Artikel vom
12.
September 16
Sarah H. hatte kein besonders glückliches Händchen
mit ihren Männern. Zwei von dreien, denen sie
„versprochen“ war, sind nicht mehr am Leben, und dem
dritten ist vorläufig die Freiheit entzogen. Zunächst
wollte die 23jährige salafistische Islamkonvertitin
einen gewissen Larossi Abballa ehelichen. Dieser
starb im Juni dieses Jahres, nachdem er ein
Polizistenpaar in der Nähe von Versailles ermordet
hatte, bei einem Schusswechsel mit den
Einsatzkräften. Als nächster stand Adel Kermiche auf
ihrer Liste. Doch auch er schied im Juli dieses
Jahres beim Zusammentreffen mit einer Polizeikugel
aus dem Leben. Zuvor hatte er als Mittäter an der
Ermordung des 85jährigen Priesters Jacques Hamel in
der Nähe von Rouen teilgenommen.
Hinter Schloss und Riegel sitzt derzeit nicht nur
Sarah H.s letzter Verlobter, Mohamed Lamine Aberouz,
sondern auch sie selbst. Am vorigen Donnerstag, den
08. September d.J. wurde sie zusammen mit zwei
anderen Frauen, der 29jährigen Konvertitin und Mutter
dreier Kinder Ornella Gilligmann sowie der 19jährigen
Inès Madani, im südlichen Pariser Umland
festgenommen. Sarah H. verletzte dabei einen
Polizisten mit einem Messer an einer Schulter. Alle
drei wurden am Montag Nachmittag dieser Woche (12.
September 16) einem Ermittlungsrichter für
Terrordelikte vorgeführt.
Gilligmann und Madani werden dringend verdächtigt,
die beiden jungen Frauen zu sein, die in der Nacht
vom 03. zum 04. September 2016 ein Auto mit fünf
Gasflaschen im Kofferraum in der Nähe der Pariser
Kathedrale von Notre-Dame abstellten. Neben der
potenziell explosiven Ladung fanden sich im
Kofferraum des Wagens auch ein mit Treibstoff
getränkter Lappen sowie eine brennende Zigarette, die
einen Brand und eine darauffolgende Explosion hätte
auslösen sollen. Ein über ihm verdächtig vorkommende
Bewegungen beunruhigter Anwohner hatte die Polizei
verständigt.
Vier
Tage später griff die Polizei dann in
Boussy-Saint-Antoine, südlich von Paris, zu. Sie
hatten in der Wohnung einer 39jährigen, Amel S.,
Unterschlupf gefunden. Doch zumindest bei Sarah H.
wurde bereits zu dem Zeitpunkt das Telefon abgehört,
denn sie war im Zusammenhang mit dem von Larossi
Abballa begangenen Doppelmord in strafrechtliche
Ermittlungen einbezogen worden. Ihr am letzten
Donnerstag ebenfalls festgenommener Verlobter Aberouz
gilt als einer von Abballas Komplizen.
Angaben der Ermittlungsbehörden planten die drei
Jihadistinnen zum Zeitpunkt ihrer Ergreifung, binnen
kurzer Zeit einen Terroranschlag durchzuführen. Erste
Meldungen von Ende vergangener Woche, wonach ein
Anschlag auf den Lyoner Bahnhof in Paris dicht bevor
zu stehen schien, wurden am Montag, den 12.09.16
relativiert: Dem Pariser Staatsanwalt François Molins
zufolge wurden demnach bislang nur sieben leere
Flaschen sowie improvisierte Zünder in der Wohnung
von Amel S. aufgefunden, jedoch kein Sprengstoff. An
den Motiven der drei Frauen, die alle bereits wegen
islamistisch-jihadistischer „Radikalisierung“
polizeibekannt waren, bestünde jedoch kein Zweifel:
Demnach wurde in der Handtasche von Inès Madani ein
von Hand verfasstes Schreiben gefunden, in welchem
sie dem so genannten „Islamischen Staat“ (IS) die
Treue schwöre.
Die
apokalyptische Sekte hat, den bisherigen Angaben der
Ermittlungsbehörden zufolge, den drei Frauen sogar
direkte Vorgaben gemacht. Als Hintermann wird der
französische Jihadist Rachid Kassim ausgegeben. Der
29jährige Kader hält sich im IS-Gebiet in Syrien auf
und ist im Internet sehr aktiv. Dem bei Inès Madani
gefundenen Schreiben zufolge sollen die Jihadistinnen
zudem beabsichtigt haben, den Ende August bei einem
Bombenangriff getöteten hochrangigen IS-Kader Abu
Mohammed Al-Adnani „zu rächen“.
Alle
drei sollen ferner darüber frustriert gewesen sein,
dass es nicht ihnen gelungen war, ins syrische
Kampfgebiet einzureisen. Sarah H. etwa wurde 2015 in
der Türkei aufgegriffen und durch die dortigen
Behörden nach Frankreich zurückschoben, dort wurde
ihr Pass einbehalten. Aber trotz strafrechtlich
relevanter Vorwürfe – der Versuch einer Einreise ins
IS-Gebiet kann verfolgt werden – war sie weder in
Polizeigewahrsam genommen noch inhaftiert worden.
Bislang erweisen sich die Justizbehörden gegenüber
weiblichen Jihadistinnen als wesentlich weniger
streng als bei ihren männlichen Pendants. Denn bis
jetzt wurden sie oft nur als „Frau von...“
betrachtet. Dies könnte sich nun ändern.
Editorischer Hinweis
Den Artikel erhielten
wir von Autor für diese Ausgabe.
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