätigen Massen an die sozialistische Revolution entwickelt hat.

Die Konferenz beschäftigt sich mit der Militäragitation, der Situation in der Jugendbewegung und faßt entsprechende Beschlüsse. Es wird die Bildung von ASR in allen Orten beschlossen. Bei der Berichterstat­tung werden die Erfahrungen über die Zusammenarbeit mit der USPD ausgelauscht. Die Teilnehmer bekennen sich zur russischen Revolution und versichern, die Solidarität mit ihr durch Aktionen nach russischem Vorbild zu beweisen.

9. Okt. Auf der Tagung im Düsseldorfer Stahlhof schätzen führende Schwerindustrielle ein, daß die Regierung Prinz Max v. Baden sich nur noch vier bis fünf Wochen behaupten kann. Nur ein Bündnis der Industriellen mit den Führungen der Gewerkschaften könne das Unter-
nehmertum vor der Sozialisierung und der nahenden Revolution bewahren.

11. Okt. W. I. Lenin setzt sich in der „Prawda" in dem Artikel „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky" mit K. Kautskys Schrift „Die Diktatur des Proletariats" auseinander und weist die histo­rische Notwendigkeit der Errichtung der Diktatur des Proletariats nach, deren Allgemeingültigkeit die Oktoberrevolution in Rußland bewiesen hat. Lenin betont die Notwendigkeit des Bruchs mit den Zentristen und bezeichnet das Fehlen revolutionärer Parteien in Westeuropa als ein großes Unglück und eine große Gefahr. Dieser Artikel, in einigen Ex. nach Deutschland gesandt, wird von der Spartakusgruppe als Flugblatt verbreitet.

Mitte Okt. „Spartacus", Nr. 12 erscheint. Es Werden die Bildung der Regierung des Prinzen Max v. Baden und deren Politik als Reaktion der Konterrevolution auf die ersten Regungen der Revolution einge­schätzt und der Eintritt rechter Sozialdemokraten in diese Regierung als Versuch gewertet, den Kapitalismus zu retten. Weilerhin wird über die Reichskonferenz der Spartakusgruppe vom 7. Okt. informiert.

10. Okt. Eine Friedensdemonstration von 5000 bis 0000 Berliner Arbeitern, zu der die USPD aufgerufen hat, fordert den Sturz der Regierung und die Freilassung K. Liebknechts. Unter den Linden werden die Demonstrationszüge durch Polizei mit Säbelhieben auseinandergetrie-
ben. Zahlreiche Demonstranten, darunter viele Frauen, werden verletzt.

17. Okt. Der Aufruf dos PV der SPD „An Deutschlands Männer und Frauen!" behauptet, daß sich Deutschland in einer tiefgehenden Um­wälzung befände und auf dem Weg vom Obrigkeitsstaat zum Volks­staat sei. Es gelte in noch stärkerem Maße als am 4. Aug. 1914, das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen. Der PV wendet sich gegen revolutionäre Aktionen für die Erkämpfung des Friedens und für die Demokratisierung Deutschlands.

18. Okt. W. L Lenin schreibt in einem Brief „An die Mitglieder der Sparlakusgruppc": „Die Arbeit der deutschen Spartakusgruppe, die un­ter den schwierigsten Umständen eine systematische revolutionäre Pro­paganda trieb, hat wirklich die Ehre des deutschen Sozialismus und des deutschen Proletariats gerettet."

Proteststreik von 4600 Breslauer Arbeitern gegen das Verbot der sozial­demokratischen Zeitung „Volkswacht".

23. Okt. K. Liebknecht wird aus dem Zuchthaus Luckau entlassen und vor dem Anhalter Bahnhof in Berlin von Tausenden Arbeitern, Soldaten und Frauen stürmisch empfangen. Auf dem Potsdamer Platz fordert er in einer Ansprache die deutsche Arbeiterklasse auf, dem russischen Beispiel zu folgen.

In einem von W. I. Lenin, J. M. Swerdlow und J. W. Stalin unterzeich­neten Begrüßungstelegramm, das am 24. Okt. auf dem Empfang der sowjetrussischen Botschaft zu Ehren K. Liebknechts verlesen wird, heißt es: „...die Befreiung des Vertreters der revolutionären Arbeiter Deutschlands aus dem Gefängnis ist das Zeichen einer neuen Epoche, der Epoche des siegreichen Sozialismus, die sich jetzt Deutschland wie auch der ganzen Welt eröffnet".

K. Liebknecht erhält von Spartakusanhängern, linksradikalen Organi­sationen und Ortsgruppen der USPD Sympathieerklärungen. Das inter­nationale Proletariat begrüßt seine Befreiung.

25. Okt. Beschluß der erweiterten Parteileitung der USPD, K. Lieb­knecht in die Parteileitung zu berufen. Liebknecht will der Berufung folgen, wenn die USPD auf einem sofort einzuberufenden Parteitag ihr Programm und ihre Taktik im Sinne der Spartakusgruppe ändert.

0. Rühle, einer der Führer der linksradikalen Gruppe in Dresden, for­dert in einer Rede im Deutschen Reichstag die Absetzung und Bestra­fung Wilhelms II. und ruft zur Bevolution und zum Kampf für den Sozialismus auf.

26. Okt. W. Pieck kehrt aus der Emigration nach Berlin zurück. K. Liebknecht und W. Pieck nehmen seit dem 26. Okt. an den Sitzun­gen des Vollzugsausschusses der revolutionären Obleute Berlins teil. Liebknecht schlägt vor, für den 3. Nov. Massenversammlungen und De­monstrationen zu organisieren, um die Arbeiter an die entscheidenden revolutionären Kämpfe heranzuführen. Für den 4. oder 5. Nov. bean­tragt er die Ausrufung des Generalstreiks. Beide Vorschläge werden un­ter dem Einfluß von Vertretern der USPD abgelehnt. Die revolutio­nären Obleute delegieren K. Liebknecht, E. Meyer und W. Pieck in die Leitung des Vollzugsausschusses.

Demonstration von etwa 2000 Werktätigen in Hamburg für den Frie­den und die Befreiung der politischen Gefangenen.

Der Deutsche Reichstag beschließt gegen die Stimmen der Konservati­ven Verfassungsänderungen. Der Reichskanzler ist in Zukunft an das Vertrauen des Reichstages gebunden. Diesem und dem Bundesrat ist er für seine Amtsführung verantwortlich; Kriegserklärung und Friedens­schluß bedürfen der Zustimmung des Reichstages und des Bundesrates: Offiziere der Armee können nur ernannt oder verabschiedet werden, wenn durch die Kriegsminister der jeweiligen Länder, und Offiziere der Marine, wenn durch den Reichskanzler gegengezeichnet worden ist. Diese Reformen erweitern die Rechte des Parlaments, ohne jedoch grundlegende demokratische Umgestaltungen einzuleiten.

General Ludendorff wird entlassen. Erster Generalquartiermeister wird Generalleutnant Groener.

26./27. Okt. Reichskonferenz der Freien Sozialistischen Tugend Deutschlands (FSJ) in Berlin. 57 Delegierte aus 18 Orlen Deutschlands, die rd. 4000 Mitgl. vertreten, beschließen den festen organisatorischen Zusammenschluß unter dem Namen Freie Sozialistische Jugend Deutschlands und die Herausgabe eines Zentralorgans. Die Leitsätze der Jenaer Jugendkonferenz (24./2S. Apr. 1916) werden zur Grundlage der sozialistischen Jugendbewegung erklärt. Zur Leitung der Organi­sation wird eine Zentrale, bestehend aus einem Reichsarbeitsausschuß von sieben und einer Redaktionskommission von fünf Mitgl., gebildet. Der Reichskonferenz, an der auch K. Liebknecht teilnimmt, gelingt es, mit der Gründung der FSJ eine Arbeiterjugendorganisation für ganz Deutschland auf der Grundlage eines revolutionären Programms zu bilden.

27. Okt. K. Liebknecht spricht in fünf öffentlichen Versammlungen der USPD vor mehreren tausend Arbeitern. Die Versammelten beken­nen sich zur sofortigen Herbeiführung des Friedens und zur Errichtung einer sozialistischen deutschen Republik. Massenversammlungen und Demonstrationen mit gleichen Forderungen finden in allen Teilen Deutschlands statt.
Österreich-Ungarn erklärt sieh in einer Note an die Regierung der USA zu Sonderfriedensverhandlungen bereit.

Die deutsche Regierung erklärt sich in einer vierten Note an W. Wilson bereit, die Bedingungen für den Waffenstillstand anzunehmen.

27.—30. Okt. Revolutionäre Bewegung in der deutschen Flotte. Die deutsche Seekriegsleitung bereitet das Auslaufen der Flotte für den Angriff auf die englische Flotte vor. Unter den 80.000 Matrosen und Heizern breitet sich rasch eine Bewegung aus, deren Ziel es ist. die Ver­längerung des Krieges und weiteres sinnloses Blutvergießen zu verhindern. Malrosenräte entstehen, und auf den Kriegsschiffen werden rote Flaggen gehißt. Matrosen und Heizer verweigern den Dienst, die Flotte kann nicht auslaufen. Mehr als 1000 Matrosen werden verhaftet, die Kriegsschiffe müssen in ihre Heimathäfen zurückgeführt werden.

28. Okt. Wilhelm II. unterzeichnet die vom Deutschen Reichstag an­genommenen Verfassungsänderungen zur „Parlamentarisierung" Deutschlands (26. Okt.).

29. Okt. Demonstration von Tausenden Werktätigen in Hanau. Sie bringen Hochrufe auf K. Liebknecht und Rosa Luxemburg aus und for­dern die sozialistische Republik.

31. Okt. Abschluß des Waffenstillstandes zwischen der Türkei und der Entente auf Mudros. Er tritt am 31. Okt. in Kraft.

Massenversammlung und Demonstration von 6000 bis 7000 Arbeitern in Stuttgart für sofortigen Waffenstillstand, die Beseitigung der Dynastien und die Errichtung einer sozialistischen Republik. Kundgebungen und Demonstrationen finden auch in Frankfurt (Main), Friedrichshafen, Halberstadt, Kassel, Mannheim, Zeitz u. a. Städten statt.

31. Okt. Aufruf K. Liebknechts „An die Arbeiter und Soldaten der Entente!", nicht zuzulassen, daß die sozialistische Revolution in Ruß­land durch die geeinte Front des Weltimperialismus beseitigt wird. Ihr Untergang würde die Niederlage des Weltproletariats bedeuten.

3.Nov. Bewaffnete Matrosen, Arbeiter und Soldaten demonstrieren in Kiel für die Befreiung der Ende Okt. verhafteten Matrosen. Ein Feuer­überfall auf die Demonstranten wird mit dem bewaffneten Aufstand beantwortet, der sich schon am Morgen des 4. Nov. auf 20 000 Matro­sen stützen kann. Auf Schiffen und in Kasernen werden Soldatenräle (SR) gewählt, die folgende Forderungen erheben: sofortige Beendigung des Krieges; Abdankung der Hohenzollern; Aufhebung des Belage­rungszustandes; Freilassung der verhafteten Malrosen und aller poli­tischen Gefangenen sowie allgemeines Wahlrecht. Die Kieler Arbeiter schließen sich der revolutionären Bewegung der Malrosen an und bil­den am 4. Nov. einen AR. Am 4. Nov. befindet sich die gesamte zivile und militärische Gewalt in Händen der ASR. Der Kieler AR ruft für den 5. Nov. zum Streik auf.

G. Noske (SPD) und Staatssekretär C. Haußmann (Fortschrittliche Volkspartei), von der Regierung am 4. Nov. nach Kiel entsandt, sind nicht in der Lage, die Ausbreitung der Revolution zu verhindern. Noske gelingt es jedoch, sich in Kiel an die Spitze der Bewegung zu stellen, um sie in „ruhigere" Bahnen zu lenken.

Eine Demonstration in München, organisiert von der USPD, fordert den sofortigen Abschluß eines Friedens zwischen den Völkern und als Voraussetzung die Errichtung eines Volksstaates in Deutschland. Sie erzwingt die Freilassung politischer Gefangener.

Gründung der KP Österreichs.

4.Nov. Die deutsche Reichsregierung fordert in einem Aufruf das deutsche Volk auf, der Regierung zu vertrauen. Sie verspricht, einen baldigen Frieden herbeizuführen und bürgerliche demokratische Frei­heiten zu gewährleisten.

Die Parteileitung der USPD veröffentlicht einen Aufruf „An das werk­tätige Volk Deutschlands!", in dem sie die Herbeiführung eines sofor­tigen Friedens verlangt und die Arbeiterklasse und das ganze werk­tätige Volk auffordert, sich zum Eingreifen bereit zu halten.

Generalstreik in Stuttgart unter Führung der Sparkakusgruppe. 30.000 Arbeiter demonstrieren für einen sofortigen Waffenstillstand und für die sozialistische Republik. Bildung eines ASR, dessen Forderungen dem Programm der Reichskonferenz der Spartakusgruppe (7. Okt.) ent­sprechen.

Aufruf des PV der SPD gegen revolutionäre Massenaktionen.

4.-19. Nov. Gründungskongreß der Sozialistischen Arbeiterpartei Griechenlands, die sich ab Nov. 1924 KP Griechenlands nennt.

5. Nov. Ausbreitung der Revolution auf Lübeck und Brunsbüttel. ASR werden gebildet.
„Die rote Fahne", Mitteilungsblatt des Stuttgarter ASR, Zenlralorgan sämtlicher ASR Württembergs, erscheint.

Ausweisung der sowjetrussischen Botschaft aus Deutschland auf Grund einer Provokation, deren geistiger Urheber Ph. Scheidemann ist.

6. Nov. Revolutionäre Erhebung der Arbeiter und Soldaten und Bil­dung von ASR in Altona, Bremen, Bremerhaven, Cuxhaven, Flensburg, Hamburg, Neumünsler, Oldenburg, Bendsburg, Bostock und Wilhelms­haven.

Sitzung der revolutionären Obleute in Berlin. K. Liebknechts Antrag, den Aufstand in Berlin am 8. Nov. zu beginnen, wird abgelehnt. Der Vollzugsausschuß erhält Vollmacht, den Aufstand frühestens für den 11. Nov. auszurufen. Am 7. Nov. erklären Parteileitung und Beirat der USPD hierzu ihre Zustimmung.

Der PV der SPD wendet sich in einem Aufruf im „Vorwärts" gegen revolutionäre Massenaktionen. Er fordert dazu auf, der sozialdemokra­tischen Taktik der friedlichen Umwälzung „zu den Zielen der Demo­kratie und des Sozialismus" zu folgen.

7. Nov. Revolutionäre Erhebungen der Arbeiter und Soldaten und Bildung von ASR u. a. in Braunschweig, Frankfurt (Main), Großen­hain, Hannover, Lüneburg, München. Schwerin. In Bayern wird die Monarchie gestürzt und eine demokratische Republik ausgerufen.
Militärische Besetzung von Berliner Großbetrieben, Unterbindung des Eisenbahn- und Nachrichtenverkehrs von und nach Berlin zur Verhin­derung der Revolution in der Hauptstadt.

Die Flugschrift der Spartakusgruppe „Zum Jahrestag der sozialisti­schen Revolution in Rußland" erscheint. Die Arbeiter Deutschlands werden aufgefordert, den Jahrestag der russischen Revolution zu feiern, indem sie deren Beispiel folgen.

Ultimatum des PV der SPD und des Vorstands der Reichstagsfraktion der SPD an den Reichskanzler Prinz Max v. Baden, in dem u. a. der Bücktritt Willielms II. und des Kronprinzen Wilhelm v. Hohenzol-lern, die Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses in der Reichs-regierung und die Umgestaltung der preußischen Regierung gefordert werden. Damit hoffen die rechten Führer der SPD, das Zurückgehen ihres Masseneinflusses aufzuhalten und die Revolution zu verhindern, die sie „wie die Sünde" hassen (F. Ebert).

8. Nov. übeigreifen der Revolution auf Augsburg, Bayreuth, Chem­nitz, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld-Barmen, Gotha, Halle (Saale), Hildesheim, Koblenz, Köln, Leipzig, Magdeburg, Mannheim, Nürn­berg, Passau, Rosenheim, Würzburg. Bildung von ASR.

Die Spartakusgruppe und der Vollzugsausschuß der revolutionären Ob­leute in Berlin rufen in Flugblättern für den 9. Nov. zum Kampf für den Sturz der Monarchie, die Errichtung der sozialistischen Republik, die Übernahme der Regierung durch Vertreter der ASR und für die sofortige Herstellung der Verbindung zur russischen Sowjetrepublik auf.

Die Rote Fahne", amtliches Organ des Hamburger ASR, ehem. „Ham­burger Echo", erscheint.
Rosa Luxemburg wird durch die Revolution aus dem Gefängnis in Breslau befreit und trifft am 10. Nov. in Berlin ein.

Befreiung von F. Heckert u. a. Gefangenen aus dem Gefängnis in Chem­nitz durch revolutionäre Arbeiter.

9. Nov. Generalstreik und bewaffnete Demonstrationen in Berlin. Hunderttausende folgen dem Buf der Spartakusgruppe und der revo­lutionären Obleute, demonstrieren durch die Stadt, entwaffnen Poli­zisten und Offiziere, besetzen Polizeiwachen und stürmen Kasernen, befi 'eien die politischen Gefangenen, unter denen sich L. Jogiches be­findet. Gegen Mittag ist Berlin in den Händen revolutionärer Arbeiter; das Polizeipräsidium, das Haupttelegrafenamt, das Rathaus u. a. wich­tige Gebäude sind besetzt.

Bekanntgabe der Abdankung Wilhelms II. als Deutscher Kaiser und des Thronverzichts des Kronprinzen Wilhelm v. Hohenzollern sowie Ankündigung von Wahlen für eine verfassunggebende Nationalver­sammlung durch den Reichskanzler Prinz Max v. Baden. F. Ebert, der Vors. der SPD, läßt sieh von Prinz Max v. Baden zum Reichskanzler ernennen. Er erklärt, die Geschäfte im Rahmen der be­stehenden Verfassung zu führen, ruft zur Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung" auf, bittet die kaiserlichen Behörden und Beamten um die Weiterführung ihrer Tätigkeit, kündigt die Bildung einer neuen „Volksregierung" an und versucht so, die Grundlagen des alten Re­gimes zu erhalten.

Nachträglich fordert ein vom PV der SPD in Berlin zusammengestellter sog. ASR zum Generalstreik unter der Losung der sozialen Republik auf.

K. Liebknecht verkündet vom Balkon des Schlosses die freie soziali­stische Republik, während Ph. Scheidemann vom Beichslagsgebäude aus die freie deutsche Bepublik ausruft, weil er „die Parole der Repu-blik nicht den weiter links stehenden Kreisen" (F. Stampfer) überlassen will.
Am Nachmittag verhandeln der PV der SPD und das ZK der USPD über die Bildung einer Regierung. Die rechten Führer der SPD wollen K. Liebknecht mit der Absicht in die Regierung aufnehmen, seine große Autorität bei den Massen für sich auszunutzen, um die Revolution ein­dämmen zu können. Liebknecht stellt für seinen Eintritt in die Regie­rung Bedingungen, die eine sozialistische Republik Deutschland, die sich auf die ASR stützt, fordern. Diese werden abgelehnt. Daraufhin lehnt Liebknecht die Mitarbeit ab. Die Leitung der USPD tritt für eine gemeinsame Regierung mit der SPD ein.

Bildung von ASR u. a. in Breslau, Eisenach, Erfurt, Görlitz, Königs­berg, Plauen, Posen.
Eine erneute bewaffnete Erhebung der Arbeiter und Soldaten in Stutt­gart stürzt die württembergische Monarchie.

Am Abend des 9. Nov. erscheint in Berlin die erste Nr. der Zeitung „Die rote Fahne", Organ der Spartakusgruppe. Nach zweimaligem Er­scheinen wird die Bedaktion auf Anordnung F. Eberts mit Polizeigewalt aus dem Gebäude des ehem. „Berliner Lokal-Anzeigers" verdrängt. Erst am 18. Nov. erscheint die dritte Nr. der „Roten Fahne". Im Nov./Dez. wird unter der Leitung von H. Eberlein das Vertriebsnetz der „Roten Fahne" aufgebaut.

Die in der Zeit vom 3. bis 9. Nov. gebildeten ASR entstehen als Kampf­organe der Arbeiterklasse. Ihre Bildung zeigt den Einfluß der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution auf Deutsehland. In vielen Orten und Betrieben besitzen die ASR anfangs Machtpositio­nen. In einigen Städten, wo der Kinlluß der Anhänger der Spartakus­gruppe, der Linksradikalcn und der linken Kräfte der USPD stark ist, werden revolutionäre Maßnahmen durchgeführt. So werden u. a. in Bremen, Chemnitz, Gotha, Hamburg, Leipzig und Stuttgart die allen Behörden abgesetzt, in Braunschweig die herzoglichen Güter und Län­dereien enteignet und in einigen Städten, wie z. B. in Düsseldorf, Frankfurt (Main), Halle (Saale), Hanau, Hildburghausen und Leipzig, Arbeiterwehren aus revolutionären Arbeitern gebildet. In vielen Betrieben, so im Leunawerk, in den Spandauer Staatswerkstätten, in Koh­lengruben des Ruhrgebiets und Oberschlesiens sowie in chemischen Betrieben des Rheinlandes, führen die AR revolutionär-demokratische Maßnahmen durch und übernehmen die Kontrolle der Produktion.

10. Nov. Aufruf der Spartakusgruppe an die „Arbeiter und Soldaten von Berlin!". Er legt in zehn Punkten die Aufgaben zur Sicherung und Weiterführung der Revolution dar: Entwaffnung der Polizei und Offi­ziere; Bewaffnung des Volkes; Übernahme aller Behörden und Kom­mandostellen durch Vertrauensmänner der ASR; Beseitigung des Reichstags und aller Parlamente sowie der bestehenden Reichsregie­rung; Abschaffung aller Dynastien und Einzelstaaten; einheitliche so­zialistische Republik; Übernahme der Regierung durch den zu wählen­den Berliner ASB; Wahl von ASR in ganz Deutschland; Aufnahme der Beziehungen zu den sozialistischen Bruderparteien und Rückberufung der sowjclrussischen Botschaft.

„Die rote Fahne" empfiehlt allen revolutionären Massenversammlungen die Annahme einer Besolution mit folgenden Forderungen: Aufnahme von Verbindungen mit dem revolutionären Proletariat aller Länder; Wiederherstellung der Beziehungen zur russischen Sowjetrepublik; De­legierung Rosa Luxemburgs in den zentralen ASR Deutschlands. Grußbotschaft der Zeitung „Die rote Fahne" an die Föderative Sozia­listische Sowjetrepublik. In ihr heißt es, das Berliner Proletariat habe den ersten Jahrestag der russischen Revolution durch Vollbringung der deutschen Revolution gefeiert.

Flugblatt der Spartakusgruppe an die ASR Berlins mit der Aufforde­rung, keine Regierungssozialisten in die provisorische Regierung zu wählen.

Die Vollversammlung der Berliner ASR im Zirkus Busch wählt den Vollzugsrat der Berliner ASB, bestehend aus 7 Vertretern der USPD, 7 der SPD und 14 Soldaten, die fast alle der SPD angehören, und be­stätigt den Rat der Volksbeauflragten, in den E. Barth, W. Dittmann, H. Haase (USPD), F. Ebert, 0. Landsberg, Ph. Scheidemann (SPD) ein­treten, als provisorische Regierung. K. Liebknecht bezeichnet die Mit­arbeit der Vertreter der USPD im Rat der Volksbeauftragten als Unter­stützung für die konterrevolutionäre Politik der Ebert-Scheidemann. Die Vollversammlung beschließt einen Aufruf „An das werktätige Volk!", der die Bildung der sozialistischen Republik, in der die ASR die politische Macht besitzen, verkündet und als nächste Aufgaben der Re­gierung den Abschluß eines Friedens, die konsequente Vergesellschaf­tung der kapitalistischen Produktionsmittel und die Aufnahme brüder­licher Beziehungen zu Sowjetrußland fordert. Dieser Aufruf wie auch das Handeln der Mehrheit der ASR in allen Teilen Deutschlands be­weisen, daß die Arbeiter zwar den Sozialismus wollen, infolge des lang­jährigen Einflusses des Opportunismus und der dadurch hervorgerufe­nen bürgerlich-parlamentarischen Illusionen aber nur unklare Vorstel­lungen über den Sozialismus und den Weg dorthin haben. Die Mehr­heit der Arbeiter und Soldaten glaubt, mit dem Sturz der Monarchie und der Bildung des Rats der Volksbeauftragten die politische Macht und den Sozialismus errungen zu haben.

F. Ebert und der Erste Generalquartiermeister der OHL, Generalleut­nant Groener, schließen einen Pakt gegen die Revolution auf folgender Grundlage: Die Regierung sorgt dafür, daß die Rechte des Offiziers­korps wiederhergestellt werden; die Transportwege sind intakt zu hal­len, um Truppenverschiebungen zu gewährleisten; die Regierung ver­pflichtet sich zur baldigen Durchführung von Wahlen für eine National­versammlung; die OHL unterstützt den Reichskanzler Ebert. Die Be­setzung Berlins zur Beseitigung der ASR wird geplant. Dieser Pakt be­reitet den Bürgerkrieg zur blutigen Niederschlagung der revolutionären Bewegung vor.

P. v. Hindenburg gibt bekannt, „daß die OHL mit dem Reichskanzler Ebert. . . zusammengehen will, um die Ausbreitung des terroristischen liidschewismus in Deutschland zu verhindern". Da die revolutionäre Bewegung im Heer nach Ansicht v. Hindenburgs nicht mehr aufzuhal­len ist, empfiehlt er anzustreben, die Bewegung zur Bildung von SR in die Hände der Offiziere zu bekommen. Das alle Vorgesetztenverhältnis ist aufrechtzuerhalten.

Bildung von ASR u. a. in Beuthen, Bromberg, Danzig, Frankfurt (Oder), Gleiwitz, Graudenz, Karlsruhe, Oppeln, Saarbrücken. Braun-schweig wird zur Republik, Sachsen zur sozialen Republik erklärt.

Der ehem. deutsche Kaiser Wilhelm II. flieht nach Holland.

11. Nov. Unterzeichnung des Waffenslillslandsabkommens durch Ver­treter der deutschen Regierung und der Entente in Compiegne. Das Abkommen legt u. a. die sofortige Räumung der besetzten Gebiete, mit Ausnahme der zum ehem. Rußland gehörenden, fest. Die Ostgebiete sollen durch deutsche Truppen auch weiterhin besetzt bleiben, um das Vordringen der sozialistischen Revolution zu verhindern.

Im ersten Weltkrieg verloren rd. 10 Mill. Menschen durch direkte Kriegseinwirkungen ihr Leben, rd. 20 Mill. wurden verwundet. Die direkten Kriegskosten betrugen 732 Md., die indirekten 606 Md. M. Deutschland verlor über 2 Mill. Menschen, über 4 Mill. wurden ver­wundet; die direkten Kriegskosten betrugen etwa 161 Md. M.

Telegramm der russischen Sowjetregierung „An alle Arbeiter-, Solda­ten- und Matrosenräte Deutschlands!". Das deutsche Proletariat wird aufgefordert, die Lehren der russischen Revolution zu beachten, und gewarnt, sich Illusionen über die erreichten Ergebnisse der Revolution in Deutschland hinzugeben. Die russische Räteregierung kündigt Ge­treidelieferungen an und fordert zum gemeinsamen Handeln zur Be­freiung der Ukraine auf.

Gründung des Spartakusbundes im Hotel „Exzelsior" in Berlin. Seiner Zentrale gehören an: W. Budich, Käte und H. Duncker, H. Eberlein, L. Jogiches, P. Lange. P. I.evi, K. Liebknecht, Rosa Luxemburg, I''. Meh­ring, E. Meyer, W. Pieck, A. Thalheimer. Aufgabengebiete: Redaktion: Liebknecht, Rosa Luxemburg; Reichsagitation: Jogiches; Groß-Berliner Agitation: Pieck; Geschäftsführung: Eberlein; Soldatenagitation: Budich; Frauen- und Jugendagitation: Käte und H. Duncker.

Rosa Luxemburg fordert als nächste Aufgaben die Herausgabe einer Tageszeitung, der Wochenschrift „Die Internationale" sowie von Zei­tungen für die Jugend, die Frauen und die Soldaten und einer Zeilungs­korrespondenz. Es werden die Einrichtung eines Zentralbüros mit ver­schiedenen Sekretariaten und die Gründung eines „Roten Soldatenbundes" zur Unterstützung der Soldatenagitation beschlossen. Eigene Mitgliedskarten werden ausgegeben. Die Bildung der Zentrale des Spar­takusbundes ist ein bedeutender Schritt auf dem Wege zu einer selb­ständigen revolutionären Partei. Doch ist der Spartakusbund noch keine Partei, sondern eine geschlossene Propagandavereinigung, deren Mitgl. der USPD angeboren.

Bildung der Volksmarinediv. in Berlin aus vorwiegend der Berliner Arbeiterschaft entstammenden Malrosen unter Führung von H. Dorrenbach und P. Wieczorek. Diese revolutionäre proletarische Truppe unterstellt sich dem am 9. Nov. von der Revolution eingesetzten Polizei­präsidenten der Stadt E. Eichhorn, wählt den Volksmarinerat vot Groß-Berlin und Vororlen und ihren Kommandanten, den Marineflieger Wieczorek.

12. Nov. Aufruf der Sowjetregierung, unterzeichnet vom Volkskom­missar für Auswärtige Angelegenheiten der Russischen Sozialistischen Republik, G. W. Tschitscherin, „An die Soldaten der Verbündelen an der Westfront! An alle, an alle, an alle!", die Waffen gegen ihre eigenen Herren zu richten.

Das Regierungsprogramm des Rates der Volksbeauftragten verkündet die Aufhebung des Belagerungszustandes; die Vereins-, Versammlungs-, Presse- und Religionsfreiheit; Amnestie für politische Straftaten; Auf­hebung des Hilfsdienstgesetzes, der Gesindeordnung und der Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter; Einführung des achtstündigen Maximalarbeitstages ab spätestens 1. Jan. 19:19; Unterstützung der Er­werbslosen auf Kosten von Reich, Staat und Gemeinde; Wiederinkraft-setzen der Arbeitsschutzbestimmungen; Wohnungsbereitslellung; glei­ches, geheimes, direktes, allgemeines Wahlrecht für alle Bürger ab 20 Jahre und Hinarbeit auf geregelte Volksernährung sowie Wahlen für eine konstituierende Versammlung. Das als sozialistisch deklarierte Regierungsprogramm ist ein bürgerlich-demokratisches Reformpro­gramm, das von den Volksmassen schon erkämpfte Rechte verkündet. Es soll die sozialistischen Bestrebungen der revolutionären Massen in bürgerlich-parlamentarische Bahnen lenken und die Entmachtung des Imperialismus und Militarismus verhindern.

Um ein Übergreifen der Revolution auf das Land zu verhindern, ruft der Rat der Volksbeauftragten zur Bildung von Bauernräten (BR) auf, in denen sowohl Großgrundbesitzer und Großbauern als auch Klein­bauern und Landarbeiter vertreten sein sollen.

In einem Telegramm an die OHL ordnet der Rat der Volksbeauftragten die Wiederherstellung der allen Vorgesetztenverhältnisse und die Ein­schränkung der Rechte der SR an.

Der Vollzugsrat der Berliner ASR ruft zur Bildung einer Rolen Garde auf, weicht dann aber vor der Konterrevolution zurück und gibt am 13. Nov. bekannt, daß die Bildung Roter Garden einzustellen ist.

Aufruf des Vorstandes der USPD „An die Partei!". Er verkündet, daß an die Stelle der Monarchie die sozialistische Republik getreten, der alte Machlapparat zerschlagen und die ASR Träger der Gewalt seien. Die Gewähr für die Sicherung und den Ausbau der Ergebnisse der Revo­lution gebe die „sozialistische" Regierung, in der SPD und USPD zu gleichen Teilen vertreten sind. Damit fördert die USPD die Illusion, die sozialistische, Revolution habe gesiegt.

Bildung der preußischen Regierung. Dem engeren Kabinelt gehören an: O. Braun. E. Ernst und P. Hirsch (SPD) sowie A. Hoffmann, K. Rosen­feld (ab 14. Nov.) und H. Ströbel (USPD).

Gründung der klerikalen Bayrischen Volkspartei (BVP) in Regensburg, die mit dem Zentrum eine Arbeitsgemeinschaft bildet. Am 9. Jan. 1920 löst sich die BVP vom Zentrum, weil sie die Koalitionspolitik mit der SPD, das Eintreten für den Einheitsstaat und gewisse sozialpolitische Maßnahmen des Zentrums nicht billigt.

Der Hamburger ASR löst die alten Staatsorgane der Hansestadt, den Senat und die Bürgerschaft, auf. Ähnliche Maßnahmen führt zwei Tage später der Bremer ASR durch.

13. Nov. Die Sowjetregierung annulliert den Brest-Litowsker Vertrag.

Die Sowjetregierung teilt telegrafisch ihren Beschluß mit, dem deut­schen Volke 50 000 Pud Mehl zu schicken. Der Bat der Volksbeauftrag­ten lehnt dieses Angebot der proletarischen Solidarität ab. Dafür bittet er in diesen Tagen wiederholt den Präsidenten der USA, W. Wilson, um Lebensmittellieferungen.

Gründung des militaristischen Bundes der Frontsoldaten, Stahlhelm, in Magdeburg unter F. Seldte.

14. Nov. Erste Massenversammlung des Spartakusbundes in den Sophiensälen in Berlin.

Jugendversammlung der Freien Jugend Groß-Berlins in den Pharus-sälen in Berlin-Wedding. Mehr als 3000 Jugendliehe fordern einstim­mig: Milbestimmung bei der Verwaltung des Staates; Wahlrecht ah 18 Jahre für beide Geschlechter; Lern- und Bildungsfreiheit; sechs­stündigen Maximalarbeitslag für Jugendliche Iiis 18 Jahre; Abschaffung der bestehenden Lehrverhältnisse; Reformierung der Fortbildungs­schulen und Verlegung des Unterrichts in die Arbeitszeit; vollständige Gewissensfreiheit und damit Trennung der Kirche von Staat und Schule.

Ermordung des Kommandanten der Volksmarinediv. P. Wieczorek, durch einen konterrevolutionären Marineoffizier. Der Versuch, gleichzeitig den Mitbegründer der Volksmarinediv., H. Dorrenbacb, zu er­morden und die Truppe konterrevolutionären Offizieren zu unterstel­len, schlägt fehl. Der Berliner Metallarbeiter und Matrose O. Tost wird Kommandant der Volksmarinediv.

15. Nov. Gründung des Roten Soldatenbundes unter Leitung von W. Budich.

Vereinbarungen der Unternehmerverbände mit den Gewerkschaften (Arbeitsgemeinschaftsabkommen). Die Gewerkschaften werden als Ver­tretung der Aibeiterschaft anerkannt. Die Koalitionsfreiheit der Arbei­ter und Arbeiterinnen sowie Kollektivvereinbarungen mit den Gewerk­schaften werden zugestanden. Arbeiterausschüsse sollen gemeinsam mit den Unternehmern die Durchführung der Kollektivvereinbarungen überwachen. Außerdem sind Schlichtungsausschüsse bzw. Einigungs­ämter in paritätischer Zusammensetzung aus Arbeiter- und Unterneh­mervertretern vorgesehen. Der achtstündige Arbeitstag wird anerkannt. Zur Durchführung der Vereinbarungen und „zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens" wird von den Unternehmerverbänden und den Ge­werkschaften ein Zentralausschuß auf paritätischer Grundlage (Zentral­arbeitsgemeinschaft) mit beruflich gegliedertem Unterbau errichtet. Dieses Abkommen soll die Enteignung und Entmachtung der monopol­kapitalistischen Kriegsverbrecher und die Vergesellschaftung der wich­tigsten Produktionsmittel verhindern und die Arbeiterklasse an den Imperialismus binden.

Die erste Nr. des Organs der USPD, „Die Freiheit", erscheint in Berlin.

Bekanntmachung der OHL und des preußischen Kriegsministeriums über die Bildung eines Armeeoberkommandos (AOK) „Heimatschutz Ost". Dieses AOK leitet die Aufstellung und den Einsatz konterrevolu­tionärer Freiwilligenverbände, wie der „Eisernen Division" und der Freikorps Heydebreck und Boßbach, gegen die baltischen und finni­schen Arbeiter sowie gegen Polen. Die Freikorps werden zur entschei­denden Bürgerkriegstruppe gegen die Revolution in Deutschland.

16. Nov. Der Vollzugsrat der Berliner ASR gibt bekannt, daß bis zur endgültigen Neuwahl der Fabrikarbeiterräte die bestehenden Arbeiter­ausschüsse, denen das Kontroll- und Mitbestimmungsrecht über alle aus dem Produktionsprozeß entstehenden Fragen zusteht, bestehen­bleiben. In einer weiteren Bekanntmachung des Vollzugsrates wird die schärfste Kontrolle der örtlichen ASR über die preußischen Behörden und Beamten angeordnet. Beamte, die im alten Geiste arbeilen oder gegenrevolulionäre Bestrebungen verfolgen oder unterstützen, sollen durch den zuständigen ASR abgesetzt, offener Widerstand soll mit Waffengewalt gebrochen werden. Diese Beschlüsse werden nur verein­zelt durchgeführt, weil dem Vollzugsrat die Kraft und die Entschlossen­heil fehlen, seine Beschlüsse gegenüber der Regierung und dem alten Staatsapparat durchzusetzen.

Der Chef des Generalstabes des Feldheeres, v. Hindenburg, erläßt Richt­linien, nach denen die in Deutschland einrückenden Truppen nur mit den alten Staatsorganen zusammenarbeiten sollen. Wenn durch revolu­tionäre ASR die Tätigkeit der örtlichen Behörden gelähmt ist, sollen die Truppen deren Aufgaben übernehmen. Zur „Schutzimpfung" gegen revolutionäre Einflüsse auf die Armee wird die Zulassung von SR als Vertrauensstelle, Beschwerdeinstanz und beratendes Organ empfohlen.

Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) durch Ver­treter der früheren Fortschrittlichen Volkspartei und des linken Flügels der Nationalliberalen Partei. Sie stellt sich auf den Boden der bürger­lich-republikanischen Staatsform und fordert eine gewählte National­versammlung. Damit beginnt die Neuformierung der bürgerlich-kapi­talistischen Parteien.

17. Nov. Der Vollzugsrat der Berliner ASR nimmt eine Entschließung über seine Stellung zur Rätemacht und zur Nationalversammlung an. Die revolutionäre Organisation der ASR soll gesichert und ausgebaut werden. Eine Delegiertenversammlung der ASR Deutschlands soll einen Zentralrat wählen, der eine neue, den Grundsätzen der proletari­schen Demokratie entsprechende Verfassung zu entwerfen hat. Diese soll jedoch einer konstituierenden Nationalversammlung zur Beschluß­fassung vorgelegt werden. Die vorgesehene Verbindung von Räteinacht und bürgerlicher Nationalversammlung zeigt die starken bürgerlich-parlamentarischen Illusionen in großen Teilen der Arbeiterklasse. Der Beschluß bedeutet eine Absage an die Rätemacht und vergrößert die Verwirrung in den Reihen der Arbeiter und Soldaten.

Die Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung der sozialdemokrati­schen Arbeiterjugend lehnen eine von der Leitung der Organisation vorbereitete Resolution ab und stimmen den Forderungen der Freien Jugend Groß-Berlins (14. Nov.) mit überwiegender Mehrheit zu.

Der Stadtkommandant von Berlin, 0. Wels (SPD), ruft die Soldaten — zur Aufrechlerhaltung der „Ordnung" und zur „Verhinderung eines Bruderkrieges" — zur Aufstellung einer Republikanischen Soldaten­wehr auf, die für den Einsatz gegen die revolutionären Arbeiter vorge­sehen ist.

18. Nov. Der Rat der Volksbeauftragten lehnt das Angebot der So­wjetregierung ab, den Brest-Litowsker Frieden zu annullieren und einen neuen Frieden auf brüderlicher Grundlage zu schließen.

Im Leitartikel „Der Anfang" in der nach siebentägiger Unterbrechung wieder erscheinenden „Boten Fahne" analysiert Bosa Luxemburg die Ergebnisse der begonnenen Bevolution. Sie weist darauf hin, daß die Arbeiterklasse beim Sturz der Monarchie nicht stehenbleiben darf, son­dern die imperialistische Bourgeoisie entmachten und alle Macht in den Händen der ASR konzentrieren muß. Die lokalen ASR müssen neu ge­wählt werden. Zur Konstituierung der Proletarier als einheitliche Klasse und kompakte politische Macht soll schleunigst ein Reichsparlament der ASR einberufen werden. Die Landarbeiter und Kleinbauern müs­sen unverzüglich organisiert werden. Zum Schütze der Revolution ist eine proletarische Rote Garde zu bilden. Ein Arbeiterweltkongreß soll nach Deutschland einberufen werden, um den sozialistischen und inter­nationalen Charakter der deutschen Revolution klar hervorzuheben. Das Ziel des Kampfes müsse die Verwirklichung des sozialistischen Endzieles sein.

19. Nov. Im Leitartikel der "Roten Fahne" ..Der neue Burgfrieden" entlarvt K. Liebknecht die Einigkeitsparolen der rechten sozialdemo­kratischen Führer, die den Einlluß der revolutionären Kräfte zurück­drängen, die Revolution liquidieren und die imperialistische Ordnung retten wollen.

Versammlung der Berliner AB, in der K. Liebknecht und linke unab­hängige Sozialdemokraten die Errichtung der Rätemacht verlangen. Die rechten Führer der SPD fordern demgegenüber die Wahl einer Natio­nalversammlung. Die zentristischen Führer der USPD erklären sich grundsätzlich für die Nationalversammlung, sie wollen ihre Einberu­fung lediglich zu einem späteren Zeitpunkt.

Auf der Tagung der Marine-SR der Ostsee- und Nordseestationen so­wie der Niederelbe in Wilhelmshaven wählen die Delegierten den Hauptausschuß der Marine, der mit Befugnis zu militärischen Anord­nungen für die gesamte Marine ausgestattet wird und seinen Sitz in Wilhelmshaven hat. Der Hauptausschuß organisiert die revolutionäre Kontrolle des Reichsmarineamtes und des Admiralstabes in Berlin durch einen Kontrollausschuß (53er-Ausschuß der Marine), der sich aus 24 Vertretern der Nordseestationen, 20 Vertretern der Ostseestationen, 5 Vertretern der Stationen der Niedcrelbe und 4 Berliner Matrosen zu­sammensetzt.

19.-25. Nov. Streiks in den Braunkohlengruben der Reviere von Halle-Oberröblingen, Zeitz-Weißenfels um Lohnerhöhung und Arbeits­zeitverkürzung.

20. Nov. Massenkundgebung der Berliner Arbeiter auf dem Tempel-hofer Feld und Massendemonstration nach dem Friedrichshain zur Bei­setzung der Revolutionsopfer. Hierbei ruft K. Liebknecht die Arbeiter zur Durchführung der sozialistischen Revolution auf.

Die Konferenz aller ASR des Bezirks Niederrhein bildet einen Bezirks-ASR. In einer Entschließung fordert die Konferenz rücksichtslosen Kampf gegen die Konterrevolution. Die Wahl einer Nationalversamm­lung wird entschieden abgelehnt.

21. Nov. Im Leitartikel der "Roten Fahne" „Das, was ist" analysiert K. Liebknecht «lie bestehenden Machtverhältnisse. Die ASR sind in ihrer Mehrheit keine Machtorgane der Arbeiterklasse, deren politische Positionen schwächer geworden sind. Der alte Staatsapparat wird vom Rat der Volksbeauftragten erhalten bzw. wiederhergestellt. Die wirt­schaftliche Machtstellung der besitzenden Klasse wurde nicht ange­tastet. Auf dem Lande und in den Städten organisiert sich die Gegen­revolution; Die Arbeiter müssen das Eroberte fest in den Fäusten hal­ten und weitere Machtpositionen erobern.

In Berlin erklären sich fünf Massenversammlungen, auf denen P. Levi K. Liebknecht, Rosa Luxemburg, W. Pieck u. a. sprechen, mit überwie­gender Mehrheit für die Rätemacht und gegen eine Nationalversamm­lung.

Der Rat der Volksbeauftragten ermächtigt den Bundesrat, die ihm nach den allen Gesetzen und Verordnungen zustehenden Verwaltungsbefugnisse weiterhin auszuüben.

Der Oberste SR und der AR in Kiel fordern die Überführung der Ban­ken und der Großbetriebe der Industrie sowie des Großgrundbesitzes in Nationaleigentujn, um eine sichere Grundlage für den Übergang zur sozialistischen Republik zu haben und den Krieg ein für allemal aus der Welt zu schaffen.

Der ASR in Frankfurt (Main) wendet sich mit einem Aufruf an die Fronltruppen, in dem er die Soldaten auffordert, sich für die Republik und den Sozialismus einzusetzen.

21.—29. Nov. In Berlin legen rd. 3000 Arbeiter der Daimler-Werke die Arbeit nieder. Der Streik dehnt sich u. a. auf die Deutsche Motorenbau-Gesellschaft und die Siemens-Schuckert-Werke aus. Die Streiken­den fordern Abschaffung der Akkordarbeit, Erhöhung der Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit. Nach Erringung von Teilerfolgen wird der Streik abgebrochen.

21. Nov.—2. Dez. In den Gruben Oberschlesiens protestieren über 30 000 deutsche und polnische Bergarbeiter mit einem Streik gegen die „Kattowitzer Vereinbarung", das Arbeitsgemeinschaftsabkommen für Oberschlesien. Die Streikenden fordern höhere Löhne, eine einmalige Teuerungszulage und Verkürzung der Arbeitszeit. Durch unverbind­liche Zusagen erreichen die Unternehmer mit Unterstützung rechter Ge­werkschaftsführer den Abbruch des Streiks.

22. Nov. Clara Zetkin ruft im Leitartikel der „Roten Fahne" „Der Revolution — der Frauen Dank" die werktätigen Frauen auf, ihre durch die Revolution erkämpften Bürgerrechte richtig zu nützen, für die proletarische Demokratie zu kämpfen und nicht zuzulassen, daß die Bourgeoisie auf dem Wege über die Nationalversammlung ihre Macht zurückerobert.

Die Deutschkonservative, Freikonservative, Christlich-soziale und Deutschvölkische Partei schließen sich zur Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zusammen. Die neue Partei tritt für die Wiederherstellung der Monarchie ein und fordert Wahlen zur Nationalversammlung.

23. Nov. „Die Rote Fahne" deckt die Konzentralion konterrevolutio­närer Truppen in Berlin auf.

K. Liebknecht spricht auf einer vom Roten Soldatenbund einberufenen Versammlung der Frontsoldaten. Die Versammlung fordert die von der Front nach Berlin heimkehrenden Soldaten auf, Delegierte für einen Frontsoldatenral zu wählen, der in den Groß-Berliner SPD eingegliedert werden soll. Die Versammelten fordern die sofortige Entfernung aller Ofliziere und gegenrevolutionären Elemente aus dem Berliner SB. Sie wenden sieh gegen eine Nationalversammlung und verlangen die Ein­berufung eines Kongresses der ASH Deutschlands.

Der Vollzugsrat der Berliner ASR überträgt unter dem Einfluß der rechten Führer der SPD dem Rat der Volksbeauflragten die exeku­tive Gewalt und gibt Richtlinien heraus, nach denen die ASR nicht in die Verwaltungsaufgaben der Regierungsslellen eingreifen dürfen. Da­mit beschränkt er die Aufgaben der Räte auf untergeordnete Kontroll­funktionen gegenüber dem allen Staatsapparat und erklärt seinen Ver­zicht auf die Errichtung der Rätemacht. Der Vollzugsrat beruft den Reieliskongreß der ASR zum 16. Dez. nach Berlin ein.

Auf seiner 1. Tagung im Beichsmarineamt in Berlin beschließt der 53er-Ausschuß der Marine Maßnahmen zur Kontrolle über das Beichs­marineamt und über den Admiralstab. Ein aus fünf Mitgl. bestehender Zentralrat der Marine wird gewählt. Ihm sind alle Anordnungen des Reichsmarineamtes und Admiralstabs zur Bestätigung vorzulegen. Das ist während der Novemberrevolution einer der bedeutendsten Versuche, einen Teil des alten reaktionären Staatsapparates unter die Kontrolle der Räte zu bringen.

Die Linksradikalen Bremens geben sich den Namen „Internationale Kommunisten Deutschlands", Gruppe Bremen.

Die Nationalliberale Partei (ohne linken Flügel) benennt sich in Deut­sche Volkspartei (DVP) um. Sie fordert Erhaltung des kapitalistischen Privateigentums und unverzügliche Einberufung einer Verfassung- und gesetzgebenden Nationalversammlung.

24. Nov. K. Liebknecht spricht auf einer Jugendversammlung in Ber­lin über die politische Lage und die Aufgaben der Jugend. Die Jugend­lieben verlangen die Fortführung der Revolution bis zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaft. Sie verwerfen die Nationalversamm­lung und fordern: Alle Macht dem ASR.

Die erste Nr. des Organs des Roten Soldalenbundes, „Der Rote Soldat", erscheint.

Berufung einer sog. Sozialisierungskommission unter dem Vorsitz K. Kautskys. Die Sozialisierungskommission soll Gutachten und Vor­schläge für „Sozialisierungsmaßnahmen" einer künftigen Nationalver­sammlung vorbereiten.

25. Nov. Aufruf des Spartakusbundes „An die Proletarier aller Län­der!", um den Sozialismus zu kämpfen, ASR zu wählen, die politische Macht zu ergreifen, zusammen mit den Vertretern der deutschen Ar­beiterklasse einen dauerhaften Frieden herzustellen und nicht zuzulassen, daß die herrschenden Klassen die Revolution in Deutschland und Rußland erwürgen.

Reichskonferenz der deutschen Bundcsstaalen in Berlin. F. Ebert ver­langt, daß die Regelung des gesamten gesellschaftlichen Lebens der Nationalversammlung vorbehalten bleibt und daß bei der Sozialisie­rung Experimente vormieden werden. Die Konferenz stimmt mit Aus­nahme der Vertreter Braunschweigs und Gothas, A. Merges und 0. Geilhner (USPD), für die Einberufung der Nationalversammlung.

27. Nov. Im Leitartikel der „Roten Fahne" „Der Acheron in Bewe­gung" charakterisiert Rosa Luxemburg die Streikbewegung als den An­fang „einer Generalauseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit in Deutschland".

Auf einer Sitzung der Berliner AR wendet sich der Volksbeauftragte E. Barth gegen Streiks und Sozialisierungsmaßnahmen der Arbeiter. Die Mehrheit der AR nimmt gegen Barth Stellung, verurteilt-die streik­brecherische Tätigkeit der rechten Gewerkschaftsführung und tritt für die Fortsetzung der Streiks ein. Es wird beschlossen, der Berliner Gewerkschaftskommission einen Kontrollausschuß beizuordnen.

Die erste Nr. des Zentralorgans der FSJ, „Die junge Garde", erscheint. Sie enthält den Artikel K. Liebknechts „Die proletarische Jugend in der Revolution".

Der 53er-Ausschuß der Marine fordert von der Regierung energische Schritte gegen konterrevolutionäre Machenschaften von Generälen und, zu deren besserer Kontrolle, die Verlegung der OHL von Kassel nach Berlin.

27. /28. Nov. 1.860 Arbeiter der Fritz Werner AG, Berlin-Marienfelde, streiken für Verkürzung der Arbeitszeit, Abschaffung der Akkordarbeit und Entlassung eines verhaßten leitenden Angestellten. Sie erkämpfen die 45-Stunden-Woche.

900 Arbeiter der Gewerkschaft Westfalens in Ahlen streiken. Sie erkämpfen 7 1/2stündige Arbeitszeit und Lohnerhöhung.

28. Nov. K. Liebknecht charakterisiert in seinen „Leitsätzen" den bisherigen Verlauf der Revolution als bürgerlich-politische Reformbewegung, die ein Werk der Arbeiter und Soldaten ist. Er stellt folgende Aufgaben zur Weiterführung der Revolution: Konzentralion der gesamten gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen Gewalt in den Händen der Arbeiter, des kleinen Mittelstandes und der proletarischen Soldaten in Gestalt der ASR, zu denen Angehörige der herrschenden Klassen weder wahlberechtigt noch wählbar sein dürfen; ständige Kontrolle der Räte durch die Massen und ihre Abberufung, wenn sie das Vertrauen der Massen verloren haben; Durcliführung einer proletarischen demokratischen Organisation des Heeres; sofortige Aufhebung der Befehlsgewaltl der Offiziere; Schaffung einer Arbeitermiliz und einer Roten Garde; Aufklärung und Revolutionierung der von den Fronten kommenden Armeen, die in den Händen konterrevolutionärer Offiziere eine ungeheure Bedrohung der Revolution bilden; Vergesellschaftung der Großbetriebe; Entwicklung des Genossenschaftswesens für den Mittelstand in Stadt und Land ; Überführung des Vermögens der Dyna­stien in den Besitz der Gesellschaft; grundlegende Umgestaltung des Wohnungs-, Gesundheits-, Erziehungs- und Bildungswesens; Vereini­gung der revolutionären Kräfte des Proletariats, aber keine Scheineinig­keit in Ziel und Weg unterschiedlicher Elemente, kein Zusammenarbei­ten mit den rechten Führern der SPD; Herstellung brüderlicher Beziehungen mit dem Proletariat der anderen Länder, besonders dem der Sowjetrepublik. Die Leitsätze beantworten die grundlegenden Fra­gen des Kampfes um den Sozialismus im wesentlichen richtig, sie wei­sen den Weg zur Lösung der nationalen Lebensfragen des deutschen Volkes — zu Frieden, Demokratie und Sozialismus. Die Leitsätze sind eine programmatische Grundlage für die Klärung der wesentlichen Fragen des Staates und der Revolution in den Beihen der marxistischen Vorhut der Arbeiterklasse und für die Abgrenzung von den kleinbürgerlichen, zentristischen Positionen der Führung der USPD.

Der PA der SPD spricht sich für die schnelle Einberufung einer Natio­nalversammlung aus.

29. Nov. Rosa Luxemburg fordert im Leitartikel der „Roten Fahne" „Parteitag der Unabhängigen SP" die sofortige Einberufung eines Par­teitages der USPD. Sie charakterisiert die Rolle der rechten Führung der USPD, die die verräterische Politik der rechten Führer der SPD deckt und durch ihren Versuch, die Räte mit der Nationalversammlung zu vereinigen, die Massen verwirrt. Rosa Luxemburg zeigt, daß Mitgl. und Anhänger der USPD in wachsendem Maße in schärfste Opposition zur führenden zentristischen Gruppe Haase-Kautsky geraten.

Telegramm des Vors. des Zentralen Exekutivkomitees der ASR Ruß­lands, J. M. Swerdlow, an die Berliner ASB, in dem die Teilnahme einer sowjelrussischen Delegation am Kongreß der deutschen ASR mit­geteilt wird. Der Vollzugsrat der Berliner ASR beschließt, die sowjet­russische Delegation willkommen zu heißen, und ersucht die Reichs­regierung, die notwendigen Maßnahmen zur Einreise der Delegation zu treffen.

1200 Arbeiter der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, Berlin-Oberspree, wenden sich gegen eine Nationalversammlung. Sie fordern die gesamte politische Macht für die ASR.

Demonstrationsstreik von 20.000 Arbeitern der Werften und anderer Großbetriebe in Bremen unter Führung der Internationalen Kommunisten Deutschlands gegen die Einberufung der Nationalversammlung, für die proletarische Diktatur, für die Entwaffnung des Bürgertums und die Bewaffnung des Proletariats, für die Übernahme der „Bremer Bürger-Zeitung" durch den AR.

30. Nov. Veröffentlichung des Aufrufs zur Gründung einer „Eisernen Division" in Mitau (Baltikum) als Freiwilligenarmee für den Kampf gegen die Sowjetmacht. Die Bildung dieser Division ist vom AOK VIII am 21. Nov. beschlossen und vom Zentralsoldatenrat des AOK III un­terstützt worden. Die „Rote Fahne" fordert am 1. Dez. vom Berliner SR und von der Regierung Maßnahmen, um diesen konterrevolutionären Anschlag rückgängig zu machen.

Quelle: Institut für Marxismus-Leninismus (HRG), Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Chronik, Band II, 1917-1945, Berlin 1966, S. 20-39