Betrieb & Gewerkschaft
Veranstaltungsbericht vom 5.10.2011
Solidarität mit kämpfenden Spätkauf-Kollegen

von "teilnehmender beobachter"

10/11

trend
onlinezeitung

Am Mittwochabend (5.10.2011)  wurde im Berliner Stadtteilladen Zielona Gora im Rahmen des Roten Abends der Internationalen Kommunist_innen informiert, wie sich ein Beschäftigter eines Spätkaufs in Berlin-Friedrichshain gegen Niedriglohn und eine 60-Wochen-Stunde auf Minijobbasis wehrt. Auf der Veranstaltung wurde auch eine Solidaritätskampagne mit den kämpfenden Kollegen angekündigt.

Regelmäßige Indymedia-Leser_innen sind über den Konflikt schon informiert. Ein Beschäftigter eines Spätkaufs in Berlin-Friedrichshain wehrte sich gegen seine schlechten Arbeitsbedingungen und wurde daraufhin gekündigt. Ein Versuch von Kolleg_innen, durch ein Gespräch den Chef zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen,.endeten mit einem Hausverbot der Kolleg_innen. Mittlerweile wurde der Kollege von ihm angezeigt, weil er über seine Arbeitsbedingungen informierte. Der lässt sich aber nicht einschüchtern und klagt nun mit Hilfe eines Anwalts und mit Unterstützung der anarchosyndikalistischen FAU den entgangenen Lohn ein. Diese juristische Auseinandersetzung ist beim gegenwärtigen Kräfteverhältnis eine notwendige Ebene. Wichtig ist aber auch eine Öffentlichkeits- und eine Solidaritätsarbeit, die den Kollegen den Rücken und Beschäftigten in ähnlicher Lage Mut macht, sich ebenfalls zu wehren und ihre Rechte einzufordern.

Zu Beginn der Veranstaltung erklärte der Kollege noch einmal, warum er sich auf diese Arbeitsverhältnisse eingelassen hat. Dabei wurde noch einmal deutlich, dass es nicht darum geht, einen Sptäkaufbetreiber als den Bösen hinzustellen. „Ziel unseres Angriffs ist vielmehr eine Politik, die ganz bewusst einen Niedriglohnsektor geschaffen hat, um den Preis der Ware Arbeitskraft zu senken“, erklärt ein Referent der Internationalen Kommunist_innen. Der Einzelhandel und auch die Gastronomie gehören insgesamt zu den beliebtesten Sektoren auf diesem Gebiet. So berichtete der Kollege, dass er ein unentgeltliches Praktikum in einem Plus-Markt gemacht hat, das vom Jobcenter genehmigt war. Damit sollte in Form einer Art Probezeit erkundet werden, welche besonders gut ausbeutbar sind. Die Hoffnung war groß, und deshalb ließen sich die Kolleg_innen vier Wochen von einer Chefin anschnauzen, wenn sie mal nicht schnell genug schufteten. Hätten sie selber gekündigt, wären sie beim Jobcenter sanktioniert wurden. Also schuftete unser Kollege vier Wochen umsonst und war dann froh, im scheinbar familiären Spätkauf einen Job zu finden. Schließlich waren dort alle per du und bald verwaltete der Kollege den Laden und war eine Art Filialleiter auf Minijobbasis. Daher fiel ihm anfangs der geringe Lohn und die lange Arbeitszeit gar nicht auf. Als er aber vergeblich um Urlaub bat, begann er zu erkennen, dass er auch Rechte hat. Eskaliert ist der Konflikt dann, als der Kollege forderte, dass eine Kamera, die ihn hinter der Kasse beobachten sollte, anders geschaltet werden sollte. Mittlerweile hat der Kollege ein Stellenangebot bekommen. Dort soll er ab 3 Uhr morgens Regale bei einem Discounter auffüllen, Nacharbeit auf Hartz IV-Basis, unterstützt vom Jobcenter.

Von den Emmelys dieser Welt -

Im Anschluss ging ein Genosse von der FAU auf die politischen Hintergründe des Falles ein. Die Grundlage ist der wachsende Niedriglohnsektor Einzelhandel, wo sich regerechte Ketten der Prekarität herausgebildet haben. Erwerblose, die mit Unterstützung des Jobcenter solche kleine Läden eröffnen, gehen ebenso dazu, wie Menschen mit Niedriglöhnen, die auf den Einkauf in solchen Löhnen angewiesen sind. Der Boom diese Läden sorgt wiederum für den Druck auf die Arbeitsbedingungen in Discountern und Einzelhandelsketten. Mit dem Verweis auch die Konkurrenz dieser Läden werden dort Löhne gesenkt und Arbeitszeiten erhöht. Mittlerweile gibt es viele Discounter mit Öffnungszeiten rund um den Uhr. In den Spätverkäufen wird das wiederum genutzt, um die Schraube noch mehr anzudrehen. Diese von der Politik gewollten Spirale der Verarmung einer ganzen Branche kann nur entgegen getreten, wenn sich die Kolleg_innen wiedersetzen.

Der Kollege ist ein Beispiel. Ein Genosse, der Internationalen Kommunist_innen erinnerte an den Kampf der Kaiser’s-Kassiererin Emmely, die nicht zufällig in der Einzelhandelsbranche mit ihren Kampf gegen die Kündigung wegen angeblicher Unterschlagung von Flaschenbonds Zeichen gesetzt hatte. Die Soziologin Ingrid Artus schrieb in einem Beitrag, dass der Kampf der „Emmelys dieser Welt“ unsere Solidarität braucht. Das sollte nun in dem ganz konkreten Fall umgesetzt werden.


- und den Kampf um ein solidarisches Netzwerk

Karl-Heinz Schubert von der Trend-Onlinezeitung formulierte die Notwendigkeit, ein solidarisches Netzwerk zu schaffen, um den kämpfenden Kollegen zu unterstützen.

Das Beispiel ist das Online-Magazin. Weil es einen Bericht von Kolleg_innen des Spätkauf-Beschäftigten abgdruckte, bekam Schubert als presserechtlich Verantwortlicher eine Abmahnung und sollte nicht nur den Artikel entfernen, die Autor_innen benennen sondern auch fast 800 Euro bezahlen. Dass sei eine besondere Form von Einschüchterung, betonte Schubert. Er ließ sich nicht einschüchtern und nahm auch den juristischen Kampf auf. Mittels einer Schutzschrift sicherte er sich ab und so konnte verhindert werden, dass der Artikel entfernt werden und damit der Kampf des Kollegen geschwächt würde. Auf Trend wurde mittlerweile ein Solidaritätsaufruf veröffentlicht . Auch am Roten Abend wurde ein kleiner Geldbetrag gesammelt. Dabei geht es nicht um die Unterstützung eines kritischen Internetmagazins sondern auch um die Solidarität mit dem Kollegen. Auch er wurde angezeigt, fühlte sich bei einem Besuch in der Nähe des Spätkaufs bedroht und braucht daher Unterstützung. Die Veranstaltung war daher der Startschuss einer Solidaritätskampagne, an der sich die FAU, die Internationalen Kommunist_innen, Kund_innen des Spätkaufs, Nachbar_innen in Friedrichshain, denen es nicht egal ist, wie die Arbeitsbedingungen in der Nachbarschaft sind, beteiligen. Das primäre Ziel ist die Solidarität mit den Kollegen bei der Durchsetzung seiner Lohnforderungen. Dass kann wiederum Kolleg_innen in ähnlicher Situation Mut machen, sich ebenfalls zu wehren.

Damit soll aber auch deutlich werden, dass es nicht um einen “bösen Chef“ sondern um kapitalistische Verwertung geht, die hier an einen konkreten Fall angegriffen wird. Es soll damit auch eine Organisierung im Stadtteil erreicht werden. Anders als bei Großbetrieben gibt es eben in Spätverkäufen keine solidarische Kolleg_innen,, die auch Druckmittel wie Streiks zur Durchsetzung ihrer Forderungen einsetzen können. Daher braucht es die Unterstützung aus der Nachbarschaft. In den USA gibt es dafür den Begriff des City-Organizing. Nun wird sich zeigen, ob in einem Stadtteil, wie Berlin-Friedrichshain, wo es viele linke Projekte, auch diese Unterstützung praktisch wird.

Ein Datum steht schon fest. Am 26. Oktober soll es um 18 Uhr in der Nähe der U-Bahn Samariterstraße eine Solidaritätskundgebung mit den Kollegen geben.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Text von Indymedia, wo er am 7.10.2011 erschien.