trend spezial: Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

Peter Sloterdijks „Philosophie“ ist im Versuchslabor Kosova Realität

von Max Brym am 21.09.2013

10-2013

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Peter Sloterdijk ist der Modephilosoph der neoliberalen und sozialdarwinistischen Elite in Deutschland. Seit Jahren führt dieser Philosoph einen Krieg gegen den „ jakobinischen Terror des Sozialstaates“ In dem Buch „ Du musst dein Leben ändern“ fordert er „ individuelle Leistungsbereitschaft“ und wendet sich gegen jegliche „ Besteuerung der Besitzenden“. Abgaben auf Vermögen sind für ihn „ Bevormundung und Terror“. Sloterdijk hat mit einem unter dem Titel „Die Revolution der gebenden Hand“ am 13. Juni 2009 in der FAZ veröffentlichten Text eine deutsche Kontroverse über die Steuerpolitik der Gegenwart ausgelöst. Was heute je nachdem als „Kapitalismus“ bzw. „Soziale Marktwirtschaft“ bezeichnet wird, nennt er einen „Semi-Sozialismus auf eigentumswirtschaftlicher Grundlage“, wobei er für eine „Abschaffung der Zwangssteuern und zu deren Umwandlung in Geschenke an die Allgemeinheit“ plädiert.

Zu Kosova hat Herr Sloterdijk bis dato nichts veröffentlicht. Dennoch ist in Kosova die philosophische Verbrämung sozialer Grausamkeiten im Sinne Sloterdijks, absolute soziale Realität. Der stellvertretende Ministerpräsident, Kosovas, der Multimillionär Bexhed Pacolli, spendet gelegentlich etwas. Diese „ Kleinspenden“ setzt er selbstverständlich von der Steuer ab. Dafür lässt sich dieser Herr gelegentlich als sozialer „ Wohltäter“ feiern. Soziale Rechte, Arbeitslosengeld, oder eine Krankenversicherung, sind in Kosova unbekannt. Es gibt nur hin und wieder „ Geschenke an die Allgemeinheit“ . Auf der anderen Seite gibt es keinerlei einklagbare soziale Standards. Der „ jakobinische Terror“ (Sloterdijk ) bezogen auf soziale Rechte, ist in Kosova unbekannt. Diese Realität gefällt dem Ostausschuss der deutschen Industrie (OA).

Auf der Website des OA kann seit 7.3 2012 folgendes gelesen werden :

„Die kosovarische Vize-Premierministerin Mimoza Kusari-Lila unterstrich deshalb in ihrer Key Note Speech die Investitionsvorteile des Landes: Kosovo habe die jüngste Bevölkerung in Europa und sehr geringe Steuern. Heute sei es möglich, im Land zu produzieren und in alle Länder der Region und der EU zu exportieren. Ziel ihrer Regierung sei es, zudem schnellstmöglich ein Freihandelsabkommen mit der EU auszuhandeln.“

Ergo Kosova hat nur sehr geringen „ jakobinischen Terror“, die Steuerlast für Reiche ist gering. In Kosova gibt es auf hohe Einkommen nur einen steuerlichen Maximalsatz von 10%. Auf der anderen Seite ist der Hunger ständiger Gast in vielen kosovarischen Familien. Letzteres interessiert nicht. Es geht um Profite, Privatisierungen und Korruption. In Deutschland wird diese Zielsetzung kapitalistischer Verwertungslogik philosophisch vernebelt. Es bleibt festzuhalten: Im neoliberalen Versuchslabor der EU in Kosova, ist die seltsame Philosophie Sloterdijks weitgehend Realität. Diese Philosophie legitimiert kapitalistische Profitinteressen. Kosova stellt ein Experiment dar, indem getestet wird was in Sachen sozialer Ungleichheit alles durchsetzbar ist. Die philosophische Argumentation spielt dabei in Kosova keine Rolle. Die Leitlinien gegen soziale Standards werden von den „Internationalen“ in Kosova einfach vorgegeben. Auf die Förderung eines kosovarischen Imitats von Sloterdijk wird verzichtet.