Rassistische Gesetze des Bundes und Bayerns
Weg mit den sog. “Integrationsgesetzen”!

von Helga Müller

10/2016

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Derzeit gibt es zwei sog. „Integrationsgesetze“. Das der Bundesregierung ist bereits durch, das bayerische Integrationsgesetz soll nach dem Willen der CSU noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

In beiden geht es nicht um Maßnahmen, um die angekommenen Geflüchteten zu unterstützen, damit sie sich erfolgreich integrieren können, z. B. durch gute und genügend Sprachkurse, durch schnelle Anerkennung ihrer Abschlüsse, um auf Arbeitssuche zu gehen, durch Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus, damit Geflüchtete und auch schon hier lebende sozial Schwache eine Wohnung finden.

Es geht darum, den Geflüchteten ihren Aufenthalt möglichst unangenehm zu machen, indem man ihnen auch die elementarsten bürgerlichen Rechte nimmt, sie mit fast nicht realisierbaren Auflagen drangsaliert und sie so von den bereits hier lebenden Menschen möglichst weitgehend separiert. Im Bundes„integrationsgesetz“ kommt ziemlich deutlich zum Ausdruck, dass der Staat die Geflüchteten, die für das Kapital brauchbar sind, zu halten versucht. Der Rest soll möglichst schnell abgeschoben werden oder „freiwillig“ ausreisen. Dafür wurde ja auch das Asylpaket II Anfang diesen Jahres verabschiedet.

Gesetzesverschärfungen

Zu diesem Zweck werden die Flüchtlinge in beiden Gesetzen in verschiedene Gruppen eingeteilt: in Asylberechtigte, in anerkannte Flüchtlinge, in subsidiär Schutzberechtigte und in AsylbewerberInnen mit guter Bleibeperspektive. Jede/r Geflüchtete/r wird aber noch individuell geprüft und muss glaubhaft machen, dass er/sie tatsächlich aus gefährdeten Regionen stammt.

Beim bayerischen „Integrationsgesetz“ kommt noch hinzu, dass dessen Maßnahmen auch für Menschen mit Migrationshintergrund, der bis in die dritte Generation reicht, gelten sollen - d. h. also auch für diejenigen, die bereits die deutsche Staatsbürgerschaft haben!
Beide gehen vom Prinzip des „Förderns und Forderns“ aus - einem Prinzip, das man spätestens von den Hartz IV-Gesetzen her kennt. Gefördert wurde/n hier auch nicht die Integration in den sog. ersten Arbeitsmarkt, sondern der Niedriglohnsektor, die Hartz IV-AufstockerInnen und die Leiharbeit.

Das Bundes„integrationsgesetz“ besteht aus sieben sog. Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: verpflichtende Teilnahme an Integrationskursen; Rechtssicherheit während der Ausbildung; Residenzpflicht, d. h. die Behörden dürfen den Flüchtlingen nach ihren Kriterien Unterkünfte - vor allem Massenunterkünfte - zuweisen; Verzicht auf Vorrangprüfung; Ermöglichung der Ausbildung; Niederlassungserlaubnis bei „erfolgreicher“ Integration; eine einheitliche Regelung zur Aufenthaltsgestaltung.

Die Regelungen sind wiederum an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft und werden unterschiedlich gehandhabt je nach aufenthaltsrechtlichem Status des einzelnen Geflüchteten.

In beiden Gesetzen werden Leistungen eingeschränkt, wenn bestimmte Auflagen wie die Teilnahme an Integrationskursen von den Geflüchteten abgebrochen oder nicht eingehalten werden.

Im Bundes„integrationsgesetz“ kommt noch hinzu, dass extra für die Geflüchteten 100.000 Ein-Euro Jobs für gemeinnützige Arbeit geschaffen werden, die in der Realität mit 85 Cent entlohnt werden und Menschen „niedrigschwellig“ an den Arbeitsmarkt heranführen sollen. Außerdem wird ermöglicht, dass Geflüchtete auch Leiharbeit übernehmen können. Damit ist ein Einfallstor für Lohndumping gegeben, für das dann die Geflüchteten verantwortlich gemacht werden - statt Kapital und Regierung.

Das bayerische „Integrationsgesetz“ geht noch über das Bundes„integrationsgesetz“ hinaus, es ist geprägt von einer völkischen und erzreaktionären CSU-Handschrift, die sich von AfD und Pegida nicht unterscheidet.

Während sich beim CSU-Entwurf alle - von Gewerkschaften über die SPD, Grünen bis zu Migrations- und Wohlfahrtsverbänden - einig sind, dass dieser die Geflüchteten nicht als Menschen, die vor Bürgerkrieg, Verfolgung und Elend fliehen müssen, sondern als Eindringlinge begreift, die sich an die existierende Werte- und politische Ordnung anpassen müssen und bei Nichteinhaltung sofort mit Sanktionen belegt werden sollen, ist das Bundes„integrationsgesetz“ relativ ungeschoren davongekommen.

CSU-Entwurf

Der CSU-Entwurf versucht zwei Dinge miteinander zu verbinden: Geflüchtete mit Zwangsmaßnahmen zu belegen, ihnen möglichst viele demokratische Rechte zu verweigern und dann noch alle, die in Bayern leben, auf dessen Werte- und politische Ordnung zu verpflichten. Einher geht das mit einer Einschränkung von demokratischen Rechten, was schon Elemente eines starken, autoritären Staates trägt.

So soll eine nicht weiter definierte Leitkultur - natürlich die christlich-abendländische und bürgerliche Ordnung - für alle, die in Bayern leben, gelten. Diese soll den Menschen, angefangen beim Kindergarten bis in den Betrieb hinein, beigebracht werden. Unternehmen erhalten sogar eine staatliche Förderung, wenn sie Leitkulturkurse anbieten. Die Medien sollen auf diese verpflichtet werden, für kritischen Journalismus soll es keinen Platz geben. Noch klarer kann man schon fast gar nicht mehr formulieren, welchen Zweck der Journalismus im bürgerlichen Staat einnehmen soll. Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen ist die Achtung und Befolgung dieser Leitkultur.

Die Beherrschung der deutschen Sprache wird zur Sollvorschrift. Wer den Sprachkurs nicht „erwartbar“ - wie es im Gesetz heißt - bewältigt, wird nachträglich zur Erstattung der Kosten verpflichtet. Wer bei Behörden einen Dolmetscher braucht, muss diesen in Zukunft gegebenenfalls selbst bezahlen. Kinder in Asylunterkünften sind von der Schulpflicht ausgenommen. Die Antwort auf die Frage, wie diese integriert werden sollen, bleibt der Gesetzentwurf schuldig. Allgemein gilt der Grundsatz „Schulpflicht folgt dem Asylrecht“ - d. h. jede Verschlechterung im Asylrecht hat unmittelbare Auswirkungen auf die Schulbesuchsmöglichkeit der Kinder.

Am deutlichsten kommt die bewusste Separierung der Geflüchteten vom Rest der in Bayern lebenden Menschen in den Auflagen zum Ausdruck, die den Besuch von öffentlichen Einrichtungen für Flüchtlinge regeln sollen: Bevor er oder sie öffentliche Einrichtungen - also Schwimmbäder, Bibliotheken, kommunale Krankenhäuser etc. - betreten darf, kann er/sie über die Vorschriften belehrt werden und muss diese auch ausdrücklich anerkennen.
Auch hier gilt die Residenzpflicht, die Behörden können den Flüchtlingen ihren Aufenthaltsort zuweisen. Ohne richterlichen Beschluss oder ohne Gefahr in Verzug können bei Flüchtlingen Personenkontrollen durchgeführt, Wohnungen jederzeit durchsucht werden.

Als allgemeiner Extremistenerlass soll jenen, die durch „demonstrative Regelverstöße“ auffallen oder durch ihr „Verhalten erkennen lassen, dass ihnen die Rechts- und Werteordnung in ihren Grundsätzen unbekannt oder gleichgültig ist“, ein „Grundkurs über die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung auferlegt“ werden. Wer die „geltende verfassungsmäßige Ordnung“ missachtet und einer damit „nicht zu vereinbarenden Rechtsordnung“ folgt, soll bis zu 50.000 Euro Geldbuße zahlen müssen.

In dem CSU-Entwurf wird sehr deutlich, dass die Geflüchteten in ein enges Korsett von Vorschriften geschnürt werden sollen, um es ihnen in Bayern möglichst ungemütlich zu machen. Obendrauf versucht man auch gleich noch potentiellen Widerstand mit Gehirnwäsche und Geldstrafen einzudämmen.

Bündnis

Dagegen hat sich - initiiert von einem Arbeitskreis in ver.di-München - ein breites Bündnis - von den politischen Oppositionsparteien im Landtag, über migrantische Organisationen, ver.di-Gliederungen bis hin zur DKP unter Einschluss von eher bürgerlichen Kreisen wie diversen Anwaltsorganisationen - gegründet, das verschiedene Aktionen und Aufklärungsveranstaltungen organisiert hat. Ganz abgesehen davon, dass dieses Bündnis mit der SPD sehr unkritisch umgeht - im Bund hat sie ja das „Integrationsgesetz“ mitgetragen - konzentriert es sich auf die zu Recht kritisierte Entwicklung nach rechts und versucht, das Gesetz über den parlamentarischen Weg mit Hilfe der Oppositionsparteien aufzuhalten. Es lässt aber völlig offen, wie die Gewerkschaften als Ganzes in eine Kampagne gegen Rassismus und gegen die Spaltung der ArbeiterInnenklasse hineingezogen werden und auf eine aktive Teilnahme verpflichtet werden können.

Gerade damit die Stimmung gegen die Flüchtlinge nicht noch mehr Chancen hat, in die ArbeiterInnenklasse einzudringen und vor allem nicht noch mehr in die kleinbürgerlichen Schichten, die sich vor dem sozialen Abrutsch fürchten, ist es notwendig, von Seiten der Gewerkschaften, aber auch der politischen Organisationen, die die ArbeiterInnenklasse politisch prägen und sich auf diese stützen - DIE LINKE und die SPD -, einzufordern, dass sie eine Antwort auf die soziale Frage geben und den Kampf dafür führen. Vor allem geht es dabei um folgende Forderungen:
 

  • Offene Grenzen für alle! Nein zur Festung Europa und allen Abschiebungen!
  • Gleiche Rechte für alle, die hier leben! Nein zu den staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen MigrantInnen und Flüchtlinge, nein zu den geplanten sog. „Integrationsgesetzen“!
  • Gemeinsamer Kampf für Arbeit und Wohnraum für alle!
  • Mindestlohn von 12,-- Euro in der Stunde für alle!
  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Entschädigungslose Enteignung leerstehenden Wohnraums und ein öffentliches Wohnungsbauprogramm unter Kontrolle der MieterInnen und Gewerkschaften, finanziert durch eine Erhöhung der Kapitalsteuern!
  • AfD, Pegida, rassistischen und faschistischen Mobilisierungen entgegentreten! Organisierte Selbstverteidigung und Solidarität gegen rassistische Angriffe!
  • Das Recht der Flüchtlinge, sich in den Gewerkschaften zu organisieren ohne Vorbedingungen, als Voraussetzung des gemeinsamen Kampfes der gesamten ArbeiterInnenklasse!

Um der sozialen Frage mehr Gehör zu verschaffen und die Frage der „Integrationsgesetze“ mit den politischen-ökonomischen Bedingungen der imperialistischen Ordnung in Zusammenhang zu bringen, hat sich ein Bündnis aus verschiedenen linken Organisationen in München gegründet.

 per email   von ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL
Nummer 905, 22. September 2016