Das Thema Rußland und
das Verhältnis zum Regime dort ist ein
Dauerbrenner. Die Frage der Sanktionen wird laufend
kontrovers diskutiert und regiemekritische
Demonstrationen in Moskau, St. Petersburg und
anderen Städten häufen sich.
Rein moralische Bewertungen und Sichtweisen sind
jedoch oberflächlich und man muß schon die
Wirtschaft als Basis der Gesellschaft betrachten,
um diese und weitere Entwicklungen in Rußland
einschätzen zu können.
Rußland ist wirtschaftlich kein eigenständiges
kapitalistisches Land sondern ein Subsektor des
globalen Kapitalismus. Dies wird deutlich wenn man
sich die Währung Rubel betrachtet. Rußland hat zwar
über 50 Milliardäre als Großkapitalisten doch ist
dieses Großkapital auf globalen Finanzplätzen wie
London oder New York angelegt oder in Steueroasen
wie ehemals Zypern. Es sind in der Regel ehemalige
Partei und Staatsfunktionäre oder auch aktive
Bürgermeister und deren Verwandte, die solches
Kapital angehäuft haben. Und die Milliarden werden
ausschließlich in Dollar oder Euro berechnet.
Selbst russisches Reservekapital für Renten oder
zur Staatsfinanzierung sind in Gold oder in
ausländischen Devisen oder Wertpapieren angelegt.
Der russische Rubel hat nur eine Funktion als
Wechselgeld und Kassenbestand und sobald sich
Vermögen von einigen Hunderttausend ansammelt,
werden diese in ausländische Devisen getauscht.
Auch russische Banken und Firmen machen das so.
Es gibt also in Rubel keinen Sektor der Großkapital
genannt werden könnte und es gibt auch gar keine
vergleichbaren Geldmengen in dieser Währung.
Die Regierungen
Putin`s hatten jedoch alles daran gesetzt den
ständigen Kapitalabfluss zu stoppen und den Rubel
und Rußland als Standort für Großkapital attraktiv
zu machen, ist damit aber gescheitert. China, Iran
oder Brasilien sind in ähnlicher Lage und es können
auch alle zusammen kein eigenes Weltfinanzsystem
mehr bilden.
Der Nachteil das es kein Großkapital in Rubel gibt
ist aus Sicht der russischen Regierung, dass der
russische Staat auch keine Kredite in Rubel
aufnehmen kann und auch die Geldmenge in Rubel
wegen sofortiger Inflation nur geringfügig
angehoben werden kann. Alles muss vorfinanziert
werden und Kredite müssen wenn dann verdeckt in
anderer Währung aufgenommen werden. Russland steht
bei der Staatsverschuldung deshalb gezwungener
Maßen gut da, es ist einfach kaum möglich Kredite
aufzunehmen. Die Sanktionen zielen hauptsächlich
auf Strohmänner der russischen Regierung die
Geldgeschäfte des russischen Staates auf eigenen
Namen abwickeln.
Zur Zeit des Vorgängers von Putin als russischer
Präsident war der Staat praktisch
zusammengebrochen. Es gab Monate Verzögerungen bei
der Auszahlung der Renten und der Löhne der
Staatsangestellten und der Staatsbetriebe. Dafür
wurde die oberste Schicht der Staats und
Parteifunktionäre unsäglich reich und schaffte ihre
Vermögen in das Ausland. Um den völligen
Zusammenbruch abzuwenden agierte die Regierung
Putin mit der Einrichtung des tiefen Staates aus
Resten der Geheimdienste und mafiaähnlicher
Struktur.
So gelang es die
Haupteinnahmen des Staates die aus dem Verkauf von
Rohstoffen resultieren, wieder unter Kontrolle der
russischen Regierung zu bringen. Wer sich nicht
fügte wie der Milliardär Chodorkowski oder der BP
Konzern, wurde unter Vorwänden faktisch enteignet.
Der russische
Staat stabilisierte sich durch solche Maßnahmen und
Putin hatte wegen pünktlicherer Auszahlung der
Renten usw. zeitweilig und teilweise Rückhalt in
der Bevölkerung.
Auf der Anderen Seite verlor Russland jedoch
Kreditwürdigkeit und Investitionen ausländischer
Konzerne, die durch die Enteignungen abgeschreckt
wurden. Auch in Russland selbst gibt es erhebliche
Probleme weil der tiefe Staat ohne Gesetze agiert
und Firmen oder Grundstücke nach Bedarf oder
Gutdünken enteignet und auch für eigene Zwecke
verwendet. Opposition ist praktisch nur im
Untergrund möglich da Kritiker vom Staat und seinem
tiefen Teil ausgeschaltet werden. Der tiefe Staat
ist zwar teilweise unter Kontrolle der Regierung,
agiert aber auf vielen Ebenen auch eigenständig und
im Eigeninteresse. Die Gesellschaft erstickt erneut
unter der Schicht einer allmächtigen und
privilegierten Bürokratie.
Der russische Staat ist scheinbar stabil, hat aber
doch erhebliche Probleme. Auf
privatkapitalistischer Basis kann sich nur wenig
entwickeln weil Kreditmöglichkeiten fehlen und es
keine Rechtssicherheit gibt. Investieren tut der
tiefe Staat mit Geld das im Westen geparkt oder
aufgenommen wurde und der allein auch entsprechend
auch Rückendeckung hat. Ausländische Betriebe
investieren wenn sie mit Staatsbürgschaften der KFW
oder ähnlich gegen Verlust abgesichert sind.
Ein weiteres schweres Problem für den russischen
Staat sind der erhebliche Rückgang an Einnahmen
durch den Verfall der Rohstoffpreise. Zudem werden
wichtige Gas und Ölfelder in den nächsten Jahren
erschöpft sein. Es gibt zwar noch andere und bisher
nicht genutzte Öl und Gasfelder, diese müssen
jedoch erst erschlossen werden. Dazu benötigt
Russland Kredite, Investoren, Lieferverträge und
Technologie aus dem Westen. Diese sind jedoch durch
die allgemeine Lage und die Sanktionen nicht
einfach zu bekommen.
Die Entwicklung in Russland ist auf jeden Fall an
die Entwicklung der wichtigen kapitalistischen
Länder gekoppelt. Angenommen die Währungen Euro und
Dollar würden zerstört werden, was absehbar ist,
dann ist auch das russische Großkapital betroffen
und wertlos geworden, da es zu diesen Währungen
gehört. Diese Länder wären dann auch keine
Absatzmärkte für russische Rohstoffe mehr sein und
die Einnahmen des russischen Staates würden
wegfallen. Ein Zusammenbruch der Euro und Dollar
Länder würde und wird den Zusammenbruch Russlands
und vergleichbarer Länder auf jeden Fall nach sich
ziehen. Das kapitalistische System kann auch in
Russland und nirgends mehr bei Null anfangen denn
es ist über viele Generationen gewachsen. Die
Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte mit all
der Vernetzung vertragen keinen Frühkapitalismus
mehr und überhaupt den Kapitalismus nicht mehr.
Russland kann auch in Griechenland und in keinem
Land gegen den Kapitalismus eingreifen weil es
selbst nur ein kleiner Subsektor von ihm ist.
Der
Zusammenbrechende Kapitalismus muss global ersetzt
werden durch Umstellung der Produktion von Löhnen,
Profiten und Preisen, also dem kapitalistischen
Geldsystem, auf den Bedarf der Verbraucher.
Solch ein System
der Zukunft braucht Demokratie und deshalb müssen
alle undemokratischen Strukturen und sämtliche
Menschenrechtsverletzungen und Kriege entschieden
angeprangert werden. Sanktionen sind jedoch nicht
hilfreich weil sie auch die globale Vernetzung und
den Austausch verhindern.
Die Parteien des
Kreml in Moskau sind wie Blockparteien und keine
Alternative. Presse und Internet sind
gleichgeschaltet oder zensiert, antikapitalistische
Opposition wird unterdrückt. Das Regime lässt
derzeit einige Demonstrationen in Rußland zum Dampf
ablassen „für Nawalny" zu, sonst nichts. Aber es
steckt zusammen mit allen Regimen der Welt in der
kapitalistischen Sackgasse, die bald explodieren
wird.
Der Kapitalismus reagiert international auf seine
zunehmende Krise mehr und mehr mit Diktatur und
Unterdrückung. Das Regime in Moskau trägt mit
seiner Unterstützung rechtspopulistischer
Bewegungen in Frankreich, Deutschland, Ungarn, den
USA und anderen Ländern dazu bei, diese zu fördern.
Bürgerliche Demokratie stellt das Regime in
Russland in Frage, weshalb es diese auch im Westen
bekämpft.
Der Kapitalismus
ist und braucht die Diktatur. Wir brauchen
Demokratie und Menschenrechte und müssen uns mehr
und mehr vernetzen um antikapitalistische Themen
auf die Tagesordnung der Gesellschaft zu setzen.
Quelle: Zusendung per email am
15.10. 2017
"Kommentare zum
Zeitgeschehen" geben nicht unbedingt die Meinung von Redaktion
und Herausgeber wieder. Sie dienen der freien Meinungsäußerung
und stehen in der Verantwortung des/der Verfasser/in.
|