Betrieb & Gewerkschaft

Die Auswirkungen einer Ursache

Die Bahnprivatisierung hat eine Ursache, aber unzählige Auswirkungen auf unser Leben!


von Aktionsausschuss 100 % S-Bahn

10-2012

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Am Start der Privatisierungswelle im Eisenbahnsektor stand Großbritannien. In der “Thatcher-Ära“ wurde damit begonnen, die staatliche Bahngesellschaft British-Rail zu zerschlagen. Mit drastischen Folgen für die Bahnmitarbeiter und Bahnnutzer.
Alex Gordon (Vorsitzender der britischen Bahngewerkschaft RMT) war mit seiner Analyse zur Privatisierung der britischen Eisenbahn und deren Auswirkungen auch auf die Situation bei der S-Bahn in Berlin zu Gast. Am 18.09.2012 berichtete er uns von den Erfahrungen, Kämpfen, Niederlagen und Siegen unserer britischen Kollegen/innen mit der Bahnprivatisierung. Aber auch von den unübersehbaren Parallelen zur S-Bahn in Berlin.

Zu erst wurden die Gewerkschaften von der Regierung in London gefügig gemacht, zerschlagen, oder verboten. Nur so konnte sie ihre Pläne der Privatisierung von bis dahin staatlichen Unternehmen und Bereichen der öffentlichen Daseinsfürsorge umsetzen. Auslöser dafür sind die Krisen der Banken, die an den Börsen und im produzierenden Gewerbe keine wesentlichen Gewinnmaximierungen mehr erwarten. So sollte eine Kooperation mit dem Staat her, um neue Märkte für die Banken und ihre Investmentfonds zu schaffen.

Alle Bereiche der britischen Bahn wurden in private Unternehmen umgewandelt, die wiederum Subunternehmen mit der Unterhaltung der Bahn beauftragten. Das Wissen und Können der Eisenbahner waren fortan nicht mehr gefragt. An der Sicherheit, Wartung und Instandhaltung der Bahnanlagen und Zügen wurde immer mehr gespart, damit die Renditen der privaten Unternehmen und ihren Geldgebern stimmten. Zahlreiche Unfälle, unübersehbare Mängel an den Zügen und Entlassungen bei den Eisenbahnern waren nun an der Tagesordnung.

Für wenig Geld wurde den privaten Betreiber der Wagenpark der ehemals staatlichen Britisch Rail überlassen. Die Loks, alle auf der Insel verfügbaren, wurden zu Beginn der großen Privatisierung von einem privaten Eisenbahnunternehmen aufgekauft, um sie dann an die anderen neuen Privatunternehmen zu vermieten. Das Ergebnis waren Züge und Schienen die bis auf's Blech abwirtschaftet wurden und teilweise ungenutzt vor sich hin rosteten. Zeitgleich wurden Strecken stillgelegt und Zugverbindungen gestrichen und die Ticketpreise stiegen.

Unfälle und Zugkatastrophen, in denen teilweise bis zu 18 Einzelunternehmen verstrickt waren, nötigten die Regierung zum Handeln. Die Infrastruktur wurde wieder unter staatliche Kontrolle gestellt. Im Auftrag der Regierung betreibt nun ein privates Unternehmen die Infrastruktur. Ein massiver Widerstand der Beschäftigten führte dann sogar zu Pleiten bei den Unternehmen. Diese kamen dann wieder unter staatlicher Kontrolle. So passierte es auch bei der Londoner U-Bahn („Tube“). Erst wurde sie zerschlagen und privatisiert, dann nach einem Chaos im Betrieb, massiven Streiks und einem öffentlichen Druck wieder unter öffentliche Kontrolle gestellt.

Der Mc-Nulty-Bericht* der konservativen Regierung in London zeigt nun das Scheitern der Privatisierung in Großbritannien auf und zeitgleich den privaten Unternehmen und der Politik, welche Möglichkeiten es für eine Weiterführung der Privatisierung in ihrem Sinne gibt. Dieser Bericht stößt auch bei der Deutschen Bahn AG auf hohes Interesse. Mit Gefahren für uns alle! 

Wir können heute aus unseren Erfahrungen sagen, dass die Privatisierung der Bahn keine Zukunft hat!“
Alex Gordon (RMT)

Der Angriff gehört den Ursachen, nur so werden auch deren Auswirkungen beseitigt!
 

Wenn wir unsere derzeitige Situation bei der Bahn ansehen, erkennen wir die gleiche Situation wie in Großbritannien, vor dem Scheitern der Bahnprivatisierung durch die Regierung. Nur haben die hiesigen Bundes- und Landesregierungen aus dem Scheitern der Privatisierung in anderen Ländern nichts gelernt. Sie denken trotz Chaos, Stress und Krisen, dass man die Pest der Bahnprivatisierung durch die Bundesregierung, durch die Cholera der Bahnprivatisierung durch die Landesregierungen ausmerzen kann. Jede reale Alternative wird von ihnen blockiert.

Nicht erst am Beispiel der von der Deutsche Bahn AG hervorgerufenen interne Zerschlagung der S-Bahn in Berlin ist, wie schon bei der gescheiterten Zerschlagung der Londoner „Tube“, zu erkennen, dass die S-Bahn dadurch erst recht nicht mehr funktioniert. Die Ausrichtung von den Verkehrsunternehmen auf Gewinne, Einfluss und Macht zeigt sich mit ihren fatalen Folgen auch bei bei den kleinen “Königen“ in den Führungsebenen. Ungunst, Eitelkeit und Neid lassen keine vernünftige Zusammenarbeit der Bereiche und im Zugbetrieb mehr zu. Hinzu kommt der Auftrag und die Skrupellosigkeit der Manager, mit der Bahn auf unser Kosten ihre Gewinne zu machen.

Dass die Interessen der Beschäftigten dabei im Schoß unserer hiesigen Gewerkschaften gut aufgehoben sind, ist wohl ein grober Trugschluss. Wie schon in Großbritannien wurden die Gewerkschaften auch hierzulande längst gefügig gemacht. Die deutschen Gewerkschaften gelten nicht nur bei unseren Kollegen/innen in Europa als Sozialpartner der Unternehmen und deren Co-Manager. Diverse Vorzüglichkeiten des Arbeitgeberlagers gegenüber den Eitelkeiten von assimilierten Interessenvertretern schaffen so auch deren aktive Passivität. Selbst die Privatisierungsbefürworter in der Politik und in den Unternehmen erhalten inzwischen von den Gewerkschaften ein Podium. Deren Interessen sollen so als von Gott und der EU gegebene Vorgaben unters Volk gestreut werden. Damit sollen selbst die von der Privatisierung massiv Betroffenen, diese Vorgaben entgegen ihrer eigenen Interessen widerstandslos hinnehmen.

Die noch in diesem Jahr mit dem vierten Pakt der EU zur Liberalisierung des Schienenverkehrs anstehende Europa weite gesetzliche Fortsetzung der Bahnprivatisierung zeigt, dass es bei der Bahn in keiner Weise mehr um die Mobilität der Bevölkerung und die Beförderung von Gütern geht. Mit der gesetzlichen Liberalisierung der Bahn geht es dort zukünftig nur noch darum, mit dem Bedürfnis der Menschen fette Renditen zu erwirtschaften und ordentliche Gewinne zu machen. Von Gott gegeben sind diese Gesetze natürlich nicht. Sie werden von den Lobbyisten der Unternehmen geschrieben und den Politikern entgegen unserer Interessen umgesetzt.

Einen wirkungsvollen Widerstand können diese Politiker und Manager nur von denen erwarten, die von ihren Plänen massiv betroffen sind. Das sind nicht die Vertreter unserer Interessen, denn sie vertreten oft nur ihre Interessen und wechseln in letzter Not zur Gegenseite über, um ihren Hintern zu retten. Unsere Ä... können wir daher nur selber retten. Einen Europa weiten Widerstand gegen das vierte Pakt der Liberalisierung des Schienenverkehrs und jede Art der Privatisierung bei der Bahn wird es daher nur von denen geben, die wissen wo ihre Kraft liegt. Nicht im Aufzeigen der Schwächen anderer, sondern in der Geschlossenheit aller Betroffenen. Das sind wir, als Mehrheit bei der Bahn. Ohne uns können die Manager und Politiker zwar viel wollen, aber nichts erreichen! Schaffen wir einen breiten Widerstand, in unserem Interesse!

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von der Website des Aktionsausschuss 100 % S-Bahn.