Im Kontext der
Gentrification werden Hausbesetzungen meist in ihrer
Janusköpfigkeit thematisiert, die aktuelle
Wohnraumkämpfe in Köln zeigen aber auch eine andere
Perspektive
Wenn eine wohlhabende Mittel- und Oberschicht in
ein Stadtgebiet zieht, welche bislang ärmeren
Bewohner*innen vorbehalten blieb, spricht man von
Gentrifizierung. Die ursprüngliche Gebietsbevölkerung
kann mit den steigenden Preisen, für Miete und
Lebenserhaltung, nicht mithalten und muss weichen.
Den alteingessenen Bewohner*innen erscheint die
Gentrification dabei als das Verschwinden des
sozialen Umfeldes - an dessen Ende die eigene
Verdrängung droht. Hinzuziehen kann nur noch, wer es
sich leisten kann.
Der Höhepunkt der historischen
Hausbesetzerbewegung, war geprägt von dem
Widerspruch, aus einer hohen Leerstandsqoute und
gleichzeitiger Armut, Obdachlosigkeit und fehlenden
Freiräumen. In der immobilienwirtschaftlichen
Verwertungslogik ist Wohnraum kein Menschenrecht,
sondern eine Geldanlage und die soll maximalen Profit
erwirtschaften. Hausbesetzungen prangern den
Leerstand an und zeigen neue Perspektiven zur Nutzung
der Gebäude auf. Die oft baufälligen Gebäude wurden
instandbesetzt und vor dem Abriss gerettet. In den so
geschaffenen Freiräumen konnten neue
Lebensmöglichkeiten erprobt werden. Durch die
Befreiung von kapitalistischen Verwertungszwängen
können unkommerzielle Angebote geschaffen werden,
welche die Lebensqualität im gesamten Viertel
verbesserten. Damit änderte sich das Ansehen des
Viertels, es wurde cool und für statusorientierte
Gruppen interessant.
Hier zeigt sich die
Tragik vieler Hausbesetzungen. Mit der gestiegenen
Nachfrage nach Altbauten, steigt auch das Interesse
der Investor*innen. In der Gentrification werden
öffentliche, von allen mitproduzierte Güter, wie die
Lebensqualität, Atmosphäre oder das Image im Viertel
kommodifiziert. Die Teilhabe am Stadtviertel wird vom
Einkommen abhängig. Das geschieht unter anderem über
die zunehmende Umwandlung von Miet in
Eigentumswohnungen, über steigende Mietpreise,
Luxusneubauten oder der Privatisierung von Parks und
Plätzen.
Inzwischen sind die Preise für innerstädtisches
Wohnen in den Großstädten so stark gestiegen, dass
Leerstand zur seltenen Ausnahme wird. Umso wichtiger
ist der Kampf, um die kollektive Aneignung der Stadt.
Aktuelle Beispiele aus Köln zeigen wie
Hausbesetzungen auch als
Anti-Gentrification-Strategie genutzt werden können.
Sowohl in der gentrifizierten Kölner Südstadt, als
auch in Kalk wurde ein Haus besetzt nachdem den
langjährigen Mieter*innen gekündigt wurde. Sie
sollten Platz schaffen für die Wohnansprüche
einkommensstärkerer Bewohner*innen. Alles sah wie ein
typischer Verdrängungsprozess aus, doch kurz darauf
besetzten Aktivist*innen die Gebäude. Während das
Haus in Kalk am selben Tag aufgegeben werden musste,
konnte die Besetzung in der Südstadt fast einen Monat
wirken.
Den Spekulat*innen ihre Häuser zu nehmen ist eine
konsequente Antwort auf die erlebte ökonomische
Gewalt. In dem die aufgestellten ökonomischen und
juristischen Spielregeln ignoriert werden, wird
Grundsätzliches in Frage gestellt und durch die
solidarische Selbstorganisation der Bewohner*innen
ersetzt. Niedrigschwellige Beteiligungsformen
erlauben es heterogenen Bevölkerungsschichten an der
Besetzung zu partizipieren, auch ohne mitzubesetzen.
Das Haus kann als Zentrum gegen Gentrification
dienen, eine Anlaufstelle für weitere Betroffene
bilden und Mieter*innenprotest vernetzen. Es stärkt
den sozialen Zusammenhalt im Viertel und wirkt der
Vereinzelung entgegen, die auch Folge des
Bewohneraustausches ist. Eine Hausbesetzung ist ein
wirksames Mittel um Medienaufmerksamkeit auf den
individuellen Entmietungs-Fall, sowie der allgemeinen
städtischen Entwicklung zu lenken.
Als ein Steinchen im Getriebe der
Immobilienverwertung trägt die Besetzung dazu bei,
die Kosten und den Arbeitsaufwand zu erhöhen und so
den ökonomischen Anreizen entgegenzuwirken. In Fällen
in denen es gelingt die Immobilien aus dem
Wohnungsmarkt herauszunehmen, kann dauerhaft
günstiger Wohnraum geschaffen werden. Hausbesetzungen
können so auch ein Beitrag zur Lösung der
Wohnungsfrage sein.
Die faktische Enteignung von Wohnungsspekulanten
ist daher mehr als ein Appell an die Stadtpolitik
oder eine symbolische Handlung, es ist eine
kleinteilige, aber substanzielle Sabotage von
Gentrification.
Quelle:
linksunten.indymedia.org vom 08.10.2015
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