Vorwort
Ein Haus in der Kirchgasse
In Berlin in einem
Haus in der Kirchgasse wurden kürzlich die Böden
erneuert. Arbeiter entdecken beim herausreißen einer
Bodendiele ein leicht vergilbtes Bündel, in dem
Bündel steckte ein Text welcher die Überschrift
hatte: "Brief an meinen Vater"
. Ein Arbeiter wollte das Notizbuch mit dem Text
entsorgen ein anderer meinte „man sollte sich das
nochmal anschauen“, denn der Text war
maschinengeschrieben und leicht lesbar. Der
umfangreiche Brief endeten im Jahr 1938. Nun bin ich
im Besitz des Schriftstückes und werde es
publizieren. Denn der „Brief an den Vater“, stammt
von einem gewissen Oskar Quengel , von dem wir nicht
genau wissen ob er so hieß . Der Inhalt des
Schriftstückes ist zeitgeschichtlich mehr als
relevant. Oskar Quengel beschreibt seinen Lebenslauf
als Doppelagent. Er arbeitete für den KPD Funktionär
Hans Kippenberger, längere Zeit für das
Reichswehrministerium direkt unter General
Schleicher. Nachdem General Schleicher, als letzter
Kanzler Weimarer Republik, durch Hitler und die
faschistische Diktatur ersetzt wurde wirkte,
Quengel weiter für den Nachrichtendienst der KPD, er
hatte unter anderem Verbindungen in die oberste SA-
Führung. Immer stand Quengel links und war der
Meinung, durch seine Tätigkeit
als Doppelagent der Weltrevolution wichtige Dienste
zu erweisen. In der Emigration in Paris wurde Quengel
allerdings vom Militärapparat der KPD abgehängt. In
den illegalen Rundbriefen wurde er als Renegat
bezeichnet. Das politische Leben von Oskar Quengel
endete im Selbstmord. Vorher machte sich der Autor
der gefundenen Schrift an seinem
Vater Luft. Sein Vater ebenfalls ein Mitglied der KPD
lebte damals in Berlin Neukölln in der Kirchgasse.
Wie die Briefe transportiert wurden muss ein Rätsel
bleiben. Allerdings geben wir hier der fiktiven oder
realen Gestalt von Oskar Quengel ausgiebigen Raum, um
der heutigen Generation etwas über die damalige
dramatische deutsche Geschichte zu erzählen.
Für Kippenberger bei General von Schleicher – Briefe
an meinen Vater
Mein lieber Vater
ich muss dir einfach schreiben. Ich bin ausgelaugt
und am Ende. Wir schreiben jetzt den August 1938.
Wieder konnte ich kaum schlafen und wenn ich schlafe
sehe ich lauter Tote, oder noch herumlaufende
kommende Tote vor mir. Meine Nerven spielen verrückt.
Ich träume von Hans Kippenberger, Leo Roth, Heinz
Neumann, Leo Trotzki oder dem General von Schleicher.
Du wirst dich sich sicher fragen wie ein solches
Potpourri von unterschiedlichen Personen in mein
Gehirn hinein kommt und mich martert. Ich bin dir in
der Tat einige Erklärungen schuldig. Vorher solltest
du wissen dass ich dich immer respektierte und ein
großzügiges Arbeiterherz und deine Gesinnung schätzte
und teilte. Dies obwohl du seit 1915 von mir noch
spärlich Nachrichten erhalten hast. Du hast dich als
kleiner KPD Funktionär sicher gefragt was dein Sohn
so treibt und warum wir keinen intensiven Kontakt
hatten . Ich will dir alles erklären und dir Mut
geben damit du und meine geliebte Mutter, die
faschistische Nacht übersteht. Meine Nerven hingegen
liegen blank. Bitte verzeih mir -dein Sohn den du oft
ein Nervenbündel nanntest- kann nicht mehr. Mein
Leben werde ich in dieser Nacht beenden.
Meine Geschichte
Ich arbeitete mit
Herz und Hand im „ Geheimen“ für die Ziele, die uns
einst Luxemburg und Liebknecht, sowie Lenin wiesen.
Allerdings tat ich das an einer Stelle, die nicht im
Fokus der Öffentlichkeit stehen durften. Ab Anfang
1929 arbeitete ich für den Militärapparat der KPD in
geheimer Mission im Reichswehrministerium. Ich war
direkt dem Leiter des Nachrichten und Militärapparats
der KPD Hans Kippenberger, unterstellt. Damit die
Abwehr der Reichswehr glaubte ich würde für sie
Dienste und Aufträge übernehmen musste ich bestimmte
Kontakte abbrechen. Offiziell war ich Mitarbeiter von
Willi Münzenberg dem Herausgeber der “ Arbeiter
Illustrieren Zeitung“. Die Abwehr der Reichswehr
glaubte ich wäre für sie dort tätig. Ende des Jahres
1928 sprach mich ein gewisser Herr Rath in einem
Lokal in Neukölln an. Der Herr fragte ob ich denn
zufrieden sei mit meinem Leben, meiner Position und
mit meinem Verdienst. Ich versuchte den Herrn
abzuwimmeln, denn ich hatte den dringlichen Verdacht
dass er für die politische Polizei des preußischen
Staates arbeitete . Diese Geschichte erzählte ich
meinem Vorgesetzten dem bekannten kommunistischen
Publizisten Willi Münzenberg. Münzenberg forderte
mich umgehend auf mich mit Hans Kippenberger, dem
Leiter des Militärapparates der KPD zu treffen.
Kippenberger sagte:“ Es handelt sich mit Sicherheit
um einen Spitzel, der sich in unseren Verkehrslokalen
herumtreibt. Triff dich mit ihm und versuch
herauszubekommen für wen dieser Herr arbeitet und geh
zum Schein auf seine eventuellen Angebote ein.
Nachher erstattest du mir ausführlich. Bericht.“
Typisch Kippenberger dachte ich sehr freundlich aber
gleichzeitig entschieden und befehlsgewohnt. Im
November 1928 besuchte ich täglich das Lokal -drei
Wochen lang- indem sich deine Ortsgruppe regelmäßig
im Hinterzimmer traf. Nach knapp drei Wochen tauchte
Herr Rath wieder auf und schlug vor, sich doch
woanders zu treffen, wo es etwas ruhiger sei, um sich
weiter zu unterhalten. Wir verabredeten uns für den
nächsten Tag in einem bekannten Caféhaus am Alex.
Textauszug 2
Heinz Neumann
Über Heinz Neumann
schrieb ich damals:“ Er ist intellektuell dem
Parteiführer Ernst Thälmann weit überlegen. Zudem
verfügt er über ausgesprochen rhetorische
Fähigkeiten. Genau betrachtet ist Heinz Neumann der
Spiritus Rektor innerhalb des Sekretariats der KPD.
Bis dato erfreut er sich einer besonderen
Wertschätzung durch Stalin. Heinz Neumann ist wendig
und im Umgang mit so genannten Abweichlern nicht
sonderlich zimperlich. Es kursiert das Gerücht, dass
er alle wichtigen Reden für Ernst Thälmann schreibt.
Die alte Generation angeführt von Clara Zetkin und
Wilhelm Pieck, steht Neumann, mit einer gewissen
Skepsis gegenüber. Neu ist, dass Neumann sich
offensichtlich fest gebunden hat. Ob es allerdings
ein Ende seiner zahllosen Frauenaffären bedeutet
bleibt abzuwarten. Bei aller Treue gegenüber Stalin
ist und bleibt Neumann jedoch ein selbstständiger
selbstbewusster Kopf.
Hermann Remmele
Zusammen mit
Thälmann und Neumann bildet Hermann Remmele die
eigentliche Führung der KPD. Remmele ist mit knapp 50
mit seiner einer ziemlichen Erfahrung in der Bewegung
eine geschätzte Person. Den Neumann Opponenten fällt
es schwer die gegenwärtige Führung der KPD
anzugreifen, da sie die Autoritätsperson Remmele
deckt. In Wahrheit jedoch benötigt der Praktiker
Remmele, den wendigen Theoretiker Neumann. Remmele
ist zwar ein guter aber kein hervorragender Redner.
Ernst Thälmann
Ernst Thälmann hält sich viel darauf zugute aus dem
Proletariat zu stammen. Viele Arbeiter und Anhänger
der KPD speziell in Hamburg sehen in ihm
ihresgleichen. Die Rhetorik von Thälmann provoziert
bei den Intellektuellen innerhalb der KPD des Öfteren
geradezu Verzweiflungszustände. Wenn Ernst Thälmann
nicht vom Blatt abliest passieren ihm immer
wiederholt brutale verbale Schnitzer. Auf einer KPD
Versammlung meinte er einmal im Ernst:“ Die Frauen
gehören mit den eigens dafür geschaffenen Organen
bearbeitet.“ Letzteres führt zwar zu Witzen innerhalb
der Partei- Intelligenz, aber solche Schnitzer
schaden dem Arbeiterführer beim proletarischen Anhang
nicht im geringsten. Auch die Affäre im letzten Jahr
führte bei vielen Arbeitern, die in Ernst Thälmann
Ihrem Führer sehen zu Mitleid und sogar zur aktiven
Solidarisierung. Bei allen Schwächen ist Ernst
Thälmann ein nicht zu unterschätzendes Aushängeschild
der Partei. Thälmann verfügt mittlerweile rüber viel
organisatorische Erfahrung, aber er schwankt zwischen
übersteigerten Selbstbewusstsein und
Minderwertigkeitskomplexen.
Walter Ulbricht
Der Sachse Walter
Ulbricht wird in der KPD nicht geliebt. Sein
absoluter Pluspunkt ist seine ständige Betriebsamkeit
und die Liebe zum Detail. Nicht umsonst hat er in der
Partei den Spitznamen „Genosse Zelle“ Walter Ulbricht
wird mit Sicherheit dem neuen Zentralkomitee
angehören und dort wie immer einer derjenigen sein
der am besten informiert ist. Seine Außenwirkung
hingegen ist mehr als bescheiden. Auch in seinen
Jahren in Moskau ( er war dort Vertreter der KPD bei
der Komintern) verstand er es nicht auch nur etwas
russisch zu lernen. Walter Ulbricht hat es geschafft
sich von allen seinen alten Freunden Heinrich
Brandler und Thalheimer, rechtzeitig zu distanzieren.
Er wird als Organisator im neun Zentralkomitee mit
Sicherheit benötigt.
Leo Flieg
Leo Flieg gehörte
bis dato zu jeder KPD Führung. Flieg ist ungeheuer
fleißig und ein überzeugter Bolschewik. Letzteres
kann aus seinem Äußeren nicht geschlossen werden. Leo
Flieg ist blass und schmächtig. Vom Typ her würde er
als Büroangestellter eine Versicherungsgesellschaft
locker durchgehen. Dennoch ist Flieg ein überzeugter
Revolutionär, der im Stande ist auch konspirativ zu
arbeiten. Mit Heinz Neumann verbindet in eine enge
Freundschaft. Leo Flieg gehört zum engen
Freundeskreis des KPD Chef Agitators Willi
Münzenberg.
Willi Münzenberg
Willi Münzenberg
ist nicht nur im Reichstag aktiv sondern er leitet
umfassende KPD Propagandaunternehmen. Münzenberg gibt
nicht nur die „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ heraus
sondern er organisiert publikumswirksam jeden
Propagandafeldzug der KPD. In den Verlagshäusern von
Münzenberg erscheint die kleine Arbeiterbibliothek,
die im RO RO Ro Druckverfahren hergestellt wird.
Durch dieses günstige Verfahren verstand es
Münzenberg die Werke von Marx, Engels und Lenin
günstig Arbeitern und Arbeiterinnen anzubieten.
Daneben betreibt er ein florierendes Geschäft mit
sowjetischen Filmen. Es dürfte bekannt sein, dass
Münzenberg immer wieder solche Filme einsetzt und des
Öfteren speziell während der Wahlkampagnen Filme als
rollende Kinos in den allerletzten Landgemeinden
zeigt. Münzenberg ist der fähigste Propagandist den
die KPD hat. Auch als Redner sind seine rhetorischen
Fähigkeiten nicht zu unterschätzen. In
Privatgesprächen mit Intellektuellen welche der
Partei nahe stehen kann Münzenberg sehr charmant
sein.
Hans Kippenberger
Wie Ihnen bekannt
sein dürfte leitet der ehemalige Leutnant
Kippenberger, den Abwehrapparat der KPD. Unter seiner
Führung steht der Nachrichtendienst, sowie der
militärische Zersetzungsapparat kurz M- Apparat
genannt. Hans Kippenberger ist Mitglied des
Reichstages er versucht mit seinen Erkenntnissen, die
KPD Politik maßgeblich mitzugestalten. Gegenüber der
Reichswehr hat sein Zersetzungsapparat aber bis dato
nichts Wesentliches bewerkstelligt. Es gibt zwar
einige KPD Zeitungen für Reichswehrangehörige, welche
allerdings ihre Wirkung verfehlen. Offensichtlich hat
es Kippenberger allerdings geschafft einige
Informanten speziell innerhalb der preußischen
Staatspolizei unterzubringen. Kippenberger umgibt
sich mit jungen Leuten deren Namen dem
Parteimitgliedern unbekannt sind und auch ich selbst
kann leider nicht einen einzigen seiner Mitarbeiter
mit Klarnamen benennen.
General Schleicher ist zufrieden
Selbstverständlich
lieber Vater lieferte ich Schleicher nur ein Konspekt
des geschriebenen. Sowie einige Infos die zum Teil
aus fraktionellen Gründen weitergegeben werden
sollten. Nachdem Herr Rath das Papier erhalten hat
erhielt ich kurze Zeit darauf eine Einladung ins
Hotel Adlon, um dort General Schleicher zu treffen.
Wie immer trafen wir uns in einem eleganten Nebenraum
des bekannten Berliner Hotels. Die „vibrierende“
Natter Schleicher begrüßte mich herzlichst. Mein
Bericht schien dem Herrn General gefallen zu haben.
Im Lauf des Gespräches wurde mir immer deutlicher,
dass sich dieser deutsche Militarist als politisches
Genie und als ausgesprochenen Menschenkenner
betrachtete. Der General meinte mir mit tiefen Blick
in meine Augen mitteilen zu müssen:“ Jetzt bin ich
endgültig davon überzeugt wie nützlich Sie für mich
sein können“. Dann begann der Herr General mit einem
Monolog und legte nur noch Wert darauf, dass ich ihm
zustimmend zunickte. Dennoch hatte auch der endlose
Monolog einige interessante Aspekte für mich zu
bieten. Dem Herrn General Schleicher war die
Unzufriedenheit mit der SPD geführten
Regierungskoalition anzumerken. Die Regierung Hermann
Müller hatte zwar ihrer Wahl Versprechungen gebrochen
und statt der versprochenen Kinderspeisung, Geld für
den Panzerkreuzer A bewilligt. Damit war Schleicher
zufrieden aber er meinte:“ Ich hab die Schnauze voll
davon immer die Herren überzeugen zu müssen. Die
Entscheidungen der Regierung dauern mir viel zu
lange. Da lobe ich mir doch Josef Stalin, welcher
einfach ohne irgendjemand zu befragen seinen
Hauptkonkurrenten Leo Trotzki in die Türkei verbannen
konnte.“ Zusätzlich äußerte sich der General
optimistisch bezüglich der neuen Führung in der
Sowjetunion. Sinngemäß brachte er zum Ausdruck, dass
deren Politik einerseits abenteuerlich sei, es aber
auf der anderen Seite doch nur die ewigen Interessen
von „Mütterchen Russland bediene“. Gleichzeitig
meinte er dass sich die KPD in Deutschland maßlos
überschätze und sich mit ihrer Politik gegenüber der
Sozialdemokratie langfristig nur isolieren könnte.
Mit einigen kurzen Einwürfen billigte ich die
Argumentation des Generals. In der Tat, mein Verstand
sagte mir, dass der General, die Klassenlage und das
Klassenbewusstsein in Deutschland realistischer e
einschätzte als die Führung der KPD. Gegen Ende der
Audienz meinte General Schleicher: „ Am 1. Mai ist
was im Busch, der SPD Polizeipräsident Zörgiebel
bereitet etwas gegen die KPD vor. Ich hoffe der Kerl
stellt sich nicht so blöde an wie das Weichei
Severing ( SPD Innenminister von Preußen ).“ mit den
letzten Bemerkungen war ich entlassen und durfte den
Heimweg antreten. Umgehend informierte ich einen
Kurier von Kippenberger und bat um ein Gespräch.
Leseprobe Teil 3
Im November 1930 wieder bei
Schleicher
Herr Rath
schickte mir einen Brief mit der Adresse des
Zahnarztes Dr. Hellmuth Elbrechter im Berliner
Adressbuch als Zahnarzt mit einer Praxis in der
Brückenallee Nr. 14 verzeichnet, bei dem ich mich
in Zukunft mit Schleicher treffen sollte. Der
General schien auf mehr Konspiration zu setzen.
Über den Zahnarzt stellte mir die Sekretärin von
Kippenberger, ein umfangreiches Dossier zusammen.
Der Herr Doktor gehörte zum engsten Kreis der Leute
um Edgar Jung, dem Kreis der sogenannten
„konservativen Revolution“. Er hatte enge Kontakte
zum sogenannten linken Flügel der NSDAP, um Gregor
Strasser seinem Bruder Otto Strasser und zu dem in
Bolivien weilenden Ernst Röhm. Die „
Jungkonservativen“ waren eine Vereinigung von
rechten Intellektuellen, welche die Vergangenheit
verherrlichten, aber dennoch nicht auf die Rückkehr
von Kaiser Wilhelm setzten. Diese Leute meinten,
dass das alte Preußen der Inbegriff von sozialer
Gerechtigkeit gewesen sei. Zu dem Kreis gehörte
auch der Schriftsteller Ernst Jünger, welcher in
seinem Werk „ In Stahlgewittern“ das Kriegserlebnis
abfeierte. Jünger schwadronierte von wahrer
„Männlichkeit im Krieg“ und brachte es fertig das
Kriegserlebnis als „ Sozialismus“ auszugeben Hans
Zehrer gab die Zeitung „ Die Tat“ heraus in der
ebenfalls der autoritäre preußische Staat
abgefeiert wurde. Gleichzeitig sahen diese Leute
den Gegensatz links – rechts als überholt an und
propagierten faktisch einen autoritären Ständestaat
mit einer starken Person an der Spitze. Die
Nazibewegung war diesen Leuten nicht vornehm genug.
Das Treffen beim Zahnarzt
Als getarnter
Patient besuchte ich am 3. November 1930 die mir
angegebene Zahnarztpraxis. Sofort wurde ich von der
“ Sprechstundenhelferin“ in einen eleganten
getarnten Raum geführt. Der Herr General war schon
da und begrüßte mich freundlich. An dem Gespräch
nahm auch der oben genannte Zahnarzt teil. General
Schleicher setzte auf freundliche nichts sagende
Konversation am Anfang des Gesprächs. Er erkundigte
sich nach meinen Lebensumständen und fragte mich ob
ich Geld benötige. Natürlich war ich mir meines
Auftrages bewusst und sprach von meinen Geldsorgen.
Der Herr General sagte, „dass lässt sich mit einem
Scheck in den nächsten Tagen locker lösen. Herr
Leutnant Rath wird Ihnen einen Scheck in Höhe von
2000 Reichsmark zukommen lassen.“ Endlich kam
Schleicher auf den Zweck unseres Treffens zu
sprechen. Er bedauerte es, dass die
Nationalkonservativen nur ein Prozent bei der
Reichstagswahl erreicht hätten. Den Wahlerfolg der
NSDAP versuchte er mit einem Schulterzucken
abzuwickeln. Ich hatte das Gefühl, dass der Zocker
Schleicher versuchen würde aus der Situation das
Beste zu machen und mit Sicherheit hatte er
Kontakte in die Reihen der Nazi Partei. Schleicher
war wie immer voller Optimismus und sah sich
zunehmend als den Drahtziehern der deutschen
Politik an. Seine wispernde Stimme wollte dann von
mir etwas über die neueste Entwicklung in der KPD
wissen. Mein Bericht an ihn gab nur bekanntes
wieder wenn etwas öffentlich unbekannt war dann
waren es gezielte Fehlinformationen darunter auch
Köder. Ich berichtete vom Optimismus der in den
Reihen der KPD herrschte und der Einschätzung der
führenden Kader der KPD, dass es sich bei der NSDAP
nur um eine vorübergehende Erscheinung handeln
würde. Der General nickte und grinste bezüglich der
aktuellen Politik der kommunistischen Partei. In
mir brodelt es, in meinem Kopf spukte wieder der
Gedanke herum wie relativ richtig, der General, die
Entwicklungen in Deutschland einschätzte , im
Gegensatz zur Führung der KPD und der
Kommunistischen Internationale. Dann wollte er
wissen wie hoch ich den Prozentsatz von Patrioten
in der KPD und in deren Umfeld einschätzte. Ich
sagte ihm was auch bekannt war, dass die KPD zwar
nationale Töne anschlug aber in diesem Zusammenhang
nicht mit den Völkischen und der Nazi Partei
konkurrieren könne. Dann meinte der General, „aber
es gibt doch einige Überläufer wie zum Beispiel „
Beppo Römer“ und den Bruder von Ernst von Salomon
in Richtung KPD“. Das bestätigte ich, ich wies
jedoch darauf hin wie schwer es für die KPD sei mit
ihrer Parole „Heil Moskau“ mehr als ein paar
einzelne Überläufer aus dem nationalen Lager zu
gewinnen. Der General und auch der Zahnarzt
bescheinigten mir ein „helles politisches Köpfchen
zu sein“. Anschließend ging ich daran einige Fragen
zu stellen, die darauf hinausliefen mehr über die
Arbeit der Reichswehr innerhalb der KPD zu
erfahren. Schleicher antwortete nur, dass sie
natürlich noch mehr Leute innerhalb der KPD hätten,
was mich aber nichts anginge. Der politisierende
Zahnarzt und persönliche Freund des Generals meinte
dann wie „schön es doch sein könnte eines Tages die
-Arbeiter Illustrierte Zeitung -von Willi
Münzenberg als nationales Blatt auf dem Markt zu
werfen“. Schleicher meinte zudem „wir haben
natürlich unsere Leute speziell im Presseapparat
der KPD untergebracht, um im entscheidenden Moment
auch von dieser Seite her auf den nationalen
präsidialen Konsens zu setzen“. Mit Ernst Thälmann
den Schleicher einen verstockten Hamburger
Hafenarbeiter nannte könne man hingegen nicht
arbeiten, folgerte der General . Als gefährlich
wurde von den beiden Herrn der „Jude Neumann“
eingeschätzt. Damit war ich freundlich entlassen,
man versicherte mir, sich auf das nächste Treffen
„zu freuen“.
Rapport bei Hans Kippenberger
Umgehende am 4.
November fand ein Termin mit Hans Kippenberger in
dem von uns bevorzugten Kaffe im Berliner Westen
statt. Nach meinem Bericht meinte Kippenberger, es
sei nötig den „gesamten Presse- Apparat der Partei,
sowie die Leute von deinem Willi Münzenberg durch
unseren Abwehr – Apparat zu überprüfen“. Der
anwesende Leo Roth nickte was bedeutete dass er den
Auftrag übernehmen würde. Leider verstand Hans
Kippenberger nicht dem politischen Realitätssinn
des Generals und lachte. Er meinte gegenüber der
NSDAP müsse der Kampf auf der Straße verschärft
werden: „Es geht darum die rote Einheitsfront zu
schaffen. Diese Einheitsfront war in Wirklichkeit
in dem damaligen Verständnis der KPD keine
Einheitsfront, sondern einUltimatum an die
sozialdemokratischen Arbeiter, sich der
kommunistischen Führung zu unterwerfen. Das wurde
dann Einheitsfront Politik genannt. Einige Zeit
später begriff ich wie weit sich die Kommunistische
Partei dadurch von den Erkenntnissen des dritten
und vierten Weltkongresses der Kommunistischen
Internationale gelöst hatte. Kippenberger sagte
noch, dass er Münzenberg informieren würde
bezüglich der Überprüfung seiner Leute. Wir drei
verstanden uns relativ gut und gingen dann dazu
über einige allgemeinpolitischen Fragen zu
diskutieren. Der junge und attraktiv aussehende Leo
Roth bekam vor lauter Eifer gar nicht mit, wie sehr
er im Visier weiblicher Blicke in unserem Café
stand. Hans Kippenberger erzählte einige Dinge aus
dem Reichstag, denn er war ja Abgeordneter. Die
Eröffnung des Reichstages wurde von den Nazis
propagandistisch genutzt, um mit voller
Uniformierung im Parlament zu erscheinen und durch
wildes Gebrüll auf sich aufmerksam zu machen.
Kippenberger nannte die Fraktion der Nazis eine
„Ansammlung von wildgewordenen Spießern und
Kleinbürgern“, aber auch von Mördern wie dem SA
Führer von Schlesien Edmond Heines. Anschließend
erzählte Kippenberger etwas ironisch wie die
Nazibewegung auf ihn wirkt: „ Wisst ihr wie der
richtige Arier aussieht? Groß wie Goebbels, schlank
wie Göring und blond wie Hitler“. Wir bogen uns vor
lachen. „Das muss ich Willi erzählen“ meinte ich,
der wird sicher daraus eine Fotomontage mit einem
Text für die „ Arbeiter Illustrierte Zeitung“
machen. „ Tu das „ sagte Leo Roth.
Luise und Anton Grylewicz
Das Jahr 1931
begann kalt und ebenso kalt und unbarmherzig war
die Sparpolitik von Reichskanzler Brüning. Der
Regierung ging es nur noch darum auf Kosten der
Arbeiter und speziell der sozial Marginalisierten
eine erbarmungslose Sparpolitik durchzusetzen. Den
großen Konzernen sollte der Druck auf ihre
Profitraten welcher durch die Krise entstandenen
war, genommen werden. Die Regierung Brüning stützte
sich entweder auf der Notverordnungsparagraphen des
Reichspräsidenten, oder auf die Tolerierung durch
die Sozialdemokratie, welche Brüning als das
„kleinere Übel“ gegenüber der Nazibewegung ausgab.
Der Gewerkschaftsführer Fritz Tarnow vertrat die
These, dass die Sozialdemokratie die Aufgabe hätte,
„Arzt am Krankenbett“ des Kapitalismus zu sein“. Es
war völlig richtig wenn unser Parteiführer Thälmann
dazu aufrief der Kapitalismus zu beerdigen, statt
den stinkenden Leichnam zu schminken und zu
kostümieren. Allerdings war dadurch noch nicht die
Frage geklärt, wie die Arbeiterbewegung mit dem
kleinbürgerlichen konterrevolutionären Produkt der
Verzweiflung, dem Faschismus umzugehen hätte. Jede
Nacht sowie am helllichten Tag gab es Angriffe der
SA Banditen auf unsere Genossen und Genossinnen.
Aber der Faschismus griff genauso die
sozialdemokratischen Arbeiter und die
sozialdemokratischen Einrichtungen an. Nächtelang
diskutierte ich mit Luise die politische Situation
im Land. Eines Tages drückte sie mir Broschüren von
Leo Trotzki in die Hand. Sie sagte unumwunden, dass
er die Lage in Deutschland richtig verstünde und
zur Einheitsfront aller Arbeiter gegen den
Faschismus aufrief. Diese Einheitsfront welche
Trotzki einforderte sollte kein politisch
ideologisches Bündnis mit der Sozialdemokratie
sein, ganz im Gegenteil, sondern eine Politik die
darauf abzielte sich darüber zu verständigen, wie
und wann, und mit welchen Mitteln die
faschistischen Banden in ihre Schranken gewiesen
werden könnten. Oft attackierte ich Luise in diesen
Tagen und Wochen und warf ihr vor, von der Richtung
der Versöhnler „in Richtung des
antibolschewistischen Trotzkismus abzugleiten“. Die
Broschüren von Trotzki hatten allerdings die
Funktion, dass ich bis zum März 1931 sehr viel von
ihm las und ins grübeln kam. Der Herausgeber der
Schriften von Leo Trotzki in Deutschland war ein
gewisser Anton Grylewicz ein ehemaliger KPD
Funktionär, sowie ehemals Abgeordneter im
preußischen Landtag. Die Gruppe nannte sich “ Linke
Opposition der KPD“ und gab die Zeitschrift
„Permanente Revolution“ heraus. Offensichtlich
hatte sich meine Luise der Gruppe angeschlossen und
arbeitete weiterhin im Verlagshaus der „Arbeiter
illustrierten Zeitung“. Eines Tages im März 1931
schlug sie mir vor, mich mit Grylewicz im Atzinger
zu treffen. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden,
denn erstens interessierte mich der Termin, zudem
war ich es gewohnt aufgrund meiner
Doppelagentenfunktion mit verschiedenen Leuten zu
sprechen. Damals hielt ich mir auf meine
Schauspielkunst einiges zugute. An einem
Freitagnachmittag im März 1931 marschierte ich mit
Luise zum Treffen mit Grylewicz . Grylewicz war
bereits da, als wir das Lokal betraten und an
seinem Tisch saß ein mir unbekannter jüngerer Mann
mit einem markanten Gesicht. Mir war sofort klar,
dass es sich bei dem Partner von Grylewicz , um
keinem Deutschen handeln konnte. Wir nahmen Platz
und stellten uns gegenseitig vor. Der junge Mann
hieß Leo Sedow . Sofort schoss es mir durch den
Kopf, dass ich mit dem Sohn von Leo Trotzki und dem
Chef des deutschen Trotzkismus zusammen saß. Meine
Luise kannte offensichtlich beide ziemlich gut.
Etwas distanziert begann unser Gespräch. Wir
erörterten die allgemeinpolitische Lage -bei der
mir auffiel- wie wichtig es Grylewicz war zu
betonen,“er sei kein Gegner der KPD sondern es
ginge ihm darum, die Linie gerade in Bezug auf den
Kampf gegen den Faschismus zu ändern“. Leo Sedow
meinte das sein Vater sich nach wie vor zur
Verteidigung des Arbeiterstaates Sowjetunion
bekenne, das Übel sei die dort herrschende
Bürokratie und die von Stalin in der deutschen
Partei eingesetzte Bürokratie“. Stundenlang saßen
wir zusammen und ich hörte so einiges was mir
logisch einleuchtete. Unsere KPD isolierte sich
durch ihren ultralinken Kurs zunehmend von der
Masse der Arbeiter und Arbeiterinnen. Die RGO
Politik führte dazu die Masse der noch in den
Betrieben Beschäftigten den sozialdemokratischen
Ideologen und Bürokraten zu überlassen. Immer
wieder stellte ich auch Fragen an den Sohn von Leo
Trotzki wie denn sein Vater die „Entwicklungen der
Sowjetunion genauer einschätze“. Leo Sedow sprach
von einem Kampf um eine Reform der UdSSR, den Sturz
der Bürokratie, die Entfernung Stalins, sowie die
Rückkehr zur Arbeiterdemokratie. Scharf kritisierte
er den momentan ablaufenden Fünfjahresplan welcher
zu einer entsetzlichen Hungersnot im Heimatland der
Arbeiter und Arbeiterinnen führte. Leo Sedow
meinte:“ Die bürokratische Bande hat keinerlei
selbstständigen Ideen sondern sie bedient sich
einmal linker und einmal rechter Ideen im Kampf um
ihren Machterhalt. Die gegebene Kollektivierung sei
ein grausames Abenteuer denn man kann ohne
landwirtschaftliche Technik nicht einfach die
Kollektivierung befehlen und unter der Parole der
Liquidierung des Kulakentums, gleich noch den
Mittelbauern und Kleinbauern mit liquidieren. Es
herrscht momentan eine grausame Hungersnot in der
Sowjetunion.“ Dann kehrten wir wieder zur Lage in
Deutschland zurück. Grylewicz betonte seine
Gegnerschaft zum „Leninbund“. Der „Leninbund“ wurde
von Hugo Urbahns geführt. Hugo Urbahns. war
politischer Leiter des Hamburger Aufstandes von
1923. Der 1928 gegründete „Leninbund“ hatte nach
den Worten von Grylewicz, „die Verteidigung der
Sowjetunion und den Kampf, um die Reform der KPD
aufgegeben was unverantwortlich sei.“ Ziemlich
beeindruckt verließ ich zusammen mit Luise das
Lokal. Es wurde vieles angesprochen was mir schon
seit einiger Zeit zu denken gab. Auf der Straße
küsste ich Luise meine „ kleine Trotzkistin“. Aber
völlig überzeugt war ich nicht. Ich hing viel zu
sehr an Heinz Neumann und an seiner mittlerweile
heimlichen Fraktion in der KPD.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den
Text vom Autor für diese Ausgabe.
Der
Leseauszug - noch
ohne Lektorat - stammt aus
dem neuen Buch von Max Brym. Es erscheint
im März oder April 2017 -
Verlagsangebote liegen vor. Es dürfen auch noch
andere Verlage Ihr Interesse bekunden.
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