Ein Parlamentsgebäude
in Flammen, ein von Polizeikräften gestürmtes
Hauptquartier eines Präsidentschaftskandidaten und
mindestens zwei, wahrscheinlich jedoch mehr Tote:
Seit Mittwoch Abend (31. August 16) herrscht eine
zum Äußersten angespannte Situation in der
afrikanischen Erdölrepublik Gabun.
Das Land am Äquator
zählt zu den wichtigsten Einzelstaaten in der
Einflusssphäre des französischen Neokolonialismus in
Afrika und bildet - nach den Giganten Nigeria,
Angola, Algerien und Libyen – je nach Jahr den vier-
oder fünftgrößten Rohlölproduzenten des Kontinents.
Hinzu kommen noch Vorkommen aus Uran, Mangan,
Eisenerz und anderen Metallen sowie der Abbau von
Tropenhölzern. Mit offiziell rund 1,8 Millionen
EinwohnerInnen, die reale Zahl von manchen
BeobachterInnen noch etwas niedriger geschätzt wird,
und 650.000 stimmberechtigten WahlbürgerInnen kann es
als bevölkerungsarm gelten. Trotz dieser Kombination
aus Rohstoffreichtum und dünner Besiedlung lebt
selbst laut Angaben der Weltbank mindestens ein
Drittel der Bevölkerung in bitterer Armut. Das
öffentliche Bildungssystem und Gesundheitwesen liegen
im Argen. Gabuns Hauptstadt Libreville beherbergt,
neben Djibouti am Horn von Afrika, die zweite
größere, ständige Militärbasis Frankreichs auf dem
Kontinent.
Seit 1967 regiert
dieselbe Familie das Land, dessen politische Elite
sieben Jahre zuvor die Unabhängigkeit von der
früheren Kolonialmacht Frankreich nur widerwillig
akzeptiert hatte – aus Furcht, die Rohstoffreserven
des Landes mit den kamerunischen und kongolesischen
Nachbarn teilen zu müssen. Zusammen mit deren Ländern
hatte Gabun zuvor die Kolonie
„Französisch-Äquatorialguinea“ gebildet.
Albert-Bernard Bongo, ein Mitarbeiter des
französischen Militärgeheimdiensts und seit 1961
Minister, riss beim Tod des Amtsinhabers Léon Mba das
Präsidentenamt an sich. Bis zu seinem Tod amtierte er
42 Jahre lang als Staatsoberhaupt, ein Dienstrekord,
den sonst nur Muammar Al-Gaddafi erreichte. Der
Präsident, der 1973 aus außenpolitischen Gründen –
während der Ersten Ölkrise und in Zuge einer
Umstrukturierung der OPEC – zum Islam konvertierte
und sich fortan Omar Bongo nannte, starb im Juni 2009
in einem Krankenhaus in Barcelona. Denn dem
heimischen Gesundheitssystem traute er nicht, weil er
um dessen desolaten Zustand wusste, und Frankreich
wollte ihn nicht allzu sichtbar auf seinem eigenen
Boden aufnehmen, während in Paris und Libreville um
die Nachfolge verhandelt wurde. Diese wurde einem von
Omar Bongos Söhnen, dem bisherigen
Verteidigungsminister Ali Bongo (geboren
Alain-Bernard Bongo), zugesprochen.
Bereits dessen erste
Bestätigung im Amt durch Wahlen, Ende August 2009,
ging nicht allzu glatt über die Bühne. Laut
offiziellen Zahlen, die durch die Oppositionsparteien
als manipuliert bezeichnet wurden, erhielt er damals
bei einer Präsidentschaftswahl mit nur einem ersten
Durchgang – bei der also die einfache Mehrheit
entscheidet – vierzig Prozent der Stimmen. Bei
Unruhen, deren Schwerpunkt in der Hafenstadt
Port-Gentil lag, welche sich bereits im Frühjahr 1990
gegen das Regime erhoben hatte, starben damals
fünfzehn Menschen.
Nach dem Ende seiner
ersten siebenjährigen Amtszeit stellte sich Ali Bongo
am vergangenen Samstag nun zur Wiederwahl. Das Rennen
schien dieses Jahr tatsächlich zunächst offener zu
sein als beim vorigen Mal. Denn sein stärkster
Gegenbewerber Jean Ping, der 1942 geborene Sohn eines
Chinesen und einer Gabunerin, der von 2008 bis 12 als
Generalsekretär der Afrikanischen Union (AU)
amtierte, kommt selbst aus dem Inneren des Systems.
Er war früher der Schwiegersohn von Omar Bongo und
war ausgerechnet mit dessen politisch
einflussreichster Tochter Pascaline Bongo
verheiratet. Diese war unter dem verblichenen
Autokraten für die Finanzen des Familienclans
zuständig und spielte aller Wahrscheinlichkeit nach
auch eine wichtige Rolle bei der Finazierung des
französischen Expräsidenten Nicolas Sarkozy. Bei
dessen ersten Großveranstaltung als Kandidat im
Januar 2007 saß sie demonstrativ in der ersten Reihe.
Jean Ping sagte vor
kurzem Wahlbetrug voraus, mit dem Argument, er wisse
ja, wie das System funktioniere, denn als er Omar
Bongos Außenminister war, habe er der damaligen
Manipulation von Urnengängen beigewohnt. Auch
deswegen rief er nun seine AnhängerInnen zur
Wachsamkeit auf.
Allein, es half ihm
nichts: Am Mittwoch Nachmittag (den 31. August 16),
mit eintägiger Verspätung gegenüber den vorherigen
Ankündigungenm verkündete die zuständige
Wahlkommission das amtliche Ergebnis. Demnach liegt
Ali Bongo mit 49,8 Prozent in Führung, Jean Ping
liegt mit angeblich 48 Prozent knapp hinter ihm. In
der Nacht zum Dienstag, den 30. August d.J., als
bereits die offiziellen Ergebnisse aus fünf von neun
Provinzen bekannt gegeben wurde, stand Ping zunächst
noch als Wahlgewinner da.
Nach dem Bekanntwerden
der Zahlen, die durch Pings UnterstützerInnen und die
übrigen Oppositionskräfte als Täuschungsmanöver
bezeichnet werden, gingen Tausende von Menschen
sofort auf die Straße. Am Abend stürmten
Sicherheitskräfte das Wahlkampfhauptquartier Pings,
unter Berufung darauf, man suche nach denjenigen, die
wenige Stunden zuvor Feuer an die Nationalversammlung
in Libreville gelegt hätten. Ping sprach von zwei
Toten, unabhängige Quellen gehen von einer größeren
Zahl aus. Frankreich forderte die Bekanntgabe aller
Einzelergebnisse aus den Wahllokalen zwecks
Überprüfbarkeit des Gesamtresultats; die
US-Administration erklärte sich offiziell
„besorgt“. Eine Sprecherin des Auswärtigen
Amts in Berlin verurteilte zuerst die „Gewalt“
der Opposition und forderte dann – immer
schön ausgewogen… - „beide Seiten“ zum
„Dialog“ auf.
Editorischer Hinweis
Den
Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. |