Griechenland
Meuchelmord an einem Künstler und politischen Kämpfer.

von Auge & Ohr

10-2013

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Das Hafen- und Industriegebiet in der Nähe Athens ist ein wenig mit Ostia zu vergleichen, wo ebenfalls Linke umgebracht werden, wo Faschisten und mafiose Banden zuhause sind.  Im Industriebezirk Keratsini bei Piräus wurde ein 34-jähriger Genosse von einem Killer der Goldenen Morgendämmerung regelrecht hingerichtet. Was ist dagegen die italienische Mafia! 

Nach einem brutalen Angriff auf plakatierende KKE-Genossen in der (traditionell kommunistischen) Industriestadt Pérama (in der Nähe von Piräus bei Athen) letzte Woche ist nun heute ein Rap-Sänger, der bei Antarsya aktiv war und Mitglied der Metallarbeitergewerkschaft, von Chryssi Avji-Leuten unter duldender Assistenz der Polizei kaltblütig erstochen worden. Im letzten Augenblick nahm eine Renommierbullin dem (mutmaßlichen) Mörder ostentativ das Messer aus der Hand. Sie hätte es in ihn genausogut hineinstechen können, es macht keinen Unterschied.

Dies ereignete sich in Keratsíni, einem Bezirk, der zwischen Perama und Piräus gelegen ist und der dafür bekannt ist, daß harte Kämpfe der kommunistischen Partisanen gegen die Naziinvasoren in einer der letzten Phasen der Besatzung einen wesentlichen Beitrag für den Abzug der Völkermörder geleistet haben. Unter anderem wurde damals das dortige Elektrizitätswerk verteidigt, das die Nazis zusammen mit anderen wichtigen Industriebetrieben im Rahmen der Taktik der Verbrannten Erde dem Erdboden gleichmachen wollten.

Jetzt versuchen die Nazis der Goldenen Morgendämmerung durch Fememorde, Meuchelmorde eine neue Taktik der Verbrannten Erde. Nachdem nun ja ohnehin zahlreiche Fabriken und Betriebe bereits öde und leer stehen oder ins Ausland verlagert wurden, also die Kapitalisten die Erde verbrannt haben, wollen die Nazis durch immer schneller zugreifende Mordaktionen die Gesellschaft verbrennen, eine gesellschaftliche Verwüstung anrichten, wollen eine Einöde, eine Wüste auch in der Gesellschaft herstellen – wie im Krieg. Eine Art Samson-Option.

Es ist erstaunlich, daß sich bis jetzt die Linke noch nicht auf höherer Stufe auf Straßenkämpfe eingelassen hat. Wer läßt sich, populär gesprochen, das alles auf die Dauer gefallen? Es ist sehr wahrscheinlich, daß eine solche Eskalation gewollt ist, ähnlich wie Sharon mit seinem Auftritt auf dem Tempelberg eine neue Intifada hervorlocken wollte (so wie ein Vorstadtschläger jemanden Unvorsichtigen an sich heranlocken will), und daß mit der damit verbundenen Möglichkeit der Kriminalisierung der (aufgescheuchten) Linken ein Ausnahmezustand hergestellt werden kann, der zur erwünschten gesellschaftlichen Friedhofsruhe führt. Sehr wahrscheinlich, daß dieser Mordanschlag, der ausgerechnet zum Höhepunkt der bedeutenden Streiks des laufenden Jahres stattfindet, bewußt placiert wurde.

Wie im Krieg? Krieg ist schon, und besonders in der Desinformation. Ein Streit anläßlich eines Fußballspiels sei ausgeartet, so wird der Anlaß relativiert und entpolitisiert, andere Zeugen berichten aber von einem unmittelbaren Angriff ohne einen solchen irrelevanten Anlaß. Die englische Ausgabe der extrem regierungskonformen und kapitaltreuen Tageszeitung Kathimeriní betet das vor und deutschsprachige Zeitungen, die meist ohnehin nichts kennen, als den in Griechenland auf englisch verbreiteten Mainstream, quaken es nach, so der Spiegel. So wird suggeriert, es seien ja eh alles Streithanseln. Die sollten das doch „unter sich“ ausrichten, wird suggeriert. Die einen sind wie die anderen. Damit werden die gesellschaftlichen „Extremismen“ gleichgesetzt.

Derzeit finden in mindestens zwanzig Städten Griechenlands Protestdemonstrationen statt. In Chania (Kreta) kam es zu harten Auseinandersetzungen mit der Polizei, die die örtlichen Büros der Faschisten schützte, vor denen der Protestzug stehengeblieben war, um gegen das Mörderpack zu demonstrieren.

Die Linke organisiert sich immer stärker, rückt immer mehr zusammen. Der Kampf gegen den Faschismus ist zu einem zentralen Element der Kämpfe der Arbeiterschaft und der Arbeitslosen geworden, der laufenden riesigen Streiks. Keine Trennung zwischen antifaschistischen Fachidioten und Spezialisten der Arbeiterbewegung!

Letzte Woche kamen ein paar Kommunisten nur ins Krankenhaus – der 34-jährige Pavlos Fyssas aber verendete dort an seinen Verletzungen.

Die Situation in Griechenland ist derart „angespannt“, daß sogar die PASOK, das verächtlichste Gebilde unter allen Parteien, insofern als sie die Bevölkerung verraten hat wie keine andere, jetzt fordert, daß die Chrissí Avjí zur kriminellen Organisation erklärt wird, und der Chef der Dimar (der Demokratischen Linken) die Goldene Morgendämmerung als „das absolut Böse“ bezeichnete. Das eine spät, das andere großmäulig.

Hat nicht die Pasok die Massenverelendung mitgetragen? Hat nicht Dimar, z. T. eine Abspaltung von Syriza, durch ihre Regierungsteilnahme die Massenverelendung und den autoritären Staat mitvorangetrieben? Aber sogar in der Pasok rumort es ein wenig! Einige wollten auf dem letzten Parteitag umschwenken und mit Syriza koalieren ...

Die europäische Linke hat sich zu bewegen, denn es ist ihre Sache, ihre ureigene Sache!

Sie hat ein Zeichen der Solidarität mit allen antifaschistischen Kämpfern und Kämpferinnen zu setzen und ein Zeichen des Protests gegen die mordende Troika und die mordenden Nazis, und dieses Zeichen sollte vor allen griechischen Konsulaten und Botschaften stattfinden!

Aug und Ohr, 18. 9.2013

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.

Siehe auch den A&O-Artikel in TREND 8/2013: Zwei faschistische Überfälle unter vielen. und in dieser Ausgabe: Die „Goldene Morgendämmerung“- Eine parlamentarisch gedeckte und gestützte paramilitärische Organisation