trend spezial: Berichte aus Kosova | redigiert von Max Brym

Die deutsche Botschaft in Prishtina fördert deutsche Kapitalinteressen

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onlinezeitung

Montag, 19. September 2011

Die Deutsche Botschaft in Kosovo, unter dem neuen Botschafter Dr. Ernst Reichel, ist nichts anderes als der Willensvollstrecker des deutschen Kapitals in Prishtina. Neben ein paar freundlichen Worten über Land und Leute auf der Homepage der Botschaft stößt man schnell auf knallharte ökonomische Interessen. Auf der Homepage der Botschaft ist zu lesen: „ Sie unterstützt deutsche Firmen, die nach Investitionsmöglichkeiten im  Land suchen, und bemüht sich um die Förderung von Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und kosovarischen Unternehmen. Dabei beobachtet und analysiert sie die wirtschaftliche Entwicklung Kosovos  und fördert die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Kosovo u.a. durch Wahrnehmung der Interessen deutscher Unternehmen auf dem hiesigen Markt.“

Was schätzt die deutsche Botschaft nun im BESONDEREN an der Wirtschaftspolitik der sogenannten Regierung Kosovas ?

Die Botschaft formuliert: „ Mittlerweile präsentiert sich Kosovo als offene Marktwirtschaft, wie es auch in Art. 10
der kosovarischen Verfassung festgeschrieben steht.“ In der Tat, dieser Artikel in der kosovarischen Verfassung spricht nur von der „Freiheit des Marktes“. Das Wort SOZIAL kann nicht entdeckt werden. Es gibt in Kosova  keine gesetzliche Arbeitslosenversicherung und keinerlei Krankenversicherung. An diesen Dingen ist die Botschaft, wie die kosovarische Regierung auch nicht interessiert. Die Botschaftsseite formuliert weiter: „ Von den rund 500 ursprünglichen genossenschaftlichen Betrieben („Socially-Owned Enterprises, SOE“) wurden bis heute über 300 durch die kosovarische Treuhandgesellschaft (Kosovo Trust Agency, 2002 unter Aufsicht von UNMIK eingerichtet) privatisiert, die nach der Unabhängigkeit der Republik Kosovo als Privatisierungsagentur Kosovo (PAK) in kosovarische Eigenverantwortung überführt wurde.“ Kein Wort über die hohe Arbeitslosenzahl. Die genannten Privatisierungen führten nach Gewerkschaftsangaben zum Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen. Selbstverständlich ist die Botschaft mit der billigen Verschleuderung von Volkseigentum, zum Nachteil der  Massen in Kosova einverstanden. Bedauerlich findet die Botschaft nur, dass der „Skiort Brezovica und der Trepca-Minenkomplex“ wegen ungelöster Eigentumsfragen noch nicht privatisiert werden konnte. Trepca war einst ein Gigant mit 29.000 Arbeitsplätzen. Trepca war bis 1989 der zweitgrößte Produzent von Chrom Nickel und Blei in Europa. Bedauerlich für die Botschaft, die Privatisierung von Trepca ist schwierig. In Wahrheit  muss Trepca in gesellschaftlicher Eigenregie im Interesse des Volkes und der Arbeiter reaktiviert werden.

Bravo Steuerpolitik

In eine wahre Jubelorgie bricht die Botschaft bezüglich der Steuerpolitik der kosovarischen Regierung aus. Es
ist zu lesen: „ Im Bereich der Reformpolitik hat die Regierung folgende Änderungen im Steuerbereich für 2009 durchgeführt: „Zum einen Reduzierung der Gewerbesteuer von 20% auf 10%, sowie die Reduzierung der drei Einkommensteuerstufen von jeweils 5, 10 und 20% auf 4, 8 und 10%. Zum anderen wurde die Mehrwertsteuer
um einen Punkt auf 16% erhöht und die Tabaksteuer von 17€/Kg auf 21€/Kg.“

Es ist bezeichnend ,die  steuerliche Entlastung von Unternehmen in gewerblicher und persönlicher Hinsicht zu bejubeln. Dem Investor oder dem Reichen wird gegeben dem Armen genommen. Dies besagt auch das positive
Hervorhebung der gestiegenen Verbrauchersteuern. Mit besonderem Stolz wird durch die Botschaft vermeldet::“ Deutschland ist damit innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner und insgesamt hinter der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Serbien an dritter Stelle gelegen. Der Ruf Deutschlands insgesamt und deutscher Markenprodukte ist in Kosovo sehr gut."Wer allerdings die deutschen Markenprodukte kaufen soll wird nicht vermeldet. Tatsache ist, in Kosova leben laut Weltbank 16% der Menschen in absoluter Armut und 36% in Armut. Dies bedeutet sie leben von 1 Euro bis 2 Euro am Tag. Die deutsche Wirtschaft investiert nur in wichtige Rohstoffbereiche oder in Call Center. Ein Call Center aus Deutschland ist momentan der größte " Arbeitgeber" in Prishtina Die Rohstoffe sind wertvoll und die Arbeitskräfte günstig. Niemand denkt jedoch daran, verarbeitende Wirtschaftsbereiche in Kosova zu entwickeln. Es geht dem deutschen Kapital um wertvolle Rohstoffe und um einfache Billigproduktion.

Quelle: Wirtschaftsübersicht Kosovo
 

Editorische Hinweise

Max Brym stellt in unregelmäßigen Abständen für TREND Nachrichten und Artikel zur Lage in Kosova zusammen. Max Brym hat eine eigene Homepage: http://www.a-i-z.net/maxbrym/ und ist Mitarbeiter bei "Kosova-aktuell".