Gabun-Berichte von Bernard Schmid

Auseinandersetzungen nach gefälschter Wahl

Artikel vom 05./06. September 16

10/2016

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Viele Menschen in Deutschland dürften Gabun lediglich aus den Zoologischen Gärten kennen, denn das Land auf der Höhe des Äquators gab einem als Gabunviper bezeichneten Reptil seinen Namen. Es handelt sich um eine schön gezeichnete Giftschlange, zugleich um das schwerste Tier dieser Gattung und um die Schlangenart mit den längsten Giftzähnen. Aber es handelt sich nicht um den einzigen potenziell unfreundlichen Zeitgenossen, der mit dem Land in Verbindung gebracht werden kann.

Das Regime, das dort über eine Gesamtbevölkerung von 1,8 Millionen Menschen – unter ihnen 625.000 Stimmberechtigte – herrscht, regiert in der Regel eher mit Hilfe von Korruption und Klientelismus akls mit offener, mörderische Repression. Es kann jedoch auch anders. Nachdem die Legitimität des amtierenden Staatschefs, der sich am vorvergangenen Samstag zur Wiederwahl stellen musste, in den letzten Tagen schwer in Frage gestellt wurde, setzt es nunmehr deutlich auf die repressive Karte.

Ein in Feuer aufgeganges Parlamentsgebäude. Mindestens sieben Tote bei Protesten und dem Versuch ihrer Niederschlagung bis zum Montag dieser Woche (05. September 16), an dem eine vorübergehende Ruhe einkehrte – die nicht von Dauer sein wird, da das heterogene Bündnis der Oppositionskräfte am selben Tag zum Generalstreik aufrief. Zwischen 800 und 1.100 Festnahmen hat es bis dahin laut offiziellen Angaben gegeben, wobei das Regime behauptet, es handele sich bei ihnen lediglich um « Plünderer » und nicht um politische Opponentinnen. Das ist die vorläufige Bilanz der heftigen Proteste in der afrikanischen Erdölrepublik, die ausbrachen, nachdem das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 27. August nun am vorigen Mittwoch – am 31. August d.J. - mit anderthalb Tagen Verspätung bekannt gegeben wurde.

Den amtlichen Zahlen zufolge gewann demnach Amtsinhaber Ali Bongo, geboren 1959, mit einer relativen Mehrheit von 49,8 Prozent gegenüber seinem gewichtigsten Herausforderer Jean Ping, Jahrgang 1942, mit angeblich 48,2 Prozent. Einige kleinere Kandidaten erhielten die übrigen Prozentpunkte. Die Opposition unterschiedlicher Couleur behauptet unisono, es liege eine glatte Wahlfälschung vor, und kann dafür auch gute Argumente vortragen. Am Dienstag waren zunächst Teilergebnisse, die bereits fünf von neun Provinzen abdeckten, veröffentlicht worden. Ping lag demnach mit knapp sechzig Prozent der abgegeben und ausgezählten Stimmen eindeutig in Führung. Dann folgten zunächst keine neuen Ergebnisse, obwohl diese noch für die Nacht zum Mittwoch angekündigt worden waren, und die Wahlkommission stritt sich hinter verschlossenen Türen. Und dann geschah das vermeintlich Wundersame. Dank einer angeblichen Stimmbeteiligung von über 99 Prozent in Ali Bongos Herkunftsprovinz Haut-Ogooué, an die niemand wirklich glaubt. Dank eines Wahlsystems, das auf einer Präsidentschaftswahl mit einem einzigen Durchgang beruht, genügt eine einfache Mehrheit.

In Gabun regiert seit dem Jahr 1967 eine einzige Familie. Damals schwang sich Ali-Bernard Bongo, vormaliger Mitarbeiter des französischen Militärgeheimdiensts zu Kolonialzeiten, zum Nachfolger des sterbenden Präsidenten Léon Mba auf. Er sollte 42 Jahre lang regieren, ein Dienstrekord, den er mit dem libyschen Diktator Muammar Al-Qadhafi (eingedeutscht: Gaddafi) teilen sollte. Der Autokrat änderte 1973 aus außenpolitischen Gründen, die mit der Erdölkrise und Allianzen in der OPEC zusammenhingen, seinen Namen und nannte sich fortan Ali Bongo, um formal zum Islam überzutreten. Sein heute regiender Sohn wurde als Alain-Bernard geboren und hieß fortan Ali Bongo.

Omar Bongo schied im Juni 2009 aus dem Leben. In einem Krankenhaus in Barcelona, denn dem Gesundheitssystem in seinem Land traute Omar Bongo aus guten Gründen nicht – er wusste, in welchem desolaten Zustand er Krankenhäuser, aber auch Schulen und andere öffentliche Einrichtungen hinterließ. Dabei könnte die Bevölkerung in dem relativ dünn besiedelten, doch rohstoffreichen Land materiell ein gutes Leben haben. Gabun ist, je nach Jahr, der viert- oder fünfgrößte Rohölproduzent des afrikanischen Kontinents, hinter den Giganten Nigeria, Angola, Algerien und Libyen. Es besitzt Eisenerz-, Mangan- und Uranvorkommen, aber auch der Abbau von Tropenhölzern wird dort betrieben. Doch selbst laut Angaben der Weltbank lebt ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, in Wirklichkeit wohl noch mehr. Die Einnahmen aus dem Rohstoffreichtum teilen sich soziale Schichten, die die Gunst des Regimes genießen, und französische Akteure. Bereits unter Omar Bongo war das gabunische Regiem eine der Hauptfinanzquellen der französischen politischen Klasse, und der « ELF-Skandal » - die Affäre um den französischen Erdölkonzern, aus dem später TOTAL hervorging – im Jahr 2003 ließ einige Aspekte der Beziehungen zwischen Frankreich und Gabun hervorscheinen, bevor wieder der Mantel über diese Wirklichkeit gebreitet wurde.

Ali Bongo wurde nach dem Ableben des Herrn Papa zum Nachfolger prädestiniert. Doch seine angebliche Wahl, Ende August 2009, ging nicht reibungslos über die Bühne. Unruhen erfassten vor allem die Hafenstadt Port-Gentil, mindestens fünfzehn Menschen kamen bei ihrer Niederschlagung ums Leben.

Eine siebenjährige Amtszeit später steht Ali Bongo sich erneut vor der Herausforderung, sich durch die Wahlurnen legitimieren zu lassen. Dieses Mal schien der Brocken sogar noch ein Stück größer. Denn sein Herausforderer Jean Ping, früherer Kommissionschef der Afrikanischen Union zwischen 2008 und 2012, ging selbst aus dem harten Kern des Regimes hervor. Er war früher mit Omar Bongos Tochter Pascaline verheiratet. Sie war lange Jahre hindurch die Frau für finanzielle Angelegenheiten des Familienclans. Bei Nicolas Sarkozys Mammutveranstaltung in den Pariser Messehallen im Januar 2007, wo er sich vor 30.000 Menschen zum Präsidentschaftskandidaten ausrufen ließ, saß sie demonstrativ in der ersten Reihe. Nicht zufällig, sondern als ein Ausdruck der Richtung, die gewisse Finanzflüsse nahmen. Derzeit unterstützt der französische Ex-Präsident der Jahre 2007 bis 2012, der derzeit als einer von dreizehn angemeldeten Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur der französischen Konservativen ringt, übrigens Ali Bongo auf ungeschminkte Weise. Am 1. August verkündete er laut, Ali Bongo würde « ohne Anstrengung von seiner Seite wiedergewählt » werden, weil « die Opposition programmatisch nichts zu bieten hat ». Seine Gegenkandidatenm Alain Juppé und François Fillon, beide waren Minister respektive Premier unter Sarkozy, ergriffen deswegen für eine « demokratische Transition » in Gabun Partei, also dafür, dass die Familie Bongo endlich die Macht abgeben muss. Fillon, ein autoritärer Konservativer mit Sympathien für Wladimir Putin, ließ sich am vorigen Samstag sogar bei einer Demonstration von 3,000 Oppositionellen und Regimekritikern vor der gabunischen Botschaft in Paris kurzzeitig blicken. Bei der Befürwortung eines Machtwechsels in Libreville geht es Juppé und Fillon sicherlich auch darum, ihren innerfranzösischen Rivalen von Finanzquellen abzuschneiden.

Die wichtigsten Großmächte könnten sich zweifellos auch mit einem Machtwechsel von Ali Bongo zu Jean Ping arrangieren. Doch die Entscheidungsträger des Regimes finden sich bislang nicht damit ab, sondern die Sicherheitskräfte umzingelten am Mittwoch das Hauptquartiers Pings in der Hauptstadt Libreville. 26 Anführer unterschiedlichster Oppositionskräfte waren dort für die Dauer von zwei Tagen eingeschlossen, mussten am Boden schlafen und ihre Notdurft unter schwierigsten Bedingungen verrichten. Unterdessen fordern die französische Regierung und die EU-Kommission bislang ein « Ende der Gewalt » seitens der Opposition, aber auch « Transparenz » und eine Neuauszählung der Stimmen.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.