Betrieb & Gewerkschaft
Flugblatt
Solidarität mit dem Streik der GdL!

Gruppe Arbeitermacht

10-2014

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Im September führte die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) mehrere Warnstreiks durch. Trotzdem weigerte sich die Bahn AG, in den Verhandlungen nachzugeben, so dass diese inzwischen ohne Ergebnis abgebrochen wurden.

Die Urabstimmung der GdL über den Streik ergab nun 92% Zustimmung - ein klares Zeichen, dass sich die Beschäftigten nicht länger auf die Hinhaltepolitik des Bahnvorstandes einlassen.

Ziele

Der GdL geht es in diesem Tarifkampf nicht nur um mehr Lohn, sondern v.a. um bessere Regelungen der Arbeits- und Schichtzeiten für LokführerInnen und ZugbegleiterInnen. So soll die Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um zwei Stunden auf 37 Stunden verkürzt werden. Die maximale Fahrzeit auf der Lok soll um eine Stunde reduziert werden - aktuell sind Fahrzeiten von bis zu 9 Stunden erlaubt. Außerdem sollen die Überstunden auf 50 pro Jahr beschränkt werden, bisher gibt es keine Begrenzung. Bei Schichtverlängerung soll ein Zuschlag von 50% fällig werden. In Zukunft sollen höchstens fünf Schichten in fünf Tagen verplant werden dürfen, bisher können Dienstpläne bis zu 7 Schichten in 6 Tagen vorsehen. Wochenenden sollen künftig von Freitag 22 bis Montag 6 Uhr gelten, statt wie bisher von Freitag 24 bis Montag 4 Uhr.

All diese Forderungen sind nicht nur für Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Reproduktion der Beschäftigten dringend notwendig, sondern liegen auch im Interesse der Fahrgäste und der Sicherheit des Bahnverkehrs.

Zu den Warnstreiks hatte die GdL dieses Mal aber nicht nur die LokführerInnen - die eigentliche „Zuständigkeit“ der Gewerkschaft - aufgerufen, sondern auch die ZugbegleiterInnen, da auch diese von den Schichtdiensten betroffen sind. Die Bahn verweigert die Verhandlungen über diese Forderungen, solange die GdL nicht bereit sei, einen neuen Kooperationsvertrag zu unterschreiben und hält die Forderungen angesichts der gespannten wirtschaftlichen Lage bei der Bahn für völlig überhöht.

Die EVG, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (die 2010 aus einer Fusion der Beamtengewerkschaft GDBA und der zum DGB gehörenden Transnet entstand) und zum DGB gehört - die GdL gehört zum Deutschen Beamtenbund (DBB) - wiederum möchte, dass auch sie für die LokführerInnen verhandeln kann, um wieder zu einem einheitlichen Tarifvertrag zu kommen.

GdL versus EVG

Was steckt hinter dem Poker von GdL und EVG um die Zuständigkeit der Vertretung des gesamten Zugpersonals?

Die EVG beansprucht das Alleinvertretungsrecht für die LokführerInnen zu Unrecht. Zum einen wurde im Grundlagenvertrag, der 2008 - nachdem die GDL nach einem harten Streik einen separaten Tarifvertrag für die Lokführer mit deutlichen Gehaltsverbesserungen durchgesetzt hatte -, zwischen der GdL, der EVG und der Deutsche Bahn AG vereinbart wurde, festgelegt, dass die Zuständigkeit für die LokführerInnen bei der GdL und die Tarifführerschaft für alle anderen Beschäftigten bei der EVG liegen. Zum anderen - und das ist das Hauptargument - organisiert die GdL nach eigenen Angaben 80% der 20.000 LokführerInnen. Dieser Vertrag lief am 30. Juni aus.

In dieser Tarifrunde versucht die GdL nun, auch die ZugbegleiterInnen zu vertreten, nachdem sie mit diesem Versuch 2007/08 gescheitert war. Den Anspruch erhebt sie nicht ganz zu Unrecht, da sie nach eigenen Angaben mittlerweile rund 30% der ZugbegleiterInnen und Bord-GastronomInnen vertritt. Die EVG organisiert im Bereich des Zugpersonals lt. GdL nur 21%.

Die Politik der EVG

Der Organisationsschwerpunkt der EVG liegt im Netzbetrieb, bei den Werkstätten und beim Bahnhofspersonal. So beansprucht die GdL nicht zu Unrecht die Vertretung für das gesamte Zugpersonal, da sie hier die Mehrheit organisiert. Nach Angaben der Bahn vertritt die GdL bereits mehr als 51% des gesamten Zugpersonals der DB und verfügt damit auch über Durchsetzungsfähigkeit.

Die EVG wiederum ignoriert dies und beansprucht die Wiedervertretung der Lokführer mit dem Argument, dass man sich dafür einsetzen würde, dass es für die Lokführer wieder einen Tarifvertrag geben müsse und nicht zwei - einen für GdL-Mitglieder und einen für EVG-Mitglieder. In diesem Punkt ist sie einig mit der Unternehmensführung der Bahn. Die Unternehmensleitung verlangt vor der Aufnahme regulärer Tarifverhandlungen den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Konzern und beiden Gewerkschaften, in der die Zuständigkeiten für die Vertretung der Berufsgruppen, geregelt werden soll. Dabei soll das Prinzip gelten, dass die jeweils mitgliedsstärkste Gewerkschaft vertretungsberechtigt ist.

Konkurrierende Tarifverträge, etwa mit unterschiedlichen Regelungen zur Vergütung, zur Arbeitszeit und zum Schichtdienst, lehnt die Bahn AG kategorisch ab. Die EVG wiederum verweist auf den Konzerntarifvertrag, in dem es eine eigene Beschäftigtengruppe Zugpersonal nicht gäbe und von daher der Vertretungsanspruch der GdL für diese Beschäftigten nicht bestünde. Die Bahn selbst bezeichnet ihren Vorschlag zur Kooperationsvereinbarung als „Tarifeinheit light“.

Tarifeinheit light?

Bei der „Tarifeinheit“ geht es in Wirklichkeit um einen Angriff auf das Streikrecht. In einem Unternehmen, in der es zwei Gewerkschaften gibt, wird der „Minderheitsgewerkschaft“ - also die mit weniger Mitgliedern - während der Laufzeit des Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft de facto das Recht auf Streik untersagt. Hier wird also versucht, noch bevor es eine gesetzliche Reglung zur Frage der „Tarifeinheit“ gibt, bereits Fakten zu schaffen.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet nach den Warnstreiks der GdL und von cockpit bei Lufthansa wieder verstärkt die Diskussion in der Bundesregierung beginnt, die auf Eis gelegte Regelung zur „Tarifeinheit“ möglichst bald in den Bundestag einzubringen. Es ist auch kein Zufall, dass sich der neue DGB-Chef Hoffmann einen Tag nach dem ersten Warnstreik der GdL mit Bundeskanzlerin Merkel und Vertretern der Wirtschaft getroffen hat, wo der neue Vorstoß der Bundesregierung zur „Tarifeinheit“ Thema war.

Hier zieht der DGB an einem Strang mit der Regierung und den Unternehmern. DGB-Chef Hoffmann wandte sich an den Vorsitzenden des Beamtenbundes, Dauderstädt, in dem er ihn auffordert, „die GdL an die Leine zu nehmen“, weil diese „ohne Rücksicht auf öffentliche Ansehensverluste der deutschen Gewerkschaften in ihrer Gesamtheit die eigene Einflusssphäre ausbauen“ wolle. Damit springt er der Unternehmensleitung der DB AG und der Bundesregierung, die kleineren Gewerkschaften de facto an ihrem Streikrecht zu hindern, zur Seite.

Selbstverständlich meinen auch wir, dass es in einer Branche einen Tarifvertrag und eine Gewerkschaft geben soll, um eine Spaltung innerhalb der Branche zu verhindern. Wir stimmen auch nicht mit der Meinung des GdL-Chefs Weselsky überein, dass die Krise der Gewerkschaften über die „Konzentration auf spezielle Interessen einiger weniger Berufe (…) wesentlich mehr Bindung (schafft)“.

Diese Einstellung führt zu berufsspezifischen - um nicht zu sagen berufsständischen - Kleingewerkschaften und -verbänden, die tatsächlich nur die spezifischen Interessen einzelner Sparten repräsentieren und nicht die Branche. Gleichzeitig sind wir aber der Meinung, dass die Politik der EVG und insbesondere ihrer Vorläuferin Transnet, welche die Interessen der Beschäftigten der Privatisierungspolitik der Bahn AG geopfert hat, erst dazu geführt hat, dass die GdL zu einer ernstzunehmenden Gewerkschaft geworden ist.

Unterstützt den Streik!

Trotz der bornierten, ständischen Politik der GdL und ihrer Bindung an den reaktionären Beamtenbund unterstützen wir ihren Kampf. Der Alleinvertretungsanspruch der EVG schlägt den realen Kräfteverhältnisses in Gesicht, empört zurecht jedes GdL-Mitglied und fällt dem berechtigten Kampf der Beschäftigten in den Rücken.

Sie trägt auch nicht zur Überwindung der Spaltung innerhalb der Bahn AG bei, sondern vertieft sie. Es ist eher zu befürchten, dass die EVG in der Tradition von Transnet versucht, einen faulen Kompromiss mit der Bahn abzuschließen, und die Bahn nicht daran hindern wird, ihre Privatisierungs- und Sparpolitik fortzuführen. Mit ihrer Zusammenarbeit mit der Bahn AG, der Regierung, der öffentlichen Denunziation des GdL-Streiks fällt die EVG-Führung den Beschäftigten in den Rücken - und zeigt einmal mehr, dass sie den Bossen der Bahn AG näher steht als den Beschäftigten und dass sie einer wirklichen Einheit der Bahnbeschäftigten im Wege steht.

Um zu einer gemeinsamen Front nicht nur in Tarifkämpfen, sondern auch gegen Umstrukturierungen und Privatisierungen der Bahn AG zu kämpfen, liegt eine Unterstützung des GdL-Streiks heute auch im Interesse der EVG-GewerkschafterInnen. Damit unterlaufen sie die Spaltungspolitik des Bahnvorstands und seinen Versuch, Streiks zu isolieren und auszubremsen. Sie würden es damit auch dem CDU-Mann Weselsky schwerer machen, sich als „kämpferische“ Alternative zu verkaufen.

Wie kämpfen?

Der Konflikt unter den Gewerkschaften bei der Bahn kann aber nur gelöst werden, wenn die Beschäftigten und v.a. die in der EVG und der GdL organisierten KollegInnen selbst über ihre Forderungen abstimmen und selbst über ihren Kampf und über Streiks diskutieren und entscheiden. Dafür sind Versammlungen aller KollegInnen in den Bahnunternehmen und die Wahl von jederzeit absetzbaren Streikkomitees, in denen KollegInnen beider Organisationen vertreten sein müssen, nötig. Diese örtlichen Komitees müssen in einem nationalen Streikkomitee gebündelt werden. Sie haben die Aufgabe, die Streiks zu koordinieren und die KollegInnen über den Kampf bestimmen zu lassen. Dies kann dazu führen, eine gemeinsame Gewerkschaft für die Bahn wie für die ganze Transport- und Logistikbranche von unten neu aufzubauen.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten die Abschrift des Flugblatts von:

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 776
8. Oktober 2014

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