Kapitalistischer Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Die DKP in den Berliner Mieterkämpfen

von
Klaus Linder

10-2012

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onlinezeitung

Alle Innenstadtbezirke Berlins sind von Mietenexplosion, Wohnungsnot und Mieterverdrängung betroffen. Auch „Normalverdiener“ verkraften die Steigerungen nicht mehr. Mietaufkommen ab 50 Prozent des Einkommens sind in Berlin keine Ausnahme. Nachdem einzelne Genossinnen und Genossen in Mietenkämpfen bereits punktuell eingegriffen hatten, beschloss die DKP Berlin in ihrer Handlungsorientierung 2012 Wohnungs- und Mietenpolitik als stadtpolitischen Schwerpunkt. Immer neue Teilkämpfe flammen auf, zahlreiche Haus- und Kiezinitiativen entstehen. Der organisierte Widerstand gegen Investoren, Bauindustrie und Immobilienfonds hat das Potenzial, ein wichtiges Feld des Klassenkampfs zu werden. Doch Differenzen über Organisations- und Kampfformen, Bündnispartner und Gegner lassen den Zusammenschluss der verschiedenen Initiativen kaum über eine lose „Vernetzung“ hinauskommen.

Monopolistische Immobilienkonzerne vertreiben Tausende aus ihren Wohnungen, und statt z. B. die Forderung nach Rekommunalisierung zu unterstützen, ist Stadt und Staat nur an deren kapitalistischen Renditeinteressen gelegen. Dennoch richtet sich der Zorn meist noch gegen „Baulöwen“, „besserverdienende“ Zugezogene oder „Yuppies“. „Korruption“ und „Mafia“ werden angeprangert, allenfalls „die Parteien“ und „die entfesselten Finanzmärkte“ als Verursacher benannt. Der Einfluss des in der Wohnungsfrage mit betroffenen Kleinbürgertums zeigt sich im Eindringen der kleinbürgerlichen Ideologie. Das politische Ziel der DKP ist es dabei, die Auswirkung der Profitpolitik auf die Stadt zu analysieren, die richtigen Forderungen einzubringen und durchzusetzen und so ein starkes antimonopolistisches
Bündnis zu schaffen, das Arbeiterklasse und Zwischenschichten zum gemeinsamen Abwehrkampf befähigt. Sie wendet sich dabei in erster Linie an die bewussteren Teile in den Initiativen. Nur wenn die Verbreiterung der kämpfenden Basis bei Zuspitzung der Losungen gelingt, kann der kleinbürgerliche Einfluss erfolgreich beiseite gedrängt werden.

Zur Vorbereitung der Parteigruppen dient die Entwicklung wohnungs- und mietpolitischer Standpunkte in kollektiven Diskussionsprozessen, Schulungs- und Bildungsarbeit zum Thema, um die Genossinnen und Genossen zum selbstständigen Arbeiten zu befähigen, und schließlich die Aufgabenverteilung für die Erstellung von Agitationsmaterialien usw.

Bündniserfahrungen

Die Wahlen 2011 standen im Zeichen der katastrophalen Wohnungspolitik von SPD/Linke: Privatisierungsrekord kommunaler Wohnungsbestände; Streichung der „Anschlussförderung“ im Sozialen Wohnungsbau; Ausstieg aus demselben; Stopp aller Bautätigkeit; Verschleuderung landeseigenen Grunds durch den Liegenschaftsfonds; profitorientierte Wohnungsbaugesellschaften; massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen; Jobcenter als Entmietungsagenten. In den Wahlkampf fiel zeitlich eine große Demonstration gegen steigende Mieten und Verdrängung, begrüßt als Auftakt einer „neuen außerparlamentarischen Bewegung“. Die DKP traf da zunächst auf Antikommunismus: die Verbannung sämtlicher Senatsparteien und ihrer Symbole von der Demo wurde auch auf uns ausgeweitet. Sonstige Gruppierungen wurden damit nicht behelligt. Wir kamen mit roten Fahnen, ohne Parteilogo, selbst die wollte man runterholen.

Nach der Demo sortierten sich die Kräfte neu. Ein „Forum Wohnungsnot“, in dem auch wir vertreten sind, organisierte eine Kundgebung mit Blockade gegen die „Jahrestagung der Immobilienwirtschaft“ (Juni 2012). Die Unterstützerliste wuchs rasch, sämtliche Mieter-Initiativen schlossen sich an. Als die Berliner Linkspartei aufspringen wollte, hieß es wieder: „Keine Parteien, keine Fahnen“. Die DKP bestand darauf, dass politische Auseinandersetzungen inhaltlich und nicht durch pseudo-formale Regeln zu führen sind. Wir wurden als einzige Partei auf der Kundgebung akzeptiert. Uns kam zugute, dass sich die DKP im Wahlkampf als Gegenkraft zum Opportunismus der Linkspartei profiliert hatte. Außerdem begann unser verstärktes mietenpolitisches Engagement mit dazugehöriger Öffentlichkeitsarbeit zu greifen.
Mit unserem Transparent und Fahnen sowie einem Redebeitrag wurden wir bei Kundgebung und Blockaden gut wahrgenommen. Vergleicht man die Resonanz auf unser Auftreten bei den zwei Mieten-Demos innerhalb von neun Monaten, so konnten wir feststellen, dass Boden gutgemacht wurde. Erstens, weil wir uns im Bündnis nicht an die Mode-Ideologien und willkürlichen Regeln selbsternannter „Bewegungen“ anpassten. Und zweitens sind die Kräfteverhältnisse in den Mietenbündnissen nicht statisch — die antikommunistische Front zeigte Risse.

Neue Kampfformen

Unterdessen nahm der Widerstand neue Formen an. Das Ende der „Anschlussförderung“  im Sozialen Wohnungsbau
und die Abschaffung von Mietobergrenzen bedeutet für etwa 30.000 Mieterinnen und Mieter von Sozialwohnungen die sichere Kündigung, wenn es nicht zu massenhaftem Widerstand kommt. Seit Ende Mai halten die Bewohnerinnen und Bewohner einer Sozialsiedlung in Kreuzberg nun den Kottbusser Platz besetzt, um gegen unbezahlbare Mieten und Vertreibung zu protestieren. Jeden Samstag finden „Lärmdemos“ statt, deren Teilnehmerzahl bisher ständig wuchs.

Auch hier der Widerspruch: politische Organisationen sind nicht gerne gesehen, zugleich wird auf den Einfluss etablierter Parteien gehofft. Die DKP-Ortsgruppe knüpfte freundschaftliche Kontakte zum Protestcamp — mit Diplomatie und Fingerspitzengefühl — spendet Lebensmittel, hilft bei Nachtschichten und diskutiert mit. Dass wir im Camp nur behutsam agitieren, wird anerkannt. Zugleich verstärken wir durch Zeitungen, Internet und neuerdings das Kleben einer Wandzeitung unsere Öffentlichkeitsarbeit um das Camp herum und tauschen uns mit den Organisatoren über unsere Beiträge aus. Unsere Agitation zielt darauf, die Platzbesetzung als Kampf für alle Berliner Mieterinnen und Mieter ins Bewusstsein der Stadt zu bringen.

Auch bei dieser Initiative springt ihre klassenmäßige Mischstruktur ins Auge. Die Organisations- und Medienarbeit ist überwiegend in Händen akademischer Intelligenz. Die große Mehrzahl, die das Camp unterhält, sind Proletarierinnen
und Proletarier, überwiegend türkischer Herkunft. Sie stellen klare Forderungen an die Senatspolitik, Mietobergrenzen und Sozialen Wohnungsbau betreffend, und diese sind zu unterstützen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Widerstand durch einige Kräfte in eine Expertendiskussion zwischen Senat und Campvertretern kanalisiert wird. Aufgrund der großen Solidarität ist der Senat in Abwartehaltung, bemüht, den Protest lokal begrenzt zu halten und im äußersten Falle eine „Sonderregelung“ für die Siedlung zu akzeptieren.

Die DKP unterstützt die Forderung, den Sozialen Wohnungsbau in Berlin wieder zu beleben. Aber nur die Stärkung
des Protestes auf der Straße, Mobilisierung weit über diese Initiative am Kotti hinaus, kann eine Frontlinie ge gesellschaftlicher Mehrheiten schaffen, die den Forderungen die nötige Durchschlagskraft schaffen. Gemeinsam kämpfen Der Auftrieb, den die Arbeiterklasse in solchen Kämpfen erfährt, wird entscheidend sein. Täglich bestätigt sich in diesem Protestcamp: wo stadtpolitische Kämpfe im Bündnis von Arbeiterklasse und Kleinbürgertum durchfochten werden, erwirbt die Klasse in relativ kurzer Zeit wertvolle Kampf- und Solidaritätserfahrungen, die auch dann als Erfolg
empfunden werden, wenn die konkrete Auseinandersetzung nicht mit einem Sieg enden sollte. Das wird in allen  Diskussionen und öffentlichen Statements hervorgehoben und beflügelt sichtbar den Protest auf der Straße.  Um Spaltung zu vermeiden, dürfen die Schichten, die in diesen Bündnissen zusammentreffen, nicht gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegenteil, es ist darauf hinzuwirken, dass sie im Kampf zusammengeführt werden — was aber
nur bei klarer gemeinsamer Stoßrichtung gegen die Monopolbourgeoisie und gegen das Agieren des Staates für sie möglich wird.

Diese Zusammenhänge sind vermittelbar, insbesondere der Arbeiterklasse. Das sind unsere Erfahrungen,
wenn die desorientierende Entgegensetzung zwischen den „Betroffenen“, den protestierenden Mietern, und den „Organisierten“, den politischen Aktivisten der DKP, durchbrochen wird.  Das bedarf allerdings umsichtiger Vorbereitung. Wir wissen: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Um uns in Bündnissen behaupten und formierend eingreifen zu können, müssen wir die Versatzstücke kleinbürgerlicher Ideologie wie die „Bewegungs“- und „Selbstermächtigungs“- ideologie auseinandernehmen. Vor allem ist darauf zu achten, dass sie nicht auf unsere Organisation übergreifen und revisionistische Ideen befördern.

Selbstbewusste Bündnisarbeit und die Diskussion um den Charakter einer kommunistischen Partei gehören zusammen.

Editorische Hinweise

Den Artikel entnahmen wir der Zeitschrift THEORIE & PRAXIS. Nr.29 vom Juli 2012.

Bereits im Jahre 2010 veröffentlichten wir zahlreiche  Artikel zum Stadtumbau im Kapitalismus