Gabun-Berichte von Bernard Schmid

Ende August 2016
Manipulierte Präsidentschaftswahl

Artikel vom 01. September 16

10/2016

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Ein Parlamentsgebäude in Flammen, ein von Polizeikräften gestürmtes Hauptquartier eines Präsidentschaftskandidaten und mindestens zwei, wahrscheinlich jedoch mehr Tote: Seit Mittwoch Abend (31. August 16) herrscht eine zum Äußersten angespannte Situation in der afrikanischen Erdölrepublik Gabun.

Das Land am Äquator zählt zu den wichtigsten Einzelstaaten in der Einflusssphäre des französischen Neokolonialismus in Afrika und bildet - nach den Giganten Nigeria, Angola, Algerien und Libyen – je nach Jahr den vier- oder fünftgrößten Rohlölproduzenten des Kontinents. Hinzu kommen noch Vorkommen aus Uran, Mangan, Eisenerz und anderen Metallen sowie der Abbau von Tropenhölzern. Mit offiziell rund 1,8 Millionen EinwohnerInnen, die reale Zahl von manchen BeobachterInnen noch etwas niedriger geschätzt wird, und 650.000 stimmberechtigten WahlbürgerInnen kann es als bevölkerungsarm gelten. Trotz dieser Kombination aus Rohstoffreichtum und dünner Besiedlung lebt selbst laut Angaben der Weltbank mindestens ein Drittel der Bevölkerung in bitterer Armut. Das öffentliche Bildungssystem und Gesundheitwesen liegen im Argen. Gabuns Hauptstadt Libreville beherbergt, neben Djibouti am Horn von Afrika, die zweite größere, ständige Militärbasis Frankreichs auf dem Kontinent.

Seit 1967 regiert dieselbe Familie das Land, dessen politische Elite sieben Jahre zuvor die Unabhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Frankreich nur widerwillig akzeptiert hatte – aus Furcht, die Rohstoffreserven des Landes mit den kamerunischen und kongolesischen Nachbarn teilen zu müssen. Zusammen mit deren Ländern hatte Gabun zuvor die Kolonie „Französisch-Äquatorialguinea“ gebildet. Albert-Bernard Bongo, ein Mitarbeiter des französischen Militärgeheimdiensts und seit 1961 Minister, riss beim Tod des Amtsinhabers Léon Mba das Präsidentenamt an sich. Bis zu seinem Tod amtierte er 42 Jahre lang als Staatsoberhaupt, ein Dienstrekord, den sonst nur Muammar Al-Gaddafi erreichte. Der Präsident, der 1973 aus außenpolitischen Gründen – während der Ersten Ölkrise und in Zuge einer Umstrukturierung der OPEC – zum Islam konvertierte und sich fortan Omar Bongo nannte, starb im Juni 2009 in einem Krankenhaus in Barcelona. Denn dem heimischen Gesundheitssystem traute er nicht, weil er um dessen desolaten Zustand wusste, und Frankreich wollte ihn nicht allzu sichtbar auf seinem eigenen Boden aufnehmen, während in Paris und Libreville um die Nachfolge verhandelt wurde. Diese wurde einem von Omar Bongos Söhnen, dem bisherigen Verteidigungsminister Ali Bongo (geboren Alain-Bernard Bongo), zugesprochen.

Bereits dessen erste Bestätigung im Amt durch Wahlen, Ende August 2009, ging nicht allzu glatt über die Bühne. Laut offiziellen Zahlen, die durch die Oppositionsparteien als manipuliert bezeichnet wurden, erhielt er damals bei einer Präsidentschaftswahl mit nur einem ersten Durchgang – bei der also die einfache Mehrheit entscheidet – vierzig Prozent der Stimmen. Bei Unruhen, deren Schwerpunkt in der Hafenstadt Port-Gentil lag, welche sich bereits im Frühjahr 1990 gegen das Regime erhoben hatte, starben damals fünfzehn Menschen.

Nach dem Ende seiner ersten siebenjährigen Amtszeit stellte sich Ali Bongo am vergangenen Samstag nun zur Wiederwahl. Das Rennen schien dieses Jahr tatsächlich zunächst offener zu sein als beim vorigen Mal. Denn sein stärkster Gegenbewerber Jean Ping, der 1942 geborene Sohn eines Chinesen und einer Gabunerin, der von 2008 bis 12 als Generalsekretär der Afrikanischen Union (AU) amtierte, kommt selbst aus dem Inneren des Systems. Er war früher der Schwiegersohn von Omar Bongo und war ausgerechnet mit dessen politisch einflussreichster Tochter Pascaline Bongo verheiratet. Diese war unter dem verblichenen Autokraten für die Finanzen des Familienclans zuständig und spielte aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine wichtige Rolle bei der Finazierung des französischen Expräsidenten Nicolas Sarkozy. Bei dessen ersten Großveranstaltung als Kandidat im Januar 2007 saß sie demonstrativ in der ersten Reihe.

Jean Ping sagte vor kurzem Wahlbetrug voraus, mit dem Argument, er wisse ja, wie das System funktioniere, denn als er Omar Bongos Außenminister war, habe er der damaligen Manipulation von Urnengängen beigewohnt. Auch deswegen rief er nun seine AnhängerInnen zur Wachsamkeit auf.

Allein, es half ihm nichts: Am Mittwoch Nachmittag (den 31. August 16), mit eintägiger Verspätung gegenüber den vorherigen Ankündigungenm verkündete die zuständige Wahlkommission das amtliche Ergebnis. Demnach liegt Ali Bongo mit 49,8 Prozent in Führung, Jean Ping liegt mit angeblich 48 Prozent knapp hinter ihm. In der Nacht zum Dienstag, den 30. August d.J., als bereits die offiziellen Ergebnisse aus fünf von neun Provinzen bekannt gegeben wurde, stand Ping zunächst noch als Wahlgewinner da.

Nach dem Bekanntwerden der Zahlen, die durch Pings UnterstützerInnen und die übrigen Oppositionskräfte als Täuschungsmanöver bezeichnet werden, gingen Tausende von Menschen sofort auf die Straße. Am Abend stürmten Sicherheitskräfte das Wahlkampfhauptquartier Pings, unter Berufung darauf, man suche nach denjenigen, die wenige Stunden zuvor Feuer an die Nationalversammlung in Libreville gelegt hätten. Ping sprach von zwei Toten, unabhängige Quellen gehen von einer größeren Zahl aus. Frankreich forderte die Bekanntgabe aller Einzelergebnisse aus den Wahllokalen zwecks Überprüfbarkeit des Gesamtresultats; die US-Administration erklärte sich offiziell „besorgt“. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin verurteilte zuerst die „Gewalt“ der Opposition und forderte dann – immer schön ausgewogen… - „beide Seiten“ zum „Dialog“ auf.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.