trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Kosova droht ein diktatorisch bonapartistischer Putsch ?

von Max Brym am 27.09.2014

10-2014

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Vor knapp vier Monaten wurde in Kosova ein neues Parlament gewählt. Die Partei von Ministerpräsident Hashim Thaci, verfügt seitdem über keine Mehrheit im Parlament mehr. Dennoch kann sich das Parlament nicht konstituieren, denn die PDK ließ sich ein Verfassungsgerichtsurteil zurecht zimmern nachdem nur ihr das „Recht zusteht“ den Parlamentspräsidenten zu bestimmen.

Allerdings ist der vorgeschlagene Kandidat der PDK kürzlich mit nur 44 Stimmen gescheitert. Das Parlament hat 120 Abgeordnete und die beschlossene Koalition zwischen AAK, LDK, VV und Nisma verfügt über eine klare Mehrheit. Allerdings kann keine Regierungsbildung stattfinden, da die PDK auf ihr so genanntes „Recht“ besteht. Der Münchner Merkur schreibt zur Lage im Land:

„Vor fast vier Monaten wurde im Kosovo gewählt. Seitdem hat es das Parlament nicht geschafft, sich zu konstituieren. Und ein Ausweg aus der politischen Sackgasse ist nicht in Sicht. Krisenstimmung macht sich breit. Das wirtschaftlich vom Bankrott bedrohte Land mit Rekordarbeitslosigkeit, grassierender Korruption und Flucht großer Bevölkerungsteile ins Ausland entfernt sich immer weiter von der EU, die hier seit vielen Jahren mit Milliardenbeträgen und einem Heer an Diplomaten und Experten hilft.“

Die Krise geht allerdings viel weiter und hat andere Ursachen. Die Regierungspartei repräsentiert eine spezifische Form der Mafia. Der Geheimdienst SHIK versucht alle Bereiche des öffentlichen Lebens und der Medienberichterstattung zu durchdringen. Die führenden Repräsentanten der PDK wurden innerhalb kürzester Zeit zu Befehlshabern und Millionären. In allen staatlichen Institutionen konnte man nur etwas werden, wenn man sich der Regierungspartei anschloss. Dies zeigt die Vergabe von Professorenstellen an der Universität, genauso wie die Auftragsvergabe an Unternehmen, sowie die Legalisierung kleiner Geschäfte durch staatliche Institutionen. Das Schutzgeld ist zur normalen ökonomischen Erscheinung im Bereich des Kleingewerbes geworden. Auf der anderen Seite sind viele Gewerkschaften in staatlichen Betrieben vom Geheimdienst der PDK durchdrungen. Andere Gewerkschaften werden bekämpft und bei jeder Privatisierung wird darauf Wert gelegt, dass es gar keine gewerkschaftliche Organisation mehr gibt. Oftmals müssen Arbeiter Reverse unterschreiben, wonach sie versichern “ keinerlei gewerkschaftliche Aktivitäten zu entwickeln“. Die PDK hat jede Faser des gesellschaftlichen Lebens in Kosova durchdrungen. Das jetzt nicht passende Wahlergebnis wird offen ignoriert, die Konstituierung des Parlaments wird verhindert. Dabei schert man sich einen Dreck um die formalen Regeln der bürgerlichen Demokratie. Es ist im elementaren Interesse der Arbeiter und der einfachen Menschen in Kosova, diese Filzokratie zu stürzen. Ob die Beteiligung von VV ( „Vetevendosje“) an einer anderen Regierung der richtige Weg ist wird die Zukunft zeigen. VV ist eine bürgerlich demokratische linksnationale Organisation. Auf der anderen Seite beziehen sich bewusste und kämpfende Arbeiter auf VV. Den bis dato steht nur VV gegen den neoliberalen Privatisierungsprozess und tritt gleichzeitig für elementare Arbeiterrechte ein. Die Regierung Thaci stellt die Beteiligung von VV an einer kommenden Regierung gegenüber den „Internationalen“ als „große Gefahr“ dar. In der Tat,VV will den Verhandlungsprozess mit Serbien beenden, solange Serbien Kosova nicht als unabhängigen Staat anerkennt. Nach den Worten des VV Fraktionsvorsitzenden Visar Yimeri möchte VV „ mit den in Kosova lebenden Serben über ihre politische völlige Gleichberechtigung und Integration sprechen“. Die Situation in Kosova ist nicht nur spannungsgeladen.Die politischen Intrigen der PDK, sowie die Machenschaften des Geheimdienstes SHIK , nimmt offen diktatorische Faktoren an. Ein Wahlergebnis wird ignoriert. Gegenüber Aktivisten von VV werden polizeiliche Aktionen durchgeführt. Letzte Woche erschien die Polizei, in mehreren Büros von VV und bedrohte deren Funktionäre. Ein Aktivist von VV wurde letzte Woche unter fadenscheinigen Vorwänden festgenommen. Gleichzeitig versucht die PDK , sich als Partei des Kampfes gegen den islamischen Fundamentalismus darzustellen. Diverse muslimische Prediger wurden verhaftet. Die Gefahr des islamischen Fundamentalismus wird durch die PDK- Mafia völlig übertrieben und hysterisch dargestellt. Das Verhalten der Regierung hat in ihrem Wesen nichts mit laizistischer Politik gemeint. Der so genannte Kampf gegen die kleine radikale islamistische Minderheit in Kosova nimmt Formen von Islamophobie an. Dies alles nur weil es der Regierungspartei, um Macht und Pfründe geht. Diese Leute kooperieren hervorragend mit Serbien, die Mafia kennt keinerlei Nationalität. Die Kampagne gegen den islamischen Fundamentalismus in Kosova ist inszeniert, um an der Macht zu bleiben. Unter den Bedingungen realer kolonialer Macht durch die EU, besteht die Gefahr eines diktatorisch bonapartistischen Putsches durch die machthabende „ Dezemberbande“ von Hashim Thaci. „Dezemberbande“ nannte Karl Marx ,die Anhängerschaft von Napoleon III nach dem Putsch im Jahr 1852 in Frankreich. Unter Bonapartismus versteht die marxistische Theorie den Verzicht der Bourgeoisie auf unmittelbare politische Herrschaft zu Gunsten ihrer sozialen Herrschaft. In Kosova nimmt dieser Bonapartismus verzerrte spezifische Formen an . In Kosova existiert keine normale Klassengesellschaft . Wichtige Investitionen tätigen internationale Konzerne. Ihre Macht wird garantiert durch die EULEX, sowie durch die Soldaten der KFOR. Die ihr unterstellte Regierung Thaci repräsentiert nicht eine „normale Bourgeoisie“ sondern nur eine Mafiabande. Diese Bande stützt sich soziologisch auf deklassierte aller Klassen, zum Beispiel aus dem Lumpenproletariat und auf eine Masse von unpolitischen Kleinbauern. Gegenüber Staatsbeamten werden Privilegien verteilt und den genannten Schichten werden auf familiärer Basis individuelle soziale Angebote unterbreitet. Allerdings hat die bonapartistische Bande in Kosova nur noch bedingt eine Massenbasis. Ihr reaktionärer Populismus ist ziemlich abgelutscht.