Die Griechische Krise?

von Dieter Carstensen

10/11

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Im Moment ist Griechenland in aller Munde, die Mehrheit der deutschen Presse zerreißt sich geradezu das Maul, um in willfähriger Hofberichtserstattung für unsere durch geknallte Regierung, und unsere Banken, uns Deutschen die Griechen als arbeitsunwillige Chaoten zu verkaufen. Es ist ein alter politischer Trick, wenn ich selber versage, lenke ich auf andere ab, am Besten irgendwo im Ausland, damit niemand im Inland merkt, wie doof die eigene Regierung ist und was für Versager dort sitzen. Klappt fast immer. Doch was ist nun wirklich dran an der “griechischen Krise”?

Von Beruf bin ich bekanntlich Sozialarbeiter und kein Ökonom, ich schreibe hier also keinen wirtschaftspolitischen Beitrag und verzichte auf zig Verlinkungen und Zitate. Ich glaube aber, ich bin nicht auf den Kopf gefallen, ich heiße ja nicht Pofallalla oder Merktnix.

In meinem Leben bin ich viele Male in Griechenland gewesen, habe dort zig Jugendreisen für den Landessportbund NRW geleitet, mir die griechische Sprache angeeignet, im Land auch oft privat Urlaub gemacht und viele griechische Freundinnen und Freunde gewonnen.

Ich meine die Griechen, ihre Mentalität und ihre Geschichte recht gut zu kennen, sonst würde ich mir nicht das Recht zu diesem Artikel nehmen und sonst hätte ich 1992 auch nicht vom Landessportbund NRW den Auftrag bekommen, sein Griechenlandjugendreiseprogramm aufzubauen, was ich ehrenamtlich gemacht habe und dann Jugendreisehotels für das Jugendfreizeitprogramm 1993 u.a. auf Rhodos, im Ort Archangelos und auf Kreta, im Ort Geogiopoulis organisiert.

Die Griechen sind das einzige mir bekannte Volk auf dieser Welt, was in seiner Sprache für Gast und Fremder nur ein Wort hat, nämlich o Xenos - Ξένος

Alleine diese Tatsache lässt tief in die Seele dieses alten europäischen Kulturvolkes blicken.

Mich hat in Griechenland immer wieder verblüfft, dass sich die Menschen dort ihre Gastfreundschaft, gerade auch uns Deutschen gegenüber bewahrt haben, obwohl die Deutschen dort unter den Nazis furchtbare Verbrechen begangen haben, z.B. in den Orten Distomo nahe Delphi oder Kalavrita, nahe Olympia. Nur wenige Deutsche besuchen die dortigen Gedenkstätten an die furchtbaren Verbrechen, sie wissen einfach nichts davon, sondern kennen nur die antiken Stätten.

Ich war mit meine Jugendlichen 1991 in Distomo, an der Gedenkstätte, wir waren mit dem Bus von Marathon nach Delphi unterwegs und auf dem Weg liegt eben auch Distomo. Unser griechischer Reiseleiter und unser Busfahrer wunderten sich total, dass ich den Bus dort einen Zwischenstopp machen ließ und warteten ab, was passiert.

Ich habe den Jugendlichen dann vorgelesen, dass von den Nazis in Distomo selbst einjährige Kinder umgebracht wurden, steht da alles auf den Gedenktafeln, viele Jugendliche fingen an zu weinen, als ich ihnen erklärte, wie die Nazischweine dort gewütet haben, weil es so schrecklich war, wie man es sich nicht vorstellen kann.

Unsere griechischen Begleiter und ich wurden an dem Tag enge Freunde, wir haben heute noch Kontakt. Sie meinten, dass hätten sie noch nie erlebt, dass ein Deutscher in Distomo mal einen Bus halten lässt, die Geschichte so gut kennt und sie auch noch Jugendlichen vermitteln kann.

Meine Jugendlichen haben dann Blumen gepflückt und an das Mahnmal gelegt.

Und dann kamen die Leute aus dem Dorf, fragten, was wir denn da machen und ich habe es ihnen erklärt. Die ganze Jugendreisegruppe wurde daraufhin in das Dorf eingeladen, obwohl jeder im Dorf mindestens einen Angehörigen hatte, der von den Scheißnazis ermordet worden war und wir hatten eine Riesenparty zusammen und gefeiert, bis in den späten Abend.

Meine Jugendlichen hatten begriffen, so meine ich, dass zur Freundschaft unter Völkern manchmal auch Wiedergutmachung gehört, wenn es auch nur symbolisch war, mit den Blumen und der kleinen Ansprache von mir.

Warum ich das alles erwähne?

Deutschland hat die griechischen Opfer der Nazidiktatur bis heute nie entschädigt, sie haben keinen Cent bekommen.

Nein, es kam noch viel schlimmer. Als 1967 wieder die Diktatur in Griechenland kam, die zig tausende Menschenleben kostete, ich habe mit Überlebenden, die z.B. auf der KZ Insel Jaros eingekerkert waren, auf der Insel Lesbos gesprochen, 1981, war es der sogenannte “Prometheus - Plan”, ausgearbeitet von der NATO, der den griechischen Faschisten den Weg an die Macht geöffnet hatte.

Und wer war damals Mitglied der NATO? Auch Deutschland, oder?

Jannis von der Insel Lesbos war auf Jaros eingekerkert gewesen, ich weiß von ihm, dass sie dort sogar rohe Ratten gegessen haben, um zu überleben und sich immer wünschten, dass die weißen Touristenschiffe nicht mehr kommen würden, damit es schneller zu Ende geht, mit der Militärdiktatur und sie wieder frei würden.

Es war Günther Wallraff, der bekannte deutsche Schriftsteller, der dann 1974 den Mut hatte, sich aus Protest gegen die griechische Diktatur, unter Einsatz seines Lebens, auf dem Syntagma Platz vor dem griechischen Parlamentsgebäude anzuketten und damit dazu beitrug, dass der faschistische Spuk auch in Griechenland ein Ende hatte.

Wenn unsere hohlköpfigen Politiker, die scheinbar selbst zu doof zum Lesen von Geschichtsbüchern sind, heute von der “griechischen Krise” sprechen, dann “vergessen” sie wohl wissentlich die Ursachen.

Wer hat Griechenland denn nach der Diktatur, die von der NATO, somit also auch von Deutschland, verursacht wurde, wie eine Weihnachtsgans ausgenommen?

Unsere Banken und unsere Konzerne! Wer sonst?

Ist das eine griechische Krise? Nein, es ist eine Krise der Demokratie in Europa und wenn die Griechen schlau wären, würden sie die EU sofort verlassen. Ich würde es ihnen wünschen, die Demokratien in Europa sind zu staatsmonopolistischen Konzernen verkommen, hier zählt nur noch Lobbyismus und sonst nichts!

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text vom Autor am 5.10.2011.

Der Autor hat eine eigene Website mit vielen interessanten Texten und Links.