Derzeit gibt es zwei
sog. „Integrationsgesetze“. Das der Bundesregierung
ist bereits durch, das bayerische Integrationsgesetz
soll nach dem Willen der CSU noch in diesem Jahr
verabschiedet werden.
In beiden geht es nicht
um Maßnahmen, um die angekommenen Geflüchteten zu
unterstützen, damit sie sich erfolgreich integrieren
können, z. B. durch gute und genügend Sprachkurse,
durch schnelle Anerkennung ihrer Abschlüsse, um auf
Arbeitssuche zu gehen, durch Ankurbelung des sozialen
Wohnungsbaus, damit Geflüchtete und auch schon hier
lebende sozial Schwache eine Wohnung finden.
Es geht darum, den
Geflüchteten ihren Aufenthalt möglichst unangenehm zu
machen, indem man ihnen auch die elementarsten
bürgerlichen Rechte nimmt, sie mit fast nicht
realisierbaren Auflagen drangsaliert und sie so von
den bereits hier lebenden Menschen möglichst
weitgehend separiert. Im Bundes„integrationsgesetz“
kommt ziemlich deutlich zum Ausdruck, dass der Staat
die Geflüchteten, die für das Kapital brauchbar sind,
zu halten versucht. Der Rest soll möglichst schnell
abgeschoben werden oder „freiwillig“ ausreisen. Dafür
wurde ja auch das Asylpaket II Anfang diesen Jahres
verabschiedet.
Gesetzesverschärfungen
Zu diesem Zweck werden die Flüchtlinge in beiden
Gesetzen in verschiedene Gruppen eingeteilt: in
Asylberechtigte, in anerkannte Flüchtlinge, in
subsidiär Schutzberechtigte und in AsylbewerberInnen
mit guter Bleibeperspektive. Jede/r Geflüchtete/r
wird aber noch individuell geprüft und muss glaubhaft
machen, dass er/sie tatsächlich aus gefährdeten
Regionen stammt.
Beim bayerischen
„Integrationsgesetz“ kommt noch hinzu, dass dessen
Maßnahmen auch für Menschen mit
Migrationshintergrund, der bis in die dritte
Generation reicht, gelten sollen - d. h. also auch
für diejenigen, die bereits die deutsche
Staatsbürgerschaft haben!
Beide gehen vom Prinzip des „Förderns und Forderns“
aus - einem Prinzip, das man spätestens von den Hartz
IV-Gesetzen her kennt. Gefördert wurde/n hier auch
nicht die Integration in den sog. ersten
Arbeitsmarkt, sondern der Niedriglohnsektor, die
Hartz IV-AufstockerInnen und die Leiharbeit.
Das
Bundes„integrationsgesetz“ besteht aus sieben sog.
Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: verpflichtende
Teilnahme an Integrationskursen; Rechtssicherheit
während der Ausbildung; Residenzpflicht, d. h. die
Behörden dürfen den Flüchtlingen nach ihren Kriterien
Unterkünfte - vor allem Massenunterkünfte - zuweisen;
Verzicht auf Vorrangprüfung; Ermöglichung der
Ausbildung; Niederlassungserlaubnis bei
„erfolgreicher“ Integration; eine einheitliche
Regelung zur Aufenthaltsgestaltung.
Die Regelungen sind
wiederum an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft und
werden unterschiedlich gehandhabt je nach
aufenthaltsrechtlichem Status des einzelnen
Geflüchteten.
In beiden Gesetzen
werden Leistungen eingeschränkt, wenn bestimmte
Auflagen wie die Teilnahme an Integrationskursen von
den Geflüchteten abgebrochen oder nicht eingehalten
werden. Im
Bundes„integrationsgesetz“ kommt noch hinzu, dass
extra für die Geflüchteten 100.000 Ein-Euro Jobs für
gemeinnützige Arbeit geschaffen werden, die in der
Realität mit 85 Cent entlohnt werden und Menschen
„niedrigschwellig“ an den Arbeitsmarkt heranführen
sollen. Außerdem wird ermöglicht, dass Geflüchtete
auch Leiharbeit übernehmen können. Damit ist ein
Einfallstor für Lohndumping gegeben, für das dann die
Geflüchteten verantwortlich gemacht werden - statt
Kapital und Regierung.
Das bayerische
„Integrationsgesetz“ geht noch über das
Bundes„integrationsgesetz“ hinaus, es ist geprägt von
einer völkischen und erzreaktionären CSU-Handschrift,
die sich von AfD und Pegida nicht unterscheidet.
Während sich beim
CSU-Entwurf alle - von Gewerkschaften über die SPD,
Grünen bis zu Migrations- und Wohlfahrtsverbänden -
einig sind, dass dieser die Geflüchteten nicht als
Menschen, die vor Bürgerkrieg, Verfolgung und Elend
fliehen müssen, sondern als Eindringlinge begreift,
die sich an die existierende Werte- und politische
Ordnung anpassen müssen und bei Nichteinhaltung
sofort mit Sanktionen belegt werden sollen, ist das
Bundes„integrationsgesetz“ relativ ungeschoren
davongekommen.
CSU-Entwurf
Der CSU-Entwurf versucht zwei Dinge miteinander zu
verbinden: Geflüchtete mit Zwangsmaßnahmen zu
belegen, ihnen möglichst viele demokratische Rechte
zu verweigern und dann noch alle, die in Bayern
leben, auf dessen Werte- und politische Ordnung zu
verpflichten. Einher geht das mit einer Einschränkung
von demokratischen Rechten, was schon Elemente eines
starken, autoritären Staates trägt.
So soll eine nicht
weiter definierte Leitkultur - natürlich die
christlich-abendländische und bürgerliche Ordnung -
für alle, die in Bayern leben, gelten. Diese soll den
Menschen, angefangen beim Kindergarten bis in den
Betrieb hinein, beigebracht werden. Unternehmen
erhalten sogar eine staatliche Förderung, wenn sie
Leitkulturkurse anbieten. Die Medien sollen auf diese
verpflichtet werden, für kritischen Journalismus soll
es keinen Platz geben. Noch klarer kann man schon
fast gar nicht mehr formulieren, welchen Zweck der
Journalismus im bürgerlichen Staat einnehmen soll.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration von
Flüchtlingen ist die Achtung und Befolgung dieser
Leitkultur.
Die Beherrschung der deutschen Sprache wird zur
Sollvorschrift. Wer den Sprachkurs nicht „erwartbar“
- wie es im Gesetz heißt - bewältigt, wird
nachträglich zur Erstattung der Kosten verpflichtet.
Wer bei Behörden einen Dolmetscher braucht, muss
diesen in Zukunft gegebenenfalls selbst bezahlen.
Kinder in Asylunterkünften sind von der Schulpflicht
ausgenommen. Die Antwort auf die Frage, wie diese
integriert werden sollen, bleibt der Gesetzentwurf
schuldig. Allgemein gilt der Grundsatz „Schulpflicht
folgt dem Asylrecht“ - d. h. jede Verschlechterung im
Asylrecht hat unmittelbare Auswirkungen auf die
Schulbesuchsmöglichkeit der Kinder.
Am deutlichsten kommt
die bewusste Separierung der Geflüchteten vom Rest
der in Bayern lebenden Menschen in den Auflagen zum
Ausdruck, die den Besuch von öffentlichen
Einrichtungen für Flüchtlinge regeln sollen: Bevor er
oder sie öffentliche Einrichtungen - also
Schwimmbäder, Bibliotheken, kommunale Krankenhäuser
etc. - betreten darf, kann er/sie über die
Vorschriften belehrt werden und muss diese auch
ausdrücklich anerkennen.
Auch hier gilt die Residenzpflicht, die Behörden
können den Flüchtlingen ihren Aufenthaltsort
zuweisen. Ohne richterlichen Beschluss oder ohne
Gefahr in Verzug können bei Flüchtlingen
Personenkontrollen durchgeführt, Wohnungen jederzeit
durchsucht werden.
Als allgemeiner
Extremistenerlass soll jenen, die durch
„demonstrative Regelverstöße“ auffallen oder durch
ihr „Verhalten erkennen lassen, dass ihnen die
Rechts- und Werteordnung in ihren Grundsätzen
unbekannt oder gleichgültig ist“, ein „Grundkurs über
die Werte der freiheitlich demokratischen
Grundordnung auferlegt“ werden. Wer die „geltende
verfassungsmäßige Ordnung“ missachtet und einer damit
„nicht zu vereinbarenden Rechtsordnung“ folgt, soll
bis zu 50.000 Euro Geldbuße zahlen müssen.
In dem CSU-Entwurf wird
sehr deutlich, dass die Geflüchteten in ein enges
Korsett von Vorschriften geschnürt werden sollen, um
es ihnen in Bayern möglichst ungemütlich zu machen.
Obendrauf versucht man auch gleich noch potentiellen
Widerstand mit Gehirnwäsche und Geldstrafen
einzudämmen.
Bündnis
Dagegen hat sich - initiiert von einem Arbeitskreis
in ver.di-München - ein breites Bündnis - von den
politischen Oppositionsparteien im Landtag, über
migrantische Organisationen, ver.di-Gliederungen bis
hin zur DKP unter Einschluss von eher bürgerlichen
Kreisen wie diversen Anwaltsorganisationen -
gegründet, das verschiedene Aktionen und
Aufklärungsveranstaltungen organisiert hat. Ganz
abgesehen davon, dass dieses Bündnis mit der SPD sehr
unkritisch umgeht - im Bund hat sie ja das
„Integrationsgesetz“ mitgetragen - konzentriert es
sich auf die zu Recht kritisierte Entwicklung nach
rechts und versucht, das Gesetz über den
parlamentarischen Weg mit Hilfe der
Oppositionsparteien aufzuhalten. Es lässt aber völlig
offen, wie die Gewerkschaften als Ganzes in eine
Kampagne gegen Rassismus und gegen die Spaltung der
ArbeiterInnenklasse hineingezogen werden und auf eine
aktive Teilnahme verpflichtet werden können.
Gerade damit die
Stimmung gegen die Flüchtlinge nicht noch mehr
Chancen hat, in die ArbeiterInnenklasse einzudringen
und vor allem nicht noch mehr in die
kleinbürgerlichen Schichten, die sich vor dem
sozialen Abrutsch fürchten, ist es notwendig, von
Seiten der Gewerkschaften, aber auch der politischen
Organisationen, die die ArbeiterInnenklasse politisch
prägen und sich auf diese stützen - DIE LINKE und die
SPD -, einzufordern, dass sie eine Antwort auf die
soziale Frage geben und den Kampf dafür führen. Vor
allem geht es dabei um folgende Forderungen:
- Offene Grenzen
für alle! Nein zur Festung Europa und allen
Abschiebungen!
- Gleiche Rechte
für alle, die hier leben! Nein zu den staatlichen
Zwangsmaßnahmen gegen MigrantInnen und Flüchtlinge,
nein zu den geplanten sog.
„Integrationsgesetzen“!
- Gemeinsamer Kampf
für Arbeit und Wohnraum für alle!
- Mindestlohn von
12,-- Euro in der Stunde für alle!
-
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und
Personalausgleich!
-
Entschädigungslose Enteignung leerstehenden
Wohnraums und ein öffentliches Wohnungsbauprogramm
unter Kontrolle der MieterInnen und Gewerkschaften,
finanziert durch eine Erhöhung der Kapitalsteuern!
- AfD, Pegida,
rassistischen und faschistischen Mobilisierungen
entgegentreten! Organisierte Selbstverteidigung und
Solidarität gegen rassistische Angriffe!
- Das Recht der
Flüchtlinge, sich in den Gewerkschaften zu
organisieren ohne Vorbedingungen, als Voraussetzung
des gemeinsamen Kampfes der gesamten
ArbeiterInnenklasse!
Um der sozialen
Frage mehr Gehör zu verschaffen und die Frage der
„Integrationsgesetze“ mit den
politischen-ökonomischen Bedingungen der
imperialistischen Ordnung in Zusammenhang zu bringen,
hat sich ein Bündnis aus verschiedenen linken
Organisationen in München gegründet.
per email
von ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL
Nummer 905, 22. September 2016 |